Dienstag, den 24. April 1934
,, Was habe ich ihnen getan?"
TRE
Die ,, Wiener Sonn- und Montagszeitung" veröffentlicht ein Gespräch des Berichterstatters einer jüdischen Zeitung, das vor dem Verbot ihres Filmes stattgefunden hat. Wir entnehmen der Unterhaltung: ,, Sie kommen jetzt aus Deutschland ? Können Sie mir erklären.. . was diese Menschen von uns wollen? Was haben
wir ihnen getan?
Blättern schreibt, ich sei dem deutschen Publikum fremd, hätte ihm nichts zu sagen, man wolle mich nicht mehr, so weiß ich: das ist nicht wahr!
Vielleicht kann man den Leuten jetzt verbieten, sich meine Filme anzusehen, vielleicht kann man den Schriftstellern in Deutschland verbieten, für mich einzutreten.
Aber eins kann man nicht: den Menschen, die mich als
Elisabeth Bergner zeigte eine wider wärtige Kari- ,, Heilige Johanna" gesehen haben oder als das russische
katur. Plötzlich sprang sie auf:
418 008
,, Sagen Sie mir, wenn Sie es können, was habe ich diesen Menschen getan? Ich bin eine Künstlerin, ich habe mich nie um Politik gekümmert, verstehe gar nichts davon, habe nie einer Partei angehört, nie eine Zeile geschrieben, nie eine Rede gehalten... ich habe nichts getan als gespielt, gespielt, gespielt!
Istiniti
Was habe ich diesen Menschen getan, daß sie mich jetzt beschimpfen, in den Dreck ziehen?
Ich will Ihnen sagen, was ich ihnen getan habe: ich habe ihnen immer nur das Beste gegeben, was ich hatte. Das biẞchen Kraft, das ich habe, habe ich immer bis zum Letzten eingesetzt für meine Kunst. Ich habe mich nicht geschont, ich habe es mir nicht leicht gemacht.
Wenn ich etwas erreicht habe, wenn ich ,, berühmt" bin, wenn ich Liebe im Ueberfluß geerntet habe ich habe es mir verdient, ich habe redlich dafür bezahlt."
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Sie ging erregt im Zimmer umher und blieb dann dicht
vor mir stehen.
Es gibt so viele Dinge, die wir Frauen nicht begreifen, die wir euch Männern einfach glauben müssen. Ich verstehe nichts von all dem, was jetzt in Deutschland politisch vor sich geht, und ich muß jede Erklärung akzeptieren, die ihr mir dafür gebt.
Aber in meinem kleinen Kreis weiß ich Bescheid, da lasse ich mir nichts vormachen. Und wenn man heute in deutschen
50 Jahre
510
Am 27. Mai wird der Dichter und Publizist Max Brod 50 Jahre alt. Verschiedene literarische und gesellschaftliche Gruppen in Prag und in anderen Städten der Tschechoslowa kei bereiten aus diesem Anlaß Ehrungen für den Dichter vor. Das Prager Neue Deutsche Theater begann die Reihe dieser Ehrungen mit der Aufführung von Brods schon mit Erfolg über verschiedene Bühnen gegangenem Schauspiel ,, Lord Byron kommt aus der Mode".
Max Brod , Dr. jur., 1884 in Prag geboren, war zunächst im Staatsdienst tätig, den er 1924 als Sektionsrat verließ, um in die Redaktion des ,, Prager Tagblatts" einzutreten. Er ist Mitbegründer des jüdischen Nationalrates in Prag . Seine künstlerische und jüdische Persönlichkeit wird im ,, Jüdischen Lexikon"( Spalte 1173/1175) u. a. wie folgt charakterisiert: ,, Der Grundcharakter seines Künstlertums ist die Liebe zum Leben( Eros ), wozu allmählich und in immer neuen Wandlungen die Versenkung in sein Judentum als ethisches Element hinzukommt. In der ersten, von ihm als ,, Indifferentismus" bezeichneten Epoche erscheint die Liebe zum Leben als hingebungsvolle Betrachtung ohne straffes Willensziel( ,, Tod den Toten", 1906; Schloß Nornepygge":" Der kleine Lo"; ,, Die Höhe des Gefühls";..Weiberwirtschaft"); das Judentum ist ihm nur eine der vielen Erscheinungsformen des Lebens (..Jüdinnen". Arnold Beer"). In der zweiten Epoche sam
Frage an Dr. Will:
Sind Rindviecher Arier?
