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Donnerstag, den 3. Mai 1934
Hitler in der Karikatur
Aber er hat Angst davor...
Humorlos, säuerlich, eitel und rachsüchtig, wie die braune Oberbonzerie nun einmal ist, hat der Oberosaf von seinem Freunde Ernst Hanfstaengel eine Sammlung Hitler - Karikaturen aus aller Welt zusammenstellen lassen( Verlag Braune Bücher, Berlin ). Weil er sein Spiegelbild nicht mehr aushält, soll es ausgerechnet Hanfstaengel korrigieren. Und wie er das pfuscht, der Auslandspressechef der NSDAP.! Man sieht eine Auswahl von Bildern, mit denen Hitler noch einigermaßen glimpflich abschneidet. Auf der nebenstehenden Seite muß Hanfstaengel die Karikatur allemal ,, widerlegen". Das besorgt er nicht nur wie ein kleiner Schulmeister und in einem für einen Pressechef bemerkenswert schlechten Deutsch - ,, Hier spielt der Karikaturist dahin den Propheten, daß Hitler " usw.- sondern mit einer selbst für Nazibonzen ungewöhnlichen Verlogenheit. Hitler ist kein Diktator, sondern ein Demokrat; Juden wurden nicht getötet, sondern der naziotische Antisemitismus ist eine völlig unblutige Abwehr" der Ueberfremdung: Hitler ist ein Friedensengel; er ,, machte konsequent gar keine Wahlversprechungen" ( auch das wörtlich so!); dem Volke gehts erheblich besser, ,, Handel und Wandel beginnt sich zu beleben..." Von der längst sichtbaren Inflation, dem sinkenden Export, dem
gegen die bösen Zeichner los und daheim müssen seine Barden gegen brav gesiebte Zeichnungen von ehedem polemisieren, während ein Hitlerspruch auf dem Deckblatt des Buches gleichzeitig behauptet, die Meinung der Welt kümmere ihn nicht... So ähnlich, nur nicht ganz so dumm, heuchelt jede überschminkte Primadonna bei jedem Verriẞ. Dabei beweist gerade diese Sammlung", wie heiß sich die neuen Schwertgermanen bemühen, dem Ausland etwas mehr Glauben an ,, Hitlers Friedenswillen" beizubringen. Ein reichliches Dutzend Seiten sind diesem Thema gewidmet. Hitler verabscheut den Krieg, siehe den Viererpakt. Fragt sich nur, was ihn noch von den verfolgten Pazifisten unterscheidet. Zehnmal muß der Viererpakt als Beweis herhalten, so groß ist die Verlegenheit. Aber woher Belege nehmen? Etwa aus Schücklgrubers kriegshetzerischen Memoiren? oder aus Rosenbergs eroberungswütigen Ostfanfaren? Wer hilft Hanfstaengel aus der Tinte? Selbst einer, der sein Handwerk besser versteht als dieser schreibende Klippschüler des braunen Kriegspresseamtes, müßte sich mit dieser Mohrenwäsche blamieren.
nichts wissen.
Den Sinn verschiedener Satiren fälscht er oder kopiert ihn nicht. Nur zwei von vielen Beispielen: Auf einem Bild heizen Großkapitalisten Hitlers Sit ein; diese Thyssen usw. fälscht Hitlers Reiniger in ,, Männer der Novemberdemokratie" um. Auf einer Karikatur der ,, New York Times " wird Hitler als Zwerg in Bismarcks Riesenmontur gezeigt; Hanfstängel Erläuterung: Hier wird behauptet, Hitler sei ein Diktator im Sinne des überlebten Vorkriegsmilitarismus." Quatsch, Herr Pressestaengel, Bild und Ueberschrift behaupten ganz klar, daß Hitler neben dem Format Bismarcks lächerlich zwerghaft anmutet! Ab und zu wird versucht, das Ausland für Hitler zu zitieren, aber es bleibt immer nur Lord Rothermere mit seiner reaktionären ,, Daily Mail", so wenig wird von der Weltpresse trog Göbbelsscher Schmiergelder für das braune Hunnentum geschrieben. Ein Königreich für brauchbare Zitate! Dabei sind die Zeichnungen bequem zu Hitlers Gunsten ausgewählt. Man vermißt die Karikaturen, die durch keinerlei Kommentar zu verdrehen sind, die Hitler etwa zeigen, wie er Bilder fälschte, wie er am 8. November 1923 im Münchner Hofbräu erklärte: ,, Morgen haben wir eine nationalsozialistische Regierung oder ich bin tot!" wie er am nächsten Tage bei den ersten Schüssen ausriß und ebenso rasch als gesund in Hanfstaengels Villa flüchtete, wie er Südtirol verriet, aus großkapitalistischen Geldschränken aller Länder geschmiert wurde, wie er die plögliche Liebe zu Polen entdeckte und auf deutsches Land in Ost und West feierlich Verzicht leistete.
