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Freilich

Einzige unabhängige Tageszeitung Deutschlands

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Nummer 87-2. Jahrgang Saarbrücken , Sonntag Montag, 15./16. April 1934 Chefredakteur: M. Braun

Aus dem Inhalt

Will Hitler marschieren?

Internationale Probleme

Seite 3

Liepmann:

der deutschen Emigranten

Seite 7

Englischer Brief

Der Jäger

hinter den Protestanten

Seite 4

Seite 2

Göbbels gegen die Bischöfe Gestern und heute

Antwort und Kampfansage

Der Reichspropagandaminister sprach am späten Freitag­abend im Rundfunk. Seine Stimme, etwas ölig und weich mit leichtem rheinischem Einklang, hatte zunächst die Auf gabe, den Sieg in der Arbeitsschlacht pränumerando zu ver­künden. Aber wie er es diesmal tat, war nicht uninteressant. Er lobte die Arbeiter, die trotz niedriger Löhne opferbereit feien; er tadelte jene Kreise der Wirtschaft, die da glauben, die von der Regierung durchgeführte Beruhigung des Pro­duktionslebens finde ihren zweckmäßigsten Ausdruck in einer durch nichts gerechtfertigten Lohnherabseßung, ergänzt durch eine noch weniger gerechtfertigte Preis- und Divi­dendenerhöhung".

Göbbels Stimme schraubte sich zum Grollton empor. Er übersah freilich, daß diese Kreise" dieselben Leute sind, die der Führer" selber zu Führern der Wirtschaft ernannt hat. Das alles aber ist nur das Präludium. Denn nachher fuhr Göbbels fort:

Die nationalsozialistische Bewegung leitet den Staat nach großen weltanschaulichen Grundsägen und läßt sich in der Durchführung ihrer auf weite Sicht gesehenen Prinzipien durch nichts und niemanden beirren. Es gibt im Lande nur wenige und kleine Konventikel, die das bis heute noch nicht eingesehen haben. Wenn beispielsweise Zeitungen, die vor der nationalsozialistischen Revolution nichts oder nur wenig zur Beseitigung des volkszerspaltenden Alaffenkampfes getan oder geschrieben haben, heute meinen, fie könnten die Bolfsgemeinschaft durch Wiederbelebung konfes fioneller Gegensäge stören, so beweisen sie damit nur, daß sie des Geistes der neuen Zeit feinen Hauch ver: spürt haben, unterschäßen aber andererseits offenbar die Entschlossenheit, mit der wir gewillt sind, solche frevlerischen Versuche zurückzuschlagen. Es gibt in Deutsch­ land weder eine Arbeiter: noch eine Bürger-, weder eine protestantische noch eine katholische, sondern nur noch eine deutsche Preise. Die Konfeffionen in ihrer Betätigungsfreiheit zu beschützen, ist Sache der Regierung. Sie wird diesen Schuß wahrscheinlich wirksamer ausüben als Zeitungen und Parteien. Ihre Hintermänner haben auch am allerwenigften ein Recht dazu, der Regierung und dem Nationalsozialismus, die allein die Kirchen vor dem Ansturm des Bolschewismus gerettet haben(!) deshalb Neuheidentum vorzuwerfen, weil sie auf dem Gebiet des Politischen die alleinige Totalität für fich bean­spruchen, ansonsten aber jeden nach seiner Facon selig werden laffen. Jedenfalls stehen wir auf der Wacht. Wir werden es nicht dulden, daß das Wert unseres Glaubens irgendwo auch nur den geringsten Schaden erleidet. Unser Langmut ist nicht Schwäche. Die sieghafte Kraft des Nationalsozialismus geht über ein paar Dugend Stänker zur Tagesordnung über."

Der Herr Propagandaminister hat also den deutschen Rundfunk zu einem heftigen Angriff gegen den deutschen Katholizismus und seine Autori­täten benützt. Die von ihm erwähnten Hintermänner" sind die deutschen Bischöfe, und deren Hintermann" ist wiederum der Papst. Denn in allen Hirtenbriefen und Oster­botschaften dieses Jahres haben die Spizzen der kirchlichen Hierarchie zum Kampf gegen das nationalsozialistische Neu­heidentum" aufgerufen.

Göbbels , einstmals Katholik, der sein Studium dem Wohl wollen katholischer Priester verdankt, steht auf der Wacht" gegen Stänter". Er, der astrale Vertreter des ,, dritten Reichs", besitzt die Legitimität dazu, weil er sich Zeit seines Lebens einer edlen Sprache und einer von Demagogie freien Kampfesweise befleißigt hat.

Seine Gattin Magda hat ihm, wie das amtliche deutsche Nachrichtenbüro der Welt offenbart, einen Tag später mit einem Mädchen beschenkt. Vielleicht hindert ihn die junge Vaterfreude, in den nächsten Wochen gegen die Stänker und Glaubensgenossen auf die Barrikaden zu steigen.

Verboten!

