Früherer Rechtsanwalt Ein Brief Severings

Nicht einmal das soll zulässig sein

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Die Deutsche Justiz", das amtliche Organ des Reichs­fustizministers, des Preußischen und des Bayerischen Justiz­ministers, veröffentlicht in Nr. 13 einen Artikel von Ministe­rialrat Kunisch, in dem die Frage erörtert wird, ob auf Grund des Gesetzes über die Zulassung zur Rechtsanwalt­

schaft ausgeschiedene Rechtsanwälte sich Rechtsanwalt a. D." oder früherer Rechtsanwalt" nennen dürfen. Die Unzu­lässigkeit dieser Titelführung bei Rechtsanwälten, die aus politischen Gründen ausgeschieden wurden, steht für den Verfasser von vornherein fest. Aber auch den auf Grund ihrer nichtarischen Abstammung ausgeschiedenen Rechts­anwälten fommt nach Ansicht von Ministerialrat Kunisch die Beibehaltung des früheren Titels nicht zu. Dies sei daraus zu schließen, daß das Geses über die Zulassung zur Rechts­anwaltschaft eine dem§ 4 des Berufsbeamtengesezes ent= sprechende Bestimmung über Weiterführung des Titels nicht enthält. Daß hier eine Absicht des Gesetzgebers vorgelegen habe, gehe auch daraus hervor, daß das Schriftleitergesetz ausgeschiedenen Nichtariern ausdrücklich gestattet, die Be­zeichnung Schriftleiter" mit dem Zusatz a. D." oder i. R." zu führen. Die durch das Gesetz vom 7. 4. 33 betroffenen Rechtsanwälte sollen aus der deutschen Rechtspflege aus­geschieden werden. Dieser Zweck würde aber nur sehr teil­weise erreicht, wenn man ihnen die Möglichkeit gäbe, in der Form von Rechtsbeiständen oder dergleichen sich doch wieder mit den Rechtsangelegenheiten anderer zu befassen, oder gar ihnen dabei noch durch das Gestatten der Führung des Titels Rechtsanwalt" wenn auch mit Zusäßen eine

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..Hätte ich das geschrieben..

Selbstverständlich sinne ich, soweit mein Gesundheits­

Auf mannigfachen Umwegen erreicht uns ein Privat brief, den Karl Severing   an einen noch in Deutschland   zustand jetzt zum Sinnen noch die Möglichkeit bietet, darüber lebenden Freund gerichtet hat. Der Brief stammt aus den letzten Tagen des März und nimmt ausdrücklich auf die angeblichen Zeitungsmeldungen Bezug, die sich mit dem angeblichen Inhalt des geplanten Erinnerungsbuches von Karl Severing   beschäftigen. Severing schreibt dazu wörtlich:

Was mein Buch anbelangt, möchte ich nur ganz kurz sagen, daß ich überhaupt noch nicht weiß, ob es je erfcheinen wird. Was die Zeitungen darüber veröffentlichen, steht nicht darin. Hätte ich das geschrieben, dann wäre ich ein ganz unwahrhaftiger Geselle, denn alle Welt weiß, daß ich auch gegen rechts eingeschritten bin.

nach, wie die innere Spannung zwischen alter und neuer Zeit gelöst werden kann. Und wenn ich in einer Schrift dazu beitragen könnte, diese Lösung auch nur vorzubereiten, würde ich das im Interesse aller gern tun. Aber die Art müßte man mir überlassen, die dürfte mir nicht von Zei­tungsleuten, die mir nur in der Firigkeit über sind, vor­geschrieben werden. Mit charakterlosen Renegaten ist diese Lösung nicht herbeizuführen, und darum scheint mir, ist mir der Weg, wie ich ihn sah, durch die Zeitungsschreibereien bereits verbaut.

Jeder hat eben sein Päckchen zu tragen! Für Ihre Lasten wünsche ich Ihnen beste Kraft!

Das Wunder" der Marneschlacht

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besondere Förderung zuteil werden ließe. Nichtarische Eine neue Erklärung des Reichswehrministeriums

Rechtsanwälte, welche trotzdem weiter den Titel Rechts­ anwalt  ", sei es auch mit den erwähnten Zusäßen, führen, machen sich gemäߧ 360 Biffer 8 StGB. strafbar. Man könne weiter bei einer Titelführung in dem erwähnten Sinne an einen Verstoß gegen die Vorschriften des unlauteren Wett­bewerbsgesetzes denken.

