„ Vertrauensmann" ohne Rechte
Das„ Arbeitsgesetz" des dritten Relches" enthüllt sich
dub. Berlin , 12. März. Amtlich wird mitgeteilt:
Im Hinblick auf die im März durchzuführende Bestellung der Vertrauensmänner sind die Durchführungsbestimmun gen zu dieser Frage von besonderer Wichtigkeit. Es ergibt sich aus ihnen in Verbindung mit dem Gesetz in den Grundzügen etwa folgende Reglung: Die Aufstellung der Liste der Vertrauensmänner hat von Führer des Betriebes im Einvernehmen mit dem Betriebszellenobmann des Betriebes also einem Angehörigen der Gefolgschaft, zu erfolgen.
Hat der Betrieb feinen Betriebsobmann, so ist die Aufstellung einer Lifte nicht möglich.
Es tritt nicht etwa an die Stelle des Betriebszellenobman nes des Betriebs eine außerbetriebliche Stelle der Betriebszellenorganisation. Es kann daher in diesem Falle lediglich die Berufung der Vertrauensmänner und ihrer Stellvertreter durch den Treuhänder der Arbeit erfolgen. Diese Berufung fommt ferner in Frage, wenn eine Einigung zwischen dem Führer des Betriebes und dem Betriebszellenobmann des Betriebes nicht zu erzielen ist oder aus sonstigen Gründen ein Vertrauensrat nicht zustandekommt. Die Berufung von Vertrauensmännern und Stellvertretern durch den Treuhänder der Arbeit ist in jedem Fall in sein Ermessen gestellt. Der Treuhänder der Arbeit kann also unter Umständen auch von der Berufung absehen. Der Betrieb bleibt in diesem Falle ohne Vertrauensrat.
-Der ,, Führer"
Die erforderlichen Vorschriften über den Führer des Betriebes sind bereits im Gefeß selbst getroffen.
Von der Aufstellung besonderer Voraussetzungen ist dabei anch hinsichtlich der Staatsangehörigkeit und der Rassenzuge: hörigkeit abgesehen worden.
Auch nichtarische Unternehmer können daher Führer des Betriebes sein. Das entspricht den wiederholten Verlautbarungen der Reichsreaierung, nach denen die Bestimmungen des Gesetzes über das Berufsbeamtentum für das Gebiet der Wirtschaft feine Anwendung finden.
Die Voraussetzungen, denen die Vertrauensmänner entsprechen müssen, hat das Gefeß in§ 8 bestimmt. Es ist dabet n. a. vorgesehen, daß sie der DAF. angehören müssen. Gegen Einsprüche über die Liste der Abstimmungsberechtigten entscheidet der Betriebsführer. Ein besonderer Einspruch gegen diese Entscheidung des Abstimmungsleiters ist nicht vorgesehen. Er kann nur im Zusammenhang mit einer Nachprüfung des gesamten Verfahrens nach Durchführung der Abstimmung unter den weiter unten besprochenen Voraussetzungen erfolgen.
,, Abstimmung"
Ergibt sich bei der Abstimmung für feine der als Ver: trauensmänner und Stellvertreter aufgestellten Personen eine Mehrheit, so kann der Treuhänder der Arbeit die Ver= tranensmänner und Stellvertreter in der erforderlichen Zahl berufen.
Die den Abstimmungsberechtigten gegebene Möglichkeit, einzelne Personen von der Liste der Vertrauensmänner und der Stellvertreter zu streichen, kann dazu führen, daß die Berücksichtigung der Angestellten oder die Berücksichtigung der Arbeiter im Vertrauensrat in einem offenbaren Mißverhältnis zur Zusammensetzung der Gefolgschaft stehen würde. Das gleiche Mißverhältnis in der Zusammensetzung des Vertrauensrates fann sich dadurch ergeben, daß bei Ausscheiden eines Angestellten aus dem Vertrauensrat der in der Reihenfolge der Liste an seine Stelle tretende Ersaßmann nicht gleichfalls Angestellter, sondern Arbeiter ist oder daß bei Ausscheiden eines Arbeiters als Erfaßmann ein Angestellter einrückt. Das Gesetz sieht daher vor, daß der Treuhänder der Arbeit zur Beseitigung eines offenbaren derarti gen Mißverhältnifies in der Rusammensetzung des Vertrauensrates auf Antrag des Führers des Betriebes einzelne Vertrauensmänner abberufen und durch andere Vertrauensmänner ersetzen fanu."
