Das ist die Justiz an der Saar

100 Franken Geldstrafe und ein Freispruch für offene Aufforderung zum Mord

Saarbrücken  , 22. März 1934. Am 13. Januar dieses Jahres erschien in der national fozialistischen Zeitschrift Der Vorposten" folgender Artikel:

Dieser Verräter( gemeint ist Max Braun  ) an der deutschen   Sache hat es gewagt, am Tage der Niederwald­fundgebung in Neunkirchen   eine Gegendemonstration aufzuziehen. Wir fönnen Braun bescheinigen, wenn nicht irgendwelche Klauseln im Vertrag beständen, so zum Bei­spiel das Recht, franzöfifche Truppen ins Saargebiet zu rufen, wenn die Polizei nicht mehr Garant der öffent­lichen Sicherheit und Ordnung ist, die Selbst justiz des Saarvoltes wäre schon längst in Aktion getreten. Das mag von den in diesem Falle maßgebenden Stellen als Aufforderung zum politischen Mord ausgelegt werden oder nicht. Das Urteil über die Separatisten ist von der deutschen   Saarbevölkerung gefällt. Derartige Saboteure müssen aus­gerottet werden wie Ratten. Da gibt es aber auch nicht die geringste Schonung! Volksgenossen, wißt Ihr noch, wie vor zehn Jahren schon einmal unsere Brüder, nur wenige Kilometer von uns entfernt, der Separatistenbrut ein rasches, aber defi­nitives Ende gemacht haben?... Wir werden die auto­nome Brut in Stücke schlagen und fein Pardon geben. Mit uns ist nur der Sieg, auch wenn wir unser Leben daran geben müssen."

Verfasser: Helmut Bohlmann, Saarbrücken  , ver­antwortlicher Redakteur des Vorpostens": Theo Schlem­mer, Saarbrücken  . In dem Artikel wird mit zynischer Offenheit zum Mord gegen den Führer der deutschen   Freis heitsfront, Mag Braun, wie gegen alle nichtgleich geschalteten Saarländer   aufgefordert. Der Vorposten"

ist von der Regierungskommission verboten worden. Vor­gestern standen die verantwortlichen Nationalsozialisten Bohlmann und Schlemmer vor dem Saarbrücker   Gericht. Und das Resultat?

Theo Schlemmer wurde zu 100 Franken Geldstrafe verurteilt und der Verfasser des Mordartikels, der Nationalsozialist Bohlmann, ist.... freigesprochen worden. Niemand hatte erwartet, daß die saarländischen Richter die beiden Nationalsozialisten sehr hart bestrafen würden. Ein Vergleich der Urteile gegen Nichtgleichgeschaltete mit denen gegen Nationalsozialisten an der Saar   vermittelt jedem objektiven Beobachter ein klares Bild über die jaarländische Rechtsprechung.

Das Ergebnis dieses Prozesses wirkt schlechthin alarmierend.

Die intellektuellen Urheber des Terrors im politischen Leben an der Saar   werden mit Glanz freigesprochen.

Bei aller Objektivität der Betrachtung stellen wir fest. daß die Methoden der Rechtsprechung im dritten Reich" bereits auf das Saargebiet übertragen werden. Dort sind die Mörder von Botempa frei, kein Richter wagt sie an­zutasten. Niemand zieht im Reiche Hitlers   die SA  .. und SS.  - Leute zur Verantwortung, die den politischen Gegner mißhandelten oder mordeten.

Und im Saargebiet? Da endet die unglaublichste und zynischste Morddrohung für den Verfasser des Artikels mit einem Freispruch. Wundert es jemanden, daß kein aufrechter deutscher   Saarländer   mehr an Recht und Ge­rechtigkeit glaubt?

Antisemitismus in der Schweiz  

Prozesse gegen judenicindliche Pamphlete

( 3TA.) Ein Zürcher   Rechtsanwalt hat vor einigen Monaten bei der Zürcher   Staatsanwaltschaft den Heraus­geber der Zeitschrift" Der Eidgenosse"( Kampsblatt der Schweizer   Nationalsozialistischen   Partei), Theodor Fischer  , wegen eines Artikels verklagt, in welchem u. a. gesagt war: " Indentum sei organisiertes Verbrechertum". Ajuda müsse sterben"," die Völker müssen sich dieses Verbrechertums ent= ledigen" usw. Der Kläger   begründete seine Klage damit, daß er sich als Jude durch diesen Artikel in seiner Sicherheit bedroht fühle, und stützte seine Klage auf Art. 91 des Schweizer   Strafgesetzbuches.

