Deutsche Freiheit Rummer KS
Das bunte Matt
Freitag, de» 28. März 1934
Binder imbefreiten" Wien  
Was hat uns am meisten ergriffen von den sozialen Er- rungenschaften der roten Metropole, wenn wir in den letzten Iahren Gelegenheit des Beobachtens hatten? Bauten gut. die hatten wir aber auch in Britz   und auf der Veddel, in Magdeburg   und Altona  . Bäder, billige Bahnen- gewiß. Ergriffen Hot uns zumeist, wenn wir vernahmen, bah in Wien   kein Kind geboren wurde, für das die Gemeinde nicht aufkam, wenn wir sahen, wie für die Jugend gesorgt wurde in Krippen, Schulen, Sportplätzen, bei den Kinderfreunden. Soweit waren wir nie. Es gab in der ganzen Welt viele i'eute, die sich über die Breitnersteuern entrüsteten. Aber Breitner und seine Freunde hatten ein deutliches, die härtesten Argumente zerschmelzendes Ergebnis ihrer Arbeit für sich: die Jugend des roten Wien  . Die Stadt war arm. Beinahe jeder zweite Bater war umd ist arbeitslos. Und doch sahen die Wiener   Kinder gut aus. blühte die Jugend körper- lich und geistig. Das war die Arbeit einer sozialistischen  Gemeindeverwaltung von 1919 bis 1934, die dies Wunder zustande gebracht hatte. Wer kennt nicht den glühenden Tporteifer, die Allgemeinheit der Teilnahme am Sport und Turnen, die wunderbare» künstlerischen Ergebnisse freien Schulschaffens, z. B. der Jugewdkunstklasie Cizeks, die Un- befangenheit und schöne Selbstgewißheit der Jugend dort! Die Schule Glöckels hatte sie gelehrt» mit offenen Augen das Leben der Welt zu sehen und Stellung zu nehmen. Des- wegen zittert auch das Erlebnis des Fabruar in ungezählten Tränen der Kinder nach. Deswegen war die Schlacht, die der Schutzbund verloren, die Schlecht, die die Kinder der Stadt verloren. *; Montag, den 19. Februar,.muhten die Wiener   Volks-, Haupt- und Mittellschüler die Kirchen füllen. Der Bundes- kommissar Schmitz hatte einen S^ihnegottesdienst angeordnet, der mit der Bundeschymne ib^re Melodie, die alte Kaiser- Hymne, ist so bekannt und verhobt wie ihr Text unbekannt und gleichgültig ist geschlo-ssen wurde. Die Wiener  
Kinder haben nun in den letzten Jahren manches schlecht gelernt, z. B. Beten und das Singen der Bundeshymne. Mancher Vater muhte seinen Sprößling erst mit den Ele- menten der Schmitzschen Schulreform vertraut machen. Wir hörten:Geh ja nit stageln lSchule schwänzen), geh ja in die Kirch!"Wenn ich schon in die Kirch gehn muh, so bei ich doch für die Schutzbündler." Die Kinder sind überall Oppo- sition. Sie sind der Widerhall des unterirdischen roten Wien  , gegen das der Dollfuß machtlos bleibt. Die Mädel sagen:Die Gedanken sind frei das ist unser bestes Lied." Eine meint:Meinen Vater haben sie hinausgeschmissen, weil er beim Schutzbund war, aber deswegen bleiben wir doch Sozi." * Herr Schuschnigg   hat verordnet, daß alle Kinder ein vaterländisches Abzeichen" kaufen und tragen sollen. Der Erlaß gilt nicht für die Hochschulen, an die traut sich der wackere Herr nicht. Nun tragen verständlicherweise die Kinder der öffentlichen Angestellten dies Zeichen. Der Vater hat gesagt:Ich werde doch nicht blöd sein." Arbeiterkinder aber erklären:Wir tragen keine Abzeichen der Leute, die den Bater entlassen und den Weiss! erhängt haben!" Nur zehn Prozent der Kinder erscheinen trotz Druck durch die Lehrer mit dem verhaßten Abzeichen. * Auch in den Mittelschulen ist die Opposition gegen dies Ab- zeichen allgemein. In den Unterrichtsstunden der Professoren, die als freiwillige Patrioten bekannt sind, trägt die ganze Klasse die Plakette. Bei nur erzwungenem Patriotismus der Lehrer sind alle Knopflöcher leer. Die Mädel tragen oft die Abzeichen bis zum Unterrichtsschluh, sie nehmen es dann ab, um es anzuspucken. Viele Lehrer und Lehrerinnen tragen das Abzeichen mit Grimm, manchem preßte der Zwang Tränen ab. Die Regierung ist verhaßt. Es ist eine Regie- rung gegen die Jugend, für die ärgste kulturelle Finsternis und Unfreiheit. R.