Vieh- Chetto auch in Frankfurt am Main  

Wie in mehreren Städten in Hessen   und anderswo wurde auch auf dem Viehmarkt in Frankfurt   a. M. eine spezielle Abteilung für jüdische Viehhändler und ihre Ware geschaffen. Die arische Abteilung befindet sich rechts, die jüdische links. Auf dem Nürnberger   Viehmarkt wurden Plakate herum­getragen mit der folgenden Inschrift: Ich warne euch zum legtenmal: fauft nicht bei Juden! Jeder, der diese Warnung nicht beachtet, wird die Konsequenzen zu tragen haben!" Die Plakate trugen teine Unterschrift, doch nahm man an, daß die Warnung vom Gauleiter Streicher ausging.

Raub bei Haussuchungen

Die 17. Große Straffammer des Berliner   Landgerichts verhandelte gegen den SA.- Mann Porada, und zwei andere SA.- Leute. Wie das Gericht feststellte, hatte Porada auf eigene Faust(?) Haussuchungen in Moabit   vorgenommen. Er entwendete dabei u. a. goldene Uhren, Ohrringe und 85 Mark Bargeld. Da der Staatsanwalt Anklage erhoben hatte, mußte das Gericht zur Verurteilung tommen und verhängte über Porada eine Zuchthausstrafe von 4 Jahren. Die beiden anderen SA.- Beute wurden freigesprochen.- Bis vor furzem konnte die SA. straflos stehlen, was sie nur wollte.

Gespräch über die Presse

Die Basler National- Zeituung"( Nr. 168) läßt sich aus Berlin   berichten:

Schon wiederholt sind schweizerische Zeitungen, auch Num­mern der National- Zeitung", mit Auffäßen des Schreiben den im deutschen   Reichsgebiet noch in lezter Zeit tonfisziert worden. Ueber die Verbotsgründe wurde uns an informier= ter Stelle folgender Bescheid zuteil: Die sachliche Zuverlässig feit der betroffenen Artikel molle man nicht diskutieren. Dagegen könne die Regierung oder vielmehr die Polizei nicht dulden, daß die reichsdeutschen Leser durch solche in ausländischen, dazu noch deutsch geschriebenen, Blättern ge­äußerten Zweifel am Aufbau des britten Reiches" irre gemacht oder gar beunruhigt würden. Der Totalstaat tenne und erlaube nur eine Meinung, ja fönne logischerweise gar nicht anders, als nur eine einzige dulden, nämlich die offi­zielle eigene. Um so größer sei daher das Entgegenkommen zu bewerten, daß die ausländischen Blätter in Deutschland  überhaupt öffentlich verkauft werden dürfen, nur seien der deutschen Duldung ausländischer Urteile dann eben min­destens Grenzen gesetzt.

An dieser Beweisführung ist, vom Totalstaat aus gesehen, faum etwas auszusehen. Und wo käme der deutsche Jour­nalist und Berichterstatter hin, der sich erfühnte, nach aus­ländischem Beispiel eine Lippe zu riskieren? Er würde stante pede abgesetzt oder gar in der Schuzhaft versorgt. Ausländische Journalisten bleiben im großen und ganzen nicht nur unbehelligt, sondern werden sogar zuvorkommend, ja beflissen freundlich behandelt. Sie haben es in jedem Sinn leichter als ihre deutschen Kollegen. Das müßte das Aus­land, bevor es über die gegenwärtige deutsche Journalistik den Stab bricht, zuerst bedenken. Denn, wo wäre der Ueber­mensch und Gigant, der einer der unduldsamsten und in gemiffem Sinn auch mächtigten Staatsgemalten, die je in Erscheinung traten, mit dem Mut zur eigenen publizistischen Courage in jedem Fall entgegenträte? 3mei hervorragende deutsche Schriftsteller, deren bier wieder einmal mit Respekt gedacht sei. Carl von Offießfy, der ehemalige Herausgeber der Weltbühne", und Ludwig Renn  , der Verfasser des Ariea", haben es gewagt; fie find seit einem Jahr spurlos im Konzentrationslager nerschwunden. Angst haben ist da­gegen so menschlich: die Sorae vor dem fofortigen Verlust dea Brotkorbs für den Fall der eigenen freien Meinungs­äußeruna, vor der dann kaum zu vermeidenden Armut, vor dem Hungern seiner selbst und vor allem der Familie. mer märe ihr nicht zugänglich. Nur derieniae. der im Gefühl ficherster Garantie von fich bebaunten könnte, unter aar feinen Umständen mürde ich gegebenenfalls mit meiner Meinung hinter dem Berae halten. wäre befuat. das Schau­frier das die deutsche Journalistik gegenwärtig gibt, mo­rafisch zu verdammen.

