Hitlers Maigeschenk

Das Gesetz zu der nationalen Arbeit

Am 1. Mai trat Hitlers   Arbeitsgesetz endgültig in Kraft. Hinter der pompösen Komödie der nationalen Arbeit, die der Nationalsozialismus an diesem Tage mit eigenen und ge­stohlenen Symbolen aufführt, vollziehen sich die größte Tra­gödie und der tiefste Absturz einer Massenschicht, die die Sozialgeschichte jemals aufzuweisen hatte. Der soziale und fulturelle Aufstieg des deutschen Arbeiters fand seinen Aus­druck und seine Bürgschaft in dem von Generationen er­fämpften Arbeitsrecht, das am 1. Mai 1934 zu Grabe getragen wird. Nach dem treffenden Ausdruck Legiens hat die Gewerkschaftsbewegung in wenigen Jahrzehnten aus stumpf­sinnigen Arbeitstieren, die sich von den Unternehmern alles bieten lassen, selbstbewußte Menschen und eine klassenbewußte Arbeiterschaft gemacht. Aber Hitlers   Arbeitsgesetz vernichtet die in der ganzen Welt angesehene deutsche Sozialpolitik total, es führt den Arbeiter zu jenen Zuständen der 70er- Jahre zurück, von denen Franz Mehring   vielsagend berichtete: Die Arbeiter standen mit der Müze in der Hand vor dem ge­strengen Herrn Fabrikanten, der sie durch den Hunger, und vor dem gestrengen Herrn Kaplan, der sie durch die Hölle zähmte"

Hitler   läßt die entrechteten und mehrlosen Arbeiter durch die Arbeitgeber und die Treuhänder der Parteidiftatur zähmen; sein Arbeitsgesetz verwandelt einfach die Arbeit­nehmer in stumme Statisten bei der Rollenverteilung zwischen der Diktatur der Unternehmer und der Monopolpartei, die sich mit dem Staat identifiziert. Daß infolge dieser doppelten Unterjochung des Arbeiters der allmächtige Fabrikherr wieder aufersteht, erscheint selbst den italienischen Faschisten zu viel. So schrieb bezeichnenderweise Lavoro fascista  ":

Was den Gegensatz zwischen Kapital und Arbeit an­belangt, find wir alle geneigt anzuerkennen, daß das natio­nalsozialistische Deutschland   Italien   überflügelt; Deutsch  land hat diesen Gegensatz in der denkbar einfachsten Weise geregelt; es hat den deutschen   Arbeiter an Händen und Füßen gebunden dem Kapitalismus ausgeliefert, so daß der deutsche Arbeiter nunmehr nur ein Recht hat, das jenige, dem Arbeitgeber zu gehorchen."

In der Tat, das Gesetz der nationalen Arbeit beseitigt nicht nur das Betriebsrätegesetz, die Tarifvertragsverordnung, die Schlichtungsverordnung, sondern sogar fene Artikel der Gewerbeordnung, die seit fast einem halben Jahrhundert die Arbeitnehmer gegen die Willfür der Arbeitgeber schüßten und u. a. das Koalitionsrecht und Streifrecht gewährleisteten.

Aus Subjekten des Arbeitsrechts verwandelt das Hitlergesetz die Arbeitnehmer in unmündige Schußobjekte ihrer Brotherren. Die Parteidiktatur hat den Arbeitern

nicht nur den Schuß des geltenden Arbeitsrechts genommen, sondern sie hat selbst dessen Grundidee, nämlich die rechtliche Gleichstellung der Verkäufer und der Käufer der Arbeitskraft vernichtet: Der Führer des Betriebes ent­scheidet der Gefolgschaft gegenüber in allen betrieblichen An­gelegenheiten", d. h., er regelt ohne jegliche Beteiligung der Arbeitnehmer die Arbeitszeit, bestimmt die Gründe der frist: losen Entlassung, setzt die Bußen fest und beschließt alle sonstigen Arbeitsbedingungen. Aber dessen nicht genug, er. mächtigt Hitler   die Arbeitgeber auch noch zur Lohnfest fegung nach eigenem Gutdünken, sofern es ihnen gefällt( und wann wird es ihnen gefallen?), dabei gibt ihnen der Gesetzgeber noch einen besonderen Wink zum Lohndruck. Es heißt nämlich:

,, Soweit in der Betriebsordnung das Arbeitsentgelt für Arbeiter und Angestellte festgelegt wird, sind Mindestfäße mit der Maßgabe aufzunehmen, daß Raum bleibt für die Vergütung der Leistungen einzelner Betriebsangehöriger." Der Arbeitgeber, der Betriebsdiftator, soll also eigen­mächtig die Affordsäße so niedrig bemessen, daß genug Anreiz zu äußerster Affordschinderei besteht und damit das Arbeits­tempo sich ach den Refordschindern richtet. Diese Verwand­lung der Affordarbeit in förmliche Mordarbeit begrüßt die gleichaeschaltete Presse als Sieg des nationalsozialistischen Leistungsprinzips". Da die Lohnbestimmung durch die Fabrik­herren oder ihre Betriebsführer zur Regel wird und Tarif­verträge zur Ausnahme, so ist die Arbeitskraft im Wett

bewerb der Betriebe durch Lohndruck dem

größten Raubbau ausgesetzt. Mögen die Gefolgschafts"= löhne noch so kläglich bemessen sein, mögen die vom Arbeit geber diftatorisch auferlegten Arbeitsbedingungen noch so drückend sein, fie find für die Belegschaft nach Hitlers   Gesetz rechtsverbindlich". Man begreift daher, daß selbst gleichgeschaltete Juristen in der gleichgeschalteten Presse ge­nötigt sind festzustellen, daß nach der Revolution", die durch dbab an

Zwei Welten

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Hitlers Arbeitsgeses vollzogen wurde, in Deutschland   eigent lich kein Arbeitsvertrag mehr existiere.

In der Tat, der deutsche Arbeiter ist nicht mehr Partner eines individuellen oder kollektiven Arbeitsvertrages, son­dern passiver Leidtragender, einer ofta torischen Betriebsordnung. In Betrieben mit weniger als 20 Arbeitnehmern brauchen die Arbeitgeber die von ihnen diftierten Arbeitsbedingungen, nämlich die Betriebsordnung, nicht einmal auszuhängen, d. h. die Be­schäftigten sind der unkontrollierbaren Ausbeutungsgier aus­geliefert. In Betrieben mit weniger als 20 Arbeitnehmern gibt es nicht einmal den Schein einer Betriebsvertretung. Nur in Betrieben mit mehr als 20 Beschäftigten ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Betriebsordnung, d. 5. die Arbeitsbedingungen den Arbeitnehmern durch Aushängung befanntzugeben. Für diese Betriebe sind auch sogenannte Vertrauensräte vorgesehen, denen aber kein einziges der effektiven Rechte der früheren Betriebsräte zusteht.

Sie haben weder ein Mitbestimmungsrecht bei der Fest­setzung der Arbeitsbedingungen, noch ein unmittelbares Ein­

Berliner Kirchenblatt verboten!

Mit einem Leitaufsatz des Berliner   Bischofs Berlin  , 30. April.

Die Nummer 17 des Katholischen Kirchenblattes für das Bistum Berlin" vom 29. April ist polizeilich beschlagnahmt worden. In der beschlagnahmten Nummer befand sich neben einem Artikel des Bischofs von Berlin   zum Tag der natio= nalen Arbeit eine ausführliche Auseinandersetzung über die vom Ostdeutschen Sturmtrupp" unter dem Titel Die Wahr­heit über Henningsdorf" aufgestellten Behauptungen.

