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Aus dem Inhalt
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Dec Mord am Schlagetectag
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Wo steht
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Göbbels kündigt Pogrome an
Wenn die Bewegung an die Nation appelliert, so wird die Nation mit ihr sein." Mit dieser Phrase hat der Reichspropagandaminister Dr. Göbbels am Freitag im Sportpalast in Berlin seine Rede gegen die Miesmacher und Kritikaster geschlossen.
Aber wagt der Nationalsozialismus an das Volk zu appelieven? Nein. Nicht einmal eine durch Terror kommandierte Abstimmung hält er zur Zeit für möglich. Der ganze Appell an die Nation besteht darin, daß die führenden Nazibonzen vom Minister bis zum letzten Amtswalter hinab reden und schreibend auf das Volk losgelassen werden, das schweigend zuhören muß.
Dieses Schweigen aber wird allmählich beredt. Es spricht sich nicht nur in kritisierenden Stammtischgesprächen aus, wie Reichsminister Göbbels behauptet, sondern in der klaren Ablehnung des nationalsozialistischen 3wangssystems dort, no überhaupt noch etwas wie freier Wille vorhanden ist. Das Volk wendet sich angewidert und ungläubig von dem ab, was ihm die Regierung in Versammlungen und in der Presse vorzutragen beliebt. Im ganzen Reiche ist die Beobachtung einmütig, daß freiwillig Massenversammlungen nur noch zustande kommen, wenn ganz große nationalsozialistische Kanonen aufgeboten werden. Bei den Maidemonstrationen wurde Massenbeteiligung diesmal nur noch durch ein raffi niertes Kontrollverfahren erreicht. Dazu werden wir Material noch veröffentlichen.
Man mag unsere Behauptungen anzweifeln, aber unwiderTegbar sind die Zahlen über die Auflagen der Zeitungen. Es ist amtlich vorgeschrieben, daß jede Zeitung ihre genaue tägliche Aufgabe veröffentlichen muß. Ob diese Vorschrift noch lange bleiben wird, ist uns zweifelhaft, denn fie läßt deutliche Rückschlüsse auf die sinkende Stimmung und den wachsenden geistigen Widerstand zu. Aus den Aprilaiffern der Zeitungsauflagen ist zu ersehen, daß mit ganz wenigen Ausnahmen die Bezieherzahlen der Presse zurückgehen, sowohl in Berlin wie in der Provinz. Zu den Zeitungen mit den stärksten Rückschlägen gehört der von Dr. Göbbels gegründete„ Angriff", der im Dezember täglich 94 200, im März 60 000, im April nur noch 53 400 Exemplare täglich druckte. Er ist jetzt mit dem Bölfischen Beobachter" vereint, der aber seine AufTage nur von 330 000 auf 334 800 erhöhen konnte. Von den 41 000 Deserteuren des Angriff" find also nur 4000 zum " Bölkischen Beobachter" übergegangen.
In der bürgerlichen Presse ist das Bild nicht günstiger. Obwohl die Vossische Zeitung verschwunden ist, hat das Berliner Tageblatt, also das Konkurrenzunternehmen gegen die " Voß", seine Auflage nicht etwa steigern können, sondern ist von 64 000 auf 62 400 zurückgegangen. Das Volk in allen seinen Schichten glaubt der Regierungspresse nichts mehr und flieht deshalb aus den Zeitungen.
Der Reichspropagandaminister hat in seiner Berliner Rede wieder großsprecherisch vom Vertrauen des Volkes gesprochen. Wie wäre es, wenn er dieses Vertrauen einmal dadurch erproben wollte, daß er etwa die Deutsche Freiheit" zum Wettbewerb in Deutschland antreten lassen würde? Wir beanspruchen nicht eine Mart aus seinen Propagandamillionen. Allein auf uns gestellt, wollen wir den Kampf aufnehmen und, find feinen Augenblid zweifelhaft, wie das Volf entscheiden wird, nachdem es länger als ein Jahr die Segnungen des ,, dritten Reiches" genossen. hat.
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Die Rede des Reichspropagandaministers zeigte die schwere Zerrissenheit der Nation auf, die man mit Agitationskunststückchen und großen Reklamefeiern in eine Boltsgemeinschaft umlügen will. Dr. Göbbels sieht das ist die einfache Wahrheit keinen Ausweg aus den riesigen Schwierigkeiten. Er gibt in verklausulierten Wendungen zu, daß keine echte Ronjunktur vorhanden ist, sondern den Unternehmern und Landwirten Arbeitskräfte aufgezwungen werden und er gesteht zum ersten Male auch. daß diese Arbeiter menschenun: würdig entlohnt werden. Unter dem Einfluß der Sozialdemokratie und der freien Gewerkschaften hatten die deut schen Arbeiter bis etwa zum Jahre 1980 die höchsten Löhne auf dem europäischen Kontinent und dazu die beste Sozialpolitik der Welt. Ein Jahr nationalsozialistische Verwüstung hat genügt, um das Gegenteil zu erreichen: die deutschen Arbeiter haben jetzt die schlechtesten Löhne in Europa und eine ruinierte Sozialpolitik.