Uebermächtiger Rmana un rüdichtalofe Gemaltanmen­dung einerseits um nöffice infährigkeit und naft ander feita. Ana und nichts anderes find im Grund die Kräfte. die jensa Schauinier hemenen. Te anderen Geinräche und nrin zipielen Handlungen Sie in Tester Reit über den Rustand der Nreffe geführt und gefchrieben merhen, laffen die eigent­liche Substans abfeita und find mehr oder weniger Spiegel­fechtereien. Die deutsche Presse scheint schier an der galop

Berlin  , 12. April. Das Deutsche   Nachrichtenbüro teilt mit: Neuerdings sind wieder in Zeitungsartikeln und Broschüren auf Grund der bekannten Vorgänge innerhalb der deutschen Heeresleitung während der Marneschlacht Vorwürfe gegen einzelne Persönlichkeiten und gegen die Führung des deutschen Heeres von 1914 im ganzen er hoben worden, die jeder Berechtigung entbehren und daher geeignet sind, das Ansehen der alten Armee und der Wehrmacht überhaupt zu schädigen.

Demgegenüber stellt das Reichswehrministerium fest:

1. Die Vorgänge um die Marneschlacht sind von der histo­rischen Abteilung des Reichsarchivs   in jahrelanger Arbeit unter Heranziehung aller erreichbaren Quellen sachlich ge­klärt und in dem Werk Der Weltkrieg 1914" in voller Offenheit dargestellt worden. Die Zuverlässigkeit des Werkes ist von allen Seiten anerkannt. Ergänzungen und Erweiterungen dieser Darstellung erscheinen nur dann be­rechtigt, wenn sie auf neuen, einwandfreien Quellen und Forschungen beruhen. Spekulationen, Vermutungen, Heran­ziehung von Vorgängen, die mit dem Kriegsverlauf selbst nichts zu tun haben, sind geeignet, Beunruhigung in nicht sachverständigen Kreisen hervorzurufen, das Ansehen der alten Armee zu erschüttern. Sie greifen auch die persönliche Ehre von Männern an, die das Beste für Volk und Vater­land ehrlich gewollt haben.

2. Das Verhalten des deutschen Generalitabschefs in der Krise der Marneschlacht auf dunkle Einflüsse irgendwelcher Art zurückzuführen, ist vollkommen abmegig. General­oberst v. Moltte war weder Freimaurer   noch hat er sich in militärischen Angelegenheiten von anderen Persönlichkeiten als seinen perantwortlichen Mitarbeitern beraten oder

pierenden Schwindsucht dahinzusterben. Schon wird, nach den fast nicht mehr zu zählenden Fällen in letzter Zeit, ein neuer Hoffnungsloser Fall befannt:

Die Deutsche Tageszeitung", das einst große und politisch mächtige, auch reich finanzierte Agrarierorgan, will, so heißt es, das Rennen aufgeben. Als unwiderruflicher Todestag sei der 1. Mai festgesetzt. Das Blatt sant von einer Auflage von 80 000-100 000 Exemplaren, die es noch vor einigen Jahren zählte, auf knappe 10 000. Von den rund 3000 deut­schen Zeitungen verschwanden seit Ausbruch des dritten Reiches" etwa 700, darunter eine ganze Reihe führender Blätter von alter politischer und kultureller Tradition in Berlin  , Hamburg  , Königsberg  , Mannheim  . Alle international berühmten Organe, wie Kölnische Zeitung  "," Frankfurter Zeitung  ", Berliner Tageblatt"," Bossische Zeitung", Kreuz­ zeitung  ", Münchener Neueste Nachrichten  " find entweder politisch mehr oder weniger bedeutungslos geworden und heute ohne jeden Einfluß oder dann überhaupt verschwunden. Die Kölnische Zeitung  " hat eine Auflage von 20 000 statt 120 0000, das Berliner Tageblatt" 70 000 statt 250 000; schäzungsweise verlor die deutsche Presse seit dem Frühjahr 1933 eine Million Abonnenten. Wenn diese Million wenig stens restlos zur nationalsozialistischen Publizistik hinüber­gerutscht wäre! Aber nein, der Wechsel geschah nur zum Eleinen Teil. Millionen Deutsche   lesen überhaupt keine Zeitung mehr.

