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Donnerstag, den 12. April 1934 den 12. A
Das ist der Frühling in Wien ...
Ach ja, man hat sie selber oft gesummt, die Melodie und wenn man in der Fremde war und der Frühling plötzlich kam, dann fielen einem die blühenden Kastanien in der Kriau ein, der„ Franz und die Marie", man dachte gern an die Praterauen, an die lieben Wege um Grinzing , Sievering und empfand Sehnsucht nach dem Ausblick, den man vom Nußberg auf Wien hat.
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Denn es gibt einen Frühling in Wien , trot Kitsch und Verfälschung, er ist vielleicht nicht so aufdringlich, wie die Lieder, die ihn besingen. Er will nur gefunden werden. Es sind nämlich nicht viel Straßen in der Welt wie die Nuẞdorfer Straße und ihre Verlängerung, die Döplingerhauptstraße, in der zu beiden Seiten soviel Kunsterinnerungen und zugleich eine solche Menge an Weltberühmtheit zu finden sein wird. Beethoven , Schubert, Bauernfeld , Grillparzer , Ferdinand v. Saar es sind nur einige, die in diesem Umkreis gelebt und geschaffen haben. Und ist solch ein warmer Frühlingsabend wie heute der Wind trägt den Duft junger Erde und aufstrebender Sträucher aus den Gärten ringsum und man wendet den Kopf ein bißchen nach rechts und ein wenig nach links, nur soweit, als notwendig ist, um die Gedenktafel besser lesen zu können, oder man achtet auf die Namen der Seitengassen und Plätze, die zu überqueren sind, so fällt einem noch manch bittersüßer Vers ein, rauschen verklungene Feststunden in unserer Seele auf... Wann hörte ich doch die Eroica zum letzten mal?... Und die Unvollendete? Oben, auf der Hohen Warte greifen die Hände wie spielend nach den gelbblütenen Zweigen und ich sehe geblendet, verzaubert vom Balkon eines Hauses über die schöne Stadt.
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Der Frühling ist von jeher eine gefährliche Jahreszeit für sensible Gemüter gewesen und ich brauche immer einige Tage, bis ich mich nach der Zeit der Dunkelheit, wiewohl gemildert durch helle Schneefahrten, an ihn gewöhnt habe aber so wild, mit so unbändigem Schmerz hat es mich noch nie gepackt, wie diesmal, da ich über Wien sah.
nun.
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Es war doch unser Wien wie? Die Kraft unserer Idee ist es doch gewesen, die es aus dem Dreck der Kriegsjahre zu der vorbildlichsten aller Weltstädte erhoben hat! Und Kann man es fassen? Vor meinem Auge leuchten die Bauten, heilig durch das Blut des Februar, das zu ihrer Verteidigung geflossen ist. Hier standen die Geschütze der Exekutive und begannen ihr Zerstörungswerk und durch die eben genannten Straßen rasten die Lastwagen und Ueberfallautos mit jenen traurigen Geschöpfen, die bereit waren, ihre Minderwertigkeitsgefühle durch jegliches Verbrechen auszutoben. So daß sich die Melodien Schuberts und Beethovens scheu in die abgelegenen Gartenhäuschen verkrochen.
Aber die Schamröte steigt jedem anständigen Menschen ins Gesicht, der weiß, daß es Zivilisten gab, die seelenruhig der Beschießung beiwohnten und sich nur belustigt und feige duckten, wenn die Kugeln der Belagerten allzu scharf über sie hinwegs austen. Das war das Erschütterndste: Wiener sahen zu, wie Wiener in ihren Häusern ermordet wurden. Unterdessen warteten wir auf den Befehl zum Losschlagen nur wenige, auch das muß gesagt werden, denn viele waren unauffindbar, die sonst die lautesten Schreier gewesen sind. Aber da die Führer unserer Abteilung zum Teil verhaftet waren, zum Teil flüchtig, die Unterführer keine Verbindung mit den anderen Gruppen herzustellen vermochten, ja nicht einmal die Waffenverstecke genau kannten, so war die Verwirrung eine grenzenlose. Was wir vier, die wir zum Schluß noch, nur mit einem Revolver in der Hand im Zimmer saßen und endlich auf das erlösende Wort zu einer anderen Abteilung stoßen zu können warteten, litten, als wir völlig zerniert, die Heimwehrkolonnen unter unserem Fenster vorbeiziehen sahen und die Haubitzen über das Pflaster rattern hörten, wird keiner von uns je vergessen.
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Sind wirklich schon zwei Monate seither vergangen? Es ist wie gestern, nein, es scheint, als geschähe alles noch in diesem
Augenblick oder man ächzte unter einem schrecklichen Traum.
