Deutsche   Stimmen Beilage zur Deutschien Freiheit". Ereignisse und Geschichten

Bier- zur

Samstag, den 28. April 1934

den on 28. April

-zur sozialen Gesundung

R. Der Führer der Gruppe Lebensmittel der deut­

Deutsche Legende

Von Stefan Heym  :

schen Wirtschaft, Herr Brauereidirektor und Oberbürger- Gesundung" marschieren kann. Bier macht gesund, das ist Und Er ging wieder durch das Land,

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meister Schüler, Dortmund  , läßt in der Westfälischen Landeszeitung" vom 21. April einen Artikel über die nationalsozialistische Brauindustrie erscheinen, der einige ergögliche Pointen enthält.tia stat

Schüler ist ein hohes Tier mit vielen Aemtern und Titeln, einer der zehn Wirtschaftsheiligen, die den verfahrenen Kar­ren aus dem Sumpf zaubern sollen. Er kann nicht gut deutsch, aber so gut wie Ley handhabt er das komplizierte Instrument Sprache auch. So vernehmen wir denn folgende aus Blut und Boden entsprossene Wahrheit: Das dem Deutschen   von vorgeschichtlichen Zeiten her im Blute lie­gende Begehren nach einem gegorenen Getränk aus der Gerste hat dem deutschen   Brauer das Gesetz seiner Arbeit vorgeschrieben. Die Gleichschaltung seiner Erzeugung auf das Ziel des deutschen   Trinkbegehrens verbindet ihn mit Volkstum, Sitten und Gebrauchen ungleich stärker, als es die Fabrikation eines lediglich marktfähigen Gegenstandes vermöchte". Der volksverbundene Brauer hat nun die Auf­gabe ,,, die gabe, die Existenzgrundlage einer noch größeren Volks­gemeinschaft sicher zu stellen... und so in dem Kampfe um die soziale Gesundung seinen Mann zu stehen.. Von Hitler   wird erwartet, daß er ,, dem leidenden Braugewerbe neuen Lebensraum" verschaffen wird".

,, Und sie tranken immer noch eins", erzählt die zweifel­hafte Sage von altgermanischem Brauche. Es scheint, daß dieses falsche Bild den Herrn Wirtschaftsführer nicht ruhen läßt. Die altnationale Betätigung des Humpenschwingens

Zwei Zeitschriften ,, Die Sammlung"

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muß wieder zur Blüte gebracht werden, auf daß die soziale unumstößliche Wahrheit den, der es herstellt und ver­kauft. Dem, der es trinkt, schadet es zwar, es macht dumm, geschwätig, kritiklos, schließlich krank. Doch macht das nichts aus. Der nationalsozialistische Grundsats lautet ,, Mein

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Nutz geht vor dein Nut", in diesem Sinne ist die ,, soziale Gesundung" unterwegs. Wir denken an ein Wort, das 1918 gesprochen wurde: Hätten wir Friedensbier ge, habt, wäre die ganze Revolution nicht gekommen!" Die

Saufkultur hat nicht nur den Zweck sozialer Gesundheits­pflege an den Brauereibesitzern, sie hat einen hervorragen­den politischen Sinn. Trinkende Arbeiter denken nicht! Ley feiert nicht umsons seine Klassenverbrüderungsakte mit viel Bier. Herr Schüler ist nicht umsonst Wirtschaftsoberster ge­worden. Das dritte Reich" verlangt gebieterisch das ..Lebensmittel" Bier gegen den grimmigen Freiheitshunger seiner Massen. Bier muß strömen. Herr Brauereidirektor Schüler wird sein Möglichstes dazu tun, daß die Sklaven der

braunen Diktatur ihre wachsende Erkenntnis ersäufen in dem aus Blut und Boden gewachsenen urnationalen Erzeug­

nis: Bier!

Wenn aber die große Sozietas der Hungernden gesunden soil, muß es Herrn Schüler viel, viel schlechter gehen als bisher.

Klare Gehirne sind die Todfeinde sozialer Narkotika. Es gibt manche Anzeichen dafür, daß sich das deutsche   Prole­tariat weder durch Schülers Bier noch durch Hitlers Nimbus lange mehr berauschen lassen wird...

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591601 leger Wieland Herzfelde  , der mit dem Malik- Verlag   von Berlin   nach Prag   zu emigrieren gezwungen war. Ueber die ziffernmäßige Entwicklung die die Verbreitung der ,, Neuen Deutschen Blätter" in den wenigen Monaten genommen hat, erfährt man etwas in Nummer 4. Daß die Auflage erheblich ist( im Dezember bereits 5300), ist erfreulich, weil sie den Bestand der Zeitschrift sichert.