Die fünstliche Binnenkonjunktur muß zusammenbrechen, wenn nicht Rohstoffe eingeführt werden können. Rohstoffe bekommt Deutschland nur, wenn es mit Devisen bezahlt. Devisen fehlen, weil die Ausfuhr fehlt. Wer ist schuld an diesem bedrohlichen Krisenzustand? Die Antwort des Reichsminifters ist einfach: die Juden!
Der Jud ist schuld"
Diese Stelle seiner Rede ist innen- und außenpolitisch so wichtig, daß wir den Reichsminister nach zwei Zeitungen zitieren wollen.
Nach der„ Saarbrüder 3eitung" sagte der Reichsminister:
Es ist geradezu verbrecherisch, wenn Menschen im Lande umbergehen, und Leuten, die ohnehin schwer zu kämpfen haben, auch noch den Mut nehmen. Wenn auch ein Teil des Auslandes uns mit dem anonymen Boykott begegnet und deutsche Waren nicht annehmen will so wissen wir sehr wohl, daß das auf unsere jüdischen Mitbürger zurückzuführen ist.( Lebhafte Zustimmung.) Jch fann aber nicht, weil die Juden im Ausland uns boykottieren, im Innern die Judengesetzgebuna zurüdziehen, sondern wir müssen diese Krise eben durchhalten.( Anhaltende Zustimmung und Beifall.)
Nach der Frankfurter Zeitung " lautete der Passus:
Wenn noch ein Teil des Auslandes uns mit dem anonymen Boykott begegnet und deutsche Waren nicht annehmen will, so wissen wir sehr wohl, daß das auf unsere jüdischen Mitbürger zurückzuführen ist. Ich kann aber nicht, weil die Juden im Ausland uns boykottieren, im Innern die Judengesetzgebung zurückziehen, sondern wir müssen diese Krise eben durchstehen. Die Juden meinen vielleicht, ihren füdischen Mitbürgern in Deutschland damit einen Dienst zu tun. Das Schlimmste was sie überhaupt tun können, denn sie sollen nicht glauben, wenn sie in der Tat den Boyfott so weittrieben, daß er wirklich eine ernstliche Bedro hung unserer wirtschaftlichen Situation darstellen würde, daß wir deshalb die Juden frei ausgehen ließen.( Stürmischer Beifall.) saß und Wut und Verzweiflung des deut schen Volfes würden sich dann zuerst an die halten, die im Lande greifbar find.
Das Saarblatt hat, mit Rücksicht auf die saarländischen Juden, um die die„ Deutsche Front" wirbt, etwas gemildert. Nach der„ Frankfurter Zeitung aber ist Sinn und Absicht der Göbbelsrede ganz klar.
Für das klägliche Versagen des Nationalsozialismus, für den Widerstand der zivilisierten Welt gegen seine Methoden, für die Folgen des wirtschaftlichen Dilettantismus der Nazibonzen und für die Finanzkorruption des dritten Reichs". sollen die Juden verantwortlich gemacht werden. Der gegen die Nazigrößen sich sammelnde Haß soll sich gegen die Juden entladen Die Welt steht vor der Tatsache, daß ein amtierender deutscher Reichsminister mit Judenpogromen aus„ Haß, Wut und Verzweiflung" des deutschen Volkes gedroht, daß sich Göbbels an die Seite des Nürnberger Pogromhezers Julius Streicher begeben hat.
Die braunen und schwarzen Banden des Nationalsozialismus werden gut begriffen haben: Das Weltiudentum sabotiert den deutschen Wiederaufbau, weil es von den deutschen Juden verhetzt ist. Die deutschen Juden sind als Geiseln in unserer Hand. Auf das Signal hin, daß die Partei geben wird, werden wir uns an den deutschen Juden schadlos halten.
Wenn große Teile der Welt, und nicht zuletzt viele Juden selbst, sich über den wahren Charakter des in Deutschland herrschenden Bandensystems täuschen ließen, so sollte sie diese Rede des Reichsministers alarmieren. Die Bedrohung, nicht nur für die Juden, sondern für alle kultivierten Gegner der regierenden Bonzenkliquen sind ist geringer, sondern größer denn ie. Diese Landsknechtsführer und Nußnießer eines Volksbetrugs von riesenhaften Ausmaßen sind in ihrer Situation zu jedem Gewaltstreich und zu jeder Schandtat bereit, wenn sie glauben, dadurch ihre Herrschaft verlängern zu können. Schon ahnen sie ihren Sturz. Zwischen jetzt und ihrem Ende aber stehen neue große Gefahren für die deutsche Kultur.