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Oder wie wäre es mit einigen jener Karikaturen, wegen denen sich erst vor zwei Wochen der deutsche Gesandte in Prag die Haxen auflaufen mußte, weil sie Hitler zeigten, wie ihn jeder kennt, der nicht nur die deutsche Maulkorbpresse liest! Monarchen aller Staaten wurden in allen Ländern boshaft parodiert sie sahen darüber hinweg. Der Unteroffizier Hitler aber läßt im Auslande larmoyante Proteste
Gregor.
Eine Erklärung gegen die nationalsozialistische Kulturpropaganda im Ausland.
Kürzlich hat, wie erinnerlich, eine von den deutschen Künstleremigranten in Prag durchgeführte antifaschistische Karikaturausstellung, auf der unter anderem einige Fotomontagen von John Heartfield gezeigt wurden, zu einem Protest der deutschen Gesandtschaft geführt. Auf diesen Protest hin wurden unter der Begründung, die Arbeiten Heartfields seien ,, künstlerisch grob minderwertig", die fraglichen antifaschistischen Bilder entfernt. Auf Grund dieser Tatsachen hat der berühmte französische Maler Paul Signac in seiner Eigenschaft als Präsident des Salon des Indépendants dem Hilfskomitee für die Opfer des Hitlerfaschismus folgenden Brief geschrieben:
,, Liebe Freunde;
ich schließe mich Eurem Protest gegen die ungerechte und blöde Verfolgung an, deren Opfer mein Kollege John Heart field geworden ist. Ich habe mein ganzes Leben lang für die Freiheit der Kunst gekämpft und brauche deswegen nicht
Stahl dichtet
Vorschlag für Preisrichter
In Hitler- Deutschland werden jetzt Dichter gesucht. 1000 Mark soll es geben für ein Gedicht zur Olympiade; ferner sollen Poeten aus der Hitlerjugend an die Front und von Baldur von Schirach bekränzt werden.
Wir möchten uns gern an der Suche nach unbekannten Talenten beteiligen. Daher stellen wir den Truppführer Stahl aus Worms hiermit vor, der in der ,, Wormser Zeitung" 80eben dieses Gedicht veröffentlicht: Aus der Wormser Zeitung", 11. 4. 34.
ララ
Kennst du das Städtchen am Rheinesstrand, Wo einst das Regiment 118er stand, Wo deutsche Schiffahrt geblüht und gedeiht, Und stets gepflegt ward die deutsche Einigkeit?
Kennst du das Städtchen am deutschen Rhein , Das die Welt versorgt mit Liebfrauenmilchwein? Mit stolz darf man seinen Namen nennen, Und jeder Deutscher sollte es kennen!
Worms ist sein Name und Worms die Stadt, Die viele Not schon erlitten hat;
In deren Mauern man konnte erblicken Franzosen, Marokkaner und Bolschewicken.
In der Kaserne, wo einst marokkanische Soldaten. Wohnen jetzt Hitlers Arbeitssoldaten; 200 Mann sind's, fröhlich und stramm, Die man für alles gebrauchen kann.
Jung ist ihr Leben und jung ihr Blut, Drum ziehen sie täglich mit frischem Mut. Für dich, du Stadt Worms , in Zeiten der Not für Arbeit und Brot. Quellen zu öffnen
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Neue Stadtväter setzten sich an den Tisch
Und machten unter Vergangenes einen dicken Strich. Denn der Arbeitsdienst schafft mit dem Spaten in der Hand. Und Heil Hitler für dich und das Vaterland.
Gedichtet von Truppführer Stahl, Arbeitsdienstlager 254/6.
besonders zu betonen, daß ich von ganzem Herzen mit Euch Die„ Büchergilde"
bin.
Ich stehe zu Eurer Verfügung, um das Meine dazu bei zutragen, eine französische Ausstellung der Werke unseres Freundes zu organisieren. Ich hoffe, daß zahlreiche fran zösische Künstler sich Euch anschließen und Euch helfen. Von allen Seiten steigt die Flut der Reaktion. Der Knüttel liegt zum Kampf gegen die Freiheit des Geistes bereit. Vereinigen wir uns, um uns zu wehren.