Inzwischen ist es Frühling geworden und lachende Menschen ziehen hinaus, sitzen in den Kaffeehäusern sowie sie im Fasching dort saßen, ihren Mokka tranken und die Sensationsnachrichten verschlangen, während in Hör- und Sehweite Menschen einen Verzweiflungskampf kämpften, von dessen Heldenruhm sie später sicher auch für sich einen Teil beanspruchen werden wie es ja das liberale Bürgertum immer verstanden hat, andere für sich ins Feuer zu schicken. Darum ist dieser Frühling so qualvoll, peitscht dieses Blühen unsere Trauer und unseren Jammer so unsagbar hoch, weil wir beim Anschaun jedes Grashalmes denken müssen, er ist gedüngt mit dem Blute unserer Genossen. Jetzt ist es sinnlos, über die Fehler zu diskutieren, die ungeachtet der warnenden Stimmen, an denen kein Mangel war! geschehen sind. Wir müssen uns vor alten oder neuen Phrasen hüten und trachten, uns ein Recht auf die diesem Unden Frühling zu erwerben, so wie wir glück heil entkommen sind-uns das Leben neu verdienen
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müssen.
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Golden schimmert der heraufkommende Abend über die Donau und taucht die Türme des Karl Marx - Hofes in sein Licht. Da verscheucht Trot die Müdigkeit und die Gegenwart selbst sorgt dafür, daß nichts uns einschläfert. Keine Sentimentalität, keine( blutgefärbte) ,, Bruderhand ", am wenigsten die Drohung. Nicht einmal die genießerische Lauheit des Frühlingsabends. Denn diese Wunde heilt keine Zeit.
Drum mögt Ihr die Sieger Frühjahrsparaden abhalten, Dankmessen lesen und herablassend eingestehen, daß die Arbeiterbüchereien auf hohem Niveau standen wir kommen wieder. Kein Doppeladler wird Euch schützen und kein Kreuz Euch erlösen. Denn der einfache Prolet, der sein Leben eingesetzt hat, in diesen Tagen, wird Euch nicht vergeben, weil er auch in den eigenen Reihen strenges Gericht halten wird.
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An die letzten Humanisten
Ihr steht, vom Untergang beschattet, Im letzten Kampf ums Menschenrecht Mit einem grausamen Geschlecht, Und euer Herz ist schon ermattet.
1920
Ihr ringt, ein Häuflein von Versprengten, Verzweifelt auf verlorner Wacht Mit einer wilden Uebermacht; Und niemand rettet die Bedrängten. Die Menschheit ihr galt euer Streben Wohnt tatlos eurem Sterben bei Wie einer Bühnenmetzelei, Nach der die Toten sich erheben.
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Vergebens blickt ihr in die Runde; Für euch hebt keiner mehr die Hand. Man findet euren Kampf pikant Und wettet auf die Todesstunde.
Man lehnt sich an die Logenbrüstung, Um besser eure Qual zu sehn; Vereinzelt zeigt man wohl Entrüstung, Doch nur so im Vorübergehn.
Ist man doch zu sehr in Geschäften. Nur diese sind der Mühe wert.
Wer sich mit Sittlichkeit beschwert, Treibt Raubbau nur an seinen Kräften.
Blutlüstern stürmen die Barbaren Auf eure dünnen Reihen ein. Bald werden nur noch Leichen sein, Wo einstmals Geist und Güte waren. Die Welt wird euch formell bedauern Und die Maschinen weiter drehn. Könnt sie, wie ihr, das Ende sehn, Sie würde vor sich selbst erschauern.
Ihr habt uns eine Ernte gestohlen, aber die Saat könnt Die kleinen Geschichten
Ihr doch nicht vernichten, denn sie ruht zu vielfältig in tausenden Herzen. Ob noch wir Jungen, oder erst eine
folgende Generation" die neuen Keime sehen werden, ist gleichgültig. Daß die Saat aufgehen wird, ist ohne Zweifel, denn sie hat treue und gute Gärtner: Unsere Schuld an die Toten, die Liebe zu unserer Stadt und der Haß auf Euch. Das ist der Frühling in Wien .
Faustkampf des Geistes
So etwas gibt es
h.
Aus einer Vortragsbesprechung Richard Euringers im Dort munder Naziorgan: Wolf Huitermann von Langeweyde( nicht Langeweile): death of anot
turn
,, Der Faustkampf des Geistes beginnt erst..."
サラ
Was haben sie geistig denn geleistet Eure Künstler, Eure Kämpfe?" fragen die geistig Gestrigen, die noch heute den Ruhm verteilen.
