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Himmelblauer Traum
Das Ende einer Zeitungsidee
Es war einmal die ,, Frankfurter Zeitung ". Eine Zeitung, die noch mehr hatte als Gesinnung: Sauberkeit und Grazie des Stils, Mitarbeiter, nach strengstem Ausleseverfahren gewählt, ein Feuilleton, wofür das Beste kaum gut genug war. Es war die Zeit der Redakteure, die nur eine Verantwortung kannten: diejenige vor dem geistigen Besity und dem Kulturerbe der Nation.
Diese Redakteure sind zum Teil noch da. Aber der Begriff der Verantwortung hat sich verschoben. Ihr Gefühl für Qualität hat neue Maßstäbe erhalten, weil sich jeder nach den Gleichschaltungsmaximen richten muß, die der Vertrag zur Erhaltung seiner Existenz im Reiche der braunen Zensoren aufgerichtet hat. Das gilt für jede kleine Notiz im Feuilleton. Aber mit verdoppelter Durchschlagskraft für den Roman, den die ,, Frankfurter Zeitung " sich einstmals unter den Angeboten der besten deutschen Autoren aussuchen konnte.
Heute? Man hat einen Mann namens Otto Bernhard Wendler mit seinem Roman ,, Himmelblauer Traum eines Mannes" entdeckt. Wir haben nichts gegen unbekannte Leute; schließlich sind alle eines Tages jäh aus dem Schatten emporgetaucht ins helle Land des Ruhms. Aber dieser Otto Bernhard Wendler geben wir einige Proben seiner schriftstellerischen Leistung:
Fräulein Inge wird nicht die Seine
Frau Romay, die Witwe des Briefträgers Egon Romay vom Postamt NW 8, riß mit einem Lächeln die Stubentur
auf und polierte schnell mit dem Wischtuch die Stühle blank. ,, Nehmen Sie doch Platz, Herr Kapitän!"
Der Kapitän winkte höflichst ab, er gab durch eine zweite Handbewegung zu verstehen, daß er gern mit Inge allein sein wollte. Frau Romay knickste und verschwand, warf aber draußen Ohr und Busen gegen die Tür.
,, Ich komme noch einmal, Fräulein Inge. Unten wartet mein Auto. Lassen Sie uns zusammen ins Glück fahren. I ch will Ihnen die Welt zu Füßenlegen. Paris wartet auf uns, Budapest , Rom , Venedig . Lassen Sie mich in einer Gondel zu Ihren Füßen sigen. Gestatten Sie mir, in der Sonne des Südens um Sie zu werben. Mein Schloß bei Madrid wartet auf seine Herrin."
,, Ich kann nicht, Herr Kapitän."
,, Ist Vergessen denn so schwer, Fräulein Inge?"
Ja."
Sonntag- Montag, den 18. und 19. März 1934
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Rosenstrauch bei solchem Sang den ersten Himmel der Liebe durchschritten. Ein vornehmer Mann war der Kapitän, nie aufdringlich, obwohl seine Augen sie manchmal wie Flammen verzehrten. Eines Tages war er gekommen und hatte ihr mitgeteilt, daß Jack nach Sibirien geflohen wäre, geflohen vor ihr, geflohen vor dem Kinde, das sie unter dem Herzen trug, geflohen und dann verunglückt bei einer Jagd auf Eisbären. Sie konnte es nicht glauben, sie konnte es einfach nicht glauben.
Das Mädchen erschien wieder und hing die Kleider aus den Koffern in die Schränke, sie half Inge beim Ankleiden. Inge wählte ein hellblaues Kleid, es wehte in der leichten Luft, die Haut schimmerte durch das zarte Gewebe, die weißen Zähne lockten hinter dem dunkelroten Mund, ein Lächeln hing sie über ihr Gesicht, aber hinter den Augen dunkelten die Tränen, als sie durch die Halle schritt.
Siegheil statt meckern Professor Kahrstedt sagt ab Bei einer Feier der Universität Göttingen hielt der Alt historiker Professor Kahrstedt eine Rede, in der er nach dem ,, Göttinger Tageblatt " wörtlich erklärte:
,, Was die deutsche Intelligenz, die deutschen Hoch schulen, die deutschen Gelehrten tun sollen? Sie sollen nicht meckern! Was ist Meckern? Meckern ist nicht, wenn man, wie im Falle, daß sich der SA.- Mann Krause daneben benimmt, laut sagt, der SA.- Mann Krause be. nimmt sich daneben... Meckern ist, wenn man 1923 liest, Schlageter ist erschossen worden, und dann ohne Störung seines seelischen Behagens frühstückt, und wenn man 1933 mit allen Zeichen psychischer Depression herumschleicht, weil in einem jüdischen Geschäft eine Schaufensterscheibe asinsgr eingeschlagen worden ist...
