Neuformung von H
Die Betäubung, die der furchtbare Keulenschlag des Hitlerfaschismus zunächst hervorrief, ist im Abklingen. Langsam und zaghaft, doch bereits wahrnehmbar, vollzieht sich die Wiederkehr der Besinnung. Die sozialistisch orientierte deutsche Arbeiterschaft besinnt sich auf ihre Existenz, ihre Weltanschauung, ihre Lebensideale. Die tiefe seelische Depression beginnt schon merklich nachzulassen. Verzweiflung verwandelt sich in verbissenen Trotz. Schon macht ein sehnsüchtiges Ringen um politische Klarheit sich in Arbeiterzirkeln immer häufiger bemerkbar. Leidenschaftlich wird nach dem Ausweg aus dem faschistischen Grauen gesucht.
Was hat man uns über Demokratie immer ausgesagt? Sie sei, sagte man, gleichbedeutend mit ,, Volksstaat"," Volksherrschaft"; manche wieder bezeichnen sie als„, Rechtsstaat". ,, Volksstaat!".... Wer ist in diesem Zusammenhang mit der Bezeichnung„ Volk" gemeint? Sollte es das„, Arbeitervolk" sein, dieses Vielmillionenvolk der im modernen Industriestaate schaffenden Arbeiter, Angestellten und Beamten, dann wäre nicht ,, Volksstaat", sondern ,, Klassensta a t" der richtige Ausdruck dafür. Indem man also immer wieder von der Souveränität des Volkes sprach, half man nichtahnender- und zwangsläufigerweise den souveränen, absoluten Staat mitschaffen. Und mußte diese Art von Volksstaatideologie, praktisch angewandt, zum Heranreifen jener Früchte mit beitragen, deren blutige Ernte wir in Deutschland erlebten.
Und ,, Rechtsstaat"?
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Daß der moderne demokratische Staat ein Rechtsstaat ist, stimmt wohl, aber die Anführung dieser an sich noch gar nichts besagenden Tatsache trägt in keiner Weise zur Klärung des Wesens der Demokratie selbst bei. Die Feststellung des Rechtsmomentes ist in diesem Zusammenhange deshalb nichtssagend, weil kein Staat ohne irgend ein ihm entsprechendes Recht bestehen kann und infolgedessen jeder Staat( nicht nur der modern- demokratische) in gewissem Sinne ein Rechtsstaat ist. Diese Feststellung ist für denjenigen eine Selbstverständlichkeit, der die Zeit und Klassengebundenheit jeglichen Rechts erkannt hat.
Wel
Wenden wir uns also der eigentlichen Problematik zu: Wasist Diktatur? Was ist Demokratie ches ist ihr Verhältnis zueinander?
auch
Man erinnert sich noch der Zeiten vor und nach dem Kriegsschlusse, wo die verschiedenen Richtungen innerhalb der deutschen Arbeiterschaft über Diktatur und Demokratie leidenschaftlich debattierten. Die Fragestellung lautete damals( und für die immer noch nicht alle gewordenen heute noch): Diktatur oder Demokratie? Jede der drei Parteien hatte auf diese Frage eine andere Antwort. Ihnen allen jedoch war die gleiche Fragestellung gemein: Sie gingen alle von der ebenso verbreiteten wie unbegründeten Voraussetzung aus, Diktatur und Demokratie müßten sich unter allen Umständen ausschließen. Daß aber die These von der Unvereinbarkeit von Diktatur und Demokratie tatsächlich grundfalsch ist, ergibt sich eindeutig sowohl aus der formellen als aus der sachlichen Betrachtung der Dinge.
Was ist denn eigentlich Diktatur?