,, Sie haben erkämpft den neuen Geist(!!), der euch ,, Geistigen" nicht anweht!(!)"
..Es ist Ihr Ruhm", sagte neulich der Reichsdramaturg im Gespräch vorm Mikrophon mit dem Reichsführer der Jugend, ..es ist Ihr namenloser Ruhm, daß sie keine Zeit gefunden, Bücher zu schreiben.... Sie haben eropfert die Revolution..."
Wenn es sonst auch noch kein Verdienst war, keine Bücher zu schreiben, bei dem„, Niveau" dieser geistigen Faustkämpfer ist es, eins.
Noch eine Frage: Was reden denn diese rassegeprüften Urgermanen untereinander für ein merkwürdiges Deutsch?
Die himmlischen Rosen
Frauen, macht den Helden ein gemütliches Heim
,, Der Mann muß hinaus ins feindliche Leben...!" Das Leben des Mannes bewegt sich also in ganz anderen Bahnen, als das der Frau. Es bedeutet in allen seinen Phasen Kampf -Kampf ums tägliche Brot, Kampf mit widrigen Einflüssen des Alltags und Berufs Kampf um den Erhalt der Familie und damit um die Frau, Gattin und Mutter und nicht zuletzt Kampf um den Bestand der Heimat, des Vaterlandes. Aus diesem Grunde hat die Natur von sich aus den Charakter des Mannes rauher und widerstandsfähiger gestaltet, als den der Frau. Der Mann soll und muß die Stüge der Frau und der Familie sein. Es darf nicht übersehen werden, daß der Mann ebenfalls durch fremdrassige Einflüsse viel von diesen Idealen verloren hat und hatte. Sie ihm wieder zurückzugewinnen, ist das Streben der neuen Bewegung.
Wenn nun vom Manne gefordert wird, daß er sich mehr als bisher im öffentlichen Leben betätigt, teilnimmt und mitwirkt an der Gestaltung seiner Zukunft, die ja auch die Zuist, kunft der Familie in erster Linie also seiner Kinder cintritt für die Sicherheit und Machtentfaltung des Vater landes, so ist das nichts anderes als seine heiligste Pflicht. Wer den Mann an der Ausübung dieser Pflichten hindert. versündigt sich nicht nur an der Familie, sondern am ganzen Volke und am Vaterlande. Hier muß wieder die deutsche Frau in Erscheinung treten, welche selbst unter Hintansetzung persönlicher Wünsche und Hoffnungen zur Erfüllung dieser elementarsten Pflichten beiträgt. Auch der Mann muß sich viel versagen, wenn er diese seine Pflichten treu und gewissenhaft erfüllen will. Das sollte jede Frau bedenken, denn letten Endes ist ja die Frau und die Familie Nutznießerin der Erfolge des Mannes.
Und euch ihr Frauen der Kameraden, die berufen sind, das neue Reich zu bauen und zu festigen, möchte ich beson Jers zurufen: Schimpft nicht, wenn der Mann von seinen
Dienste später als sonst nach Hause kommt! Macht ihm keine Vorwürfe, wenn er in Erfüllung seiner Pflichten mehr als früher vom Hause abwesend ist! Erleichtert ihm sein Los! früher vom Hause abwesend ist! Erleichtert ihm sein Los! Richtet ihn auf, wenn er Trost und Hilfe braucht! Bietet ihm ein ruhiges, gemütliches Heim, damit er sich von den Strapazen erholen und neue Kräfte schöpfen kann!
Dann
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nur dann wird der Geist in eurem Hause und eurer Familie einkehren, auf dem sich das neue Reich aufbauen wird, das dereinst euren Kindern und Enkeln und nachfolgenden Generationen das Heil wiederbringen soll und wird, das wir verloren hatten. Dann wird auch in euch der Stolz auf den Mann einkehren, der kein Opfer für euch, für seine Familie und sein Vaterland scheut. Bedenkt die Worte des Führers:„, Gemeinnug geht vor Eigennut!" Wie einst unsere Vorfahren können auch wir nur durch Opfer wieder groß werden und daß dies gelinge, daran sollt ihr mitwirken und euch dereinst mit euren Männern an dem
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großen Erfolg eines geeinten und nach innen wie nach außen gesicherten deutschen Vaterlandes freuen!
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Weg also mit allen kleinlichen Nörgeleien und Bedenken nur das große Ziel muß uns im Auge sein!"
