Deutsche Stimmen Beilage zur Deutschen Freiheit". Deutschen Freiheit Ereignisse und Geschichten

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Donnerstag- Freitag, den 10. und 11. Mai 1934

Ballade vom Erpressecjulius

Von Lot Anker.( Frei nach Otto Reutter )

Jetzt ist die Zeit gekommen, in der Judenkinder kein deutsches Jugendheim mehr versauen. Sollte sich aber doch mal ein Jude in solch eine Herberge verirren, dann sett ihn im hohen Bogen an die Luft. Irgendein Bauer wird schon noch Platz in einem Schweinestall haben. Dort mag er nächtigen. Da ist er unter seinesgleichen."

,, Der Stürmer ", Nr. 30, Juli 1933.

Kennen Sie denn die Geschichte

vom Erpresserjulius schon?-

Dann erlaubt, daß ich berichte

die authentische Version:

Der Erpresserjulius ist ein

großer Mann im ,, dritten Reich",

sagt, daß ruhig könnt' kein Christ sein,

eh' nicht jeder Jud'' ne Leich'.

Denn sein christliches Gemüte

ist von ganz besondrer Art,

sein Sadismus steht in Blüte, mit Gemeinheitsdrang gepaart.

Da der Mann ein krimineller, vorbestrafter Psychopath,

ging sein Aufstieg um so schneller im totalen Nazistaat.

Hitler machte freie Bahn

seinem alten Putschkumpan:

Habt ihn lieb,

diesen Typ,

denn echt braun ist, was er schrieb!

Sein Fanal

heißt: Skandal,

das ist wahrhaft national!

Speit sein Mund

Schmutz und Schund,

das ist rassisch und gesund.

Die Partei

hält ihn frei,

Ich, der Führer, steh' ihm bei!

Die Perversen und die Kranken sind vom ,, Führer" sanktioniert, und so ist im Lande Franken Julius Streicher avanciert.

Früher war sein Blatt, der, Stürmer", nur ein Rinnstein- Fabrikat,

das im Kot gewühlt wie Würmer und sich daran gütlich tat.

Dieser ,, Stürmer", der ist heute Frankens nationaler Hort, Leibblatt vieler tausend Leute ( und nicht nur auf dem Abort!).

Nicht seit heut jedoch erst nennt man ihn ,, Erpresserjulius",

nein, seit vielen Jahren kennt man ihn als Lump zum Ueberdruß.

Mit recht schmutzigen und recht festen Enten trieb er Politik, schnüffelte in fremden Betten, schimpfte: Judenrepublik!".

Diese( fahnend auf Zersetzer") ließen Streichers Töne kalt;

und so kam's, daß dieser Heter 600 nur als harmlos Irrer galt.

Dabei ist der Mann notorisch eine komische Figur,

Freuden des Rundfunks

Nationalsozialisten sind begeisterte Rundfunkanhänger. Keine Feier ohne Rundfunk.

Ganz selbstverständlich also, daß sämtliche Vorberei­tungen zur Maifeier durch das Mikrofon in alle Welt ge­sendet wurden. Anscheinend aber sind die Menschen in Deutschland , sofern sie nicht dem Stande der Regierenden angehören, noch nicht genügend dressiert, um immer und in jedem Augenblick richtige Antworten geben zu können, vielleicht auch hatten sie nicht das rechte Bewußtsein dafür, daß, wer vor dem Mikrofon spricht, zur Welt spricht.

Nur so ist es zu erklären, daß ein paar Nationalsozialisten beim Empfang der Arbeiter aus dem Reich, die am Festzug der Arbeit am 1. Mai teilnehmen sollen, bei diesem Empfang auf dem Tempelhofer Flughafen durch Dr. Göbbels ver­sehentlich die Wahrheit sagten.

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Große Begrüßung mit großem Hallo! Die von der Water­kant kommen an Jeder gibt dem Reichspropagandaminister brav die Hand. Göbbels fragt leutselig- meist dasselbe ein paarmal aber variiert er.

Göbbels : ,, Na, was sind Sie denn?" Arbeiter: ,, Arbeiter bei Blohm und Voẞ." Göbbels nicht ohne Stolz: ,, Ah, haben Sie jetzt genug zu tun?"

Und der Arbeiter bieder: ,, Ja, wir bauen ja jetzt Flugzeuge"

Aus ist die Unterhaltung, wie fortgewischt. Komisch, warum nur?

Selbst mit der ewigen Wiederholung der Tatsache, daß Berlin eine große Stadt sei, hat der Doktor nicht immer Glück, denn auf die Frage an einen Süddeutschen, ob er

ist verrückt nicht provisorisch, nein: meschugge von Natur!

Bellten rechts auch Feinde rings, Republik sprach: Feind steht links!

Und so blieb

dieser Typ

ohne jeden Gegenhieb.

Sein Fanal

hieß: Skandal,

national und sexual!

Spie sein Mund,

Schmutz und Schund-: Streicher machte sich gesund. Die Partei

stand ihm bei,

Adolf Hitler blieb ihm treu.