Mit brüderlichen Grüßen
Es wird nicht nur Aufgabe der französischen Künstler, sondern der antifaschistischen Künstler der ganzen Welt sein, sich in brüderlicher Solidarität für die Aufklärungsarbeit John Heartfields einzusetzen.
Deutsche Frauen- ,, deutsche " Mode
Kein Mensch wird etwas dagegen einwenden, wenn Frauen sich hübsch und modisch kleiden. Im ,, dritten Reich" war man allerdings einige Zeit anderer Meinung gewesen, hatte geglaubt, den fremden Tand" abschaffen und die deutsche Frau einfach und schmucklos als heldische Gefährtin des Mannes marschieren zu lassen. Doch inzwischen ist man anderen Sinnes geworden, denn, abgesehen davon, daß die Modeindustrie von der geforderten puritanischen Einfachheit nicht sehr entzückt gewesen sein dürfte, ist ja auch die Mode ein so herrliches Ablenkungsmittel. Eine Frau, die recht viel an ihre Kleider und ihre Aufmachung zu denken hat, kommt nicht auf dumme Gedanken über Politik und sonstige ,, männliche" Angelegenheiten, in denen sie oft eine allzu feine Nase bewiesen hat.
So sind die Versuche, eine deutsche Mode zu kreieren, in ziemlich kümmerlichen Anfängen stecken geblieben, und Frauenzeitungen streng nationalsozialistischer Prägung wie etwa die Frauenbeilage des„ Angriff" bringen unentwegt Modeartikel, oft seitenlang, ohne einmal von der„ deutschen" Mode zu sprechen und ohne sich darüber zu schämen, daß alles, was da empfohlen, erklärt, abgebildet ist, in ganz
auch die Frau wieder einmal etwas über ihre Arbeit und ihre Lebensinhalte öffentlich kundgeben. Wirklich? Weit gefehlt! Zwei Vorträge verheißt das Programm, davon einen aus dem Gebiet der Familienzeitschriften über den ,, Kulturkampf der Zeitschrift", der natürlich von einem Manne gehalten wird. Und die einzige Rednerin des Abends? Sie darf über ,, Schriftleiterin und Mode" sich verbreiten. Also andere Sorgen hat eine Schriftleiterin heute nicht? Selbst bei Ausschaltung aller früher wesentlichen Themen des öffentlichen Lebens, der Frauenfriedensarbeit usw. war denn kein wesentlicheres Vortragsthema zu finden, wenn nur eine Frau spricht? Gab es nicht Erziehungsfragen, Fragen der Haushaltorganisation etwa in Verbindung mit nationalökonomischen und soziologischen Fragen, gab es nicht Erörterungen
der unter den neuen Gesichtspunkten noch als weiblich" geltenden Frauenberufe? Und so vieles andere? Aber nein! Die Frau soll ruhig über Mode sprechen, da stört sie den Mann am wenigsten mit Tüchtigkeit und Initiative. Laßt die Frauen in Gottes Namen sich putzen! dann kommen sie nicht auf schlechte Gedanken! L. A.
derselben Weise auch in Paris getragen wird. Auch die Dank für Stiefelküssen
,, Festkleidung der Frau". die vielberufene Kletterweste, ist 80 ziemlich wieder in der Versenkung verschwunden, ist jedenfalls nie obligatorisch geworden. Auch das, im Sinne des dritten Reiches", ein schlechtes Zeichen, vielleicht aber ein gutes für die Eigenwilligkeit der deutschen Frau, die nicht alles mit sich machen läßt.
Schon in seiner berühmten Berliner Februarrede vor den Amtswalterinnen der NS- Frauenschaft hat ja Herrr Minister Göbbels höchstselbst der Frau Eleganz gestattet, als er über die Mucker herzog, die es der Frau„ übelnehmen, wenn sie sich anständig kleidet, was sie ja im allgemeinen nicht für ihre Freundin tut. Es ist undankbar von einem Mann, der Frau übelzunehmen, daß sie dem Mann zu gefallen sucht." Und mit dieser lustigen Wendung erntete er natürlich, wie immer den Beifall der Frauen, die gar nicht merkten, daß sie einmal wieder eingewickelt waren und ihnen im weiteren Verlauf der Rede das Recht auf die Erziehung ihrer eigenen Kinder sanft, aber energisch entwunden wurde.