Wörtlich aus der ,, Fränkischen Tageszeitung"( 5. April). Wir wollten unseren Lesern diese Schilderung des neuen Frauenideals nicht vorenthalten. Das steht nun am Ende einer fast auf den Tag vor hundert Jahren begonnenen Emanzipation der deutschen Frau. Das Weib, dessen natürliche Bestimmung es ist, dem heldisch im Getümmel des Lebens stehenden Manne die Sorgenfalten und die Reste fremdrassiger Einflüsse von der Stirne fortzustreicheln: dieses Bild hat uns diese Generation revolutionärer Kämpfer aus der romantischen Trödelkiste wieder herausgeholt.
Horatio.
Man flüstert sich in Deutschland schon nicht mehr den neuesten politischen Witz nur zu, man benutzt ihn auch schon manchmal zur politischen Demonstration. So drang in ein norddeutsches Arbeitsdienstlager der Wit von Adolf und seiner Kate.
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Wie Sie kennen ihn noch nicht? Also: Adolf ist nicht nur wie seine braunen Leibpropagandisten behaupten, ein großer Kinderfreund, sondern auch ein großer Tierfreund. Am Jahrestag der faschistischen Machtübernahme sitzt nu Adolf mit seiner Lieblingskatze im Schoß am Kamin. Er streichelt das Tier und erzählt ihm von seinen großen Taten im ersten Jahr des dritten Reichs": ,, Die Marxisten hab' ich vernichtet, zahllose Arbeitsschlachten gewonnen, in manchem heimlichen Kampf mit Göring den Sieg davongetragen, den Wehrwillen gestärkt." Und was es sonst noch für faschistische Heldentaten gibt. Die Katze schnurrt. ,, Na und was meinst du, wie es im zweiten Jahr aussehen wird?" fragt Adolf . ,, Mau!" antwortet das Biest. Adolf läßt sie wegen Verächtlichmachung der Reichsregierung ins Konzentrationslager
sperren.
Dieser Wit lief von Mund zu Mund. Auch die SA.- Leute des Lagers kennen ihn schon. Nun wird er nicht mehr erzählt. Aber während der Instruktionsstunde, wenn die SA.Mandatare Hitlers die Zukunft mit den schönsten Versprechungen rosig malen, tönt es plötzlich aus einer Ecke und aus noch einer ,, Mau!" Die SA.- Leute bekommen rote Köpfe aber was wollen sie machen, wenn schließlich schallende Heiterkeit ausbricht?
Göring , gehetzt von der Angst vor Unruhen des unsichtbaren illegalen Gegners, hat verboten, daß in Zukunft Bohnen zu Eintopfgerichten verwendet werden.
Weil sie innere Unruhen verursachen!" begründete er das Verbot vor Hitler .
Wissen- an dritter Stelle
Die Schulreform des ,, dritten Reiches"
Im Reichsinnenministerium kündigt man ein neues Schulgesets an, durch das die in der Weimarer Verfassung festgelegte vierjährige gemeinsame Grundschule auf drei Jahre beschränkt wird. Dafür soll jedoch das neunte höhere Scheljahr der nationalpolitischen Erziehung in der Form eines einjährigen Militärdienstes gewidmet werden. Das bedeutet also, daß für sämtliche höheren Schüler eine einjährige M tärdienstpflicht durchgeführt wird.
Auch gegen die Form der Aufrüstung werden die Völker bundmächte keinen Widerspruch erheben. Aber auch die Proteste der Philologen, die einst so prompt und so energisch einsetzten, wenn aus sozialen Gründen die Dauer der höheren Schule um ein Jahr vermindert werden sollte, werden in der ,, veredelten Demokratie des Göbbels " ausbleiben. Man wird nichts davon hören, daß das Niveau der höheren Schule wie der Wissenschaft überhaupt gesenkt würde. Das wissenschaftliche Niveau der höheren Schulen ist neulich den Philologen Göpfert, so heißt dieser Nazischulreformer, erklärte nämin Dresden erst wieder einmal klargemacht worden. Herr lich seinen philologischen Zuhörern, die ihm begeistert zustimmten: Erst an dritter Stelle kommt bei Adolf Hitler das reine Wissen. Rassenlehre, Geschichte und Volkskunde müssen Kraftquellen für die Führerausbildung werden, und der erzieherischen Macht der Feiern ist höherer Wert beizumessen. Was beim Gesang des Horst- Wessel- Liedes, bei den Aufmärschen, bei den Feiern der Jugend, bei den Veranstaltungen von Kraft und Freude" erfühlt und erahnt wird, das ist in die Sphäre des Bewußtseins zu erheben. Und zwar ist dies die Aufgabe der Schule, die sie zu lösen hat." Das Deutsch des Herrn Göpfert entspricht ganz dem Inhalt seiner Rede.