Am vorigen Sonntag war vor den Türen der Berliner  katholischen Kirchen eine Sonderausgabe des Ostdeutschen Sturmtrupps", des amtlichen Organs des ostdeutschen Hitler­jugend, verteilt worden, das sich gegen die von fatholischer Seite gegebenen Darstellungen der Henningsdorfer Vorfälle richtete. Das fath. Kirchenblatt polemisierte gegen diese Dar­stellung und hielt die von fath. Seite gegebene Schilderung aufrecht. Gleichzeitig veröffentlichte es Reproduktionen von drei dem Ostdeutschen Sturmtrupp" entnommenen Kari­faturen, in denen man die Gestalten kath. Priester, darunter des Kardinals Faulhaber, erkannte.

Katholischer Zeitungen

Das staatsgefährliche Fragezeichen

spruchsrecht gegen schlimmste Ausnutzung der Arbeitskraft. Weitere Verbote todah abatt sis Die Hauptfunktion des Vertrauensrats ist nämlich die auf: rechterhaltung des Vertrauens der Gefolgschaft zum Betriebs­führer", d. h. zum Arbeitgeber, mas ja nicht sonderlich schwer fällt, nachdem das Hitlergeses den Arbeitgeber zum Beiter und Vorsitzenden des Vertrauensrates be= stimmt. Der so geleitete Vertrauensrat soll eventuell gegen allzu drückende Arbeitsbedingungen beim Treuhänder der Arbeit Beschwerde erheben. Dabei führt der Arbeitgeber nicht nur den Vorsiz im Vertrauensrat, sondern bestimmt auch im Einvernehmen mit dem Vorsitzenden der NSBO., die Kandidatenlisten, die die Belegschaft alljährlich, freilich, in geheimer Wahl" annehmen oder ablehnen darf. Im letteren Fall ernennt der Treuhänder der Arbeit die Vertrauens­männer" der Belegschaft.

Brauchen die Arbeitgeber als Führer solcher Ver­trauensräte nicht sonderlich Beschwerden der letzteren zu be­fürchten, so bedroht das Arbeitsgeseh noch obendrein mit Strafen Angehörige der Betriebsgemeinschaft, wenn sie wiederholt leichtfertig unbegründete Beschwerden oder An­träge an die Treuhänder der Arbeit richten".(§ 36 3iffer 3.) Gleichzeitig wird der Arbeitnehmer verpflichtet, seine volle Kraft dem Dienst des Betriebes zu widmen". Es ist der Dienst am Fabrikherrn, dem Hitlers Sozialpolitif" als Industriefeudalen die Arbeitsfnechte ausliefert. Dabei sollen noch die Treuhänder der Arbeit als Beamte der Diktatur für die Erhaltung des Arbeitsfriedens sorgen", d. h. fie sollen darüber wachen, daß die Arbeitnehmer sich dem Diktat

Köln  , 30. April. Die Kölnische Volkszeitung" ist auf sieben Tage verboten worden. Der Verbotsgrund ist der­selbe wie bei der Essener Volkszeitung", was daraus zu er­klären ist, daß k. V. und Essener Volkszeitung" in einer engen Arbeitsgemeinschaft zueinander stehen und gegenseitig Saz übernehmen. Jedoch war das Fragezeichen, das zum Verbot Anlaß gab, nur in einem Teil der betreffenden Aus­gabe der Kölnischen Volfszeitung" enthalten. Bekanntlich hatte ein Setzer, der inzwischen brotlos gemacht und ein­gesperrt worden ist, hinter den Glückwunschbrief des Reichs­ präsidenten   zum Geburtstage Hitlers   aus Versehen ein Fragezeichen gemacht. Daher die ganze Aufregung.

Düsseldorf  , 29. April. Die Regierungspreisestelle teilt mit: Der Regierungspräsident hat das Erscheinen der Bergischen Post" in Opladen   für die Zeit vom 28. April bis 5. Mai 1934 einschließlich verboten.