Die Zwangsjacko
Das sogenannte„ Gefeß zur Ordnung der nationalen Arbeit" enthüllt sich. Bei der ersten Veröffentlichung waren die Einzelheiten dieses Gesezes noch nicht genau zu erkennen. Es bestand zwar schon damals fein Zweifel über die Tat= sache, daß mit diesem Gesetz die völlige Zertrümmerung des
Giordani- Hof
Von G. E. Modigliant
Einer der großen Gemeindebauten des Roten Wien, das damals noch nicht vom Blut der Arbeiter rot war, trug den Namen Matteottihof. Heute heißt das Gebäude, das anläßlich des Internationalen Kongresses 1931 Gegenstand einer unvergeßlichen Kundgebung war, Giordani- Hof. Wer ist Giordani? Warum ist er eine Art Rivale des sozialisti schen Martyrers?
Geordani war ein Kriegsverletzter. Im Oftober 1920 wurde er auf einer Gegenliste gegen die Sozialisten zum Gemeinderat von Bologna gewählt. Die Sozialisten stellten bei weitem die Mehrheit. Giordani gehörte also der Minderheit an, aber sein bisheriges Verhalten, seine Zu gehörigkeit zur radikalen Partei, wenn wir nicht irren, seine persönliche Art bewirkten, daß er mit seinen Gegnern recht gut stand. Der Sieg der Sozialisten, die ihre seit einigen Jahren betriebene Kommunalpolitik fortjeßen wollten, sehr energisch die Steuergerechtigkeit vertraten und möglichst große Teile des Gemeindebodens und der Wohlfahrtseinrichtungen den bäuerlichen Organisationen zur Verfügung stellten, entfesselte die Wut der Großgrundbesitzer. Sie beschlossen, das Gemeindehaus am Tag der Neueinsetzung der neuen Gemeinderäte, Ende Oktober 1920, bewaffnet anzugreifen. Die Sozialisten stellten sich zum Kampi. Sie hatten nicht erfannt, daß sie in eine Falle geraten sollten da die Polizei und die Armee den Auftrag er halten hatte, den Angriff der Großgrundbesitzer zu unterstüßen An einem der letzten Oktobertage 1920, als anläß lich des Einzuges der neuen Gemeinderäte in das Gemeindehaus diese und der Play davor von Massen erfüllt waren, griffen die Großgrundbefizer an, stießen aber auf bewaffneten Widerstand. Es gab Tote, darunter Giordani, der aus nächster Nähe im Sigungssaal erschossen worden war. Selbstverständlich bejezten Polizei und Armee sehr rasch das Gemeindehaus. Die Falle hatte sich geschlossen. Belagerungszustand Auflösung der Arbeiterorganisationen und der roten Gemeindevertretungen in der Gegend usw. Es war der Beginn der faschistischen Gegenoffensive, obwohl Muffolini offiziell dieser Bewegung" seine 8ustimmung nicht erteilt hatte. Von allen Ereignissen dieses Tages war es die brutale und sinnlose Ermordung
Arbeitsrechtes vorgenommen wurde, aber anhand der brokfenweise herauskommenden Ausführungsbestimmungen läßt sich nun ziemlich klar überblicken, in was für eine Zwangsjacke fünftig der deutsche Arbeiter gesteckt wird.
Da sieht man zunächst, daß nur dort Vertrauensmänner der Betriebe gewählt werden können, wo Betriebszellenorganisationen der NSBO. bestehen, das heißt also, wo wenigstens ein Teil der Belegschaft nationalsozialistisch organisiert ist.
Ganz eindeutig werden damit in einem Gesetz die Arbeiter: schichten die nicht nationalsozialistisch organisiert sind, als Menschen zweiter Klasse degradiert. Vertrauensmänner, die nichtnationalsozialistisch organisiert sind, können überhaupt nicht gewählt werden.
