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Freiheit
Nummer 84-2. Jahrgang
Aus dem Inhalt
" Times"
gegen deutsche Aufrüstung
Seite 2
Saargebiet und
französische Aufcüstung
Seite 3
Finanzpolitik der
Seite 4
Pfaccec Niemöllec
Seite 7
Saarbrücken, Donnerstag, den 12. April 1934
Chefredakteur: M. Braun
Einzige unabhängige Tageszeitung Deutschlands
Ley gesteht: Hungerlöhne!
Eine aufsehen erregende Erklärung Dr. Leys Von der deutschen Zensur unterdrückt
Entbehrungen
Aus einer Rede, die Staatsrat Dr. Ley, der Führer der der am 21. März von der Notwendigkeit von Chaser Gestern und heute
,, deutschen Arbeitsfront ", am Sonntag in Köln gehalten hat, werden auf dem Umweg über die Auslandspresse Säge bekannt, die geeignet sind, Aufsehen zu erregen. Nach dem Bericht der„ Times" sagte Dr. Leŋ u. a.:
„ Die Deutsche Arbeitsfront muß dem Unternehmer klar: machen, daß er, obwohl er ein Recht auf Gewinn hat, in der gegenwärtigen Zeit fein Recht hat, irgendeinen Profit aus seinem Betrieb herauszuziehen. In einer Zeit, in der dem Arbeiter bis zu einem gewissen Grade Hungerlöhne gezahlt werden( the worker to some extent was being paid starvation wages") im Interesse des nationalen Wiederaufbaues, müsse auch von der anderen Seite das Aeußerste an Opfern gefordert werden. Zugleich muß der Arbeiter aber einsehen, daß er, solange der Staat nach Brot und Arbeit für sieben Millionen Arbeitslose suche, auf Lohnerhöhungen und dergleichen für die gegenwärtige Zeit verzichten muß."
Weiter tam Dr. Ley auf die Konkurrenz überseeischer Nationen zu sprechen und erwähnte dabei Japan , Die deutschen Arbeiter tönnten nicht mit den billigen Produften, wie zum Beispiel japanischen Fahrrädern, konkurs rieren, weil der deutsche Lebensstandard nicht auf den von Kulis herabsinken dürfe. Wenn es einmal so weit wäre, daß sogar ein Schwarzer mit einer Fingerumdre hung bestimmte Dinge erzeugen könne, sei ein Wettbewerb für Deutschland nicht möglich. Deutschland müsse neue Methoden, Maschinen und Erzeugnisse schaffen, die andere Bölfer mangels Fähigkeit nicht nachahmen könnten.
In der vom Deutschen Nachrichtenbüro verbreiteten Fassung der Rede Dr. Leys sind diese Säße nicht einmal andeutungsweise erwähnt. Es ist unseres Wissens das erste Mal, daß ein maßgebender Führer des gegenwärtigen deutschen Regimes das Geheimnis der nationalsozialistischen Arbeitsbeschaffung mit solcher Offenheit preisgibt. Das weitgehendste in dieser Richtung war bisher eine Erklärung von Rudolf Heß , dem Stellvertreter Hitlers ,
im Interesse des Aufbaus sprach. Dr. Len Verdienst, diese Entbehrungen zum ersten Mal als das bezeichnet zu haben, was sie sind, nämlich Hungerlöhne. Aus der Tatsache, daß Dr. Ley dieses Eingeständnis für notwendig hielt, kann man auf die Stimmung schließen, die in den betroffenen Arbeiter- und Angestelltenkreisen herrscht, und der sich die Führer der deutschen Arbeits: front" naturgemäß nicht entziehen können. Man darf dabei annehmen, daß ein Teil der Arbeiter die niedrigen Löhne tatsächlich leichter ertragen würde, wenn auf cer Gegenseite ebenfalls Opfer gebracht würden. So erklären sich Maßnahmen, wie die kürzlich beschlossene Zwangsanleihe auf Dividenden, die sechs Prozent übersteigen, Da aber der nationalsozialistische Staat nach seiner ganzen Wirtschaftsgesinnung auf die Mitarbeit des Rapitals an gewiesen bleibt und das Kapital bekanntlich nicht im gewiesen bleibt und das Kapital bekanntlich nicht im gleichen Maße wie der Arbeiter zum Verzicht auf Gewinn gezwungen werden kann, so bleibt die Erfüllung der von Dr. Len erhobenen Forderungen immer eine problematische Sache. Es scheint, daß der Rücktritt von fünf Treuhändern der Arbeit in der vorigen Woche mit Auseinandersetzungen über diese Frage zusammenhängt, und Lens Aeußerungen muten wie ein Protest gegen die beginnende Zurückdrängung der Arbeiterinteressen an. Daß der Staat sich diesen Protest gegenwärtig nicht mehr zu eigen machen will, wie das vielleicht noch vor einigen Monaten der Fall gewesen wäre, geht aus der Unterdrückung der Lenschen Erklärungen durch das Propagandaministerium hervor. Den Sieg dürfte wahrscheinlich die Auffassung behalten, die der Direktor der Commerz- und Privat bank, Staatsrat Reinhart, im Februar vor dem Aus schuß des Zentralverbandes des Bank- und Bankiergewerbes ausgesprochen hat: Die deutsche Wirtschaft werde sich damit abfinden müssen, daß die Rentabilität der Banken und ein angemessenes Entgelt für ihre Dienste unerläßlich sei.
