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Fretheil

Nummer 74-2. Jahrgang

Einzige unabhängige Tageszeitung Deutschlands

Saarbrücken, Donnerstag, 29. März 1934 Chefredakteur: M. Braun

Aus dem Inhalt

Der deutsche Bankrottkanzler

und Subventionen

Seite 2

Reichsausverkauf

Seite 2

Deei Köpfe auf dem Block

Seite 3

Der neue Judenboykott

Seite 4

und die Pressefreiheit

Die Schweiz

Seite 7

Frankreich - Belgien einig! Gestern und freute

Gemeinsame Erklärung gegen Hitlerdeutschlands Wiederaufrüstung und für Sicherheitsgarantien

Brüffel, 28. März. Der französische Außenminister Barthou 1st nach einer furzen Audienz beim König nach Paris zurück­gereist.

Eine Todesanzeige: In Berlin starb, betrauert von vielen Angehörigen im gesegneten Alter von 86 Jahren Frau Lina Herz, Schloßherrin auf Pregfeld in Franken. Wie aus dieser innerjüdischen Angelegenheit eine große nationalsozialistische Affäre wurde, davon wollen wir heute berichten.

Sie spielt auf der Festwiese des dritten Reiches", in Nürn­ berg . Jüngst wurde hier die Ansichtskartenliteratur, wie wir am Rande bemerken möchten, in reizender Weise bereichert. Hitler war da und blickte strahlenden Auges seinen Franken­führer Julius Streicher im Auto, am Rednerpult, an der Fest­tafel an. Der kleine Streicher mit der Spiegelglage, dessen Leibesfülle der Koppelriemen nicht mehr zu halten vermag, sonnte sich in der Gunst seines Osafs.

fast einmütig die kurze Reise des französischen Außen­ministers Barthou nach Brüssel besprechen. Daran schließen sich die bekannten Freundschaftsbeteuerungen und zuletzt Ab­rüstungsmaßnahmen an. So erflärt z. B. der Matin", es sei Frankreich wie Belgien unmöglich, ein allgemeines Ab­rüstungsabkommen anzunehmen, das nicht alle Sicherheits- Tagen jährenden Judenboykotts, erlebt augenblicklich in garantien den Ländern gebe, die unter dem Kriege am meisten gelitten hätten. Barthou wolle ießt eine richtigere Beurteilung der Tatsachen in England erreichen.

Ueber die Besprechungen zwischen Bartho u und dem bel gischen Außenminister Symans heißt es in einer antlichen Verlautbarung, daß Uebereinstimmung festgestellt worden sei bezüglich der Gefahr einer Wieder aufrüstung Deutschlands und daß die Außenminister fich besorgt gezeigt hätten hinsichtlich der Folgen, die ein Rüstungswettlauf nach sich ziehen würde. Sie haben den Abschluß, einer internationalen Konven­tion, die ernste Garantien für ihre Ausfüh= festigen, die sich unter Briand und Paul Boncour gelockert rung enthalten müsse, als wünschenswert bezeichnet.

Paris , 28. März. Mit ähnlichen Worten wie schon in Brüssel , äußerte Außenminister Barthou bei seiner Rückkehr nach Paris seine Befriedigung. Er erklärte, er könne nur feine volle Genugtuung zum Ausdruck bringen. Der König habe hinsichtlich Frankreichs Gefühle geäußert, die die Annahme zuließen, daß der junge Herrscher ebenso wie fein Vater ein großer Freund Frankreichs sei. Der wesentliche Teil des in Brüssel veröffentlichten Kommuniques über seine Besprechungen mit dem belgischen Außenminister Hymans sei der erste Teil, der sich auf die Opposition Frankreichs und Belgiens gegen eine Wiederaufrüstung Deutschlands ziehe. Die französische Regierung habe sich nie einem Ab­rüstungsabkommen widerseßt. Bedingung aber sei, daß es feste Erfüllungsgarantien enthalte. Auf diesen Grundlagen sei die Verständigung mit Belgien erzielt wor­den, zu der man sich in Frankreich nur beglückwünschen könne.

Die erste Station"

Wirtschaftliche Blockade und militärische Hilfeleistung

Paris , 28. März. Französisch- belgische Einigung in der Ab­lehnung der deutschen Aufrüstung, die den Frieden gefährde das ist das Leitwort, mit dem die französischen Blätter

