Deutsche   Stimmen Beilage zur Deutschen Freifieit". Ereignisse und Geschichten

Samstag, den 5. Mai 1934

Hitlerzensiert die Schweizer   Presse

Bis zum Vernichtungskampf

In Hitlers Deutschland gibt es eine Pressefreiheit nicht mehr. Die deutsche Presse befindet sich heute geistig und wirtschaftlich in einem Zerfall ohne gleichen. Hunderte von Zeitungen sind verboten, andere Hunderte wirtschaftlich zugrunde gerichtet worden. Was an Presse übrig geblieben ist, verdient diesen Namen nicht mehr. Die Gleichschaltung hat über Deutschlands   Tagespublizistik eine Oede gebracht ohnegleichen und das deutsche   Volk in die Rangordnung hinter manche Afrikaner zurückgestellt.

Nicht genug damit, versucht die deutsche Regierung Ein­fluß zu gewinnen auf die Presse des kleinen Schweizerländ­chens. An Engländer, Franzosen oder Amerikaner traut sie sich nicht heran, trotzdem die Hitler- Regierung sich dort keineswegs einer günstigeren Presse erfreut als in der Schweiz  . Man weiß, daß ein schwacher Bundesrat sich den Begehren der Hitler  - Regierung gebeugt hat. Die Agenten der deutschen Regierung werden darum inskünftig noch viel peinlicher als bisher die freie" Schweizerpresse unter die Lupe nehmen und sich die allergrößte Mühe geben, vom Bundesrat Verbote zu erwirken, um in der Schweizerpresse die Stimme des Weltgewissens gegen deutsche   Unfreiheit und Schmach zu unterdrücken.

Zum Ueberfluß unternimmt es heute die Regierung Deutschlands  , durch ihre amtlichen Pressekontrollstellen einen Druck auf schweizerische Verleger bezüglich der Aus­wahl ihrer deutschen Mitarbeiter auszuüben.

Wie systematisch die braunen Herrschaften dabei ver­fahren, ließ uns unter anderem vor kurzem ein Schreiben erkennen, das der schweizerische Zeitschriftenverlag X von

guten Rufe seines Blattes ziehen, so will sie den Verlag offenbar nicht durch den Zweifel an der Eignung seiner Mit­arbeit hierzu veranlassen. Sie bedarf dazu wahrhaftig anderer Trümpfe. Das versetzt sie indessen keineswegs in Verlegen­heit. Mehrere Stellen des kurzen Briefes geben dem Verlag klar zu verstehen, um was es geht. Aus Inserentenkreisen" (!) wurde die Kontrollstelle auf die Journalisten aufmerksam gemacht. Der Anregung von seiten der Inserenten" ging die Kontrollstelle nach und suchte das überraschende Material zusammen. Die Beanstandungen aus Inserentenkreisen" erwiesen sich mehr als berechtigt. Endlich beklagte man sich ,, in Inserentenkreisen" darüber, daß die Artikel einiger anderer deutscher Autoren schon gelesen werden könnten, ehe sie in den Zeitschriften des Schweizer Verlages X zum Abdruck gelangten. Durch die breitspurig zwischen die Zeilen gesetzte Drohung des Entzuges der Inserate deutscher Auf­traggeber, die den Weisungen der Kontrollstelle zugänglich sind oder aus leicht zu erratenden Gründen sein müssen, soll also der schweizerische Herausgeber den Wünschen der deut­schen Behörde gefügig gemacht werden. Es springt nach allem in die Augen, daß sich auch die Kontrollstelle zu ihrem Vorgehen nichts von der ohnehin äußerst eigentümlichen Besorgnis um die Qualität eigener schweizerischer Presse­organe bestimmen lassen kann. Für sie kann es sich offen sichtlich nur um eins handeln: politisch miẞliebigen Elemen­ten, die durch den nationalsozialistischen Arbeitsbeschaffungs­feldzug brotlos geworden sein dürften und sich durch Artikel­schreiben in ausländischen Blättern mühsam über Wasser zu halten suchen, die letzte karge Existenzmöglichkeit abzugra­ben: Ein Vernichtungskampf offizieller Instanzen gegen Ohn­

Becliner Ansichtskarte

Schrieb ich's schon? Der Karl hat sich aufgehängt. Komischerweise

schämt sich ein jeder, der denkt,

auch im Familienkreise,

weil das stark vom Führer ablenkt.

So ist das schönste Greuelmärchen dieses Leben, komischerweise

nicht dementiert. Ja, es geben, auch im Familienkreise,

viele auf. Sie hungern eben.

Wie fürchten sie den Frieden, die mit Frieden prahlen, entsetzlicherweise,

Krieg soll uns alles bezahlen auch im Familienkreise

träumt man nur von Haß und Qualen.