Im übrigen darf man gespannt sein, wie das mit Deutschland offiziell befreundete" Japan sich mit dem Kosenamen„ Rulis" abfinden wird.
Der 1. Mai
Als vor einem Jahr die Gewerkschaftsverwaltungen von Horden brauner Einbrecher vertrieben und die Verbandskassen gestohlen wurden, hallte der ganze Blätterwald der gleichgeschalteten Presse wider von der„ Mißwirtschaft und Korruption der marxistischen Bonzen". So zum Beispiel bei der Eroberung der Berliner Metallarbeiterverbandskasse. Da
mals erklärte der Helfershelfer der neuen Herren, der inzwischen wieder kaltgestellte Treuhänder der Arbeit" Engel einigen Stadtverordnetenkollegen der SPD. , daß er in Wirklichkeit dort alles in tadelloser Ordnung gefunden habe. Auf die Frage, ob er nun dafür sorgen werde, daß jene Presseverleumdungen öffentlich richtiggestellt würden, erwiderte er achselzuckend, darauf habe er keinen Einfluß. Natürlich wurde nichts berichtigt, dort so wenig wie anderswo, wo überall alles in der gleichen Ordnung und Sauberkeit befunden worden war.
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Wäre es anders gewesen mit welcher Wonne würden die Machthaber und die Justiz, die sich zu ihrer Dirne erniedrigt hat, über die Schuldigen hergefallen sein. Hatten sie die pflichtgemäße, leider viel zu spät und unzureichend vorgenommene Rettung einiger Vermögensteile vor den braunen Diebsklauen öffentlich als Unterschlagung und Untreue angeprangert wie hätten sie erst triumphiert, wenn sie wirkliche Diebstähle an anvertrautem Arbeitergeld an öffentlicher Gerichtsstelle hätten nachweisen können! Wer aber hat im Verlauf fast eines Jahres etwas von solchen Prozessen vernommen? Wieviele marxistische Bonzen sind solcher Untreue überführt worden? Bisher haben wir nur von Prozessen gegen bürgerliche, zumeist rechtstehende Sachwalter und Politiker, gehört, wobei in den meisten Fällen noch nur solche Leute herausgesucht wurden, die dem braunen System irgendwie feindlich gegenüber gestanden haben, und mitunter eine recht gequälte Beweisführung her
halten mußte.
Klarer und deutlicher aber ist es in dem Gewimmel der schon bald zahllosen Fälle, in denen die Werkzeuge der neuen Herrlichkeit, die in Ermanglung anderer Herolde ihre Reinlichkeit und Uneigennütigkeit selbst in allen Tönen gefeiert und ihre Vorgänger in den Schmutz gezogen haben, sich als ganz gemeine Genossen, als Diebe und Erpresser er. weisen. Wie lange ist es her, daß der Polizeipräsident Vetter von Wuppertal wegen riesigen Unterschlagungen ins Kittchen gekommen ist. Schon ist ihm sein Kollege Grunert von München- Gladbach gefolgt, der zu Winterhilfe an sich selbst betätigt haben soll. Daß sie außerdem einen SA.- Mann, weil er etwas darüber hat verlauten lassen, haben um die Ecke bringen lassen, würde ja im ,, dritten Reich" nichts weiter besagen, hätte nicht der Bruder des Ermordeten, Syndikus eines Unternehmerverbands, sich der Sache in Berlin mit Entschiedenheit ange.
Ahnungsvolle Führer und unwillige Gefolgschaften sammen mit dem Sturmbannführer Gröschel die ganze
DF. Die gewaltigste Rundgebung der Welt.„ Unter dieser Propagandalosung soll der nationale Feiertag am 1. Mai stehen. Von den frühen Morgenstunden bis nach Mitternacht wird das ganze deutsche Volf von einer fahnen- und redereichen Festwoge erfaßt werden. Keine Stadt, fein Betrieb, fein Dorf bleibt verschont. Die ganze im Selbstlob so starke Aufbaukraft des dritten Reiches" wird auf die Vorbereitung der Feiern und Feste konzentriert. Enorme Kosten entstehen. Allein für Berlin mindestens 1 Million Mark. Die Summen werden in der üblichen Art durch Bettel aufgebracht, dem die SA. durch öffentliche Kontrolle unsanft Nachdruck verleiht. Es gibt eine Festplakette, die jeder tragen muß, der sich am 1. Mai unbehelligt auf der Straße zeigen will.