Erwürgt!

der Arbeitgeber fügen. Gleichzeitig sollen wie die Regierung über die Entwicklung der Sozialpolitik der Betriebe in­formieren", damit wohl die Unzufriedenheit der allseitig aus- ,, Druck von außen übermächtig" gepreßten Arbeiterschaft nicht allzu gefährlich für die Hitler­Diktatur werde. Die Treuhänder der Arbeit sollen nur, wenn zwingende Gründe vorliegen". Tarifordnungen erlassen. Aber diese Treuhänder der Parteidiktatur, deren Prestige unter der finfenden Ausfuhr leidet, haben sich bisher feines­wegs dem starken Lohndruck widersetzt, damit wohl die Schleuderausfuhr auf Kosten der Löhne und nicht der Profite erfolgen kann.

Sollten sich gelegentlich Treuhänder finden, die gegen Hungerlöhne durch eine Tarifordnung einschreiten werden, so besteht keine Gewähr, daß die Tarife tatsächlich eingehalten würden, nachdem es feine freigewählten, vollberechtigten Be­triebsräte und keine unabhängigen Gewerkschaften mehr gibt, die im geordneten Gerichtsverfahren auf Einhaltung der Tariflöhne flagen könnten. Denn das soziale Ehrengericht", das Hitlers   Gesetz einführt, bildet in der Tat ein mittelalter­liches Herrengericht. Es bestraft mit Verlust des Ar­beitsplatzes lies schwarze Liste- Angehörige der Gefolg­schaft, die den Arbeitsfrieden in den Betrieben durch bös­willige Verhebung der Gefolafchaft gefährden". Wenn aber der Unternehmer durch Mißbrauch seiner Machtstellung die Arbeitskraft der Gefolaichaft böswillig ausnüßt", so wird er höchstens mit 10 000 RM. und eventuell mit Verlust des Rechts, Betriebsführer zu sein, bestraft. Der Arbeitgeber darf dann einen autbesoldeten Pg. als Betriebsführer anstellen

und der böswilliae Mißbrauch der Arbeitskraft" fann von

neuem beginnen!

Mögen die Trompeten der Diktatur noch so laut an der

Sflavenfeier der nationalen Arbeit an diesem 1. Mai er­tönen, sie werden bei den Arbeitern und Angestellten nur den leidenschaftlichen Willen auslösen, die Ketten der doppel­ten Diktatur zu zerbrechen und die soziale Schmach dieses Arbeitsgesetzes auszumerzen. Arbeitsgefeßes auszumerzen. Ida Grüning. sdal tsh so sob steid

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Berlin  , 30. April. Nachdem der Berliner Börsen- Courier" und die Vossische Zeitung" bereits von der Bildfläche ver­schwunden sind, stelt nunmehr, wie schon berichtet, auch die " Deutsche Tageszeitung" mit dem 30. April ihr Erscheinen ein. Das Blatt war vor dem Kriege Jahrzehnte hindurch das führende Organ der deutschen   Land­wirtschaft. Es hatte seine große Zeit unter den Chefredak­teuren Dertel und Dietrich Hahn, die sich bereits weit vor dem Kriege dem Einfluß der linksdemokratischen und marri­stischen Presse entgegenstemmten.

In einer Mitteilung des Verlages wird darauf hin­oewiesen, daß schon die veränderten Verhältnisse seit 1918 es mit sich brachten, daß die Deutsche Tageszeitung" feinen genügenden Rückhalt mehr in der deutschen Landwirtschaft fand und infolgedessen schon lange Zeit Gegenstand größter Sorge war. Wörtlich heißt es dann weiter: Es wäre trotz­dem möglich gewesen, die Zeitung zu erhalten, neuerdings wurde aber der von außen gegen die Druc Deutsche Tageszeitung" angesezte übermächtig."