Die gleichgeschaltete ,, Nürnberger Zeitung" berichtet über einen hochinteressanten Vortrag, den ein Dr. Will bei der Ortsgruppe Nürnberg - Wöhrd der NSDAP . hielt. Der Redner hatte sich ein Thema gewählt, das, wie die Zeitung schreibt, für jeden deutschen Menschen ungeheuer wichtig" ist. Das Thema lautete:„ Die Aufwertung des nor dischen Blutes durch das Rindvieh."
Dieser Herr Dr. Will, der sein und seiner deutschen Volkgenossen Blut durch Rindviecher aufnorden will, hat zweifellos das Richtige getroffen. Er scheint dabei sein eigenes Versuchskaninchen gewesen und den künftigen deutschen Vollrindviechern mit gutem Beispiel vorangegangen zu sein. Ihm sind die Volksgenossen noch nicht große Rindviecher genug, sie müssen deshalb aufgewertet werden.
Mädchen„ Ariane", die Erinnerung daran rauben, ihr Erlebnis umfälschen.
Ich habe sie ergriffen, sie haben mich geliebt, ich müßte es auch ohne die Tausende von Briefen, die ich aus Deutschaus der tiefsten deutschen Provinz
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Nein, das alles ist nicht wahr, was man jetzt über mich
Die Kette
Wir gehn ohne Ende von Hand zu Hand, zerknittert, zerdrückt und zerlesen.
Wir schüren die heimlichen Brände im Land, wir kleben an rissiger Mauerwand und werden gelesen, gelesen.
Wir sind die Lunten am Dynamit, rotglimmende, schwelende Funken. Wir sind die Kette und sind der Kitt. Die Zögernden, Lauen, die reißen wir mit wund stopfen das Maul allen Unken.
Nimm uns Genosse und du Kamerad und klebe uns hin an die Ecke. Du bist eine Speiche im rollenden Rad, die Brücke zum Ufer, ein roter Soldat, du bist ein Glied unserer Kette. Kurt Doberer.,
schreibt. Und ich begreife nicht, warum es geschieht. Was Fey ganz groß habe ich diesen Menschen getan?"
,, Sie sind eine Jüdin, Elisabeth Bergner !" Sie flüsterte mehr, als sie sprach:
,, Nur weil ich eine Jüdin bin? Ist das mein ganzes Verbrechen?"
,, Ja, ich bin eine Jüdin! Hören Sie: ich habe immer gewußt, daß ich eine Jüdin bin, ich habe es nie geleugnet, aber ich habe es auch bis heute nie wirklich erlebt.
Das Tiefste erlebt man immer im Unglück. Ich bin eine Jüdin, ich bin stolz darauf! Ich will, daß jedermann weiß, daß ich eine Jüdin bin. Nicht nur die, die mich heute beschimpfen, sollen es wissen, sondern auch die, die mich ver
ehren.
Es wäre mir unerträglich, wenn irgend jemand glauben könnte, die Jüdin Elisabeth Bergner wolle sich hinter der Künstlerin Elisabeth Bergner verstecken.
Ich bin eine Jüdin, meine Feinde sollen es wissen und meine Freunde."
melt sich das Judentum in ihm zu der sittlichen Forderung, Gott mitzuhelfen an der Vervollkommnung der Welt ( ,, Tycho Brahes Weg zu Gott", 1916;„ Eine Königin Esther "; „ Das gelobte Land";„ Das große Wagnis"). Die dritte Epoche
ist deutlich gekennzeichnet durch die Problematik des Sittlich- Guten. Schon in früheren Werken, besonders in„ Eine Königin Esther " angedeutet, tritt die Frage nach der sittlichen Notwendigkeit und dem lebensfördernden Wert des Bösen hervor( ,, Franzi", 1922; ,, Klarissas halbes Herz", 1923; ,, Leben mit einer Göttin";" Reubeni, Fürst der Juden", 1925). disans sess
Brod ist Vertiefung des Verständnisses für die menschheit. liche Bedeutung der jüdischen Lebenserfassung zu danken. Sein Hauptwerk in dieser Beziehung ist das zwischen der zweiten und dritten Epoche entstandene zweibändige Bekenntnisbuch: ,, Heidentum, Christentum, Judentum"( 2. Auflage 1922). Außerdem sind hier zu erwnen die glänzenden Essay- Sammlungen: Sozialismus im Zionismus “ und„ Im Kampf ums Judentum"( beide 1920). Ein streng philosophisches Werk ,, Anschauung und Begriff( gemeinsam mit Felix Weltsch ) erschien 1913. Viel Interesse bei Publikum und Kritik fand der vor wenigen Monaten erschienene Roman von Max Brod ,, Die Frau, die nicht enttäuscht".