Die absolute Herrschaft des Militärs während des Weltkrieges und das Aufkommen einer als Schreckensdiktatur zu bezeichnenden brutalen Gewaltherrschaft einzelner Machthaber oder Cliquen in der Nachkriegszeit( Italien , Spanien , Polen , Litauen ) haben dazu geführt, daß man allmählich verlernte, den eigentlichen Inhalt des Begriffs Diktatur richtig zu erfassen. Man gewöhnte sich allmählich daran, den Begriff Diktatur lediglich im Zusammenhang mit den Fällen von Faust- und Gewaltdiktatur anzuwenden. Es ist indessen nicht schwer zu erkennen, daß Terror und Faustgewalt zwar die unerläßlichen Attribute einer dem Volk aufgezwungenen Minderheitsherrschaft, niemals aber den Kernpunkt dieser selbst bilden. Weshalb kann die Hitlerdiktatur sich nicht anders als durch brutale Faustgewalt aufrecht erhalten? Doch nur, weil sie in Wirklichkeit die Interessen einer sozial geringfügigen Gruppe innerhalb der Gesellschaft vertritt. Wenn ,, Diktatur" im allgemeinen und unmittelbaren Sinne des Wortes doch nur Herrschaft schlechthin be
Von Max Stürmer
deutet, dann ist gesellschaftliche Diktatur nichts anderes als die Herrschaft irgend eines Teiles der Gesellschaft( gleichviel ob Mehrheit oder Minderheit) über den anderen Teil und damit zugleich der politische Ausdruck für die jeweilige Lage des Schwerpunktes innerhalb des gegebenen Kräfteverhältnisses. Und weil in einer klassengegliederten Gesellschaft es niemals ein absolutes Gleichgewicht der einander gegenüberstehenden Klassenkräfte gibt, wird deshalb auch stets irgend eine Klasse oder ein Teil oder eine Gruppe von Klassen, di. den andern an Kraft und Bedeutung überlegen ist, infolge dieses Umstandes ihre Diktatur über die andern in irgend einer Weise ausüben. Diktatur in diesem weitesten Sinne des Wortes aufgefaßt ist somit überall dort gegeben, wo eine Klassengesellschaft, gleichviel welcher Art, besteht: in der feu dalen Gesellschaft ebenso wie in der kapitalistischen, in der absoluten Monarchie ebenso wie in der demokratischen Republik . Die sie bedingende Ursache ist immer quantitativer Natur: das Uebergewicht der einzelnen sozialen Kräfte.
Solange nun das Bürgertum die soziale Mehrheit in der kapitalistischen Gesellschaft bildet, herrscht es in der und durch die Demokratie über das Proletariat. In dem Maße jedoch, in welchem das führende Bürgertum allmählich aufhört, im Besitze der sozialen Mehrheit zu sein, beginnt es die ihm seinerzeit willkommene Demokratie als Diktaturorgan der werdenden neuen( proletarischen) Mehrheit immer mehr zu verwünschen: es wird antidemokratisch und wendet sich immer mehr dem Faschismus zu. Begreiflich: Denn mit dem Moment, wo das Proletariat die soziale Mehrheit darstellt und sich des ganzen Belanges dieser seiner neuen Situation bewußt wird, schickt es sich an, vermittels derselben Demokratie, ebenso wie das Bürgertum ihm gegenüber, seine Diktatur über das Bürgertum auszuüben. Das Präventivmittel dagegen ist für die bürgerliche Minderheit eben der Faschismus. Das Bürgertum sagt sich von seiner Vergangenheit los, weil es seine Zukunft hinter sich hat: Das politische Bürgertum ist in die Wechseljahre gekommen.aglied.
Zweierlei folgt also aus dem bisher Gesagten:
Erstens, daß man zwar den Unterschied machen kann zwischen einer engeren und eine weiteren, nicht aber zwischen der ,, bürgerlichen" als einer nur formalen und der„ proletarischen" als der einzigen realen Demokratie. Es ist eigentlich immer dieselbe Demokratie, die aber, je nach den Kräfteverhältnissen, bald der einen, bald der anderen sozialen Mehrheit zur Ausübung ihrer Klassendiktatur dient. Und deshalb ist schon selbst die Fragestellung ,, Diktatur des Pro letariats o der Demokratie?" vollkommen falsch: denn ist mit der Diktatur des Proletariats die Herrschaft der sozialen Mehrheit gemeint und erfolgreich kann das Proletariat nur als soziale Mehrheit herrschen, weil es nur in dieser Eigenschaft die vollständige Umstellung der organisatorischen Wirtschaftsfunktionen durchführen kann, dann bildet gerade die Demokratie die wirtschaftlich geeignetste Organisationsform einer solchen Diktatur. Die Demokratie, die den permanenten Klassenkampf zwischen sozialer Mehrheit und Minderheit darstelit, hat die sozialistische Revolution nicht zu ersetzen, sondern durchzuführen.