Die Unterdrückung der katholischen Jugend

Nunmehr hat der Regierungspräsident in Osnabrüd eine Verordnung erlassen, durch die er innerhalb seines Regierungsbezirkes den Angehörigen der konfessio­nellen Jugendverbände bis auf weiteres jedes ge­schloffene Auftreten in der Deffentlichkeit, das öffentliche Tragen von Bundestrachten oder-abzeichen und Kleidungs­stücken. das Mitführen oder Zeigen von Wimpeln oder Fahnen und den öffentlichen Vertrieb oder den öffent­lichen Verkauf von Prefseerzeugnissen untersagt. Außer­dem hat er innerhalb der konfessionellen Jugendverbände jede sportliche oder volkssportliche Betätigung verboten.

Uniformverbot für die jüdischen Jugendverbände Der Reichsausschuß der jüdischen Jugendverbände teilt folgendes mit:

1. Auf Wunsch der Reichsjugendführung weisen wir noch mals nachdrücklichst darauf hin, daß das Tragen von Uni­formen oder uniformähnlichen Bekleidungsstücken für alle jüdischen Jugendbünde verboten ist. Auch das Tragen von Koppeln jeder Art ist untersagt. 2. Auslands- und Grenz­landsfahrten bedürfen der Genehmigung durch die Reichs jugendführung.

,, Du bist schuld!"

Hitler- Deutschland

macht Frankreich für seinen Rüstungsetat verantwortlich

Auf die englische Demarche wegen der Höhe des deutschen Wehretats wird jetzt die in London eingetroffene deutsche Antwortnote bekannt. Lapidarisch wird erklärt, daß die Er­höhung der Etatziffer absolut einwandfrei sei. Zunächst habe man im Rahmen des Etats schon Vorbereitungen treffen müssen, weil nach Abschluß einer Abrüstungsfonven­

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tion für Deutschland eine neue Situation in der Wehrfrage eintrete!

Im übrigen sei in erster Linie die französische Forderung auf Umbau des stehenden Heeres Ursache für die Erhöhung der Reichswehrausgaben verantwortlich. Wenn die deutsche Armee eine furzfristige Dienstzeit erhalten solle, dann erfordere das erhebliche Mehraufwendungen. Die Mehrkosten für die Reichsmarine hielten sich durchaus im Rahmen des Zulässigen, da die deutschen Schiffe durchweg überaltert seien und eine umfassende Erneuerung Plazz greifen müsse. Was das Budget des Reichsministeriums für Luftfahrt betreffe, so begründet die deutsche Note die Stei­gerung der Ausgaben in erster Linie mit dem Ausbau der zivilen Luftfahrt(!) und dem Schußbedürfnis gegen Flieger­angriffe.

Uns scheint, daß eine derartige Antwort nur gegenüber einem Partner möglich ist, von dem man weiß, daß man ihm alles bieten tann. Dieſe Note ist von geradezu zynischer Dreiftigkeit und man darf gespannt sein, ob England darauf wieder nur mit Jovialität reagieren wird.

Hinter den Kulissen der Völkerbundsszenerie bewegen fich in diesen Tagen alle Verhandlungen um die Anerken= nung Rußlands durch eine Reihe von Staaten und den darauffolgenden Eintritt der Sowjet- Union in den Völker­bund. Besprechungen, die zwischen den Führern der Kleinen Entente stattgefunden haben, beseitigten die letzten Hinder­niffe einer Anerkennung der Russen durch die Kleine Entente . Belgien und Dänemark sind ebenfalls so weit, sich einer An­erkennung anzuschließen und lediglich die Schweiz bereitet noch Schwierigkeiten.

Es ist damit zu rechnen, daß auf alle Fälle im Laufe der Herbsttagung die Aufnahme Rußlands in den Völkerbund vollzogen wird.

Man rechnet damit, daß bis zu diesem Termin auch die Schweiz ihr ablehnendes Verhalten revidiert hat. Sowjet­Rußland hatte ursprünglich zur Bedingung gemacht, zunächst

Zeitungsnotiz des amtlichen Deutschen Nachrichtenbüros für die Presse:

,, Gestern gelang es einer SA.- Strife, einen eklatanten Fall verbotenen Uniformtragens zu ermitteln. Zwei Ange­hörige des Nationalsozialistischen Frontkämpferbundes hatten die Kühnheit, in den Straßen unserer Stadt die alte Stahlhelmuniform spazieren zu führen. Die beiden Leute konnten nur durch sofortige Zuführung zur nächsten Polizei­wache durch die SA. vor der berechtigten Empörung des Volkes geschügt werden. Ein strenges Urteil des Sonder­gerichtes ist ihnen sicher."

Dies ist, wir gestehen es gerne, eine erfundene Notiz, eine von schmutziger Emigrantenfantasie ausgebrütete Greuel­jährige SA.- Knaben das Recht haben, ergraute Kriegsteil­meldung. Man stelle sich vor: in einer Stadt sollen zwanzig­nehmer in Feldgrau zu verhaften! Nur wer den vater­ländischen Ehrbegriffen völlig entfremdet ist, wird so etwas für glaubhaft halten.