Das Echo de Paris" spricht von Brüssel als erster Station der Rundreise, die der Minister unternehmen wolle, um die Bündnisse und Freundschaften Frankreichs wieder zu be=

hätten. In dem Brüsseler Kommunique unterscheidet das Blatt eine allgemeine Tendenz, was zum Ausdruck fomme darin, daß gesagt werde, daß Frankreich wie Belgien die Aufrüstung Deutschlands als Gefahr ansehen und eine belgische Tendenz, die zur Begegnung einer solchen Ge­fahr immer noch den Abschluß eines internationalen Ab­solches Abkommen, bemerkt das Blatt, aber auch sei es mög­fommen als wünschensmert ansehe. Wünschenswert sei ein lich? Sätten die Durchführungsgarantien, die Frankreich ver­lange, Aussicht auf Annahme? England wolle doch höchstens eine wirtschaftliche Blockade in Rechnung stellen, in Wirklich feit sei aber militärische Hilfeleistung unerläßlich, und wenn nicht Frankreich , so würden andere Staaten das aussprechen. Hoffentlich haben Barthou und Hymans die Notwendigkeit anerkannt, den franzöfifchen und den belgischen Generalstab zu einer cifrigeren Zusammenarbeit zu bestimmen als das in den letzten Jahren der Fall war. In dieser Hinsicht sei ein gutes Vorzeichen, daß General Kermina tros Erreichung der Altersgrenze im Dienst bleibe. Der Figaro" will durch die Reise Barthous alle Befürchtungen der Rede Brocquevilles zerstreut sehen und glaubt auch feststellen zu können, daß die englische Oeffentlichkeit den allgemeinen Charakter der fran­ zösischen Sicherheitsforderungen zu begreifen beginne. Ordre" stellt in den Vordergrund, daß die belgische Regie­rung vor allem eine möglichst enge Zusammenarbeit zwischen Frankreich und England und Italien wünsche, gleichgültig, welche Opfer die französische Regierung dabei ihrer eigenen Auffassung bringen müsse. Die Schwäche dieser belgischen Auffassung liege darin, daß die Aktion des englisch - französisch­italienischen Blocks gelähmt und die Entente unwirksam werde, wenn die drei Staaten dem Reiche zu viele Zugeständ­nisse machen würden.

England prüft und prüft

Der französische Botschafter bei Englands Außenminister

Furcht vor dem Angrelfer

Die englische Haltung

London , den 28. März 1934. Die englisch - französische Aussprache ist einstweilen so wenig fruchtbar, daß die Sigung des Büros der Abrüstungs­fonferenz, die auf den 10. April festgesetzt war, wahr scheinlich wieder vertagt werden muß. Hauptschwierigkeit ist die Sicherheitsfrage. Die englische Regierung ist nach wie vor geneigt, die bisherigen Sicherheitsfaktoren zu erneuern zu Rüstungskonvention zusammenzufassen. Frankreich ver­langt aber darüber hinaus eine allgemeine Sicherheits­verbunden mit einem Abkommen über die Definition des Angreifers.

und fie au einer Kollettivgarantie der abzuschließenden

garantie für die bestehenden kontinentalen Grenzverhältnisse,

Neben der Sanktionsfrage tritt der Gedanke von Regionalverträgen wieder in den Vordergrund, Ge­wisse politische Kreise sehen in der Tat in solchen Regional verträgen ein Mittel, die Staaten Westeuropas und beson= ders auch England vor den Gefahren einer über die be= stimmten Grenzen hinausgehenden deutschen Aufrüftung zu schützen.

*

Sicherheit im Vordergrund

Frankreichs Botschafter bei dem britischen Außenminister

London , 28. März. Nach dem diplomatischen Mitarbeiter des Daily Telegraph " find in der Besprechung zwischen dem englischen Außenminister Simon und dem französischen Bot­schafter Corbin eine Anzahl Fragen erörtert worden, die sich aus der letzten französischen Note ergaben. Der Botschafter

habe dem britischen Außenminister weitere Informationen über Frankreichs Forderungen nach neuen Sicherheitsbürg schaften in Zusammenhang mit dem geplanten Abrüstungs­abkommen gegeben. Diese Mitteilungen, zu denen Corbin aus Paris besondere Anweisungen hatte, dürften dem bris tischen Kabinett bei seiner heutigen Beratung sehr wertvoll sein, wenn es sich um die Festsetzung der Richtlinien für die nächste britische Mitteilung an Frankreich handle.

Britische Reichskenferenz gefordert

Langwierige Verhandlungen

London , 28. März. In einem von Lord Howard of Penrith , Sir Eward Grigg und Wickham Steed unterzeichneten Brief an die Times" wird gesagt, daß die britische Regierung un­verzüglich eine britische Reichskonferenz einberufen sollte, die die Aufgabe haben würde, über die Frage der Sicherheit, der Abrüstung und der Stellung des britischen Reiches zum Bölferbund Beschlüsse zu fassen. Wenn sich nicht die Regie rungen Großbritanniens und der Dominien auf eine Politit der Verteidigung und der Sicherheit einigten, dann würden die kriegerischen Vorbereitungen in der ganzen Welt un­aushaltsam weitergehen. Zur Abrüstungsfrage sagt der diplo­matische Korrespondent der" Morning Post": Wenn Berichte aus Paris zutreffen, dann scheint die Lage so zu sein, daß Großbritannien sich bemüht, Frankreich zur Mitteilung seiner Mindestforderungen in der Sicherheitsfrage zu veran­lassen, während Frankreich versucht, Großbritannien dazu zu bewegen, ein Höchstgebot zu machen. Eine Besprechung auf dieser Grundlage fann lange dauern, mit einer baldigen neuen Wendung ist auch nicht zu rechnen,