Diese Treue war kein leerer, frasenhaft gemeinter Wahn, nein, der ,, Führer", als Verehrer Streichers, hatte seinen Plan:

Julius soll die Juden quälen, hat er immer gut gemacht, keinen Bessern konnt' er wählen für die große Judenschlacht!

Und so schrie sich Julius heißer zum Boykott der Judenheit,

als der Judenhetze Kaiser nützte er die große Zeit.

Einen Tag lang war er ,, Sieger"

über Judas Minderzahl,

doch selbst Hitlers braune Krieger lachten im Parteilokal.

Als am Abend das Theater, des Boykotts zu Ende ging, kriegte Streicher einen Kater, denn von oben kam ein Wink:

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Der Boykott ist abgeblasen, Stürmerjulius, räum' das Feld! Für die krummen Judennasen setzt sich ein die ganze Welt. Doch der Führer" ließ den alten Freund nicht unbelohnt zurück: Im Land Franken sollst Du walten, Frankens Sonne , Volkes Glück!

Und so waltet Julius Streicher seines Amtes seit Jahresfrist, wird an Unflat täglich reicher, Stürmer- Hahn kräht auf dem Mist.

Als Erpresser, Judenschinder

klingt sein Name weit und breit Höchstes Glück der Menschenkinder ist doch die Persönlichkeit!

Willst im ,, dritten Reich" gedeihn,

mußt wie Julius Streicher sein!

Die Moral,

ganz banal,

heißt auf neudeutsch- national:

Der Skandal

ohne Zahl

ist des Nazi Ehrenmal!

Judenhet',

Klatschgeschwätz

sind im ,, dritten Reich" Gesetz,-

merkt euch die

Melodie:

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Streicher, made in Germany!

sich auch in dem großen Berlin zurechtfinden werde, lautet die prompte Antwort: ,, Sie sind doch so klein, und Ihnen ist Berlin auch, nicht zu groß." Tatsache, gewiß, aber Tatsache hin, Tatsache her, man hört so was nicht gern, wenns vor dem Mikrofon gesagt wird.

Als der kleine Mann mit dem großen Mund dann einen Flensburger ( jedenfalls einen norddeutschen Fischer mit Namen Fischer) fragt, ob er sich vielleicht in Berlin eine Frau holen wolle, und der mit Händen und Füßen abwehrt, bemerkt Göbbels höflich: ,, Na, da muß ich aber die Ber­linerinnen in Schutz nehmen. Ich hab mir doch schließlich selbst eine Frau aus Berlin geholt." Darauf der Fischer aber zweifelnd: ,, So Fischer ernst ?" und dann be­

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ruhigend hinzufügt: ,, Na hoffentlich zufrieden-?!!" wofür er schallendes Gelächter erntete.

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ララ

Als die Bayern ankommen, wirds mal wieder faul. Einer aus Bamberg erscheint. Göbbels huldvoll: Woher?" Der: ,, Bamberg ." Fragt der Minister: Und wie ist es da?" Und der Bamberger Wut in der Stimme: ,, Ach, immer das schwarze Gesindel!" Der Herr der Propaganda, Reichs­minister, dem alle Deutschen nichts als Volksgenossen sein sollten, jetzt mehr denn je, statt zu opponieren, meint freundlich und aufmunternd: ,, Na, da werden Sie wohl mit fertig?" Der andere brummt: Ja." Aber der Minister will Wie lange wirds noch dauern?" Ein es genau wissen: zweifelndes: Ja", dann fester: ,, Wir hoffen, jetzt mit ihnen aufzuräumen-"

ララ

Die Welt hätte voller Staunen den ersten Minister der Propaganda hören können, wie er zum Bruderkampf im eigenen Lande aufforderte. Die Welt hört zu wenig Radio, nichts gibt es, was besser über Deutschland aufklärt, als die

Einfach konfus

Die Katastrophe des deutschen Journalismus

Aus einem Artikel, der im Handelsblad"( Amsterdam )) unter diesem Titel erscheint, zitieren wir die folgenden Passagen:

,, Das Thema ist unerfreulich; denn kaum ein anderer Teil des Programms der nationalsozialistischen Revolution bietet dem Ausländer soviel Stoff für Kritik, stellt ihn vor soviel Widersprüche und reizt ihn zu solch bitteren Schlüssen. Es mag wohl richtig sein, daß die Presse sich nun im ,, dritten Reich" in einem Uebergangsstadium befindet. Aber das Bild, das sie augenblicklich bietet, ist einfach konfus. Es genügt keinem einzigen Ideal, weder dem des National­sozialismus, noch dem der Schreiber und Leser vom alten Schlag... Erfahrene Journalisten, die wirkliche Nazis sind, kann man an den Fingern abzählen. Sie wurden vor dem 30. Januar 1933 nicht in die Berufsorganisationen aufge­nommen und nicht für voll angesehen. Die Journalisten von vor 1933 gingen dabei von dem Standpunkt aus, daß die Hitlerpublizisten hauptsächlich journalistische Dilettanten waren, die keine wirklichen Tages- und Wochenzeitungen, sondern periodisch erscheinende Pamphlete herausgaben und daß solche minderwertige Schreiberei nicht durch die Mit­gliedschaft von einer Berufsvereinigung sanktioniert werden dürfte. Die Hitlerjournalisten dagegen vertreten heute noch den Standpunkt, daß der Journalist in erster Linie ein kämpfender Propagandist sein muß, und daß das( im In­teresse des nationalsozialistischen Staates) höher steht als die publizistische Berufsethik. Deutsche und vor allem deutsche Nationalsozialisten sind Prinzipreiter. Seit die Hitlerpublizisten die Staatsmacht hinter sich haben, ist das Experiment mit der deutschen Presse in vollem Gang. Und hier müssen wir hinzufügen, daß das Resultat des ersten Jahres auch nach der Meinung der Regierung und des Pressekommandanten betrübend ist...