,, Die Sammlung", die im Querido- Verlag( Amster­ dam  ) erscheinende und vou Klaus Mann   unter dem Patronat von André Gide  , Aldous Huxley   und Heinrich Mann   herausgegebene Literarische Monats­schrift, bringt in ihrer neuen Ausgabe essayistische Arbeiten holländischer Publizisten über die holländische Mentalität ( Menno ter Braak Geist und Freiheit"), das hollän­dische Theater( Hendrik Scholte Bühne in Holland  "), die holländische Literatur( E. du Perron ,, Holländische Literatur  ") und zeitgenössische holländische Musik( Constant van Vessem Zeitgenössische holländische Musik). Ein Hollandheft also, das durch eine kleine Auswahl von Prosa und Lyrik holländischer Autoren( Gedichte von Stephen Spender  , Jan H. de Groot, Halbs Kool, Prosa von Sjoerd Broersma) ergänzt wird.

Ein vortrefflicher Gedanke. Denn die geistige Landschaft Hollands   war bisher eine europäische terre incognita. Obwohl man Paris  , Brüssel, London  , und Berlin   von Amsterdam   aus in wenigen Viertelstunden mit dem Flugzeug erreichen kann, und obwohl der Holländer von der bequemen Möglichkeit, andere Länder zu besuchen, zu Schiff, mit der Eisenbahn und dem Flugzeug reichlich und gerne Gebrauch macht, führte Holland   bisher trotz der fast phänomenalen polyglotten Ver­anlagung der Holländer ein, allerdings selbstgewolltes, apartes, saturiertes, geistiges Eigenleben.

Zu Unrecht gilt dieses Volk als ein Händlervolk, das um ein paar Cente jede Geistigkeit verkauft. Die Vorstellung, der immer wieder von oberflächlichen Menschen Ausdruck gegeben wird, von dem holländischen Käshändler ist ebenso falsch wie die von dem italienischen ,, Mausefalle- Rattefalle". Händler und dem verlausten Polen  . Ein junger holländischer Schauspieler, wohl der Künstlerischste des Landes, nannte in einem Gespräch, das ich mit ihm hatte, seine Landsleute die Chinesen Europas  . Die Deutschen   sagen von den Westfalen, man könne einen Sack Salz mit ihnen essen und wisse doch noch nichts von ihnen. Dasselbe kann man von den Hollän­dern sagen. Ihr weltberüchtigtes Phlegma ist nur eine Maske, hinter der sie ihr fast nervöses individualistisches Leben ver­bergen.

Dieses Holland  - Heft der Sammlung" lüftet die Maske, wenn es auch nicht völlig demaskiert. Die Sammlung" hat damit bewiesen, daß sie nicht nur, was die Auswahl ihrer Mitarbeiter anbetrifft, sondern auch in ihrer geistigen Gesamttendenz eine europäische Zeitschrift ist. neue deutsche Blätter"

Have.

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Etwas mehr als ein halbes Jahr ist vergangen, seitdem die Monatsschrift ,, Neue Deutsche Blätter" zu scheinen begonnen hat. Sie daukt ihr Entstehen dem Ver­

Die Neuen Deutschen Blätter" sind nicht nur eine lite. rarische, noch nur eine politische Zeitschrift. Nicht nur ein Kampforgan um Kultur, noch allein eine Streitschrift für Menschenrechte. Sie sind kein Blatt ausschließlich für die Intellektuellen oder nur der Popularität. Wenn die Zeit­schrift sich auch in der Hauptsache darauf beschränkt, dem Deutschtum dienen zu wollen, so erreicht sie doch weit mehr: Was durch Broschüren, Belehrungen. Vorträge, entsprechende Zeitungslektüre nicht oder nur halb gelang, das haben die ..Neuen Deutschen   Blätter" erreicht, das Verständnis für die sozialen Probleme zunächst einmal gefühlsmäßig aufzu­schließen. Das ist viel, sehr viel, wenn es auch nicht alles bleiben darf. Daß es nicht alles bleibt, dafür sorgen jene Bei­träge, die die Zusammenhänge in der einen oder anderen Form, die den Willigen und Unwilligen gleich fesselt, nach­weisen. Scheinbar der Unterhaltung dienend, belehren diese Beiträge, wenn sie einem nicht das Herz aufreißen. Die

Neuen Deutschen   Blätter" haben nur einen Fehler, sie sind zu teuer für den Durchschnittsgeldbeutel. Man wünscht sie, wie die billigen Hausfrauenblättchen von Haus zu Haus kolportiert zu sehen. Auch wo sie nur aus Neugierde oder gar Sensation gelesen werden sollten und das würden sie oft, darüber täusche ich mich nicht, würden sie die richtige Wirkung nicht verfehlen. Ganz gewiß würden sie der großen Masse der Indifferenten die Notwendigkeit des Kampfes gegen jeden Art Faschismus verständlich machen.