Geschichten aus Amerika  
Ruhm Die Harrisons sind eine berühmte Familie in den USA  . Sowohl Wilhelm Heirry Harrison war Präsident(1841) als auch sein Enkel Benjarnin Harrison(1889). Der sehr ehr- geizige Benjamin fragte einmal ungehalten seinen Bater, den politisch ziemlich bedeutungslosen Kongreßabgeordneten John Scott Harrison:Dein Vater und ich, wir haben es zu etwas gebracht. Aber was hast du für deine Familie ge- tan? Was bist du schon?" John Scott zuckte hie Achseln und antwortete philosophisch: Ich bin der Sohn eines großen Vaters und der Vater ^ eines großen Sohnes." Die Antwort Für jeden Aankee war es gleich nach dem Sezessionskrieg ein gewagtes Stück, Wahlreben in den Südstaaten zu halten. Die meisten gingen mit Keilerei, oft auch mit Revolver- knallen auseinander. Aber Alexander H. Stephens   war nicht ängstlich, er verfügte zwar nicht über eine schlagfertige Faust, aber über einen schlagfertigen Witz. Er ist mitten im besten Reden, da brüllt ein alter Sezessio- nist in seine Rede:Du bist nichts als ein verdammter Aankee. Ich könnte so einen Kerl wie dich fressen!" Gewöhnlich war ein solch rauher Zwischenruf das Zeichen für die beginnende Keilerei, aber Stephens lächelte nur freundlich und rief dem Zwlschenrufer zu:Würdest du das wahr machen, so hättest du mehr Hirn im Magen, als je- mals im Kops!" Die Versammlung brüllte vor Vergnügen und Stephens konnte ungestört weiterreden.
Roch eine Antwort A. B. Farauhar, der spätere Vizepräsident der amerikani- schen Handelskammer, hat nur ein einziges Mal versucht, in einer Arbeiterversammlung für die Republikanische Partei  zu werben. Mit beredten Worten führte er aus, daß der Arbeiter für die Republikaner stimmen müsse, wenn er höhere Löhne haben wolle. Aber man rief ihm zu:Wenn Tie überzeugt wären, daß die Republikaner   daraus aus sind, unsere Löhne zu erhöhen, dann würden Sie selbst für die Demokraten stimmen!" Der Anwalt Daniel Webster  , im vorigen Jahrhundert eine der popu- lärsten Gestalten Amerikas  , war ein ebenso leidenschaftlicher Redner wie Alkoholfreund. Tausend Anekdoten sind über ihn im Umlauf. Aber diese ist die schönste: Als Anwalt in Neujersey hatte er während der ganzen Verhandlung apathisch vor sich hingedämmert, aber als er das Wort zur Schlußansprache an die Geschworenen erhält, scheint sein Alkoholrausch wie weggeblasen. Er spricht glänzend, seine Beredsamkeit ist hinreißend. Die Ge- schworenen können sich seinen Argumenten nicht entziehen. Mit Entsetzen bemerken es seine Freunde, denn er hatte leider vergessen, welche Partei er vertrat und warb mit aller Kunst, die ihm zur Verfügung stand, für die Sache des Gegners. Seine Freunde zerren ihm am Rockzipfel, machen krampfhafte Anstrengungen, um ihn aus seinen Irrtum auf- merksam zu machen. Aber einmal in Fluß, läßt Webster sich nicht mehr stören. Als er geendet hat und sich befriedigt niedersetzen will.
empfängt er von seinem wütenden Klienten einen derben Stoß. Und mit einem Male scheint Webster zum Bewußt- sein zu kommen, was er angerichtet hat, wendet sich, ohne nur eine Miene zu verziehen, von neuem an die Jury und sagt: So, meine Herren Geschworenen, ich glaube, ich habe Ihnen -jetzt alles und, wie Sie zugeben werden, sehr eindringlich vorgetragen, was sich für die Sache der Gegenseite sagen läßt, und jetzt werde ich Ihnen beweisen, daß nicht das geringste an alledem ist." Sprachs und begann das eben aufgerichtete Beweisgebäude ebenso kunstvoll wieder einzureißen uud ge- wann schließlich doch den Prozeß. Ford inkognito Auf einer Fahrt nach Kanada   begegnet Henry Ford   einem andern Auto, das eine Panne hat. Vergebens müht sich der Besitzer, den Schaden zu reparieren und winkt den vorbei- fahrenden, wie immer sehr einfach gekleideten Automobil- könig zum Beistand heran. Ford zieht seinen Rock aus, kriecht unter den Wagen und behebt den Schaden. Hoch erfreut will ihm der andere einen Dollar Trinkgeld geben.Danke," lehnt Ford ab,ich brauche Ihren Dollar nicht, ich habe selbst Geld." Zweifelnd betrachtet ihn der andere:Sie haben selbst Geld?" Ja, haufenweise!" lachte der Autokönig. Das verstehe ich nicht," sagt der andere,wenn Sie Geld haben, warum fahren Sie dann einen Ford?" Die Enttäuschung Drei Jahre lang glaubte Amerika  , mit dem verstorbenen John Pierpont Morgan   sen. sei der reichste Mann der Welt dahingegangen. Hunderte von Millionen, ja Dollarmil- liarden schrieb man ihm zu. Bis dann der pedantisch maoe Abrechnungsbericht der Steuerbehörde erschien. Danach besaß der Geheimnisvolle erstens nur schäbige 78 Millionen, und davon gingen noch 9 Millionen Dollar Schulden ab. Aber was Amerika   am meisten empörte, war eine unbezahlte Rechnung über sechs Dollar, die man unter John Pierponts Papieren fand: Er hatte nicht einmal die sechs Dollar für den Schlppphut, den er zuletzt bei Dunlap in Neuyork gekauft hatte, reell bezahlt!