Mutter läßt durch mich Dir viele Grüße sagen. Komischerweise

klagt sie uns an ohne zu klagen, Du fehlst ihr in unserem Kreise. Ach, ich wollte Dich noch fragen:

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wie lebt man ohne Furcht vor Denunzianten? komischerweise

flüstert man selbst mit Verwandten, auch im Familienkreise

a spielt man Krieg mit Unbekannten.

Der Frühling der SA. marschiert im ,, dritten Reiche". komischerweise

marschiert eine singende Leiche

der Kreis zieht immer weitere Kreise

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es wird so still und mancher sagt: Vergleiche-" Fanta.

einer deutschen Kontrollstelle für Zeitschriften, Abteilung für mächtige, wie er empörender in keinem Lande der Erde   Gottessohn mit echobenen Händen

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deutschsprachige Fachblätter", empfangen hatte. Darin wird der Verlag darauf aufmerksam gemacht, daß eine Reihe seiner Mitarbeiter in Deutschland   wohnende, nach den Namen zu schließen nicht jüdische Herren kaum über fachliche Eigenkenntnisse verfügen dürften. Die Kontrollstelle legt zum Beweis ein überraschendes Material" bei. Es besteht in einer Aufzählung der Titel von Artikeln, die die auf­geführten Personen in verschiedenen schweizerischen Fach­zeitschriften veröffentlicht haben, so in der ,, Schweizer Schrei­ner- Zeitung", der ,, Schweizer Textil- Zeitung", der ,, Schweizer Maler- und Gipsermeister- Zeitung", dem ,, Schweizerischen Mühlenanzeiger" usw.

Die Verleger schweizerischer Fachschriften erhalten in diesem Zusammenhang die sehr direkte und zudringliche Aufforderung, die Mitarbeit dieser deutschen Journalisten und Techniker aufzugeben. Man möchte daraus schließen, daß es sich hier um Publizisten handelt, denen die deutsche amtliche Pressekontrollstelle die Mitarbeit an schweizerischen Zeitschriften dadurch entziehen will, daß die schweizerischen Verleger unter Druck gesetzt werden.

Wenn die deutsche   amtliche Presse- Kontrollstelle die Er­wartung ausspricht, der Adressat werde die gebotenen Konse­quenzen schon zur Wahrung seines eigenen Interesses am

Der blonde Hans Albers  

ein Rasseverderber

Wir haben Ende Dezember eine Korrespondenz veröffentlicht, die von einem Interview von Hans Albers   mit einem Vertreter der gleichgeschalteten ,, Dortmunder Generalanzeiger" berichtete. Dort hat sich der blonde Hans begeistert zum ,, dritten Reich" bekannt. Daß sich die Zeiten manchmal rasch ändern, zeigt folgender Bericht der Basler  ,, Arbeiter- Zeitung  ":

Die Schweizer   Kinos führen gegenwärtig den Ufa  - Film " Gold" mit Hans Albers   in der Hauptrolle auf. In Basel  gastierte Albers dieser Tage persönlich anläßlich der Urauf­führung dieses Großfilms in der Schweiz  . Bevor Hans Albers  , der Liebling aller Frauen, nach der Schweiz   kam, ereignete sich folgendes:

Herr Dr. Joseph Göbbels   erklärte vor kurzem vor deut­schen Filminteressenten, daß er Hans Albers   als einen Rasse­verderber, als einen nichtarischen Schädling von der deut­schen Leinwand verscheucht habe.

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Der blonde Hans ein nichtarischer Schädling? Hm...! Eigentlich, wenn wir ehrlich sein sollen, so haben wir uns den Urtyp des Nichtariers nicht vorgestellt. Aber wenn der Dr. Göbbels   es sagt... Im Aushang des Ufa  - Theaters stehen sie nebeneinander: links: kleiner Mann im Regen­mantel, der Herr Minister, rechts: ein Bild aus dem neuen Film Gold", der Hans Albers   aus Bergedorf  . Der Arier Göbbels, der Nichtarier Albers also, wie gesagt, manchmal kommen wir nicht ganz mit. Die ganze Nacht hindurch haben wir die Rassenkunde  " des Professors Günther gelesen, den Mythus" des Alfred Rosenberg   und das Zuchtreglement für Aufnordung" von Darré da stimmt etwas nicht.