Nicht verschwiegen soll werden, daß die ,, Neuen Deutschen Blätter" auch mancher Gegnerschaft begegnen. ,, Asphalt- Lite­ratur" und ähnliche, ohnmächtigen Neid verratende Bezeich­nungen bleiben jedoch die wenig sachlichen und noch weniger überzeugenden Argumente dagegen. Solche Schlagwort- Kritik ist nur geeignet, die Existenzberechtigung der Monatsschrift ,, Neue Deutsche Blätter" noch näher zu untersuchen und da stellt sich heraus, daß ihr Bestreben um so wichtiger ist, je­mehr die Zeitschrift die zur Gewohnheit gewordene Lüge im menschlichen Fühlen und Denken auf allen Gebieten, die sie berührt, nachzuweisen versteht.

Wiener Zensur

Saba.

Der dritte Band von Meyers Konversationslexikon   wurde in den Buchhandlungen beschlagnahmt. Die Konfiskation er­folgte wegen der in dieser Ausgabe des sogenannten ,, Kleinen Meyer" enthaltenen Darstellung des Wiener Fehmar- Auf­standes.

In brauner Jacke Sie wissen nichts...

Aus Saarbrücken   schreibt man uns: p

Den Berg herab kommt eine Schar Mädchen in braunen Jacken. Schon aus der Ferne hört man sie singen. Als sie heran sind, versteht man es. Sie singen nicht mehr, wie das sonst war, vom grünen Wald und vom Wandern, von Liebes­glück und Liebesleid Mannhaft tönt ihr Kehrreim: ,, Schön ists, zu streiten für das Vaterland!"

Derlei Lieder hört man immer wieder, eigentümlicher­weise von Mädels mehr als von Burschen. Vielleicht spielt bei denen schon der Hintergedanke herein, daß vor allem sie es sein werden, die die Süßigkeit des Streitens für das Vaterland bis auf die Neige werden auskosten müssen, derweil die großen Führer sich in den Kommandanturen and Etappen pflegen und die Hintermänner glänzende Ge­schäftsabschlüsse ihrer Waffenfabriken buchen.( Kinder," so sprach einmal im ehemaligen Simplicissimus  " ein alter Herr zu seinen Enkeln, das war eine große Zeit! Da haben wir einmal an einem Tage 100 000 Mark verdient.") Die Mädel sehen das mehr gedankenlos an, widerstandslose Opfer gewisser Lehrer und Zeitungsschreiber. Man sollte solche Schurken an die Kette legen," sagt Schillers Karl Moor.

Sie wissen es auch nicht mehr, die tapferen Hitler­mädchen wie ihre Mütter und Großmütter Tag und Nacht

um den Vater, den Mann, den Sohn gezittert haben, wie sie

als kleiner Mann, und ziemlich unbekannt.

Sein leiser Blick sei, glaubte er, genug; doch Er vergaß, daß Er nichts mehr bedeute. Es kam ein Haufen bunt behängter Leute, der eine Fahne vor sich trug.

Und allem Volk war strammes Grüßen Pflicht. Er wußt es nicht, Er tat es nicht.

Sie schleppten Ihn zum Keller der SA. Der Himmel senkte sich in düstren Farben. Sie sahen nicht die alten Kreuzesnarben. Es war derselbe Weg nach Golgatha.

Es war derselbe Weg. Und Ihm ward schrecklich klar, daß Er damals umsonst gestorben war.

Sie schlugen auf Ihn ein. Da Er nur lächelte, entblößten sie voll Wut beim Prügeln ihr Gebiß. Nur daß diesmal kein Altarvorhang riẞ, als Er in Blut und Schmerz verröchelte.

Er fuhr zum Vater auf, Sein Antlitz war wie Stein. Und bat die jubelnden Engel, sie möchten stille sein...

Satan Marx

Wo bleibt der Irrenarzt

Ein Dr. Walter Claassen hat bei Ludwig Schröter in Berlin   ein Buch erscheinen lassen, das er ,, Der Wille zur Kraft" nennt. Amerikanische   Zeitungen, denen die psycho­logisch anscheinend nicht sehr versierten Kommis des Reichs­propagandaministeriums Werbeexemplare" dieses einzig­artigen Buches geschickt haben, bringen in größter Verblüf­fung größere Auszüge aus diesem ,, Standardwerk" neudeut­scher Gelehrsamkeit. Man ist sehr versucht, das Ganze als einen leicht grotesken Aprilscherz abzutun, wenn man nicht wüßte, daß im Lande der braunen Narren der Unsinn Me­thode und der Sinn als untermenschlich" verschrien ist-!