wird oder gar von seinen Lippen kommt. Also grüßen sich
nur die arischen Betriebsangehörigen mit„ Heil Hitler !" Zu den jüdischen aber sagt man ,, Guten Morgen!" oder" Guten Tag!" oder sonst etwas ähnliches, was man in vernünftigen Zeiten zu allen vernünftigen Menschen zu sagen pflegte. Ein diesbezüglicher Erlaß ist in Vorbereitung.
Das alles ist, wie man bemerkt, furchtbar wichtig und interessant. Aber noch interessanter wäre es zu erfahren, wie die Berliner Arbeiter über die Sorgen des Herrn Engel denken. Diese Berliner Arbeiter, schnoddrig, kaltschnäuzig, überkritisch, stets bereit, an allem und jedem ihren scharfen Wits zu üben diese Berliner Arbeiter waren zu Tausenden im Sportpalast versammelt, hörten sich die Redereien von Engel an und schwiegen!? Hat der Wundertäter Adolf Hitler wirklich das Wunder vollbracht, sie so zu verwandeln, daß sie sich für ihre Lohntüten nicht mehr interessieren, dafür aber für die Grußformen, die zwischen Juden und Christen angewendet werden?
Nein, das kann keiner glauben, der die Berliner Arbeiter kennt! Sie werden für den Blödsinn, den man an ihnen und mit ihnen verübt, Rache nehmen. Unsterblich bleibt der Ber liner Wit!
Unter besonders großem Beifall führte der Dr. Will dann ganz tolle Seitenhiebe gegen die Juden. So erklärte er, daß ,, die Juden die Pockenschutzimpfung nur erfunden haben, weil sie damit die Erbmasse, den Sitz der Rasseeigenschaften, zersetzen wollen." So seit ,, die Pockenschutzimpfung der erste geglückte Großangriff des Juden gegen die Erbgesundheit." Fine vollkommen erschöpfende Antwort auf die Frage, ob nnn die Rindviecher Arier oder die Arier Rindviecher sind, Hitlers Auspuff
ist Herr Dr. Will allerdings schuldig geblieben. dis atin sid sid das
Eine Anzeige aus ,, Motor und Sport" Nr. 15:
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In der Weltwoche " wird der Major Fey, Führer der österreichischen Heimwehren, geschildert, wie man eben Wiener Prominente zu schildern pflegt, seien sie nun vom Film oder von der Politik. ,, Er ist schon, er ist unerbittlich", hat eine französische Journalistin, der er es offenbar angetan hat, von der Politik. Er ist schön, er ist unerbittlich", hat eine richterstatters:„ Er stößt den Rauch aus nur einmal besinnt sich dann einen Augenblick, blickt im Kreise um sich ( wie der Vater aus dem Struwelpeter) und beginnt zu reden er hat das blasse Gesicht eines Intellektuellen, die breiten Schultern eines Mannes der Tat und riesige, immer unruhige Augen. Ich denke mir, während ich zuhöre, für eine Frau, für jede Frau müsse es ein Sieg sein, diesen Blick einen Augenblick auf sich lenken zu kön( Leider erfahren wir nicht, ob es gelungen ist.) Fey ist der geborene Redner. Wenn er auch sehr gut spricht, so hat man doch das Gefühl, er mache eine Konzession. Er denkt an etwas anderes.( Ein untrügliches Zeichen für den geborenen Redner.) Selten sieht man einen so intelligenten Kopf auf einer Uniform. Er bringt die schmalen Lippen beim Reden kaum auseinander( woher es wohl kommt, daß ihm viele nicht so recht verstehen)... Plötzlich beginnt er sich zu beleben... Er findet Gesten, nimmt eine Zigarette aus einem silbernen Etui( schon wieder, das kennen wir doch schon vom Film) steckt es in die Tasche zurück( eine Beobachtungsgabe!) ballt die Fäuste, streckt seinen Arm, öffnet seinen Mund ganz groß und läßt die Worte vibrieren." Kein Wunder, daß ihm niemand widerstehen kann sagt die ,, Basler Nationalzeitung" dazu.