Wir sagen ab der internationalen Wissenschaft, wir sagen ab der internationalen Gelehrtenrepublik, wir sagen ab der Forschung um Forschung willen... Siegheil! Siegheil! Siegheil!"
Der Kapitän war aufgesprungen und kam ihr entgegen, Forschung willen absagt und sich mit einem Siegheil in den
er küẞte ihre Hand, die Hand brannte.
,, Ein Wunder und ein Märchen sind Inge!"
Der Kapitän versucht es noch einmal ,, Er liebt Sie nicht so wie ich!" Ooh!"
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Inge lächelte unter Tränen. Was wußte der Kapitän von Jack, was wußten die feinen Leute von der
Liebe der Armen.
,, Erhören Sie mich, Inge! Schenken Sie mir eine Nacht!" Was fällt Ihnen ein!"
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Regungslos in der Ecke stand der Chauffeur.
,, Ich werde verrückt, wenn Sie so kalt bleiben, Inge! Die schönsten Frauen der Welt haben mich erhört!"
,, So gehen Sie zu Ihren schönen Frauen!" ,, Verzeihen Sie, Inge. Ich habe mich vergessen." Bitte."
Regungslos in der Ecke des Speisesaals stand der Chauffeur.
In der Nacht tanzten sie in allen Bars der Weltstadt, tranken Wein zwischen Apachen, Negern und Frauen des Lasters. Amerikanische Milliardäre hockten neben ihnen auf
Den Althistoriker Kahrstedt , der der Forschung um der Urwald neudeutscher Barbarei zurückzieht, macht den Hitler deutschen niemand nach!
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Geschichtsfälschung für Schüler
Dürrs Vaterländische Bücherei, Leipzig , gibt soeben eins Sammlung von Heften zur Erziehung der deutschen Schuljugend heraus. In Heft 2, das den Titel ,, Adolf Hitler " trägt, lesen wir:„ Der Jude will nur Zwiespalt ins Volk säen, will Haß und völkische Selbstzerfleischung, weil starke, einige Völker der von ihm angestrebten Weltherrschaft hindernd im Wege stehen. Die Schöpfer der Klassenkampflehre waren die Juden Ferdinand Lassalle und Karl Marx . Nach dem letzteren nennt man diese Lehre ,, Marxismus "." Auf Seite 15 heißt es: Was tuts, daß der Führer unter Eid die strenge Gesetzmäßigkeit seiner Bewegung erklärt? Was tuts, daß die musterhafte Disziplin der SA. und SS. von jedem ehrlichen, unparteiischen Zeugen bewundert wird!? Die Judenpresse ist eben weder ehrlich noch unparteiisch, aber die Judenpresse macht die öffentliche Meinung"."
Lassalle, weil Jude, wird fälschlich genannt. Friedrich Engels , weil Arier", wird verschwiegen. Das ist NaziGeschichtsunterricht". 520 PE
Sie werden ihn bestimmt nie wiedersehen, Ihren Jack! Er den Barstühlen, bewundernde Blicke liefen zu Inge, sie Heil, Kaiser Adolf, Die!
hat Sie längst vergessen."
,, Das ist nicht wahr!"
,, Er liegt in dieser Stunde bestimmt in den Armen einer schönen Kaukasierin, Fräulein Inge!"
,, Sie sind gemein!"
,, Ich bitte Sie!"
,, Sie sind ein Schuft! Verlassen Sie das Zimmer! I ch werde nie und nimmer die Ihre werden!" ,, Ihr letztes Wort?"
Ja!"
,, Es tut mir leid. Ich habe die Ehre."
Der Kapitän vergaß die Verbeugung, zornig stieß er die Tür auf, knallte eine faustgroße Beule an den Kopf der horchenden Frau Romay, stürzte die Treppe hinunter, die Hupe des Autos rief noch einmal scharf, dann riß der Motor den hellblauen Wagen in sein Höllentempo hinein und verschwand bei Mollenjustav um die Ecke.
Sie liebte Jack
*
Aufschluch zend warf sie sich auf die Couch. Nachtigallen sangen im Park, hatte der Portier gesagt, und nie würde sie vergessen, daß sie einst mit Jack unter einem
suchte die Melodie.