Das hätte sich die Redaktion der Deutschen Tageszeitung" nicht träumen lassen, als sie glaubte, unermüdlich gegen die Republik   von Weimar   heßen zu müssen.

Wieder eine Wieder eine Doppelhinrichtung

bask

Göring läßt täglich köpfen de datos

Wie der Amtliche Preußische Pressedienst mitteilt, sind Samstag morgen in Greifswald   die Mörder des Kauf­manns Wilhelm Erich und seiner Tochter Maria Erich, die Brüder Frizz und Kurt Erler, aus Kenz  , Kreis Franzburg  , hingerichtet worden. Sie waren von dem Schwurgericht in Greifswald   am 17. November 1933 zum Tode verurteilt worden. Der preußische Ministerpräsident hat von dem Be­gnadigungsrecht feinen Gebrauch gemacht, weil die gegen einen Greis und seine Tochter mit großer Brutalität ver­übten Mordtaten nach einem wohlvorbereiteten Plan und aus niedrigen Beweggründen ausgeführt worden sind.

Frau Seger, die Exkaiserin und Frau v. Hindenburg   Ein Augenzeuge sidend A Seht, wir Wilden sind doch bessre Menschen."

nob

Seume  . Ein Mann, der während der Revolution an führender Stelle arbeitete, schreibt uns:

Die Barbarei des Hitler- Regiments wird der ganzen Kulturwelt drastisch illustriert durch das Schicksal der Frau des sozialdemokratischen Reichstagsabgeordneten Ger­hard Seger. Aus Rache für die Flucht ihres Mannes aus dem Konzentrationslager Oranienburg   haben die Nazis Frau Seger mit ihrem kleinen Kinde in das Konzen= trationslager Roßlau bei Dessau   eingesperrt. Sie wollen damit einen Druck auf Seger ausüben, aus der Emi­gration nach Deutschland   zurückzukehren.

Der erste Emigrant der neueren Geschichte war bekannt lich Wilhelm II.  , der deutsche aiser, der in der Nacht zum 9. November 1918 nach Holland   floh, während seine Frau, die Kaiserin Auguste Viftoria, fich in Berlin   befand. Nach der Methode, die von den Nazis gegen Frau Seger angewendet worden ist, hätten die damaligen Machthaber, die Sozialdemokraten, die Kaiserin ein sperren müssen, um den Kaiser zu zwingen, nach Deutschland  zurückzukehren, damit er sich einem Volksurteil unterwerfe. Was aber taten die Novemberverbrecher"? Sie ließen die Kaiserin unbehelligt. Ja, noch mehr: als die Kaiserin den Wunsch äußerte, nach Holland   zu ihrem Manne zu fahren, wurde ihr ein Salonwagen zur Verfügung gestellt und zu ihrem Schuhe fuhr in einem Abteil des Wagens der alte sozialdemokratische Reichstagsabgeordnete Hermann Molfenbuhr. Mitglied des sozialdemo­fratischen Parteivorstandes. ein schlesweg- Holsteinischer Landsmann der Kaiserin, bis zur holländischen Grenze mit. So handelten sozialdemokratische Untermenschen".

Noch ein Beispiel: In den ersten Revolutionstagen im

"

