Der Schäfer von Oranienburg
1242
9 33
Die braune Hölle enthüllt sich selbst
1241
9.XII 33
Die Gesichter, die die obenstehenden Bilder zeigen, werden vielen unseren Lesern aus früheren Zeiten be kannt sein. Die Abgebildeten sind die früheren sozial demokratischen Reichstagsabgeordneten Ernst Heilmann , Franz Künstler, Friedrich Ebert und Gerhard Seger. Aufgenommen sind die Bilder in dem berüchtigten Konzen trationslager von Oranienburg und entnommen sind sie dem 250 Seiten. starken Buch„ Konzentrationslager Oranienburg " von SA.- Sturmbannführer Schäfer, dem Kommandanten dieses Lagers.
Heilmann, Künstler, Ebert und Seger sind alle vier alte Kriegsteilnehmer und im Felde verwundet. Gegen keinen von ihnen war eine gerichtliche Anklage erhoben worden. Daß sich gegen sie kein Staatsanwalt fand, wie gegen die Zentrumsmänner Esser, Hirtsiefer und selbst Dessauer, ist ein Beweis dafür, wie wenig selbst die Justiz des dritten Reiches" imstande war, ihnen am Zeuge zu flicken. Den noch haben diese Männer den Weg nach der Hölle des Ronzentrationslagers antreten müssen, und wie es ihnen dort ergangen ist, das sagen besser als alle Worte die Bilder selbst. Wir, die wir jahrzehntelang ihre Freunde gewesen sind, fragen uns entfeßt und erschüttert, welche Leiden die Züge dieser uns wohlvertrauten Gesichter so verändert haben mögen!
Wenn nun der Lagerkommandant Schäfer ein Buch erscheinen läßt, in dem er die Bilder seiner Opfer in solcher Aufmachung zeigt, so enthüllt er damit die grauenhafte Zustände, die im ,, dritten Reich" herrschen, viel wirksamer, als es irgendeine angebliche„ Greuelpropaganda" vermag. Diese Bilder zeigen, was sich heute in Deutschland Menschen gefallen lassen müssen, denen nichts anderes vorzuwerfen ist, als daß sie eine andere politische Gesinnung hatten als der SA.- Sturmbannführer Schäfer.
190
2 2. 3 3
Gerhard Seger
1268
3.XI.33.
Franz Künstler
Dennoch wird jeder Leser des Schäferchen Buches sich sagen müssen, daß es hundertmal ehrenvoller ist, als Gefangener im Konzentrationslager zu sein, als die Gesinnung des Herrn Schäfer zu teilen. Zeigt doch jede Zeile des Buches, daß der Sturmbannführer Schäfer ein cusgepichter Schurke ist, der den Mangel jeglicher Fähigkeit durch einen Ueberfluß vorschriftsmäßiger Gesinnung auszugleichen versucht, der selbst zum Lügen zu dumm ist und die Gemeinheit seiner Denkart aus jeder Zeile hervorleuchten läßt. Was für ein Dummkopf muß dieser Mensch sein, der beispielsweise sich von Engländern, die das Lager besichtigt haben, Wohlverhaltungszeugnisse ausstellen läßt, die mit den Worten Heil Hitler " schließen!
Schäfer leugnet einfach alles. Dabei wird für ihn die gelungene Flucht Segers und seine Schrift über Oranien burg besonders fatal. Natürlich leugnet er die Ermordung des Arbeiters Hermann Ha gendorf und des Arbeiters Sens aus Zerbst . Lagerärztliche Zeugnisse und Zeugnisse von Gefangenen stehen ihm in jeder gewünschten Quantität und Qualität zur Verfügung. Die Polemik des Lager kommandanten gegen seinen ehemaligen Häftling muß man wenigstens in einer Probe mörtlich genießen:
„ Gerade noch zur rechten Zeit eröffnete Seger seinen Kampf gegen Oranienburg und gegen sein ehemaliges deutsches Vaterland.( Oranienburg und deutsches Baterland sind für Schäfer offenbar dasselbe. Red. der D. F.) Noch einmal beschäftigt dieser unsaubere sozialdemokratische Skribent die Presse des Auslandes und bestätigt, wie unrecht mir hatten, als wir diesen Gesinnungslumpen so anständig behandelten, wie das in jedem anderen Lande mit derartigen vaterlandslosen Gesellen nicht geschehen wäre. Dieser Vor
Kann man sich danach vorstellen, wie es Seger ergehen würde, wenn er noch einmal in die Hände Schäfers und seiner Spießgesellen fiele?