Für Ferdinand Fried   in einem langen Aufsatz in der noch bestehenden, aber auch ganz nationalsozialistisch ge­wordenen Diederichsschen" Cat", betitelt Das Schicksal der Presse", bedeutet die Gegenwart nur einen Uebergang, das Bild der künftigen Zeitungen stehe heute noch nicht fest; es stehe nur fest, daß es ein anderes Aussehen tragen werde und daß ganz andere Kräfte es bestimmen würden, als wir sie von liberalistischer Epoche her gewöhnt sind. Der nationalsozialistische Staat ist ein lebendiger Organismus. In ihm fann es feine Opposition geben, denn Opposition gegen die Staatsidee wäre gleichbedeutend mit Verneinung der deutschen Idee an sich und damit Volfsverrat. Die Presse ist natürlicher Ausdruck diefer organischen Einheit in Wort und Bild, jede Zeitung wird somit ein Vorwerk des Volts­tums und seines Staatswesens. Ratschläge und Kritik sind nur berechtigt im Sinn einer überzeugten, bejahenden Mit arbeit, soweit sie die Gesundung des deutschen Volkes, in­seweit sie die Gesinnung des deutschen Volkes fördern und einer endgültigen Befriedung und Befreiung aller Teile des deutschen Volkes die Wege ebnen."

Die Frage, die entscheidet, ist jedoch die: Wie weit darf der ungemein elastische Begriff Ratschläge und Kritik" dann überhaupt gespannt werden? Das bisherige Resultat, den Begriff auch nur schüchtern anzuwenden, schreckt.

Aehnlich wie Fried äußerte sich kürzlich Reichskanzler Adolf Hitler   selbst in einem Interview mit einem ameri­tanischen Journalisten: Es liegt nicht in meinen Wünschen, einfach nur das abdruckt, was ihr aus­daß die Presse gehändigt wird. Es macht keine Freude, 15 Beitungen zu lesen, die alle miteinander fast denselben Wortlaut haben. Im Laufe der Zeit werden unsere Schriftleiter wieder sp geschult sein, daß sie eigene wertvolle Beiträge zum natio­nalen Aufbau beisteuern können. Eines kann ich Ihnen jedoch sagen, ich werde keine dulden, deren ausschließlicher jedoch sagen, ich werde keine dulden, deren ausschließlicher 3wed es ist, das zu zerstören, was wir aufzubauen- unter­

beeinflussen lassen. Daß er den unendlich schweren Aufgaben der Kriegsführung sich nicht voll gewachsen ge­zeigt hat, ist auf gewisse Charaktereigenschaften und auf seinen leidenden Zustand zurückzuführen.

entsch ist

8. Die Tätigkeit der Oberstleutnants durch die Arbeiten des Reichsarchivs soweit geklärt, als dies überhaupt möglich erscheint. Ein Rest von Widerspruch zwischen dem, was über seinen Auftrag festgestellt werden fonnte, und dem, was er tatsächlich bei den Armeen veranlaßt hat, wird immer bleiben. Alle Versuche, über diesen Rest durch Aufstellung unbewiesener und unbeweisbarer Ver­mutungen und Behauptungen Klarheit zu schaffen, sind als aussichtslos anzusehen. Insbesondere muß betont werden, daß nicht der geringste Anhaltspunkt dafür beigebracht werden fann, daß Hentsch Freimaurer gewesen sei oder, daß er irgendwelche französischen   Beziehungen unterhalten habe. Die natürlichste und weitaus wahrscheinlichste Erklärung für sein Verhalten ist immer noch, daß er durch seine subjektive Vorstellung von der Lage veranlaßt worden ist, seine Befug­nisse tatsächlich zu überschreiten und die Dinge in eine seiner Auffassung entsprechende Bahn zu bringen. Daß er damit eine sehr schwere historische Verantwortung übernommen hat, ist nicht zu bestreiten. Ihm deshalb irgendwelche un­lautere oder gar verbrecherische Beweggründe unterzu­schieben, muß auf das schärfste verurteilt werden.

