" GildehauledA. 320d 260

Freihei

Einzige unabhängige Tageszeitung Deutschlands  

Nummer 75-2. Jahrgang Saarbrücken  , Freitag Samstag, 30. 31. März 1934 Chefredakteur: M. Braun

Aus dem Inhalt

Hilfloses Abrüstungsbüro

Seite 2

Blumen auf Wallischs Grab

Seite 3

Ueberall wachsende Bildungsschichten

Frauenbriefe

Seite 7

aus dem ,, dritten Reich"

Seite 7

Golgatha der Kirchen

Reichsbischof oder Kirchenfürst?- Katholische Jugend wird schwer

Braucht man dafür noch Beweise? Vergangenen Samstag Deutschen

ten Reiches" berichtet, welche Kräfte den Königsberger Wehr- sprach der Reichsbischof in einer Rundgebung der Den Die drei Kreuze

Konrad Heiden   hat in seinem Buch Die Geburt des Drit­freispfarrer Müller auf den Siz eines Reichsbischofs emportrugen. Er hatte, längst ein Getreuer Hitlers  , den Königsberger Wehrfreiskommandeur für den Osaf gewon­nen und ihn bewogen, das Amt des Reichswehrministers im ersten Kabinett Hitler   anzunehmen.

Dieser Reichsbischof Müller hat von Anfang an das Evan­gelium auf friegerische Weise gelehrt. Er trat sein Amt an mit der gewaltsamen Verdrängung des bereits ordnungs­mäßig zum Reichsbischof gewählten Dr. v. Bodelschwingh  . Gin Gottesstreiter mit dem Schwerte   Hitlers  , dessen ge= treuster Knecht in allen politischen Dingen. Die Geschäfte der evangelischen Kirche im Ablauf eines Jahres ist erfüllt vom tobenden Lärm gewaltsamer Zentralisierungen, von der Ver­gewaltigung der evangelischen Freiheit, von Absetzungen und Ernennungen, bei denen mehr als einmal dem deutschen Protestantismus ein Schisma drohte.

Die Welt weiß es, daß die deutsche evangelische Kirche   nie­mals ein Wort gegen die Unmenschlichkeiten des dritten Reiches" gewagt hat. Nicht einmal die Opposition! Aller Streit ging nur immer um die inneren Angelegenheiten. Und dieser Streit findet auch seinen Widerhall in einer Kar­freitagskundgebung des Reichsbischofs, die angesichts der tirchlichen Zersplitterung zur Selbstprüfung und Besinnung aufrufen soll".

Noch niemals dürfte es eine kirchliche Kundgebung ge­geben haben, die soll vollkommen abseits von aller Religiösi­tät steht. Sie ist nicht. als eine Polemik gegen diejenigen, die sich unter das vom Reichsbischof aufgerichtete Hafentreuz noch nicht gebeugt haben. Der Reichsbischof wagt es, die ihm nicht willfährigen Amtsbrüder vor dem Angesicht des Ge­freuzigten zu befragen: ob es wahr sei, daß sie eine Reihe von ihnen geäußert hätetn, es sei Gehorsam gegen Gott, dem Reichsbischof ungehorsam zu sein. Er, der im Dienste der politischen Macht und der Unterwerfung unter die Totalität eines widerchristlichen Staates die Geißel über seine Amts­brüder geschwungen hat, fordert sie auf, zuerst das Unrecht bei sich selber zu suchen! Er klagt diejenigen an, die die Ein­heit zwischen Nationalsozialismus   und Kirche abgelehnt hät­ten, um der Wortverfündigung willen. So ist es zu einem firchlichen Kampf gekommen, denn die große Masse des Vol­fes mit Erstaunen, aber je länger, je mehr mit Verachtung und Erbitterung gegenübersteht, denn unsere Volksgenossen fönnen es nicht verstehen, wenn Pfarrer sich streiten. Können wir mirklich vor dem Gefreuzigten die Verwirrung der Ge­meinde verantworten.