Aber Seger ist nicht mißhandelt worden, Heil. mann ist nicht mißhandelt worden, keiner ist mißhandelt worden, versichert Schäfer. Der Einzelarrest ist eine höchst humane Angelegenheit, und Essensentzug gibt es am Tage höchstens einmal. Wie besonders gut aber gerade Heilmann es gehabt haben muß, das ergibt sich nicht bloß aus den tobsüchtigen Schimpfereien des Verfassers über ihn, sondern auch aus der folgenden Darstellung: " Heilmann gab uns keine Veranlassung, ihn in Einzelhaft zu nehmen. Dazu fehlte ihm einmal der Mut und zum anderen Male der Charakter. Als die Prominenten" vor der Sanitätsstube angetreten standen, um gewogen zu werden,
"
versuchte Heilmann den kranken Mann zu spielen. Er schwankte auffällig und versuchte dadurch den Eindruck zu erwecken, als ließen ihn seine Kräfte im Stich. Diese Rolle man kann nur von einer Rolle sprechen spielte er aber derartig dilettantisch, daß selbst ein Laie das Spiel durchschauen mußte und siehe da, als er angerufen wurde, er solle stillstehen, da stand Heilmann nicht nur still, sondern legte, ohne daß es von ihm besonders verlangt worden wäre, wie ein zur Ordnung gerufener Rekrut seine Mittelfinger an die Hosennaht. Wenn bei Drohung der Ohnmacht allein ein Anruf genügen sollte, um das förperliche Gleichgewicht im Augenblick wieder herzustellen, dann glaube ich sollte das hinreichender Beweis für ausgesprochene Simulation sein."
Was war der offenbare Tatbestand? Heilmann war infolge der erlittenen Mißhandlung so schwach, daß er sich kaum mehr auf den Beinen halten konnte. Ein Feldwebelgebrüll, das sich gegen ihn erhob, trieb ihn an, sich noch einmal zusammenzuraffen. Wie es ihm ergangen wäre, wenn er seine„ Simulation" bis zum Hinfinken gesteigert hätte, darüber kann nach der Darstellung Schäfers selbst gar kein Zweifel bestehen. Heilmann bemühte sich, keine Veranlassung zu Disziplinarstrafen zu geben. Dazu fehlte ihm, wie Schäfer so schön und objektiv sagt,„ einmal der Mut und zum anderen Mal der Charakter".
Darum raffte er sich in seiner Verzweiflung noch einmal auf und stand da„ wie ein zur Ordnung gerufener Rekrut". Wir wünschen aufrichtig, daß das Buch Schäfers recht viel Leser finden möge. Wenn sie richtig zu lesen verstehen, so werden sie das Buch aus der Hand legen mit dem Gefühl des Entsetzens und der Scham über die deutschen Zustände von heute. Wollten sie anderen Zeugnissen nicht Glauben schenken, sie würden es aus diesem erfahren: Es gibt in Deutschland eine Hölle, die heißt wurf trifft uns SA.- Führer und SA.- Männer im Lager Oranienburg und einen Teufel in Menschengestalt, Oranienburg vollberechtigt." der sie regiert, der heißt Sturmbannführer Schäfer.
Terror ohne Ende
Die Erpressungen aer ,, deutschen Front" an der Saar
Die
Volksstimme" berichtet:
Front" beitreten würde, so könne er, wie in jedem Jahre, fofort wieder Arbeit bekommen. Dabei sagte Malermeister Schwarz zu seinem langjährigen Arbeiter noch ungefähr dies: " Sie wissen, die Lage spigt sich hier immer mehr zu, es fommt bald 1935 und dann kommen wir zurück zum Reiche."
Wir könnten an jedem Tage die Spalten unseres Blattes nur mehr damit füllen, daß wir in ungezählten Fällen den Nachweis dafür erbringen, wie von seiten der deutschen Front" recht luftig weiter geworben wird. Wir haben bereits ausführlich dargetan, daß wir selbst auf alle Eide, Versiche= rungen und Beteuerungen der deutschen Front" feinen Deut geben. Es muß jemand schon unverzeihlich dumm sein, wenn er nicht längst fapiert hat, daß dieses Verhalten der „ deutschen Front" fein Novum darstellt, daß vielmehr die Göbbelssche Lügenwalze nunmehr auch erstmals im Saargebiet abzulaufen begonnen hat. Nicht so sehr verständlich Emigrant aber ist es, daß die Regierungsfommission des Saargebietes, bie boch in einem Bölkerbundslande
souverän ist, derartige neudeutsche Methoden seitens der deutschen Front"( lies: Nationalsozialistische Partei des Saargebietes) überhaupt nur im kleinsten anwenden läßt.