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Wir leben in einer durch den sozialen Mehrheitswechsel bedingten Periode des politischen Umbruchs. Die Demokratie muß überall dort, wo der Mehrheitswechsel bereits in vollem Gange ist, zwangsläufig durch eine vorübergehende Periode des Faschismus als der gegebenen Herrschaftsform der bourgeoisen Minderheit unterbrochen werden. Es ist deshalb mit Gewißheit vorauszusehen, daß der Faschismus in absehbarer Zeit auch in allen jenen kapitalistischen Ländern in dieser oder jener Form zum Durchbruch gelangt, in denen er bisher noch keine oder eine nur geringe Rolle spielt. Es wird aber nur eine Unterbrechung sein. Denn ebenso unausbleiblich wie die Periode des Faschismus ist auch die Sammlung der neuen sozialen Mehrheit. Dem Gebote der Lebensnotwendig. keit folgend, wird das Proletariat die im positiv- schöpferischen Sinne des Wortes revolutionäre Demokratie von Grund
auf neu errichten und in seiner Weise als die Organisationsform seiner Herrschaft anwenden.
Für das deutsche Bürgertum, namentlich für seine führenden Oberschichten, kam die Demokratie zu früh und zu spät zugleich. Zu früh, weil das deutsche Bürgertum in der wilhelminischen Aera nicht jenen Grad politischer Reife und Vollständigkeit erlangen konnte, bei dem des englischen und französischen Bürgertum am Vorabend ihrer Revolutionen bereits angelangt waren. Zu spät, weil die politische Entwicklung der deutschen Bourgeoisie sich in dem gleichen Zeitpunkt vollzog, in dem die wirtschaftlichen Verflechtungen des Spätkapitalismus und das durch dieses Stadium bedingte Entwicklungstempo auch in Deutschland ein Hinüberfluktuieren der wirtschaftsorganisatorischen Funktionen vom Bürgertum zum Proletariat und dadurch eine Labilität der bürgerlichen sozialen Mehrheit mit sich brachten.
Die Weimarer Verfassung , und vielmehr das, was von ihr in der Praxis der ersten deutschen Republik übrig blieb, war das typische Produkt dieser Entwicklung. Ihre Lücken wie es ihre und Unzulänglichkeiten waren keinesfalls- wie Gegner glaubhaft machen wollten für die Demokratie schlechthin bezeichnend, sondern legten bloß Zeugnis ab von der politischen Unreife und zugleich Ueberlebtheit der deut schen Bourgeoisie.