Wir haben bereits beim Bekanntwerden des Gesetzes darauf hingewiesen, daß diese Vertrauensleute, die für den Unternehmer so eine Art geduldeten Stab darstellen sollen,
vollkommen bedeutungslos find. Wit welchem Zynismus aber die angebliche arbeiterfreundliche Regierung des drit ten Reiches an dieses Gesetz herangegangen ist, geht daraus hervor, daß auch alle Entscheidungen über die Wahl solcher Vertrauensleute in der Hand des Betriebsführers, das heißt des Unternehmers liegen. Die Wahl selbst wird also unter dem Einfluß des Arbeitgebers praktisch dann zur Bedentungslosigkeit verurteilt, wenn dem Herrn Chef das Ergebnis nicht gefällt.
Charakteristisch ist auch die Tatsache, daß man durch die Einschaltung von Sonderrechten für die Angestellten eine neue Klassenscheidung zwischen den Arbeitnehmergruppen ge= schaffen hat und unzweifelhaft den Angestellten wieder in jene unwürdige Rolle drängen will, die ihm zeitweise die Stellung des Pakaien eingebracht hat.
Es ist nur ein Teilabschnitt, der mit der obenstehenden Ver: ordnung aus dem neuen Gesetz bekannt wird, aber deutlicher lonnte das„ dritte Reich" sein wahres Gesicht nicht enthüllen.
beals
Zweimal freigesprochen!@
Versuchte Diffamierung eines Essener Beigeordneten
In einem großen Korruptionsprozeß gegen neun Angeklagte. in der Hauptsache frühere Eisener städtische Beamte, wurde heute von der Großen Straffammer in Essen nach vierzehntätiger Prozeßdauer das Urteil gefällt. Der frühere Verwaltungsdirektor der Essener Krantenanstalten, Kuhlmann, wurde wegen Lebensmittelfälschung, fortgefeßen Betrugs und Amtsunterschlagung zu einem Jahr Gefängnis, ein mit Kuhlmanns Straftaten in Zusammenhang stehender Essener Schlächtermeister zu 1 Jahr 6 Monaten Gefängnis verurteilt. Zwei weitere Angeklagte erhielten je 4 Monate, zwei andere je 3 Monate Gefängnis. Unter den beiden Freigesprochenen befindet sich auch der frühere. Essener Beigeordnete Dr. Meurer, der bekanntlich in einem größeren gegen ihn vor kurzem allein geführten Prozeß ebenfalls freigesprochen worden ist. In der Urteils begrü n= dung wurde angeführt, daß gegen Dr. Meurer, der in der Anklage gegen ihn vorgeworfene Verdacht des Fleischbezugs ohne Bezahlung vom städtischen Krankenhaus nicht mehr als begründet angesehen werden könne. Hitlers Spitzbuben
Der Reichskanzler läßt ein Arbeiterheim stehlen
Die Polizeidirektion Ludwigshafen hat durch Verfügung vom 12. vorigen Monats das gesamte Vermögen des Touri stenvereins„ Die Naturfreunde". Ortsgruppe Ludwigshafen , auf Grund des Reichsgesetzes über die Einziehung volksund staatsfeindlichen Vermögens zugunsten des Landes Bayern eingezogen. Die Einziehung erstreckt sich insbesondere auf das Naturfreundehaus in Elmstein und die Bootshausanlage in der Hafengasse usw.
Verbot christlicher Zeitungen
Das„ Evangelische Gemeindeblatt"( Kirchenzeitung für Ost preußen ) ist bis zum 24. März verboten worden. Auch eine Reihe fatholicher Blätter haben Verbote erhalten, so die " Ostdeutsche Morgenpost" bis zum 17. März, die" Hildesheimer Landespost" auf vier Wochen, die„ Tremonia". in Dortmund , die Westdeutsche Volkszeitung", die Wittener Volkszeitung", das„ Märkische Volksblatt", das" Lünener Volksblatt" und die" Castrop- Rauxeler Volkszeitung".
Die Tariflöhne sinken
.... und die Lebensmittel steigen
Im„ Angriff" des Herrn Reichspropagandaministers Dr. Göbbels vom 10. März 1934 finden wir folgende sorgfältig versteckt in der 4. Beilage tig versteckt in der 4. Beilage- ungemein aufschlußreiche Notiz:
Tariflöhne 1933/34
mit 78,4 Rpf. um 1,0 v, H. mit 68,1 Rpf, um 0,3 v. 5. mit 62,1 Rpf. um 1,1 v. H.
mit 51,6 Rpf. um 1,1 v. 5. mit 43,3 Rpf. um 0,5 v. H.