Was wird nun eigentlich gefeiert? Es soll, wie uns im offiziösen Stil mitgeteilt wird, einmal die Geschlossenheit des fchaffenden Voltes dargetan, weiter der feierliche Rahmen für das durch das Gesetz der nationalen Arbeit vor= geschriebene feierliche Gelöbnis der Vertrauensmänner der Betriebe abgegeben, schließlich aber auch mit dem symbolischen Kalendertag des 1. Mai das neue Leben, die Wiederfehr des Frühlings zum Ausdruck gebracht werden".
Mit solchem Wortgetöne ist nicht viel anzufangen. Wir suchten nach flaren Zielen und besseren Formulierungen in den Reden, die am 10. April auf der ersten großen Gemeinschaftstagung der deutschen Arbeitsfront ", der Treuhänder der Arbeit und aller Wirtschaftsführer gehalten worden sind. Es sprach der Führer der deutschen Wirtschaft Kesler. Es sprach der Führer der deutschen Arbeitsfront Dr. Bey. Nichts hörte man als ausgeleierte Phrasen.
Der Hochkapitalist Reßler:„ Wichtiger als die Organj
Der Präfident der Arbeitsfront Dr. Ley:„ Wir in der ,, deutschen Arbeitsfront " wollen die Menschen führen zu Anständigkeit, zu Kameradschaft, und, wenn notwendig, zum gegenseitigen Opfer." Das sind Predigten mit leeren Worten, die über die schweren Gegenfäße zwischen Unternehmern und Arbeitern, über die ungelösten Fragen der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Ordnung hinweggleiten.
Viel aufschlußreicher war eine Kundgebung, die am Sonntag in der Hauptstadt des Ruhrgebietes in Dortmund unter der Losung:" Wie wir es schaffen!" stattgefunden hat. Da standen sich die Gewaltigen des Bergbaues, an ihrer Spize Generaldirektor Dr. Vögler und Vertreter aus den Gruben und aus den Eisenhütten gegenüber.
Der Generaldirektor Dr. Vögler versuchte es mit einer Werkvereinsrede und mit einer byzantinischen Anwedelung seines großen Führers Adolf Hitler :
Für Klassenfampf ist kein Boden mehr vorhanden... Es müsse Arbeiter der Stirn und der Hand geben, aber das ist für beide keine Trennungsgrund, sondern alle beide sind dienende Glieder am Ganzen, und haben es immer zu sein. Und sie müssen sich tref fenin tiefster Dankbarkeit für Adolf Hitler , und wenn wir morgen an unsere Arbeit gehen, dann denken wir daran, daß unser Führer für immer auf unsere Kraft und Mitarbeit vertrauen kann.
Dann tamen der Gaubetriebszellenleiter Pg. Stein und der stellvertretende Gauleiter Stürz zu Wort. Gewiß sehr zuverlässige Pg., und in der Theorie von allen Klassengegensäzen oder gar von Marrismus weit entfernt. Aber immerhin, diese Herren kennen die Stimmung in den Be
nommen.
Die feinen Geschäftchen der Saarbrücker königlichen Kaufleute, der Dümpelmann und PK., die ihre Blutverbundenheit mit den alten Wikinger- Seeräubern durch Fälschungen und Schmuggel in großem Stil bekundet und sich von ihren kleinlichen semitischen Konkurrenten großzügig distanziert haben, runden wie die zahllosen Pressenotizen über örtliche Gauner kleineren Formats das Bild ab. Immer aber erst ein kleines Teilstück. Die Geschichte der antisemitischen wie der alldeutschen und ähnlicher ,, vaterländischer" Bewegungen ist zugleich eine Kette unsauberer Skandale, von dem noch gerade mit dem Gesetz sich ab. findenden groben Eigennut bis zu glatten Diebereien und Gaunerstreichen jeder Art. Von Podbielski- Tippelskirch und General v. Liebert in der Vorkriegszeit über die grenzenlose Korruption der Kriegsjahre in Etappe und Heimat bis zu den Lahusen, den großen Gönnern Hitlers , und dem General, Reichstags- und Ministerpräsidenten Göring , der den im Ausland erhobenen Vorwurf, daß er vier Millionen Mark vom Flugzeugkapital erhalten habe, noch vor keinem ausländischen Gericht von sich abgewaschen hat. Eine Galerie vaterländischer Ehrenmänner!
So sind die Rollen richtig verteilt: die Marxisten in der Verbannung, im Konzentrationslager und Zuchthaus , aber als Ehrenmänner die Hitlerianer als
sation an fich ist der Inhalt, ist der rechte Geist der trieben. Auch wenn die Delegationen in der Versammlung hochbesoldete Volksausbeuter, nicht wenige davon gemeine
Busammengehörigkeit."
Fortsetzung siehe 2. Sette
Diebe in Amt und Würden.
Argus.