Wir begnügen uns auch heute wieder damit, nur einige eflatante Beweise für die von uns nach wie vor aufrechterhaltene Behauptung:
" Die deutsche Front" erpreßt weiter!"
zu erbringen.
-
In Bildstock ist, wie uns heute von unbedingt zuverläffiger Seite mitgeteilt wird, am Freitag, dem 9., und Samstag, dem 10. März 1934, von Werbern der deutschen Front" auch weiterhin von Haus zu Haus um Aufnahmen in die deutsche Front" geworben worden. Dabei ist unter üblichen Drohungen auf das Jahr 1935 ber jatt sam bekannte Druck auf die ohnehin schon seelisch stark deprimierte Bevölkerung ausgeübt worden.-
In Sulzbach wurde ebenfalls am Freitag, dem 9., und Samstag, dem 10. März 1934( also ganz planmäßig und bezirksmeife!) eine Werbung von Haus zu Haus für die deutsche Front" durchgeführt, wobei ebenfalls von„ freiwilligen" Aufnahmen doch nicht gut gesprochen werden kann. Vielmehr wurde auch in Sulzbach in der übelsten Art und Weise die Einwohnerschaft unter Drud und Terror gesetzt.
,, Wenn Sie sich umstellen...'
66
Bei dem Malermeister Schwarz, Saarbrücken . Schloß berg 8, war ein Arbeiter im 9. Jahre beschäftigt. Er muß also schon mehr als Genügendes geleistet haben, und er hat dies auch. Daß er Antifaschist ist, daraus hat er nie ein Hehl gemacht. Selbstverständlich hat er während der Arbeit nie politifiert. Im Malerhandwerk ist es üblich, daß den Winter über nicht viel zu tun ist, weshalb die Arbeiter in diesen Monaten stempeln gehen müssen. Es muß aber festgestellt werden, daß unser Arbeiter in all den Jahren der Letzte war, der entlassen wurde und daß er auch stets der Erste war, der zum Frühjahr wieder eingestellt worden ist. Als nun vor einigen Tagen dieser Arbeiter. wie in jedem Jahre, bei feinem Meister vorstellig wurde, um sich zu erfundigen, wann die Arbeit beginnen würde, mußte er gewahr werden, daß bereits nöllig neue Arbeitsfräfte dort eingestellt worden sind. Der Malermeister zögerte diesmal mit der Einstellung unseres Arbeiters. Auf die Frage, ob er denn irgend etwas gegen ihn oder seine Arbeit einzuwenden habe, verneinte dies zwar Herr Schwarz, sagte aber unserem Arheiter etwa folgendes:
Wenn Sie sich umstellen, dann soll es mir recht sein!" Das sollte also beißen, wenn dieser Arbeiter der deutschen
Gibt es noch einen Zweifel, daß der Malermeister Schwarz diesen Arbeiter nur deshalb nicht eingestellt hat, weil er nicht „ freiwillig" der deutschen Front" beigetreten ist?!
über die Saargrenze verschleppt Spitzel der Gestapo
Wieder ein Terroraft reichsdeutscher Nazis auf faarländischem Boden. Aus Erbach ( Saar ) wurde in der Nacht von Samstag auf Sonntag ein Emigrant von einem Nazispiel bei Homburg ( Saar ) über die Grenze gelockt und ins Reich
entführt. Es handelt sich um den Polizeiagenten Seim aus Pirmasens , der in der besagten Nacht nach Erbach fam und einen ihm bekannten früher in Pirmasens wohnenden Emigranten suchte. Er erklärte, in Bruchhof ein Motorrad stehen zu haben, zu dem er noch heute zurück müsse, und bat den Emigranten, ihm den Weg zu zeigen, da er sich nicht ausfenne. Dies geschah. Kurz vor der reichsdeutschen Grenze rief der Nazi laut um Hilfe, worauf eine Menge SA.- Leute aus dem Dunkel auftauchten, über den Emigranten herfielen und ihn über die Grenze schleppten.