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Der Aether nicht total V. E. 301
idse
Der neue Volksempfänger, dessen Herstellung und Massenvertrieb auf die Initiative des Propagandaministeriums zurückgeht, sollte die Isolierung des deutschen Volkes vérvollständigen, die Empfangsmöglichkeit ausländischer Sendestationen ausschließen. Amtlicher und Parteidruck wird aufgeboten, um die Verdrängung der größeren Empfangsapparate durch den V. E. 301 zu erreichen. Das ist weitgehend gelungen. Gründlich miẞlungen ist aber die Absicht, die deutsche Hörerschaft mit Hilfe des E. V. 301 auf den deutschen Aether zu beschränken. Aus dem Radiomaulkorb V. E. 301 ist durch wenige Handgriffe und ohne Kosten ein Empfangsapparat zu machen, der einen einwandfreien Empfang der Sender Prag , Straßburg , Luxemburg und sogar Moskau ermöglicht. In allen Teilen Deutschlands wird Göbbels V. E. 301 von seinen Besitzern umgebastelt und zum Empfang ausländischer Stationen benutzt. Im Aether hört die faschistische Totalität auf.
Marsch! Marsch! Inflation in Märschen
Die führende deutsche Musikerzeitschrift ,, Musik" in Ber lin kann voll Stolz die aufregende Tatsache verkünden, daß in einem einzigen Jahr nicht weniger als 178 neue Märsche komponiert wurden. Das ist fürwahr eine rettende Tat"! Der deutsche Rundfunkhörer vernimmt diese Neuigkeit mit Grausen. Er hört schon seit einem Jahr auf allen deutschenSendern nichts anderes als Marschmusik.( Im Ausland stellt schon lange niemand mehr deutsche Stationen ein.) Der neudeutsche Musikgeist kann sich anscheinend nur im Marschtempo austoben. Wenn das der vielgefeierte Richard Wagner
erlebt hätte! Aber verwunderlich ist die Sache nicht. Die„ genialen" deutschen Komponisten hören ja nichts anderes als: „ Ohne Tritt marsch!"," Auf, marsch, marsch!" und ,, Zurück, marsch, marsch!"
Zeit- Notizen
Die braunen Prominenten
นิยม
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Göring hat folgende Künstler der Berliner Staatstheater zu ,, preußischen Kammersängern" bzw. preußischen Schauspielern" ernannt: Heinrich Schlusnus , Rudolf Bockelmann , Jaro Prohaska, Helge Roswänge , Marcel Wittrisch , Frieda Leider , Maria Müller, Margarete Klose , Käte Heidersbach, Gustav Gründgens , Werner Kraus, Friedrich Kayßler, Lothar Ernennung ist eine langfristige Bindung an die Berliner Staatsbühnen und ein Ehrensold verbunden..
Sorgen des Treuhänders in freie Bahn. Wie grüßt der Jud? Wie grüßt der Christ?
Der Treuhänder der Arbeit für Berlin , Herr Engel, hat das muß man schon sagen,- seine Sorgen. Neulich hat er sich in einer Sportpalastrede mit der Frage beschäftigt, wie in den Betrieben die Arier und die Juden einander zu grüBen haben. Der deutsche Edelgruß Heil Hitler " wird nämlich entweiht, wenn er an einen jüdischen Paria gerichtet
Die deutsche
Motorrad- Fanfare!
Das deutsche Ansaughorn!
... Erhältlich in den Werkstätten usw. Der deutsche Auspuff, Marke Fanfare, verstänkert leider die ganze europäische Atmosphäre und schafft freie Bahn" für die Rüstungsindustrie!
National unverlässige Universitäten?
Der Führer des Kreises Berlin der Deutschen Studenten schaft , Freudenberg , teilt mit, daß im kommenden Semester 5000 Studenten aus der Berliner Friedrich- Wilhelm- Universität herausgezogen und den ostdeutschen Universitäten Bres lau und Königsberg überwiesen werden.