So heißt es wörtlich in der Proklamation des Reichs­bischofs. Wir haben jüngst sein Bild gesehen. Auf dem schwarzen Talar reiht sich ein Kriegsorden nach dem andern. Wir gestehen, daß wir diesem Reichsbischof feinen Respekt empfinden, wenn er sich auf den Gefreuzigten beruft. Er will, wie er wörtlich sagt, keine Amnesty erlassen, weil die andern den Kampf mit allen Mitteln" weiterführen wollten. Höch­stens würde man darüber beraten, ob und wieweit die aus dem Dienst entlassenen aufbauwilligen" Kräfte wieder irgendwie für Kirchenzwecke nutzbar gemacht werden könn ten, unter der Bedingung freilich, daß sie sich jeder Kirchen­politik enthielten.

Es versteht sich, daß sich diese Milde nicht etwa auf Amts­brüder bezieht, bei deren Enthebung st a atspolitische Gründe" maßgebend gewesen seien. Hier runzelte sich die Stirn des Herrn Reichsbischofs. Schlimm, wer Kirchenoppo­sition betreibt! Aber tausendfach schlimmer ist und für immer ausgestoßen bleibt, wer aus der gläubigen Entscheidung sci­nes Gewissens die Lehren und die Handlungen der Her..1 des dritten Reiches" nicht deckte oder gar bekämpfte. Jin treffe, nach Müllers Willen, die gerechte Strafe der braunca Richter.

Am Schlusse seiner Karfreitagsmahnung nimmt der Herr Reichsbischof endlich die Heilige Schrift zu Hand. Er zitiert aus den ersten Korinthern, Kapitel 1, Vers 17:.... daß nicht das Kreuz Christi zunichte werde". Leider ist das Zitat unvollständig. Vers 17 lautet im Wortlaut: Denn Christus hat mich nicht gesandt, zu taufen, sondern um das Evange­lium zu predigen, nicht mit flugen Worten, auf daß nicht das

Christen" in der Dortmunder   Westfalenhalle. Hier sagte er wörtlich, daß sich die Deutschen Christen  " von Anfang an über ihre Aufgabe klar gewesen seien, den national­sozialistischen Geist in die Kirche hineinzu­tragen. Der Führer des Pfarrernotbundes, Nie­ möller  , dessen Suspendierung von seiner Dahlemer Ge­meinde nicht anerkannt wird, protestiert in einem Schreiben an den Reichsbischof dagegen, daß man ihm immer noch nicht die Gründe für seine Amtsenthebung angegeben habe. Er habe, als Vater von sechs Kindern, wohl das Recht zu der Frage, was ihm vorgeworfen werde. Da man ihn nicht ein­mal vor seiner Verurteilung angehört habe, so bleibe ihm nichts übrig, als diese Flucht in die Deffentlichkeit zu nehmen.

Keiner von den Opponenten wird von dem Reichsbischof so gefürchtet, wie der tatkräftige und redegewandte Niemöller, der eine gewaltige gläubige Gemeinde hinter sich hat. Ein­geweihte wollen wissen, daß die ganze Karfreitagsbotschaft Müllers entscheidend gegen Niemöller und seinen Kreis ge­richtet sei, wo man immer wieder betone, den Kampf um die Rückgewinnung der evangelischen Lutherfreiheit nicht aufzu= geben. In Hagen   fand in diesen Tagen eine Bekenntnis­versammlung evangelischer Christen statt. Hier sprachen der fürzlich strafverfeßte Pfarrer Rehling und der noch im Amt befindliche Pastor Busch aus Witten  . Es fam zu heftigen Zusammenstößen mit zahlreichen anwesenden " Deutschen Christen  ", die sogar zu Tätlichkeiten führten. Major Deutelmoser vermutlich handelt es sich um den gleichen Major, der im Kriegspresseamt eine führende Rolle spielte- versetzte einem Deutschen Christen  " eine heftige Ohrfeige, die zu einem ungeheuren Tumult führte. Die Polizei erschten und löste die Versammlung auf.