In Deutschland ist die auch in technischer Hinsicht unzu­reichende Presse hauptsächlich ein Propagandaorgan von so zu innerem Widerstand reizenden aufstumpfenden und Charakter, daß man sich abfragt, ob sie in der idealen" Zukunft, die nur solche journalistische Produkte aus der Rotationspresse schleudern wird, für den denkenden Mensch­noch zu lesen sein wird."

Judenhetze ohne Ende

In einer Betriebsräte- Konferenz in Nürnberg wurde nach einem Bericht im ,, Deutschen Lederarbeiter"( Nr. 9/10, 1. April 1934) vom Kreisleiter Pg. Braun die Judenfrage auf­gerollt und ausgeführt. ,, daß wir im Kampf gegen Alljuda nie erlahmen dürfen. Wir müssen in dem Juden immer den Feind unseres Volkes sehen. In den letzten Jahren, in denen man den Juden die Gleichberechtigung gegeben hatte, hat er gezeigt, was er mit dem deutschen Volke vorhatte. Ueberal konnte man sehen, daß der Jude versucht hat, und es ih zur Zeit auch schon gelungen war, das Volk moralisch, körper­lich und sittlich zu zersetzen und damit seinen Einfluß immer mehr zu stärken. Nie werden wir es hier in Franken dulden, das ein Jude Führer der deutschen Arbeiter wird."

Zeit- Notizen

Ein Hanussenbuch

Im Sebastian Brant - Verlag StraEburg erscheint demnächst ein Buch über das Leben des vor einem Jahre in Berlin ermordeten Hellsehers" Erik Jan Hanussen . Der Ver­fasser, der frühere Berliner Chefredakteur Bruno Frei , hat die dokumentarischen Unterlagen der außergewöhnlichen Laufbahn dieses Propheten des ,, dritten Reiches" zu einer spannenden Reportage gestaltet, die durch zahlreiche zum Teile unveröffenlichte Fotos unterstützt wird.

Die Wiener Gemeindebauten

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demolieren

Im ,, Oesterreichischen Beobachter ", einem Ilatt der Heim­ wehr , meint ein Kritiker des Roten Wien, daß man die großen Wohnbauten, falls deren Instandhaltung zu teuer komme, unbenützt und später demolieren werde lassen müssen. Warum nicht? Der Faschismus versteht nichts so gut wie das Niederreißen,

deutsche Sendung. Man muß gehört haben, wie diese Zeit­genossen am Mikrofon sich aufblasen, wenn sie den Nach­barstaaten eins auswischen, und wann geschähe das nicht? Beinahe bei jeder Nachrichtendurchgabe. Wenn gar die Stunde der Saar schlägt, dann wundert sich der Laie, daß es ausländische Diplomaten gibt, die sich einen solchen Ton ge­fallen lassen. Man scheint im Auslande zu meinen, Rund­funk sei eine innerpolitische Angelegenheit eines Volkes? Aber es ist eine innerpolitische Angelegenheit, die weit über ganz Europa zu hören ist.

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Wer Rundfunk hört, weiß, daß in Deutschland keine Deutschen mehr leben nur Nationalsozialisten, deren Na­ihr Sozialismus. tionalismus ebenso gut ausgeprägt ist wie Nur eine Tatsache fiel bei den Vorbereitungen zur Maifeier auf: Am Mikrofon sprach nicht mehr der Dr. Göbbels von früher, am Mikrofon sprach ein Mann, der am Ende seiner Kraft zu sein schien, der keinen einzigen neuen Gedanken mehr produzieren konnte, der mit einer müden, gelang­weilten Stimme immer wieder dieselben Fragen stellte, kaum hinhörend, was der Befragte antwortete.

Wenn man Göbbels , der gerade was auch der Rund­funk mitteilte wieder einen Sieg über seinen Partei­genossen Göring dadurch erfochten hat, daß Göring jetzt auch noch ,, freiwillig" auf seinen Posten als Preußischer Minister des Innern zugunsten von Dr. Frick verzichtet hat, damit ,, Preußen der erste Staat sei, der die Reichseinheit praktisch durchführe", wenn man diesen abgehetzten Dr. Göbbels wirklich mit dem Nationalsozialismus identifizieren kann, dann steht es faul um die Nazis.

Und das wäre eine der größten Freuden des Run funkhörers.