Im gewogenen Durchschnitt aller erfaßten Gewerbe lagen die Tariflöhne am 1. Januar 1984 für männliche Facharbeiter männliche angelernie Arbeiter männliche Hilfsarbeiter weibliche Fach- und angelernte Arbeiter weibliche Hilfsarbeiter unter den am 1. Januar 1933 gültigen Lohnsäzen. Wenn man sich durch die absichtlich in verwirrender Fülle hingestreuten Zahlen unbeirrt hindurchliest, findet man also: nach einem Jahr Hitlerherrschaft haben sich die deutschen Tariflöhne sogar laut Hitlerstatistik im Durchschnitt um ein volles Prozent gesenft.
In der gleichen Zeit sind aber die Lebenshaltungskosten im Reichsgebiet- ebenfalls nach den Angaben des Statistischen Reichsamtes in der offiziellen Zeitschrift Wirtschaft und Statistik" um 2,1 Prozent gestiegen, nämlich von InSerziffer 118,4 auf 120,9. Die reinen Ernährungskosten stie= gen sogar um 4,8 Prozent- weil die Großagrarier bekanntlich mit ihren alten Sechszylinder- Autos nicht mehr auskommen fönnen.
Also: im ersten Jahr von Hitlers Herrschaft sanken nach Hitlers Eingeständnis die Löhne um 1 Prozent, die Lebens
Giordanis, die in der Oeffentlichkeit die größte Erregung hervorrief.
Die gerichtliche Untersuchung über die Ereignisse, die mit größtem Eifer mehr als ein Jahr lang geführt wurde, hatte noch nicht zur Feststellung des Mörders Giordanis geführt, als ein wahrer Theater- Coup eintrat. Ein Berufsverbrecher in Bologna ersticht seine Geliebte und verbrennt die zerstückelte Leiche. Er wird verhaftet und gesteht. Kein zweifel: er war auch der Mörder Giordanis. Er selbst hatte es zugestanden. Nach dem Mord hatte er bei dem Priester einer kleinen Stadt in der Gegend Schuß gesucht. Während seiner Fahrt dorthin hatte er in der Eisenbahn alles erzählt. Sein Signalement stimmte genau mit der von mehreren Zeugen gegebenen Beschreibung des Mörders Giordanis überein. Dieser Verbrecher, den ich nur mit dem Anfangsbuchstaben seines Namens R. bezeichnen kann, da ich seines wirklichen Namens nicht sicher bin, war nicht ein gewöhnlicher Verbrecher, sondern bereits mehrmals rückfällig und ein odipibel, dessen sich die Polizei bereits früher bedient hatte, um zwischenfälle in roten Versammlungen herbeizuführen und andere ähnliche Aufträge durchzuführen. Die Sozialisten in Bologna verlangten daher unverzüglich eine weitere Untersuchung und R. wurde als Mörder Giordanis vor das Geschworenengericht gestellt. Man konnte unter anderem feststellen, daß die Polizei R. unmittelbar nach der Ermordung Giordanis beim Verlassen des Gemeindehauses verhaftet, ihn aber nach wenigen Stunden freigelassen und nicht mehr beunruhigt hatte, obwohl sie sowohl seine Erzählungen in der Eisenbahn als auch seinen Aufenthalt bei dem Pfarrer kannte, der während einiger Tage dem Mörder gezwungenermaßen Asyl gewährte.
Vor dem Schwurgericht traten als Entlastungszeugen ausschließlich Polizeibeamte auf, die alles taten, um den Mörder Giordinas freizubekommen. Da die Verhandlung fich in einer Amosphäre der Entspannung abspielte, in der es wiederholt zu Szenen allgemeiner Rührung fam, entschieden sich die Geschworenen dahin, daß der Mörder Giodanis nicht festgestellt sei, um so mehr als R. wegen der Ermordung seiner Geliebten bereits zu lebenslänglichem Zuchthaus verurteilt war.
Dennoch ließ der Prozeß feinen Zweifel bestehen, kaum selbst bei der Witwe der Ermordeten, die über erfolgreiche Verteidigung der anderen Angeklagten gerührt war.
haltungskosten aber stiegen um mehr als 2 Prozent. Wie groß mögen da Lohndruck und Teuerung erst in Wirklichkeit sein?