Dieser erfolgreiche Mann, Organisator des sich in diesen seiner Hauptstadt einen Pressestreit an der Bahre jener oben erwähnten alten jüdischen Dame, der ihm Sorgen bereitet. Das offizielle nationalsozialistische Organ Nürnbergs , das es in der Konkurrenz mit Streichers ,, Stürmer" nicht leicht hat, heißt ,, Fränkische Tageszeitung". Daneben lesen aber die Nürnberger immer noch den eifrig gleichgeschalteten Frän­kischen Kurier". Was war nun geschehen, was grub die Streit­axt aus? Frau Lina Herz war nicht nur Schloßbesitzerin, son­dern auch Ehrenbürgerin der Gemeinde Pretfeld. Sie ver­dankte diese Auszeichnung zahlreichen wohltätigen Stif­tungen zugunsten der Armen.

Es war am 1. März, als der, Fränkische Kurier" dies zu schreiben wagte:, Dem deutschen Menschen ist es anerzogen, daß er vor dem Greisenalter und insbesondere vor dem in Gott erstarrten Angesicht eines Toten mit Kampfreden, be­sonders aber mit Schimpfreden schweigt." Es ist schrecklich genug, aber er sagt es, der ,, Fränkische Kurier", daß die 86­jährige, unendlich wohltätige und nun in die Ewigkeit ein­gegangene Frau Jüdin gewesen sei. Jüdin! Wahrhaftig, da möchte man nicht mißverstanden werden. Die Wohltaten der Verstorbenen, so fügte er hinzu, seien nun einmal ein histo­rische Tatsache, und man dürfe nicht feige genug sein, die Wahrheit zu verschweigen.

Die Folgen dieser Flucht vor der Feigheit blieben nicht aus. Nun trug die ,, Fränkische Tageszeitung" einen Sturm­angriff auf die mit einer Jüdin liebäugelnde Konkurrentin vor. Mit den dicksten Lettern, die ihre Setmaschinen zur Verfügung haben, nannte sie das Verhalten des ,, Fränkischen Kuriers" ein längeres Ausschleimen über die Jüdin Herz". Das Geschmus um diese Jüdin sei so widerlich, daß fortan der ,, Fränkische Kurier" kein Recht mehr habe, sich national und deutsch zu nennen. Wer heute noch Juden lobhudele, der beweise, daß sein Anteil am Schicksal der deutschen Na­tion nichts anderes sei als Geschäft.

Geschäft! Ein Dolchstoß mitten ins Herz des ,, Fränkischen Kuriers"! Zitternd vor SA., antwortet er, daß er vierzehn Jahre treu gekämpft habe gegen Novemberrevolution, gegen Demokratie, Marxismus und Parlamentarismus. Darüber be­sige er Atteste vom Feldmarschall und vom Führer. Darauf gestützt, pfeife er auf das Zeugnis einer Zeitung, in deren Verlag. Erschrocken liest dann der Deutsche , daß der heutige nationalsozialistische Verlag Nürnbergs in vormärz­lichen Zeiten zahlreiche Weimarer Sumpfblüten zu Zeitungs­sträußen gebunden habe. Ja, daß der Prokurist dieses Zei­tungshauses für seine verschiedenen Blätter ganze Seiten voll Anzeigen angenommen habe, deren Auftraggeber gut alt­testamentarische Namen wie Gutmann, Strauß und Bacharach führen. Ganze Klischeeseiten werden zum Beweise dafür nachgedruckt. In Flugblättern wendet man sich voneinander mit..Ekel" ab. Dieser Ekel ist dann die Plattform zum Ein­bruch ins Abonnentengehege der ekelhaften Konkurrenz. Dies ist nun wochenlang Nürnberger Ereignis. Hier sang Wagners Hans Sachs unter dem Holunderbaum sein schön­stes Lied: ,, Wahn, Wahn, überall Wahn!" Vielleicht sitzt er jegt im Himmel neben der alten Jüdin Frau Lina Herz und sieht erstaunt auf sein Nürnberg herab, falls er nicht befürch ten sollte, wegen seinen zweifelssüchtigen Zersegungsgedanken zu den getarnten Weisen von Zion gerechnet zu werden. Howald.

Fluten in Chile

Eine Nacht unter Wasser

Antofagasta ( Chile ), 28. März. Die Kordillerenflüsse sind infolge der zahllosen Wolkenbrüche derart angeschwollen, daß zahlreiche Ortschaften von den Waffermassen ernstlich bedroht werden. Die Stadt Baquedano ist überschwemmt. Die Ein­wohner flüchteten in die Berge. Viele von ihnen ertranken unterwegs. Auch die Stadt Copiado, die 20 000 Einwohner zählt, steht zum Teil unter Wasser. Die Brücken und Geleife der Antofagasta - Bolovia- Bahn find an mehreren Stellen weggerissen. Infolge der Zerstörung der Wasserleitungen herrscht überall großer Mangel an Trinkwasser.