Gin prähistorisches Ei Der amerikanische   ForschungSreisende und Archäologe Roy Chapman Andrews   hat bei seinen Forschungsreisen m der Wüste Gobi   ein Lager von Eiern gefunden, die aus der vorhistorischen Zeit stammen. Und zwar behauptet Chapman, daß es sich bei diesem fossilen Fund um die Eier eines Dino- sauriers handle. Eines dieser Eier hat der Forscher seinem Freunde, dem berühmten Filmschauspieler John Barrymore  , geschenkt, der es nun als Kostbarkeit in einer Glasvitrine aufbewahrt. Natürlich sind Jobn Barrymore und sein Mil- lionen Jahre altes Ei zur Zeit das Tagesgespräch von Hollywood  , und die Filmautoren überlegen schon, wie sie diesen unausgebrüteten Dinosaurier zu einem Filmstoff verarbeiten können. sne wollte Mutter spielen Eine kleines Mädchen von zwölf Jahren fand in einer Vorstadt von Madrid   des Abends einen unbewachten Kinder- wagen. Eine ganze Nacht zog das Mädel mit ihrem Kinderwagen und dem darin befindlichen Baby durch die Straßen. Sowohl die Eltern des Mädchens,.als auch die Mutter des Babys alarmierten die Polizei, der es erst am nächsten Morgen gelang, die Ausreißerin in einer Park- anlage von Madrid   aufzugreifen. Weinend erklärte das Kind, es habe nur Mama spielen wollen, wie es bisher immer mit seinen Puppen getan habe. Andenken an trockene Tage Amerikanische   Beamte an der kanadischen Grenze machten dieser Tage einen seltsamen Fund: In einer Höhle nahe der Grenze entdeckten sie ein Riesen-Warenlager von Spiri- tuosen, für die sich kein Besitzer anfand. Es wird behauptet, daß dies ein Bersteck des von Konkurrenzbanben ermordeten Alkohol-Königs Jack Diamond gewesen sei, das so geheim- gehalten wurde, daß nach seinem Tode keiner mehr den Weg zu dem verborgenen Schatze fand.
Haschischtraum
Wohlan." sprach der Sultan zu seinem Haschischesser in den allerfernsten Ländern, die gerade noch den Namen Bagdad   kennen,wohlan, träume mir nun von Berlin  ." Und der Haschischesser verneigte sich tief und ließ sich kreuzbeinig am Boden nieder, auf einem Purpurkissen, bestickt mit goldenem Mohn, neben eine Elfenbeinschale, worin das Haschisch lag. Und da er reichlich von dem Haschisch gegessen hatte, blinzelte er siebenmal und sprach also: O Freund Gottes, wisse denn, daß Berlin   die er- sehnteste Stadt ist von allen Städten der Erde. Seine Häuser, sind von Zedern- und Ebenholz, gedeckt mit feinen Kupferplatten, die die Hand der Zeit grün färbt. Sie haben goldene Balkons, mit Amethysten verziert, wo sie sitzen und den Sonnenuntergang betrachten. Spielleute stehlen sich in der Dämmerung leise längs der Wege hin. unhörbar gleiten ihre Füße auf dem weißen Seesand, mit dem die Wege bestreut sind, und in der Dunkelheit schlagen sie Zimbeln und Saitenspiele. Dann hebt ein Raunen an auf den Balkons zum Preise ihrer Kunst. Armspangen fliegen ihnen zu. als Lohn und goldene Halsketten und gar Perlen. Wahrlich, die Stadt ist schön. Neben den Sandwegen läuft ein alabasterner Steig, eingefaßt von Lampen aus Chrysoprasen, die die ganze Nacht in grünem Licht er- strahlen! die Lampen der Balkons aber sind von Amethyst. Wahrlich, von vielen Städten habe ich geträumt, aber von keiner schöneren; durch vieler Metropolen Marmor- tore hat mich das Haschisch geführt, aber Berlin   ist sein tiefstes Geheimnis, das letzte aller Tore: die Elfenbein- schale hat nichts Wunderbareres zu künden. In der ersehnten Stadt, in Berlin  , sind alle Kamele leuchtendweiß. Außerordentlich ist die Behendigkeit ihrer