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Baldurs Ritt auf den Pegasus Kommandierte Auflagenhöhen

Herr Hitler   hat es gezeigt, wie heute in Deutschland   mit ,, Literatur" Geld verdient werden kann. Sein Werk ,, Mein Kampf  " muß zu vielen tausenden Exemplaren gekauft wer­den. Von Bibliotheken, Reichs-, Landes- und Gemeinde­ämtern, von jedem Nazimann, von Schulen und Schülern. Herr Göbbels hat es Hitler   mit seinem Roman nach­gemacht, Herr Kube mit einem Drama und nun erscheint im deutschen Blätterwald die Nachricht, daß der Reichs­jugendführer Baldur von Schirach   einen Gedicht­band veröffentlichte. Die Reklame für dieses ,, literarische" Produkt ist fantastisch. Abdrucke erscheinen in allen Ze

geführt worden ist.

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Die Angelegenheit, die einen immerhin eindrucksvollen Beitrag zur Psychologie der nordischen Edelrasse" liefert, berührt aber vor allem das Kapitel der deutsch  - schweizeri­schen Beziehungen, stellt doch der Versuch einer deutschen Amtsstelle, schweizerische Zeitschriften der uns bekannt gewordene Fall dürfte nicht vereinzelt dastehen durch eine dreiste Erpressung zum Verzicht auf bestimmte Mit­arbeiter zu zwingen, einen Anschlag auch auf die Freiheit der schweizerischen Presse dar. Die Wünsche der Kontroll­stelle sind um so schimpflicher als sie unseren Herausgebern Würden die zumuten, wahre Henkersdienste zu verrichten. bedrohten Verleger sich dem Ansinnen fügen, ein gutes Stück des Weges zur Gleichschaltung unseres Publikations­wesens im Sinne des dritten Reiches" wäre zurückgelegt. Aber wie sollen wir uns auflehnen können gegen die Ver­achtung, mit der die Hitler und Göring   die Unabhängigkeit kleiner Völker behandeln, wenn der Bundesrat nichts Eili­geres zu tun weiß, als eine weitgehende Gleichschaltung der schweizerischen mit den deutschen Zeitungen von sich aus vorzunehmen.

. im ,, Volksrecht"

Dr. Göbbels   hat uns von Hans Albers  , hat uns die Geschichte Der blonde Hans war seines Nichtariertums berichtet. jahrelang mit der Hansi Burg   befreundet, mit der Tochter des Hofschauspielers Eugen Burg  . Der einstmals, bevor er auf die so bedeutenden Bretter kletterte, Hirschfeld hieß. Als die Sonne des ,, dritten Reiches" über Neubabelsberg  aufging, als die Nation auch in der Ufa   aufbrach, klopfte der Portier und NSBO.- Obmann Czodczynski dem Pg. Albers auf die Schulter und sagte: Also, mein Junge, das Geflirte mit der Judenschickse hört auf, verstanden?"

Als Czodczynski wieder zu sich kam, hatte er Magen­krämpfe und es dauerte einige Zeit, bis er von dem chinesi­schen Tor aus dem Film ,, Flüchtlinge" herunterkam, wohin ihn die Antwort des Albers befördert hatte.

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Am Nachmittag wurde dem Filmschauspieler Albers   ein Oder! Brief der Direktion überreicht: Entweder Hans   nickte. Und verreiste am selben Abend. Drei Tage darauf wurden Albers   und Hansi Burg   auf dem Standesamt zu Prag   getraut. Die Ufa   setzte ihn an die Luft.

Denn er ist durch seine Ehe Nichtarier geworden. Göbbels  hat es gesagt, Göbbels   der Arier. Das Urbild.

Die neue Ufa- Wochenschau zeigt die Ortsgruppe Steglit des ,, Bundes deutscher Mädels", die vor Göbbels   Fenster auf­marschiert und nach einer alten populären Melodie singt: ,, Göbbels  , ich sag' es ohne Zier, Göbbels  , ich möcht' ein Kind von dir, Göbbels  , mein süßer Göbbels,

ja ohne Spaß, du hast so was...

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tungen, im ,, Völkischen Beobachter" schreibt Richard Eurin­ ger   eine lange begeisterte Abhandlung über den ,, Helden des Pegasus", der eine neue Form deutscher Dichtkunst schuf. Dabei sind die ,, Gedichte" Baldur von Schirachs von einem blutigen Dilettantismus und haben nur eins mit einem wirklichen Gedicht gemeinsam, daß sie sich reimen. Wenn auch schlecht. Trotzdem ist das Geschäft gesichert. ,, Die Hit­ lerjugend   ist angewiesen, das Buch zu kaufen, sämtliche Jugendbüchereien müssen es führen, jeder Hitlerjunge muß es unter dem Kopfkissen liegen haben."