Aber auch der streitbare Graf Reventlow vom heidnischen Flügel der NSDAP  . ist emsig tätig. Er veranstaltete in einem der größten Säle Braunschweigs  , wo bis vor kurzem der wegen Mangel an Beweisen freigesprochene Bischof Baye amtierte, einen Vortrag gegen das Christentum. Die Deut­ schen Christen  " waren mit einem mächtigen Aufgebot ge­fommen, aber während sie in der Hagener   Versammlung gegen die kirchliche Reaktion" zu fechten hatten, mußten sie in Braunschweig   gegen den revolutionären Wotanskult an­treten. Es fam zu unbeschreiblichen Tumulten, als ihnen die Aussprache verweigert wurde. Zornentbrannt fuhr Re­ventlow nach Berlin   zurück und richtete in der nächsten Nummer seines Reichswart" einen Philippika gegen die ,, Deutschen Christen  ", die an Saft und Kraft des Tones nichts zu wünschen übrig ließ. Ich habe in meinem Leben viele Predigten gehört, und war aber gleichwohl überrascht. daß die zahlreich anwesenden Herren Geist lichen mit einer Stimmstärke, die man nur ,, brüllen" nennen konnte, den Saal mit einem ungeheuren Schimpfen erfüllten"....

Man sieht, daß der Kampf um das richtige Evangelium trotz aller Beschwörer hemmungslos weitergeht. Vor diesen Erscheinungen christlicher Liebesbetätigung möchten wir dem Beispiel des Herrn Reichsbischof Müller folgen und gleich: falls aus den Corinthern zitieren, Vers 1 des 13. Kapitels: ,, Wenn ich mit Menschen- und mit Engelszungen redete und hätte der Liebe nicht, dann wäre ich ein tönend Erz oder eine klingende Schelle."

mißhandelt

Auf dem Hügel Golgatha lag die Stätte der Kreuzigung Christi  . In der ganzen Welt gibt es die herzenbezwingenden Passionen, die den gleichen Weg wandeln, von der Peini­gung bis zum Opfertod am schmerzensreichen Karfreitag.

Dies ist nun der zweite Karfreitag im ,, dritten Reich". Der Passionsweg von Zehntausenden hat sich verlängert. Ge­stäupte, Gequälte, Gemordete werden sichtbar. Es ist uns nicht gegeben, fortwährend an das Sterben von Menschen zu denken; es würde uns alle für die Aufgaben des Lebens un­tauglich machen. Aber es gehört zu den großen Ewigkeiten im Menschheitszuge, daß nichts vom Tode vernichtet werden kann, was von Wert ist.

Dieser Tage erfuhren wir von einem Ereignis in Dresden  . Am 26. Februar 1933 wurde ein junger Reichsbannermann namens Haupt in Dresden   vor dem Staatlichen Schauspiel­haus bei einem Zusammenstoß niedergeschossen. Sein An­denken in der Arbeiterschaft ist unverloren geblieben, weil er als das erste Opfer der nationalen Revolution" galt.

Das Grab dieses jungen Menschen erlebte an dem Tage, an dem sich sein Tod jährte, eine Verwandlung: unter Blu­men standen drei Kreuze darauf! Drei Kreuze, nebeneinan­der, schräg in die Erde gesteckt! Sie waren so gruppiert, daß sie jeden an die drei Pfeile gemahnten, an das nieder­gekämpfte Zeichen der republikanisch- sozialistischen Freiheits­front. Dauernd pilgerten Männer und Frauen in unaufhör­lichem Zuge an diesem Grabe vorbei. Sie standen davor, senk­ten den Hut und die Häupter mit den verborgenen und ver botenen Gedanken.

Kurz, dieser Dresdener   Friedhof wurde zu einer Kirche für Menschen, die von den Kirchen selber vielleicht zu den Ungläubigen gerechnet werden. Diese Kirchen sie haben geschwiegen in diesem Jahre. Sie schrien nicht und klagten nicht an, als Menschen wehklagten und schrien. Sie marschier­ten mit im braunen Schritt und Tritt oder schlossen Konkor­date, die der eigenen Existenz galten. Die Geschichte wird einmal richten, wer die besseren Christen waren. Vielleichit" werden dann Gottlose gekrönt vor dem ewigen Richterstuhle.

Denn wer selber nicht mehr glauben kann, sieht dennoch die Symbole und hält den Atem an. Von Herodes   bis Hitler auf der Leichenwüstenei liegen sie in unendlicher Reihe. Aber immer erhebt sich aus dem blutigen Körper die Idee, das Kind der unsterblichen Güte, die die Auferstehung ahnt.