4. Der Versuch, den früheren Kaiser Wilhelm II.  als Urheber der Sendung des Oberstleutnants Hentsch hinzu­stellen, muß abgelehnt werden. Der Kaiser hat nur einmal in den Gang der Marneschlacht eingegriffen: am 7. Septem­ber abends, und zwar gerade in einem der Hentsch'schen Auf­fassung entgegengesezten Sinne. Dafür, daß der Kaiser Hentsch vor seiner Abreise gesprochen habe, fehlt jeder Anhaltspunkt. A

nommen haben." Selbstverständlich, das leuchtet ein, daß man zerstörerische Absicht nicht dulden kann! Geradezu ideal Ratschlag und Kritit" erteilte dann zu gleicher Zeit in einem vorbildlichen Aufsatz Gefolgschaft und Tradition" im Berliner Tageblatt" dessen Chefredakteur Erich Häuber. Er sprach von der Gesinnungsrenommisterei und vom get­ſtigen Hochmut gewiffer Leute, die sich glücklich schäßten, ihr Parteiabzeichen rechtzeitig erworben zu haben" und von ihrer beinah religiösen Unduldsamkeit gegen alle, die dies nicht fonnten oder, um den Verdacht der Mitläuferschaft zu ver­meiden, nicht wollten. Es herrschte eine Art Unehrlichkeit. Diese Diskrepanz zwischen Dogma und innerer Ueber­zeugung hatte häufig genug zur Folge, daß in der Preffe die Gedanken nicht klar und eindeutig, die Darstellungen nicht vielgestaltig ans Licht famen." Steptisch äußert sich Häuber zum Vorschlag Stapels im Deutschen Volkstum", die Stagnation der Presse durch eine gewählte Führerschaft mit dem Recht der freien Meinungsäußerung zu schaffen", meil, nach Häuber, durchaus unflar ist, nach welchen Gesichts­punkten die Auswahl zu treffen wäre" und weil die absolute publizistische Freiheit mit dem Nationalsozialismus   un­vereinbar sei. Die Tragik des deutschen Volkes und seiner ührer sei es von jeher gewesen, daß diese sich in restloser Arbeit verzehrten und für einen Nachwuchs, der mit dem überlieferten Gute zu wuchern verstand, zu sorgen nicht mehr die Kraft hatten. Das Volk aber dürfte nicht untertänig in blinder Anerkennung seiner Führer verharren, sondern habe Führer durch geistige Mitarbeit, Verbreitung und Ver­die Pflicht, sein höheres Recht auf Unterſtüßung seiner tiefung seiner Ideen freudig wahrzunehmen und damit einem fünftigen Genie den Boden zu bereiten". Bedeuten solche Worte nun Berstörung oder nicht vielmehr iene immer wieder geforderte aufbauende Kritif"? Und ist es etwa nur- Bufall, daß, wenige Tage nach Erscheinen des Auf­faßes, Säuber die Chefredaktion seines Blattes niederlegen mußte?

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Der Niedergang, die Katastrophe der deutschen Presse, hat vor allem sehr unmittelbare, sozusagen handgreifliche Ur­sachen: Den absoluten 3wang auf der einen Seite und die ebenso absolute und durch tägliche Beobachtung bestätigte und auch bearündete Angst der Journalisten auf der anderen Seite. Der Schreibende steht selbst mehr als ein Viertel­jahrhundert im Pressebetrieb, er hat dessen Relativität in reichem Maße kennengelernt. Aber an das eine glaubt er absolut: Daß das Dasein der Presse mit dem größeren oder geringeren Grad der Preffefreiheit steht und fällt. Gut, wenn dem Dritten Reich   die Wirtschaftskatastrophe des Presse­zerfalls und die Arbeitslosigkeit von so vielen Mitbetroffenen gleichgültig ist! Aber sie kann den neuen Staatsführern nicht gleichgültig sein. Andererseits ist nicht zu leugnen, daß Nationalsozialismus und Pressefreiheit unvereinbare Be­griffe find. Halten wir uns für heute an die Tatsache: Daß der Staatszwang auf die Presse die Hauptursache des großen deutschen Preffezerfalls ist, weil er die Zeitungen des Lese­reizes immer mehr beraubt, und daß das Publikum durch den Eindruck, den es fatalerweise empfängt: alles Gedruckte ist doch nur dazu da, zu beschönigen oder zu vertuschen, die Sicherheit und das Vertrauen verliert, verlieren muß. Die Deutschen   sind nur in Intervallen unbedingt gläubig. Meistens find fie doch ein skeptisches, ja mißtrauisches Volk, wenn sie das Mißtrauen auch lange bei fich behalten. Das Dritte Reich ist start, sogar sehr stark. Gut. Aber warum dann diese Vernebelung durch eine erzwungene Presse?