Die Hitlerjugend umfaßt über zwei Millionen Kinder. So­mit ist dem Gedichtband eine Riesenauflage, Herrn Baldur von Schirach   ein Riesenverdienst gesichert. Ja, so etwas haben. die ,, Asphaltliteraten" nicht fertig gebracht,

Die ,, Preußischen Jahrbücher" setzen sich für die nordische Religion ein. Dr. R. H. Grützmacher verweist dort darauf, daß Rosenbergs Standardwerk ,, Der Mythus des 20. Jahrhunderts" nun ,, von verschiedenen Seiten ausgeführt und konkreter gestaltet" wird Grützmacher meint, daß es not­wendig sei, eine genauere Wesensbestimmung" des ,, nor­disch- germanischen Elementes in der Religion" zu finden, wenn diesse Element wirklich eine größere Rolle spielen soll. Wörtlich sagt er: ,, Hier bietet die Zrähistorie ihren Dienst an, wie sie besonders Professor Herman Wirth  ... in um­fassenden Werken und in öfteren mündlichen Darbietungen vertritt. Runen und alten Kultsymbolen entnimmt er einen unnordischen Monotheismus. In seinem Mittelpunkt steht die Gestalt eines Heilbringers, der sich im natürlichen Jahres­rhythmus der Arktis   offenbart. Aus der Mitwintersonnen­wende erscheint er in Kreuzeshaltung. In der absteigenden Jahreshälfte versinkt er mit abwärts gerichteten Armen. Der Heilbringer symbolisiert Sterben und Auferstehen und gibt durch diesen Mythus auch das sittliche Gesetz, welches jeder Mensch aus eigener Kraft verwirklichen kann. Im Gott nur Unterschied zum Christentum ist der Heilbringer

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in dem Sinne, wie es jeder Mensch ist; er wird auch kein erlösender Vermittler zwischen Gottheit und Menschheit, da beide von Natur wesenseins und durch keine Sünde getrennt sind."

Diese Hirngespinste religiösen Irreseins stehen in der Zeit­schrift Treitschkes!

Vermolchier Schattensachverständiger

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Die Zeitschrift Völkische Kultur", Dresden  , beschäftigt sich in ihrer Nr. 2, 1934 mit der Verderbtheit des nächtlichen Theaterspiels. Es heißt da:

,,... Aber das Nachttheater der Marionetten deutet auf Eingewöhnung in das Dunkel des zwerghaft Dämonischen... Freiheit und Zwang, altwestlicher Ideen- Kürglaube und alt­östlicher Materialismus leuchten hier aus weltanschaulichen Hintergründen hervor. Unser Theaterspiel hat längst die fernöstliche Nacht aufgesucht. Wir aber, die wir uns jahr. hundertelang schon ohne inneres Verwundern bequemen, den Sommernachtstraum wie den Lear, Goethes Iphigenie   oder Kleists Penthesilea niemals anders als unter dem gleichen, blakigen Schein von Oel  -, Gas- und Magnesiumlampen oder

im Stechlicht elektrischer Farbbirnen sinnlich wahrzunehmen: wo nehmen wir denn, vermolcht unter den Schatten von Schatten, in jedem Sinn Marionettensachverständige, die wir sind, auch die Augen her, die noch jenes Aufschauen in den nacktblauen Himmel eines vollkommen unironischen Schick­salsmelders zustande brächten?"

Es ist unsereinen nicht so leicht, sich vermolchte Marionet­tensachverständige vorzustellen, die in einen nacktblauen Schicksalsmelder schauen, aber den Lesern der ,, Völkischen Kultur  " macht das sicher keine Schwierigkeiten, ihr altwest­licher Ideen- Kürglaube befähigt sie wahrscheinlich ohne weiteres dazu. Muß das schön sein!

Nicht- christliche Kirchen in Deutschland  

Nichts kennzeichnet die geistige Verworrenheit des ,, dritten Reiches" so deutlich, als die neuartigen ,, religiösen" Gemeinschaften, die wie Pilze aus Hitlers Sumpfboden emporschießen. Wir geben im folgenden die für sich selbst sprechenden Namen der wichtigsten dieser Kirchen, die über eigene Organisationen, Führer und meistens auch über Zei­tungen verfügen:

Deutschgläubige Gemeinschaft Nordisch- religiöse Arbeitsgemeinschaft Adaid Germanische Glaubensgemeinschaft Nordungen

Adler und Falken

Rig- Kreis- Nationalkirche

Bund der Freireligiösen Gemeinden Deutschlands Freundeskreis der kommenden Gemeinde Gemeinschaft kommender Erkenntnis Deutsche   Gemeinde

Schafferbund

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Dr. Fuchs- Darmstadt

Sonnenreligion Dr. Lohmers Awsophische Gemeinschaft Bund der Gnoten,