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Die deutsche Sozialdemokratie hat den Reformismus, dessen Theorie sie in der Vorkriegszeit ablehnte, in ihrer politischen Praxis der Kriegs- und Nachkriegsjahre auf den Schild gehoben. Sie ging dabei in ihrer Volksstaatsideologie wie eingangs dieser Betrachtungen bereits erwähnt wurde von der gleichen Verabsolutierung des Staates aus, wie die bürgerliche Staatsideologie auch. Dese Grundauffassung vom Volksstaat, dessen Existenz nicht mit dem Geschick einzelner, ihn stützender bzw. bekämpfender Gesellschaftsklassen verbunden ist, die lediglich auf dem imaginären Volk", in Wirklichkeit also auf sich selbst beruht, die Grundauffassung mußte zwangsläufig zu der Weiterung führen. daß der( demokratische) Staatsapparat bloß zu funktionieren braucht und alles ist in Ordnung. Daher die gewaltig übertriebene Einschätzung des Parlamentarismus und seiner Rolle in der Demokratie. So kam es, daß man bei der Betrachtung der politischen Wirklichkeit die Dinge auf den Kopf stellte: man bemühte sich nicht so sehr um die Belange der realen Träger der Demokratie, nicht darum, vermittels der lebendigen Demokratie das Parlament zu stützen und zu stärken, als man vielmehr umgekehrt das Parlament zum Hebel und Urfaktor der Demokratie erhob und glaubte, schon allein vermittels des Parlaments, vermittels erfolgreicher Kämpfe in den Parlamentsausschüssen, vermittels personeller Durchsetzung des Verwaltungsapparats die Demokratie erst erschaffen zu können. Die Kette von Fehlleistungen, die gesamte reformistische Grundlinie ergab sich, wie wir sehen, als zwangsläufige Folge der Volksstaatsideologie und der damit verbundenen Fetischisierung( Vergötzung) des Parlamentarismus. So wurde der Parlamentarismus, seiner außerparlamentarischen Stügpunkte immer mehr beraubt, schließlich in jenen Zustand der völligen Schutz- und Hilflosigkeit versetzt und bis zu einem Grad von Verdörrtheit gebracht, bei dem ein einziger Funke genügte, um ihn restles einzuäschern. Der Reichstagsbrand war nur die lette Versinnbildlichung dieses Vorgangs.
Unter diesen Umständen fällt allein den revolutionären Sozialisten Deutschlands die Aufgabe zu, auf Grund ihrer richtigen Erkenntnis von Diktatur und Demokratie der neu erstehenden proletarischen Bewegung eine neue politische Grundlinie zu geben und somit den Grundstein zu legen für die kommende große Partei der proletarischen Revolution, eine Partei, die nicht nur in Ideologie und Programm, sondern auch in ihrer Taktik, Strategie und Organisationsstruktur von Grund auf anders geformt sein wird als die bisherigen Arbeiterparteien waren.
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1. Der Vizepräsident der Reichsbank, Dreyer; 2. Reichsbankpräsident Dr. Schacht; 3. der schwedische Großbanfier Wallenberg; 4. der Vertreter der englischen Gläubiger, Lever; 5. der Amerikaner Pierre San.
In Berlin begann die für die Weltwirtschaft überaus bedeutsame Transferkonferenz, an der Vertreter der Gläubigerstaaten Deutschlands und der deutschen Reichsbank teilnehmen. Die Konferenz soll das für den gesamten Welthandel wichtige Problem der Ueberweisung der Zinsen aus den deutschen Verpflichtungen flären.
Wofür Devisen da sind... Für Rüstungen und Propaganda
Berlin , 2. Mai. In einem Augenblick, da die deutsche Regierung versucht, sich ihrer Verpflichtungen gegenüber den ausländischen Gläubigern unter dem Vorwand zu entziehen, daß teine Devisen für die Schuldenabdeckung zur Verfügung stünden, ist es angebracht, daran zu erinnern, daß diese gleiche Regierung für Hitlerpropaganda in Desterreich eine Summe von 250 Millionen bewilligt hat, die in ausländischen Devisen zur Verfügung gestellt wird. Eine weitere größere Summe, deren Ziffer noch nicht bekannt ist, ist für die Pros paganda in den baltischen Ländern, insbesondere in Litauen , ausgeworfen worden ganz zu schweigen von den Summen, die in die Saar propaganda gesteckt werden.
Berlin , 2. Mai. Die gegenwärtig schwebenden Berhandlungen zwischen der Reichsbank und den Auslandsgläubigern geben in Berlin Anlaß zu zahlreichen Kommentaren. Eingeweihte Kreise gehen schon so weit zu erklären, daß die Verhandlungen durch Schachts Behauptungen über die Unmög lichkeit der Fortsetzung deutscher Zahlungen an das Ausland bereits in ein fritisches Stadium eingetreten find. In einem Teil der Berliner Presse werden die Warnungen der französischen und englischen Botschaft nur in Form von Zitaten aus der en reffe nebracht Die meisten Ber: liner Zeitungen haben davon überhaupt keine Notiz ge nommen,