Aber in diesem dritten Reich" geht es merkwürdig zu. Man kann tolldreiste Geschichten erfinden, und zum Schlusse werden sie wahr. Denn was ist dem Stahlhelm, Bund der Frontsoldaten , angetan worden? Man hat ihn nicht nur auf­gelöst; ihn nicht nur zwangsweise in einen Nationalsozia­ listischen deutschen Frontkämpferbund umgewandelt. Ein offiziellen Osaf- Befehl liegt vor: ,, mit sofortiger Wirkung" kann jede SA. oder SS.- Streife jedes Mitglied des neuen NSDF. in der alten Stahlhelmuniform wegen verbotenen Uniformtragens auf der Straße festnehmen und auf die nächste Polizeiwache bringen.

Das ist nun das Ende nach solchem Glanze. Im Stahlhelm besaß die deutsche Gamaschenknopf- Symbolik, repräsentiert von Offizieren der Reserve, etwas zu kurz gekommenen Feldwebelleutnants und vielem treuen Fußvolk, ihren Halte­punkt in den Tagen der knochenweichen Weimarer Republik . Hier standen sie wieder in Reih und Glied und dennoch im geziemenden Abstande der Rangordnungen, die das gleich­macherische Zivilleben eingeebnet hatte. Hier lohte das zornige Blinkfeuer der ihrer alten Karriereprivilegien Be­raubten empor. Da schlugen die Hacken zusammen vor Prinzen und Generälen, schon vor der Stammtischfahne gab es die Illusion der Offiziersmesse. Die Bäuche waren dicker geworden. aber die Trübheit des bürgerlichen Alltags ver­sank eine Weile in der Erinnerung an Grabentrommelfeuer und Kameradschaft, wenn es auch oft nur die Erinnerung

der Etappe war.

Das waren die ersten Regimenter gegen die deutsche Demokratie. Ihr Chef, Herr Seldte aus Magdeburg , heute unterworfener Arbeitsminister des Führers"; ihr zweiter Oberst Düsterberg, einst ein mächtiger Schimpfbold, heute ein Emeritierter des Aufbruchs der Nation. Es hatte sich herausgestellt, daß diese stahlharte Lanze von einer Genera­tion von Rabbinern geschmiedet worden war, und sie brach gewaltsam, als sie sich der Seldteschen Kapitulation zu widersetzen wagte.

Nun gibt es keinen Stahlhelm mehr. Die früheren Stahl­helmer dürfen nur noch eine offene feldgraue Bluse, braunes Hemd und grünen Binder tragen. Titel, Rangstufen, Führer­grade sind abgeschafft. Keine Schulterriemen, keine Waffe! Dies alles haben SA. und SS. Man ist nicht viel mehr als ein Kriegerverein mit zünftlerischer Regimentstradition und dem Regenschirm in der nervigen Faust, wenn sie nicht in der Tasche geballt ist.

Ja, das ist nun das Ende. Es ließe sich viel dazu sagen,

über Sinn und Geschichte des Ablaufs der Militarisierung einer Nation, über die Machtkämpfe der feudalen und der plebejischen Prätorianer auf dem Rücken einer Republik. Die Tatsachen sprechen. Der Ehrenvorsitzende des einstigen Stahlhelms, der Herr Reichspräsident von Hindenburg , sieht zu, wie seine Standarte auf dem von der braunen Total­gewalt erstürmten Schützengraben auf Halbmast geht.

Hunderttausend waren es 1930 in Koblenz . Hundert­fünfzigtausend 1931 in Breslau . Feldgraue Meere auf Exer­zierplätzen! Und 1932, unvergeßbar, die Harzburger Front. Hakenkreuz am Stahlhelm, schwarzweißrotes Band, aber damals hat Hitler siegestrunken seine feldgrauen Kameraden nicht gegrüßt. Sie durften noch einmal im Januar 1933 mit­jubeln. Heute hat der Soldat des künftigen Weltkrieges die Vollmacht, den des vergangenen auf der Straße zu verhaften. Argus.

von allen Ländern anerkannt worden zu ſein, ehe es den Schwerindustrie und Ley

formellen Beitritt zum Völkerbund vollzieht, jedoch scheint heute in Moskau Neigung dafür zu bestehen, auch dann den Eintritt vorzunehmen, wenn dieser oder jener Außenseiter­staat noch keine formelle Anerkennung Rußlands vornehmen will.

Die Vorgänge in Genf beweisen erneut die außer ordentliche Rührigkeit der Sowjet- Diplo matie und stellen selbst in der gegenwärtigen Form beacht­matie und stellen selbst in der gegenwärtigen Form beacht­liche Erfolge für die Sowjet- Union dar

DNB. Düffeldorf, 18. April. Staatsrat Dr. Ley weilte am Freitag in Düsseldorf , wo er in der Tonhalle an die Unter­nehmer des Wirtschaftsbezirks Westfalen einen Appell rich­tete. Namens der Unternehmerschaft des Bezirks begrüßte Direktor Poensgen den Führer der DAF. und erklärte die Bereitwilligkeit der Wirtschaftsführer zur Mitarbeit. Dann sprach Gauleiter Florian, der erklärte, der Sinn der Tagung bestehe darin, die Befriedung auf dem Wirts schaftsgebiet herbeizuführen.