Brauchen wir zu sagen, daß sich in der deutschen Presse nicht eine Zeile über die wahren Vorgänge findet? Kühl und bei­läufig wird erwähnt, daß es zu kleinen Reibereien gekommen sei und daß der Berliner   Bischof entsprechende Vorstellungen erhoben habe. Man stelle sich vor: Kommunistische Jungens hätten vor der Inaugurierung des dritten Reiches" einen solchen Sturm vor einer Kirche gewagt. Welche Kaskaden stürmischer Entrüstung wären durch die Spalten der deut­schen Zeitungen geschäumt! Nicht einmal die katholischen  Zeitungen wagen ein Wort der Kritif.

Mit sorgenvollen Köpfen fißen inzwischen die deutschen Bischöfe beieinander, den Augenblick befürchtend, wo durch irgendeinen neuen Gewaltakt die zwangsweise Eingliederung der katholischen Jugend in die Hitlerjugend erfolgt. Schon haben die Spandauer   Hitlerjungen mit ihren Dolchen die blutige Gasse gebahnt...

Dies alles vollzieht sich im Reiche des Protestantismus  . Prangerzug für Kleine

Man schließe aber nicht daraus, daß sich der deutsche Katholi­zismus im dritten Reiche" geborgener fühlt. Jetzt erst wird in vollem Umfange bekannt, daß es am vergangenen Sonn­tag nicht nur zu einem Zusammenstoß, sondern zu einer förmlichen Straßenschlacht zwischen Hitlerjugend   und Mits glieder katholischer Jugendverbände gekommen. Was war ge­schehen? In Henningsdorf   bei Spandau   waren 200 Jung­fatholiken vor der Kirche angetreten, um an einer Feier ihres Verbandes unter priesterlicher Führung mit an­schließender Messe teilzunehmen. Plötzlich stürmten etwa 200 bis 300 Hitlerjungen herbei. Sie waren teilweise mit Dolchen

Und die Baustoffwucherer?

In Neustadt- Glewe  ( Mecklenburg  ) wurde ein Haus­besizer durch die Stadt geführt mit einem umgehängten Plakat, auf dem stand, daß der Träger Mietwucher begangen habe. Der Mann hatte Umbauwohnungen, die mit Reichszuschuß erstellt waren, nicht nur zu überhohen Miet­preisen vermietet, sondern sich auch noch einen Mietvorschuß von 300 Mark ausbedungen.

Und wo bleiben die Prangerzüge für die großen Speku­lanten, die die Preise des Baumaterials in die Höhe treiben? Kein Syndikatsherr hat etwas zu befürchten.

Kreuz Christi   zunichte werde." Fast scheint es so, als ob es ausgerüstet, die man ihnen jüngst zur Vervollkommnung Hitleriken prüfen

schon zu Paulus   Zeiten viele Müllers gegeben hätte. Denn es geht dem Herrn Reichsbischof, wie jede seiner Kund­gebungen erkennen läßt, weniger um die Predigt des Evan geliums als um eine Taufe": um die Verpflichtung für alle seine Amtsbrüder, dem widerchriftlichen Hafenkreuz mehr zu dienen, als dem in ihrem Gewissen aufgerichteten Kreuze, das auf Golgatha Jesus trug.

ihrer wehrsportlichen Ausstattung und zur Steigerung des jugendlichen Heldenmutes gestattet hat, es tam zu einer bei­spiellosen, fast eine halbe Stunde währenden Keilerei, bei der Junge gegen Junge stand. Es gab zahlreiche Verlezte, das Blut floß in Strömen. Die Wahlstatt war mit zerfetzten Uniformteilen, Wanderausrüstungsgegenständen und Spiel­geräten übersät.

Nach einer Vereinbarung der Obergauführerin Ostlano des Bundes deutscher Mädel mit den zuständigen Schulbehörden sollen in Ostpreußen   BdM.  - Führerinnen als Beisigerinnen bei Abiturientinneneramen und Eignungsprüfungen für die Hochschulreife heran­gezogen werden.