In einer nunmehr herausgegebenen Verfügung hat die Zürcher   Staatsanwaltschaft diese Klage abgelehnt. Es kann nicht verfannt werden heißt es in der Verfügung, daß alle diese unflätigen Angriffe im Intereffe des Rechtsfriedens eines strafrechtlichen Schuzes bedürfen, aber es geht zu weit, von Bedrohung im Sinne des Art. 91 des Strafgesetzbuches zu sprechen. Es set fraglich, ob der läger zur Klage legiti miert sei, d. h. ob die Drohung gegen seine Person gerichtet war und ob sie vom Standpunkt des Rechtes der

freien Rede rechtswidrig sei. Die Bejahung dieser Fragen erscheine nicht gerechtfertigt. Anders wäre die Lage, wenn die Drohung speziell gegen den Kläger gerichtet gewesen wäre, aber das war nirgends der Fall. Die Staatsanwaltschaft verfügte daher: 1. Die Untersuchung einzustellen; 2. die Kosten von der Staatskasse tragen zu lassen; 3. dem An­geschuldigten, d. h. dem Herausgeber der antisemitischen Zeit schrift, feine Entschädigung zuzusprechen..

Der obige Entscheid der Zürcher   Staatsanwaltschaft hat insofern eine prinzipielle Bedeutung, als in Basel   und Bern  Prozesse noch schweben, die von den dortigen jüdischen Ge­meinden gegen die Herausgeber und Verbreiter verschiedener antisemitischer Schriften, insbesondere des Pamphletes der Weisen von Zion" angestrengt wurden. Die dortigen Klagen haben zwar einen anderen Charakter, aber sie gründen sich ebenfalls auf dem Prinzip der Kollektivbeleidigung. Die Verfügung der Zürcher   Staatsanwaltschaft kann zu der An­nahme führen, daß infolge des Mangels entsprechender Gefeßesvorschriften in der Schweiz   Klagen auf Kollektiv­beleidigung keine Aussicht auf Erfolg haben.

Holländische Urteile über Deutschland  

Wir entnehmen aus der Post Scripta" der Haagschen schrift: Jus est jus". Jeder weiß, daß jus Recht bedeutet, Post die folgenden Abschnitte:

Dem Juden geschieht nichts!

,, Nicht nur jüdisches Blut in den Adern des Mannes ver­drängt ihn aus seinem Amte. Es genügt schon, wenn seine Gattin eine nicht- arische Großmutter hat. Man schnüffelt jezt auch unter den Bankiers, die man bisher noch in Ruhe gelaffen hatte. Schließlich wird noch berichtet, daß man allen deutschen   Juden, die nicht beweisen können, daß ihre Ahnen schon 1812 in Deutschland   gewohnt haben, ihre hauptsäch lichsten Bürgerrechte nehmen wird. Die Jagd ist also wieder einmal eröffnet. Selbst der Handelsboykott tritt hier und da wieder in Erscheinung. Es ist sehr deutlich, daß diese Bewegung aus den Reihen der SA. kommt, und daß sie dem Zwecke dienen muß, die SA.   wieder einmal zufrieden zu stellen."

Es gärt!

Was aus dem Ständestaat wird, will Hitler   erst mal ab­warten. Man will feine erzwungenen Kartelle und feine er­zwungenen Preisreglungen. Das ist alles außergewöhnlich richtig und vernünftig und wir fönnen jedes Wort davon anerkennen, aber es ist fein Nationalsozia= lismus. Das Betriebsleben wird in zwölf Zweige ge= teilt und jeder Zweig erhält einen Diktator. Das ist wohl faschistisch, aber wahrscheinlich nicht von großer Bedeutung. Das Programm läßt dem wenig Spielraum. Außerdem sollen die Diktatoren vorläufig aus den Leitern der großen Betriebe gewählt werden und feine" echten" Nationalsozia­listen sein. Denn das hat Minister Schmidt wirklich ge= sagt Deutschland   hat vortreffliche alte Bahnbrecher für die nationalsozialistische Idee und vortreffliche wirtschaft­liche Führer, aber es sind nicht dieselben Leute. Das hat Minister Schmidt, der indirekt auch die agrarische Autarkie verleugnete, alles gesagt, ohne in ein Konzentrationslager zu tommen. Hitler   ist sein Schußengel. Wird es dadurch nicht begreiflich, daß man allerhand tun mußte, um die SA.  - Leute ruhia zu halten? Wenn es bloß glückt!"