,, Sie machen mich wahnsinnig!" dios
Inge lachte, der Geiger fing dies Lachen auf, riß es hoch in eine wilde Melodie, während sein Rücken krumm wurde. aus Anbetung. Auch er sah nicht, daß hinter Inges Augen die Tränen dunkelten. Regungslos wartete am Ausgang der Chauffeur.
,, Sie sollen meine Frau werden, Inge!" ,, Ich kann nicht!"
,, Wir heiraten morgen!" ,, Aber nein!"
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Sie fuhren zum Hotel, der Kapitän verabschiedete sich. ,, Ich werde immer um Sie werben, Inge!"
Diese Stücke stammen aus zwei Fortsetzungen des Romans. Wir wissen nicht, ob der Kapitän sich weiter um Inge bemüht, ob er ihren Rat befolgt, zu anderen schönen Frauen zu gehen.
Himmelblau ist Inge, schwarz vor Lastern der Kapitän, braun die Grundtönung der Katastrophe einer deutschen Zeitung. a. h.
Filmschlacht gegen Juden
Nach Elisabeth Bergner Franziska Gaal
Der deutsche Botschafter v. Hoesch hat den britischen Außenminister Sir John Simon besucht und ihm den Wunsch der deutschen Regierung übermittelt, daß England nicht Filme nach Deutschland sende, die dazu angetan wären, ,, Unruhe" in das deutsche Publikum zu tragen, wie dies z. B. bei dem Film ,, Katharina die Große " mit Elisabeth Bergner in der Titelrolle der Fall war. Sir John Simon lehnte jede Einmischung der englischen Regierung in die Frage des Filmexports ab, da dies ihre Kompetenz überschritte.
Inzwischen wird die Rolle des Reichspropagandaministers Dr. Göbbels und die des außenpolitischen Leiters der NSDAP . Dr. Alfred Rosenberg anläßlich der Demonstrationen gegen den Bergner- Film und des darauffolgenden Verbots gespielt haben. Dr. Göbbels hat zunächst den BergnerFilm zugelassen, weil eine Ablehnung in England einen üblen Eindruck hervorgerufen hätte. Gleichzeitig aber gab er den Erlaẞ heraus, in dem Theaterdirektoren und Filmunternehmungen nochmals vor der Beschäftigung jüdischer Künstler gewarnt wurden. Dies wurde als Signal an die Nationalsozialisten aufgefaßt, wie sie sich gegen jüdische Film- und Bühnenkünstler zu benehmen hätten. Gleichzeitig hat das Göbbels - Organ ,, Der Angriff" scharfe Heartikel gegen Elisabeth Bergner und andere jüdische Künstler und Künstlerinnen, die ,, sich wieder in Deutschland einzuschleichen versuchen", veröffentlicht. Während der Aufführung des Bergner- Films tobte draußen ein SA.- Sturm, der im Sprechchor rief: ,, Hinaus mit der Jüdin! Wir wollen keine Juden sehen!" Es wurden auch nicht wiederzugebende Ausrufe ausgestoßen. Prompt folgte dann das Verbot, das nun von der nationalsozialistischen Presse als mutige Tat der nationalBozialistischen Regierung gerühmt wird.
Unter der Ueberschrift ,, Warnende Zeichen" nimmt nun der außenpolitische Chef der NSDAP . Alfred Rosen berg, der vom Reichskanzler Hitler mit der weltanschaulichen Schulung und Führung des ,, dritten Reichs" beauftragt wurde, zur Frage der Beschäftigung jüdischer Künstler in Deutschland wie folgt Stellung:
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Wir müssen gestehen, daß der Versuch, ausgewanderte
Juden, namentlich die verkümmerte Bergner, erneut in Berlin zu produzieren und ihnen in Deutschland wieder zu Beschäftigung zu verhelfen, einen unkünstlerischen Versuch darstellt, gegen den wir uns besonders wenden, weil er nicht mehr einen Einzelfall darstellt...