Und zur gleichen Zeit im Saargebiet? Hier haben leider die Stellen, die dazu im Stande wären, eine Gesamtübersicht nicht vorgelegt. Den vorliegenden Angaben der Handelskammer Saarbrücken läßt sich aber entnehmen, daß vom ersten bis dritten Vierteljahr die Bergarbeiterlöhne etwas gesun fen, die in der Eisenhüttenindustrie um ein geringes gestie= gen sind. Dagegen find im gesamten Saargebiet die Lebenshaltungskosten vom 1. Januar 1933 bis 1. Januar 1934 gesunken, nämlich von 522 auf 517; noch stärfer aber die Preise im Kleinhandel: von 519 auf 501.
Dies sind, schloß Landes, reine Inderzahlen, die mit dem absoluten Lebenshaltungsminimum nichts zu tun haben; es sind lediglich die auf Franken angerechneten deutschen Inderzahlen, die die Preise von 1913 mit der angenommenen Zahl 100 zugrundelegen.
In Hitler- Deutschland also fortdauernde Verschlechterung; im Saargebiet, wo immerhin die freien Gewerkschaften noch nicht gefnebelt sind, sondern noch ein Wort mitzureden haben, eine, wenn auch leichte Besserung. Die Lehre ist schlagend: wo der Arbeiter durch seine freigewählte Interessenvertretung etwas Einfluß auf die Wirtschaft besißt, vermag er seine- gewiß immer noch färgliche Lebenshaltung wenigstens zu behaupten und sogar leicht zu bessern. Unter der Herrschaft von Thyssen, Schmitt und Schacht gibt es nur eines: den Riemen enger schnallen.
Giordani war von dem Lockspizzel der Polizei ermordet worden. In Bologna weiß das heute noch jedes Kind. Auch Mussolini weiß es, ebenso wie noch viele andere Einzelheiten im Zusammenhang mit der Ermordung Giordanis. Anläßlich des Prozesses um die Ermordung Matteottis. über die Benito Mussolini gleichfalls sehr genau orientiert ist, erfuhr ich persönlich folgendes:
Filippo Turati hatte damals von einem Eisenbahner, der aus leicht verständlichen Gründen seinen Namen nicht angab, aber mitteilte, wie man mit ihm in Verbindung treten könnte, einen Brief erhalten. Anonyme Briefe stießen bei Turati auf Mißtrauen und so legte er auch diesen beiseite, ohne sich um ihn zu kümmern. Einige Zeit später konnte ich ihn lesen. Es war zu spät, um die darin enthaltenen Angaben zu benüßen. Aber seinen Inhalt habe ich nie vergeffen. Es war die ausführliche Darstellung der geheimen Beratung, die Mussolini in Bologna abbielt, um die blutigen Tage von 1920 vorzubereiten, darunter auch einen Akt, der geeignet wäre, die öffentliche Meinung gegen die Roten zur Empörung zu bringen. Die Ermordung Giordanis kann feinen anderen Sinn gehabt haben als diesen.
Turati hatte geglaubt, daß es sich um die Darstellung eines Narren handle. Ich hingegen hielt stets daran fest, daß der Brief die Wahrheit sagte. Zudem konnte man seither in Erfahrung bringen, daß noch zahlreiche andere Lockspizze! bei den Ereignissen in Bologna mitgewirft hatten.
Giordani war also das Opfer eines Mörders, den man als Faschist bezeichnen kann, selbst wenn die Faschisten offiziell" bei den Ereignissen in Bologna 1920 nicht mitgewirkt haben, die von den Großgrundbesißern und den Nationalisten mit der Helfershelferschaft der Regierung des Faschistenfreundes Giolitti vorbereitet und provoziert worden waren. Und am Grunde des Verbrechens ist die Hand Mussolinis zu finden. Für diejenigen, die ihn näher kennen, ist es nicht überraschend, daß er, im letzten Grunde der Verantwortliche der Bluttage in Wien , verlangt hat, daß an die Stelle des Namens Matteotti der eines anderen seiner Opfer trete, das er auf das Schuldkonto der Sozialisten seßen will. Wie muß er gelacht haben, als er vorschrieb, der Matteottihof ſollte künftig Giordanihof heißen. Aber wenn auch der Name geändert ist, so erfennt man doch auf der Stirnwand des Wiener Gebäudes das gleiche Urteil über die faschisti=
schen Verbrecher, die sich des Abschaums der Menschheit
bedienen.