Jus est jus

Ein sehr befannter holländischer Journalist schreibt in der Saagschen Post über die Scheidungen der arisch- jüdischen Ehen u. a. folgendes:

Das Urteil der Gerichte lautet etwa so:

" Man ist sich heute bewußt, daß die jüdische Raise von der arischen abweicht hinsichtlich Blut, Charakter, Persönlichkeit und Gedankenleben und daß eine Verbindung mit einem Mitglied dieser Rasse nicht allein unerwünscht ist, sondern auch verkehrt, unnatürlich und sogar widernatürlich, weil fie den Arier der Gefahr aussett, seine Raffe zu perderben und fremde Kinder zu zeugen."

Was die Motive des Ehescheidungsurteils des bewußten deutschen   Berichtes betrifft, so find fie wert, in einem Aurio­fitätenmuseum aufgenommen zu werden, mit der Ueber­

aber auch gleichzeitig das lateinische Wort für Suppe ist." Deutschland   annektiert Rembrandt  

Wir entnehmen aus" De Nieuwe Rotterdamsch e Courant":

,, Deutsche Freiheit"

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Pfälzischer Bauernbrief

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Erbhofgesetz Lausbubendemonstration in der Kirche

Man schreibt uns:

Auf dem Lande treten die unangenehmen Begleiterschei nungen des Erbhofgeiebes immer stärker hervor. So stellte sich z. B. jetzt bei den Holzversteigerungen heraus, daß jogar die Staatsforstverwaltung keinem Erbhofbefizer Kredit gewährte. Es wurde gleich verkündigt, daß diese Aus­erwählten bar bezahlen müssen.

Ein durch das Erbhofgesetz Geschädigter erfundigte sich bei einem maßgebenden Beamten, was er machen könnte. Dieser zuckte die Achseln und sagte: Ich würde einem Erbhofbesitzer noch nicht für einen Hufnagel Kredit gewähren." Die Ent­rüstung über die durch verschiedene Maßnahmen herbei­geführte Schlechterstellung der Bauernschaft wird immer

Als Beispiel für die Erschütterung der kirchlichen Autorität fet noch auf folgenden Fall hingewiesen: Der Pfarrer von Binningen   erlaubte sich die Bestrafung eines Hitlerjungen, weil er infolge der Inanspruchnahme durch die Hitlerjugend seine firchlichen Pflichten vernachlässigte. Der Junge be­schwerte sich bei der Nazileitung, was eine Demonstration gegen den Pfarrer in der Kirche zur Folge hatte mit der Absicht, ihn zu einer Handlung zu provozieren, die einen Vorwand zur Verhaftung abgeben konnte. Die Jungens stellten sich mit dem Hintern gegen den Altar. Der Pfarrer mahnte unter Hinweis auf die kirchliche Würde und appel­lierte in erster Linie an die katholische Jugend, während er die Protestanten aufforderte, die Kirche zu verlassen. Die Provokation wurde fortgesetzt in der Erwartung, daß ent­weder eine Züchtigung erfolgt, oder ein unbesonnenes Wort der Kritik ausgesprochen wird. Der Pfarrer erkannte, was los war und was ihm bevorstand, und verzichtete deshalb auf die Geltendmachung seiner Autorität. Vielleicht hat jemand daran gedacht, ihn einmal zu fragen, ob auch die Marristen, gegen die er so oft gewettert hat, sich jemals derartiges er= laubt haben?

Schon im Auguſt 1938 fanden wir im NRE." eine Be Ein Jahr Gefängnis!

sprechung eines Artikels von E. G. Kolbenhener aus der Beitschrift Deutsches Volkstum", in dem Rembrandt   deutsch  in Wesen und Schaffen" genannt wird. Jeßt gab die Rubrik Kerfnieuws" wieder ein Pröbchen von deutscher   An­eignungssucht.