Der Fall der Jüdin Bergner zeigt das systematische Be mühen, nun auf einem Umwege den ganzen alten Kur fürstendamm intellektuell und künstlerisch wieder in
Berlin seẞhaft zu machen. Es besteht ferner ein eifriges Bestreben, Theaterstücke unter einem Decknamen in Deutschland herauszubringen, wobei der Verfasser in Wien oder Prag sitzt und auf einen nur zu gut bekannten jüdischen Namen hört... Hier gilt es, doppelte Wachsamkeit zu entfalten. Der Nationalsozialismus sieht sich nicht in der Lage, von seiner Kulturanschauung irgend etwas zu streichen, sondern er wird im Gegenteil dafür sorgen, daß auch sein weltanschauliches Ideal nicht verfälscht, sondern kämpferisch hindurchgetragen wird in eine geläuterte Zukunft." Im Zusammenhang mit dem Fall Bergner haben das Reichsfinanzministerium und das Reichspropagandaministe. rium eine neue Durchführungsverordnung zum Lichtspielgesets erlassen, dergemäß nur Filme zugelassen werden, die vom Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda als ,, deutsche Filme" anerkannt sind. Diese Bescheinigung erhalten nur Filme, bei deren Herstellung keine Juden mitgewirkt haben. Dies gilt uneingeschränkt für inländische Filme. Im Ausland hergestellte Filme bedürfen, bevor sie aufgeführt werden, einer Unbedenklichkeitserklärung des Reichspropagandaministeriums.
Nachdem es nun gelungen ist, die Reichsfilmkammer zum Verbot des Bergner- Films zu veranlassen, sind bereits Be. strebungen im Gange, ähnliche Fälle zu entfesseln. Die nationalsozialistischen Zeitungen machen nun gegen die hervorragende ungarisch - jüdische Filmdiva Franziska Gaal Stimmung, deren neuester Film Früchtchen" in den Ufa - Theatern gespielt wird,
Jabl
Adolf Hitler , Du rettest das deutsche Reich Ing Dir kam bis heute noch keiner gleich. Gott hat Dir die Macht gegeben, Uns zu führen durchs schwere Leben.be
Als Sonne deutschen Lebens kamst Du Und schafftest Ordnung und Frieden und Ruh! Du gabst uns Arbeit, gabst uns Brot, Sonst ständen wir heut' noch in großer Not.
Du brauner Kämpfer, Du edler Held,
Du einmal Einziger dieser Welt!
Du kämpftest treu, hart und gerecht
Für gleiche Freiheit und gleiches Recht!
Dir wollen wir helfen im Kampf und Streit,
Dir schwören wir Treue für alle Zeit! Der Himmel segne Dein Wirken hier. Heil Adolf Hitler , Dir!
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Marli Mager( 12 Jahre) im ,, Westdeutschen Beobachter" oll be
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Einen Lehrauftrag für russische und ukrainische Sprache an der Universität Münster erhielt der ehemalige Dozent an der Kiewer Universität ,, Professor Oswald Burghardt . Münster ist damit die erste deutsche Universität mit einem besonderen Lektor für die ukrainische Sprache,
Nicht mehr zeitgemäß
Die Stadt Coburg , die ihren Schutheiligen, den Anführef der Thebäischen Legion Mauritius , mit dem Erzstift Magde burg, mit Lauenburg und auch mit der Infanterie teilt, führt in ihrem Wappen einen Mohrenkopf, weil der Heilige auc als Mohr dargestellt wird. Dieses Symbol wird heute nicht mehr als zeitgemäß empfunden, und die Stadt hat daher einen Wettbewerb, allerdings ohne Preise, zur Schaffung eines neuen Wappens ausgeschrieben.
Druckerei im Flugzeug
Die Sowjet- Regierung läßt gegenwärtig ein nach der Dichter Maxim Gorki benanntes Riesenflugzeug bauen, da mit acht Motoren in einer Gesamtstärke von 6400 PS aus gerüstet wird und nur der Propaganda dienen soll. Zu diesem Zweck wird einer der elf Räume als Druckerei eingerichtet, in der man während des Fluges eine Luftzeitung drucken will.
In Rom wird am 3. April der 2. internationale Montessori Kongreß zur Behandlung von Fragen der Psychologie und der Erziehung des Kindes eröffnet. Die Tagung ist von der Internationalen Montessori- Gesellschaft und dem italienischen Montessori - Werk veranstaltet und wird von Dr. Maria Montessori selbst geleitet.dades midis si
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Die Universität der von Deutschen gegründeten Stadt Dorpat ( Estland ) hat beschlossen, als Bezeichnung der Stadt nur noch den estnischen Namen„ Tartu " zuzulassen. Die bisher teilweise übliche Führung des deutschen Namens Dorpat " auf amtlichen Schriftstücken und Briefköpfen der Universitätsinstitutionen wird dementsprechend auch neben der Bezeichnung Tartu " nicht mehr gestattet.
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