schnellen Pferde, kleine Silberglocken über den Köpfen, und Elfenbeinwagen ziehen jene sandbestreuten Wege ent- lang. O Freund Gottes, wenn du ihre Kaufleute er- blicktest! Die Pracht ihrer Kleider am Mittag! Nicht weniger leuchtend sind sie als die Schmetterlinge, die in ihren Straßen flattern. Sie tragen grüne Mäntel und azurne Gewänder, auf denen riesige Purpurblumen lodern, die Arbeit von Meisternadeln: der Kelch der Blumen ist golden und die Blütenblätter sind scharlachrot. Alle ihre Hüte sind schwarz(Nein, nein!" rief der Sultan), doch grüne Federn schweben darauf, und Lilien sind rings um die Krempen gesteckt. Sie haben einen Fluß, der geheißen ist die Spree: auf ihm gleiten kleine Schiffe mit violetten Segeln. Im Hafen liegen die großen Schiffe, die Weihrauch bringen für die Räucherfässer, so die Straßen mit Duft erfüllen: neue Lieder, eingetauscht gegen Gold von fremden Stämmen: Silbererz für die Standbilder ihrer Helden: Goldbarren. Altane zu erbauen, auf denen ihre Frauen träumen: große Saphire, ihre Dichter zu belohnen; Wunderdinge aus alten Städten und fremden Ländern, Sehnsuchtswünsche der Bewohner jener Inseln. Smaragde, Diamanten und des Meeres Schätze. Und wenn ein Schiff in den Hafen läuft und seine violetten Segel einzieht und die Zeitung von seiner Ankunft sich über Berlin   verbreitet, dann strömen alle Kaufleute zum Meer, um Waren zu tauschen, und den ganzen Tag über jagen die Wagen durch die Straßen. In der ersehnten Stadt aber, in Berlin  , liegt der weiße Seesand, von dem die ganze Stadt schimmert, so hoch auf den Wegen, daß sich kein Laut erhebt von der Bahn der Wagenlenker. Sie fahren leise wie ein leichter Seewind hinab zum Hafen, wo die großen Schiffe liegen und die Waren eingebracht werden vom Meer: hin zu den wunder- baren Dingen, so die Matrosen bei den hohen Schiffen zeigen, und des Abends fahren sie schnell und doch ganz leise wieder in ihr Heim zurück.
O. ich wünsche nur, daß der Großmütige diese Dinge gleichfalls sehen könnte, sehen könnte die Schmuckhändler, wie sie feilschen bei den Schiffen, wenn die Fässer mit Smaragden heraufkommen aus des Schiffes Bauch. Oder daß er dort mitten auf den Wegen die Springbrunnen in Silberbecken sehen könnte. Ich habe kleine Türme auf den Ebenholzhäusern erblickt, ganz aus Gold, und Vögel stolzieren auf den Kupferdächern von Turm zu Turm, die an Pracht nicht ihresgleichen haben in allen Wäldern der Welt. Und so tief blaut der Himmel über Berlin  , der ersehnten Stadt, daß sein Blau allein dem Reisenden das Ziel und glückliche Ende seiner Fahrt kündet. Und bei keiner Farbe des Himmels herrscht allzu große Hitze in Berlin  , denn längs der Wege weht immer ein linder Wind vom Süden her und bringt der Stadt Kühle. Solches, o Freund Gottes, ist wahrhaft die Stadt Be.nn. Sie liegt fern auf der andern Seite von Bagdad  , und ebenbürtig an Schönheit und Vortrefflichkeit ist ihr k"ine von allen Städten der Erde oder Städten der Dichtung. Und nicht anders, als ich erzählt habe, leben Berlins   glückliche Bürger, denn keiner ist unglücklich oder kann je klagen. In ihren Herzen: ersinnen sie die schönsten Dinge und an der Schönheit ihres eigenen Werkes, das Jahr um Hahr sie blühender umgibt, begeistern sie sich, schönere Dinge noch zu schaffen." Und ist ihre Regierung gut?" fragte der Sultan. Sie i st unermeßlich gut," antwortete der Haschischesser und fiel rücklings zu Boden. Und es wurden beneidet in jen e m Palast, in den Ländern weit hinter Bagdad  , alle, dieinBerlinwohnen. Nack dem englischen Schriftsteller Duulautz von Karl.Sturm.