In Erbach soll zwischen den Landjägern und den in Bruchhof stationierten Agenten der Gestapo ein freundschaftlicher Verkehr bestehen.
Politische Bluttat in Saarbrücken
In Saarbrücken ereignete sich am Mittwochnachmittag eine were Bluttat mit politischem Hintergrund. Ein Antifaschist namens Hahn wurde von dem Deutschfrontler Künzer angerempelt. Es fam daraufhin zu Handgreiflichkeiten, in deren Verlauf der Vater des Künzer dem Hahn ein langes Brotmesser mehrfach in die Brust stach. Mit dem gleichen Messer stach dann auch noch der junge Künzer auf Hahn los, der blutüberströmt zusammenbrach. Er wurde ins Krankenhaus eingeliefert und ringt mit dem Tode.
Unter allen..Umständen" w
So wird das Feld vorbereitet
Der„ Petit Parifien" übergibt der Oeffentlichkeit eine Broschüre mit den bisher noch unveröffentlichten Instruf tionen des deutschen Propagandaministeriums für die Propaganda im Ausland. Es handelt sich um die wortgetreue Uebersetzung der großen Geheimdokumente, die das große französische Blatt vor einigen Monaten bereits in Auszügen befanntgab. Albert Julien, der Herausgeber dieser Broschüre, bemerkt in der Einleitung, daß es sich um die Anweisungen des Ministeriums des Herrn Göbbels an die Auslandsagenten handelt. Für die Authentizität der Dokumente wird garantiert.
Unter diesen Dokumenten befindet sich auch ein Abschnitt über die Saarfrage. Unter der Rubrik" Themata, deren sofortige Behandlung dringend erwünscht ist", werden genaue Anweisungen für die Behandlung der Saarfrage in der Def fentlichkeit gegeben.
Zunächst wird festgestellt, daß die häufigere Behandlung dieses Themas immer bedeutsamer wird, je näher die Zeit der Abstimmung heranrückt." Dann heißt es weiter:
Es wird also zu einer Abstimmungskampagne kommen, bei der auf deutscher Seite feine Möglichkeit ungenügt bleis ben wird.
Da die legte Entscheidung über die künftige politische Zus gehörigkeit des Saarlandes noch nicht durch die zweifellos für Deutschland günstige Abstimmung selbst herbeigeführt werden wird, sondern, da in letter Instanz dem Völkerbund gewissermaßen die Interpretation des Abstimmungsergeb nisses überlassen bleibt, muß vor der eigentlichen Abstims mungskampagne eine weitgehende Aufklärung der öffents mungskampagne eine weitgehende Aufklärung der öffents
lichen Weltmeinung einsehen, damit die an dieser Frage an sich nicht interessierten, aber indirekt zur Mitentscheidung berufenen Mitgliedsstaaten der Liga in einem Deutschland günstigen Sinne beeinflußt werden.
Die Grund: Disposition aller Veröffentlichungen über das " Saarproblem" muß stets die sein, daß es für Deutschland tein Saarproblem gibt. Das Saarland muß unter allen Umständen an Deutschland zurückfallen.
Besonders betont wird dann noch, daß„ Frankreich die Hand zu einer freundschaftlichen Reglung der Saarfrage, wie sie von Deutschland vorgeschlagen sei, nach Lage der Dinge nicht bieten werde." Ferner wird gewünscht, bei den Veröffentlichungen in Sachen Saarfragen besonders hervorzuheben, daß eine Bereitwilligkeit" Frankreichs , Deutschland entgegenzukommen, seit 1919 nie bestanden habe und daß sich selbst der Verständigungspolitiker Stresemann völlig vergeblich um eine vorzeitige Reglung der Saarfrage bemüht habe. Diese Säße sind bezeichnend für die doppelzüngige Demagogie Göbbelscher Propaganda: Auf der einen Seite wird der Völkerbund als„ leste Instanz für die Interpretation des Abstimmungsergebnisses" genannt, andererseits wird erflärt, daß nur die Böswilligkeit Frankreichs eine freundschaftliche Reglung der Saarfrage verhindere. Daß Frank reich tatsächlich in der Saarfrage ohne den Völkerbund nicht entscheiden kann, wird wohlweislich verschwiegen.
Denn die Göbbelsschen Instruktionen find nicht dazu da, der Wahrheit zu dienen, sondern eine Heße zu schüren, die Herr Göbbels über die ganze Welt verbreiten möchte.