Schon mit dem Waschzettel des Verlags beginnt es. Hier wird eingangs triumphierend festgestellt, daß der Kraftwille des Herrn Claassen dem Marxismus   auf allen seinen Schleichwegen" folgt, um, bescheiden, wie derartige Wasch­zettel nun einmal sind, treuherzig blinzeind hinzuzufügen, daß der Herr Claassen das nationalsozialistische Gegen­stück" zu dem ,, Kapital" des Juden Marx   geschrieben habe.

Herr Claassen hat es mit dem Satanismus"! Den Marxis­mus nennt der unfreiwillige Humorist eine besonders scheuß­liche Erscheinung des Kollektivismus, um dann wörtlich das folgende zu sagen:

,, Deutschland   war es, aus dem Karl Marx  , der Jude, aus dem Friedrich Engels  , der Germane, hervorgingen. Beide sind die Stammväter des schändlichsten Satanismus, den die Welt je erlebte, je erleben wird".., Engels  , dieser göttliche arische Idealist, wurde in den Dienst des satanischen jüdischen Idea­listen Marx   gedrängt!" Das Walten einer höheren Macht, so berichtet uns dieser Satansexperte mit erhobenem Zeige­finger ,,, kann direkt bewiesen werden. Diese höhere Macht aber ist die des Satans. Eines Menschen Hirn hätte die teuf­lische Lehre des Marxismus niemals erfinden können!"*

Und so geht es weiter, mehr als sechshundert Seiten lang. Nicht nur über den Satan Marx und seinen marxistisch zu motivierenden teuflichen Pferdefuß, sondern auch über dem Sexual- Bolschewismus". An einer besonders markanten Stelle heißt es:

..Biologisch, eugenetisch, d. h. schließlich auch moralisch ge­sprochen, bleibe es ziemlich gleichgültig, wie die gebildeten Klassen aussterben, durch welche Art von Sterilisierungen, durch Fraß, Suff, Sterilisierung der Männer oder der Frauen, ob per anum oder per vaginam, mit oder ohne Lues  ."

Das ist also der geistige Aufbruch der deutschen Nation", den Göbbels   und die Seinen so hymnisch besungen haben! Bedauernswerte Irre, die in ihren Komplexen herumwühlen, Wahnwitzige, die mit ihren Feberfantasien Fangball spie­len, als die Repräsentanten des neuen Deutschland  "!

Aber kann man von einem System, das morphinistische Brandstifter nicht in Ketten legt, sondern als Ministerpräsi­denten wüten läßt, andere geistige Erzieher" als armselige Narren à la Claassen erwarten! Pierre.

voll Schreck aufschrien, wenn die Briefträgerin ihr Mann Deutsches Jumplied

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war draußen ein Schreiben mit dem Stempel des Truppen­teils brachte, wie sie bei Nacht aus dem Schlummer fuhren mit dem Gedanken: Vielleicht auch du!

Und wie sie standen, in langen Reihen, tagelang und Nächte hindurch, um ein Stücken Butter, ein paar Gramm Fett, ein armselig Ei oder etwas Gemüse für ihre hohl­wangigen Kinder zu erhaschen. Wie sie in Granatfabriken ihre Kräfte aufzehrten, in der Sprengstoff- und Giftgas­industrie ihre Gesundheit ruinierten. Andere aber scheffelten Millionen, andere bekamen den Pour le Mérite   für die vielen Gefallenen ihres Truppenteils und schickten den Burschen mit Butter und Fleisch und Wertsachen in die Heimat.

Von all dem wissen die dummen Mädel nichts! Die es aber wissen und doch aus tollem Chauvinismus, aus schnöder Ge­winngier, aus erbärmlicher Angst um ihre Stellung der Jugend die Wahrheit verhehlen und sie mit Lügen vom ,, schönen Streit fürs Vaterland" ihrem Unglück zuführen solche Burschen sind nicht wert, einen öffentlichen Posten zu bekleiden.

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Heute aber regiert das in Deutschland  . Und im Saargebiet plappern sie alles begierig nach und suchen noch zu über

bieter

,, Auf die Gewissensfrage, woher das Geld für alles komme, erwiderte ich: es wird gepumpt." Reichsfinanzminister Schwerin von Krosigk  .

( Melodie: Im tiefen Keller...)

Im Reichsbankkeller sits ich hier Bei einem Rest Devisen,

Und denk: In welcher Frist droht mir Der Abschied auch von diesen? Das letzte Gold trägt grad man raus, Was soll uns das Gelumpe?! Ich füll in Ruhe Wechsel aus Und pumpe- pumpe- pumpe! Sind vorbelastet auch fünf Jahr So mit Millarden sechse,

Bleibt mir das schnuppe ganz und gar,

Das Geld aus nichts ich hexe. Und kracht es einst

nun wohl, dann kracht

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Es gleich mit Stil und Stumpe. Das walte Gott   und Hjalmar Schacht  ! Ich pumpe

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pumpe pumpe!

Mucki.