November 1918 machte der Arbeiter und Soldaten= rat in Hannover  , dem damaligen Wohnort des im Großen Hauptquartier   weilenden Generalfeldmarschalls von Hindenburg   bekannt, daß er eine Revision der Keller­räume nach Lebensmitteln und Getränken vornehmen lassen werde, um größere gehamsterte Vorräte zur Ver­sorgung der hungernden Bevölkerung zu beschlagnahnien. Da erschien Frau v. Hindenburg  , die inzwischen ver­storbene Gattin des Generalfeldmarschalls und heutigen Reichspräsidenten, beim Arbeiter- und Soldatenrat und bat ihn, bei ihr von einer solchen Revision Abstand zu nehmen. Aus allen Gauen Deutschlands   seien ihrem Manne nach Hannover   Vorräte aller Art, besonders Wein und andere Spirituosen in großen Mengen zu­geschickt worden, die sich in ihrem Keller befänden. Es würde ihr sehr peinlich sein, deswegen nun in der Oeffentlichkeit angeprangert zu werden. Man denke sich an Stelle der AS. ( Arbeiter- und Soldatenräte) von damals die SA.( Sturm­Abteilungen) von heute. Mit einem Hamsterer" Platat um den Hals hätte die SA.   die Frau als ab­schreckendes Beispiel unter dem Gejohle des aufgebotenen Volkes" durch die Straßen Hannovers   geführt. Was aber tat der Arbeiter- und Soldatenrat in Hannover   1918? Er stellte einen Doppelposten an unauffälliger Stelle auf, der darüber wachte, daß die Frau des Generalfeldmarschalls von Hindenburg   bei der Lebensmittelkontrolle nicht be= helligt wurde. Marristische Verbrecher"-Moral!

Die Erfaiserin und Frau von Hindenburg   weilen nicht mehr unter den Lebenden. Ihre Männer aber leben noch. Sollten sie heute so einflußlos in Deutschland  sein, daß sie die Schmach dulden müssen, unschuldige Frauen als politische Geiseln ins Konzentrationslager zu sperren, und dadurch den Ruf Deutschlands   in der ganzen Kulturwelt zu schänden?

Jm Braunbuch II Dimitroff kontra Göring  , das demnächst erscheint, ist zum ersten Male die Dar­stellung eines Augenzeugen veröffentlicht, welcher der Hinrichtung van der Lubbes beiwohnte. Es ist ein er­schütterndes Dokument, das die Ereignisse um van der Lubbe bligartig erhellt. Als van der Lubbe verurteilt murde, hatte er nicht an seine Hinrichtung geglaubt. Er betreffende Stelle im Braunbuch II lautet: traute den Versprechungen seiner Hintermänner. Die

Berichte, die nach der Hinrichtung van der Lubbes in die Außenwelt drangen, beweisen, daß van der Lubbe bei weitem nicht so unbewegt und ohne Regung den letzten Weg ge­gangen war, wie die amtlichen Nachrichten weismachen wollten Einer der Zeugen der Hinrichtung hat im Kreise enger Freunde die erschütternde Szene geschildert, die sich bei der Hinrichtung abspielte. Er erzählte, daß van der Lubbe von den Gefängniswärtern begleitet, tatsächlich völlig ruhig am Gefängnishof angelangt sei. Als er die Guillotine erblickt habe, sei eine furchtbare Veränderung in seinem Gesicht vor sich gegangen. Er schien zum ersten Male zu begreifen, daß es Ernst sei. Seine Augen hätten sich in töd­licher Angst und in Entsetzen geweitet. Als der Oberreichs­anwalt mit der Verlesung des Urteils begonnen habe, sei van der Lubbe in markerschütternde Schreie ausgebrochen. Und diese Schreie hätten sich bis zu seinem letzten Atemzuge fortgesetzt. Die Henfer hätten van der Lubbe zum Richtplatz schleifen müssen. Er hätte sich mit aller Kraft bis zum letzten Augenblick gewehrt und sich auch mehrere Male losgerissen. Der Zeuge der Hinrichtung erzählt, daß nur einzelne Worte zu verstehen gewesen seien, die van der Lubbe in qualvoller Angst gebrüllt hätte. Soviel der Zeuge verstanden hätte, habe van der Lubbe mehrmals gerufen:

Laßt mich doch sprechen! Nicht allein, nicht allein!" Ein anderer Zeuge der Hinrichtung sei in Ohnmacht gefallen. Er selbst erzählte der Augenzeuge- hätte die gellenden Schreie van der Lubbes noch tagelang im Ohr gehabt.

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