Und in diesem Sinne arbeitet man drüben weiter. Im Haus der Deutschen Presse zu Berlin finden regelmäßig Vortragsabende der Zeitschriften- Schriftleiter statt. Einer davon hat das Thema: Die Frau in der Zeitschrift. Aha, endlich darí
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Der Völkische Beobachter" veröffentlicht eine gereimte Abonnentenwerbung, die zugleich ein vehementer Angriff auf die gleichgeschaltete Presse ist:
Vergiß nicht die vielen, die allzu Dreisten. Die Gesicherten, Satten, die Faulen, die Feisten, Die damals, als du vor Gerichten standest, Und dich yor Wut und Empörung wandest, Als ,, Journalisten " die Feder geführt Und jedem Worte nachgespürt, Das du gesprochen in kochender WutFür die warst du damals als Witfigur gut. Und heute? Da schreiben die Herren wieder! Aber ,, nationale" Filme, Romane und Lieder. Mensch! Da kannste zwischen den Zeilen lesen:
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Und sie quaseln lange Leitartikel,
Schleppen den Nationalismus beim Wickel. Recken von Don Quichottes Range.
Und eine Gesinnung wie von der Stange!
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Ja, ganz richtig! So züchtet das ,, dritte Reich" Gesinnungslumpca!
Ihre Neuerscheinungen
Die Aprilnummer der Zeitschrift„ Büchergilde" ist dem Buch und dem Dienst am Buch gewidmet. Besonders hervorstechend ist die Ankündigung zweier Neuerscheinungen: ,.Schwester Lisa" von Elisabeth Gerter , und ,, So lebt der Mensch" von André Malraux , dem Goncourt- Preisträger 1933. ein lebens,, Schwester Lisa" ist ein Schweizerroman echter Frauenroman!„ Schwester Lisa", das ist eine Frau, die neben acht Geschwistern in einem Schweizer Industriedorf aufgewachsen ist, die aufopferungsfreudig in Spitälern arbeitete, die mit unerbittlicher Selbsterkenntnis und mit scharfer Beobachtungsgabe die ereignisreiche Lehrzeit der Schwesternschule beschreibt. Sie spricht von Mädchen, die mit Idealen in den Krankendienst treten, von Frauen, die es zur Selbständigkeit drängt, die in der Ehe nicht die Kameradschaft finden, von Müttern, die in wirtschaftlicher Not um werdende Kinder bangen. Das rechte Frauenbuch. ,, So lebt der Mensch" spielt im Frühling des Jahres 1927, zur Zeit der Unruhen und Kämpfe in China . Das kleinste wie das größte Geschehen in diesen Kämpfen hat für den Autor die gleiche Bedeutung, nichts geht ihm verloren. Er vereint in dem Buch den höchsten Grad von Spannung mit einer ebenso großen Klarheit der Analyse seiner vielen Personen.
Die Mitglieder der Büchergilde erhalten diese Zeitschrift unentgeltlich zugestellt. Anmeldungen nehmen entgegen die Funktionäre in den Betrieben und die Büros der freien Gewerkschaften oder sind zu senden an die Büchergilde Gutenberg, Saarbrücken 1, Petersbergstr. 94, 2 Treppen.
Zeit- Notizen
Verletzende Ueberlegenheit
クラ
Der amerikanische Film ,, Männer um eine Frau" ist in Deutschland bekanntlich verboten worden, weil der jüdische Boxer Max Baer die Hauptrolle spielt. Die Begründung der Filmoberprüfstelle läßt erkennen, daß die Hakenkreuzler nicht wünschen, Baer , der Schmeling besiegte, in Deutschland als ,, sportlichen Helden" feiern zu lassen. ,, Es ist unstreitig", heißt es in der Begründung" ,,, daß die gesamte Handlung des Films sich um den Hauptdarsteller Max Baer dreht und daß Max Baer Jude ist. Baer ist ein durchaus negroider Typ... Es ist für das nationalsozialistische Empfinden untragbar, wenn ein Jude mit allen äußeren Merkmalen des Negers als sportlicher Held und moralischer Sieger geschildert und verherrlicht wird. Diese Ueberlegenheit des Juden Baer verletzt das nationalsozialistische Empfinden in besonderem Maße..."
Das zensierte Wort
Die Geheime Staatspolizei warnt die Presse, in kulturpolitischen und religiösen Auseinandersetzungen das Wort ,, Neuheidentum" zu verwenden. Zeitungen, die gegen die Vorschrift verstoßen, haben mit scharfen Maßnahmen zu rechnen.
Krach im Theater
Der Kapellmeister Franz Rau vom Nationaltheater Osnabrück wurde wegen ,, Betriebssabotage und Verstoß gegen das Führerprinzip" seines Amtes enthoben. Das Betreten des Theaters ist ihm verboten,