Auch das Büchlein Rembrandt  , Meisterbildnisse"( Der eiserne Hammer, Leipzig  ) enthält ein ähnliches Zitat aus " Rembrandt   als Erzieher". In diesem Büchlein heißt es, daß Rembrandt   der deutscheste aller deutschen   Maler ist ( schade für Albrecht Dürer  !), ja sogar der deutscheste aller deutschen   Künstler. Rembrandt   aber war von Geburt Hol­länder Es ist bezeichnend und eine äußere Bestätigung für den exzentrischen Charakter der Deutschen  , daß ihr national­ster Künstler ihnen nur innerlich, nicht auch politisch an­gehört; der deutsche   Volksgeist hatte sozusagen den deutschen  Volkskörper aus den Fugen getrieben." und weiter wird die Rembrandtsche Kunst sogar als echt nordisch" bezeichnet.

Es gibt einen tröstenden Gedanken: der große geniale Mensch Rembrandt   hätte dem deutschen   Volk diese Aus­lassungen verziehen. Sein Selbstbildnis, das letzte Wert vor seinem Tode, die Darstellung des Menschen, der bereits mit dem irdischen Dasein abgerechnet hat und über allem Klei­nen und Unwichtigen steht, gibt uns hierüber Sicherheit.

Für Schwätzereien

Ueber eine Sigung des Badischen Sondergerichts wird berichtet:

Der 38 Jahre alte, verheiratete Franz O. aus Ortenberg  , seit 5. Oftober in Untersuchungshaft, gilt in der dortigen Gegend als kommunistischer Schwäßer. Was er sagt, wird auch von seinen Bekannten nicht allzu tragisch genommen.

Ende August beim Kartoffelausmachen erzählte er von einer Zeitungsnotiz, die an einer Telegrafenstange vor Ortenberg   angeklebt sei, da könne man interessante Dinge über den Reichstagsbrand usw. lesen.( Die Notiz hatte außer D. niemand an der Telegrafenstange gesehen.) In Ver= bindung mit dem Reichstagsbrand sind dann auch die Namen Göring   und Göbbels   gefallen Die Sache wird gelegentlich an einen Dritten weitererzählt, der auf O. schlecht zu sprechen ist, noch was mit ihm abzurechnen hat und dann Anzeige erstattet.

D. wird wegen Aufstellung und Verbreitung unwahrer Behauptungen zu einem Jahr Gefängnis( was auch der An­flagevertreter beantragte) verurteilt, die Untersuchungshaft wird ihm in voller Höhe angerechnet.

Ueberall Spione

Große Affäre auch in Ungarn  

AV. Budapest, 22. März. Wie Aeropreß erfährt, wurde in Budapest   eine ungeheure Spionageaffäre aufgedeckt. Es wurden bisher 44 Personen verhaftet, darunter 23 Militärpersonen, die Mehrzahl Oberleutnants und Haupt­leute, außerdem 4 Stabsoffiziere. Ein Oberst beging vor seiner Verhaftung Selbstmord. Die Prozesse gegen die Offiziere werden in Geheimverhandlungen und gruppen­weise geführt. 4 Offiziere, Lehrer der Militärschule Ludovika­Akademie, wurden im Militärgefängnis Margitförut hin­gerichtet. Unter den verhafteten Zivilpersonen befindet sich ein pensionierter Major, Direktor der Eternit- Werke, ein Verwandter des Oberstaatsanwalts Bartoky, ferner der Portier des Sanatoriums Kekesdy in der Matra. Der letz­

tere hat, als Außenminister Kanna in diesem Sanatorium lag, seine Korrespondenz regelmäßig beobachtet, an seine Rumpane weitergegeben und die Telefongespräche abgehört. Da die Spionagegesellschaft fast in allen höheren Kom­mandos des Landes ihre Gewährsleute hatte, ist die Ver­stimmung der Militärkanzlei des Reichsverwesers gegen den verantwortlichen Kommandanten des Honved, Kamillo Karpathi, sehr ernst. Seine Stellung gilt als erschüttert. Nach dem Ergebnis der bisherigen Untersuchung wurden die Aufmarschpläne gegen die südöstliche Donau  - und Drau­linie verraten, ferner die Ergänzungspläne der Ergänzungs­bezirkskommandos von Budapest   und den südlichen und westlichen Militärbezirken.