Ermunterung zum Pogrom
,, Judentod"
In der Nacht zum Himmelfahrtstag wurde die Mauer des jüdischen Friedhofs in Saarbrüden etwa 50 Meter entfernt von der französischen Grenze von fachkun: digen Händen mit folgendem Text beschmiert: " Judentod beseitigt Saarlands Not"
Diese Schrift wurde auf eine Länge von 80 Meter, einer Höhe von einem Meter angebracht. Wohlgemerkt von fachfundiger Hand. Niemand wird sich wundern, wenn demnächst auch auf den jüdischen Friedhöfen im Saargebiet die Gräber beschmußt und die Grabsteine zerstört werden, so wie es allerorten im britten Reiche" geschah.
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Gestern und fieute
In einer Schweizer Zeitung, ausgezeichnet durch viele wertvolle Beiträge über die politische Situation und die seelischen Spannungen im Hitlerreich, lasen wir kürzlich einen Suts, bei dem wir länger als üblich verharrten. Es handelte sich um eine Aeußerung eines hervorragenden Trägers der nationalsozialistischen Bewegung. Sie lautete:
,, Wir Nationalsozialisten riechen einander. Auf Uniform oder dogmatische Glaubenssätze kommt es gar nicht an; das Gemeinsame liegt viel tiefer. Wir sind seelisch irgendwie von der gleichen Familie. In den ersten drei Sekunden einer neuen Begegnung haben wir heraus, ob der andere wahrhaft zu uns gehört oder nicht."
Der Autor dieses Sages hat darin über die Psychologie des Nationalsozialismus mehr gesagt, als er wohl selber ahnte. Wir vermuten, daß es ein junger Intellektueller war, einer von denen, die sich im Nationalsozialismus ihren Aufbruch, aber zugleich auch ihre Erkennungsmarke verschafft haben. Ein Blick, eine Geste, man hat die gleiche Sprache, die gleiche Phrase, das gleiche Ja, das gleiche Nein schon in diesen drei Sekunden, und man ist Bruder zu Bruder in Rosenbergs Ordensrate.
Etwas Aehnliches war schon früher da. In einer gesellschaftlichen Erscheinung, die man bei der Aufdeckung der Quellen des Nationalsozialismus nie übersehen darf: nämlich in der Jugendbewegung. Damals, mit der Tagung auf dem Hohen Meißner kurz vor dem Kriege, hat es begonnen. Junge Menschen wurden Verschworene, versippt auf Gedeih und Verderb, fast blutmäßig bündisch geeinigt im Bund. Schon damals war die Abkehr vom„, Tatsachendenken" erkennbar, wie Keyserling den Auszug der Jugend in die undurchschaubare Welt der Wagnisse bezeichnete. Das neue romantische Uebergefühl, das sich den intellektuellen Ordnungen und vernunftmäßigen Verhaltungsweisen entgegenstellte, gläubig und heroisch auf kommende Dinge gerichtet: es hat eine Generation junger deutscher Menschen stark beeinflußt. Auch im Jungsozialismus gab es nach dem Kriege ähnliche Bewegungen, gruppiert um den Hofgeismarer Kreis, der die Entwicklungslehre des Marxismus ( besser: des Vulgärmarxismus) ablehnte. Man wurde Rufer und Sucher, dem Glauben und dem Tatwillen verschworen, um die Welt zu verändern.
Aber nun sieht die große Wende doch ganz anders aus, als es sich die jungen Menschen und die Jugendbewegten von 1914 bis 1930 vorgestellt haben. Für die große Mehrheit verstand sich damals das Humanitäre und die freiheitliche Geisteshaltung von selber. Sie dachten in die Zukunft der Neugestaltung der menschlichen Gesellschaft hinein, mit erlesenen Führern an der Spitze, sonst aber Gleiche unter Gleichen, durch freiwillige, selbstbeherrschte Unterordnung.
Nun ist das alles vorbei. Es gibt keine andere Jugendbe wegung mehr als die braune. Sie marschiert, nicht nach eigener Entscheidung, sondern kraft Befehl. Die Freiheit ist erdrosselt, und einer Generation junger Menschen wird glaubhaft gemacht, daß sie identisch sei mit Liberalismus und Marxismus , mit Zuchtlosigkeit und Unterwertigkeit.
Junge Leute und Nationalsozialisten, die„, einander riechen": was riechen sie vor allem? Die Ausdünstung des Juchtenleders und des Blutes, leider nicht nur des eigenen, sondern auch das ihrer Gegner, das ihre Führer in breiten Strömen vergossen haben.
Gewiß, das wird nicht so bleiben. Aber täuschen wir uns nicht! Es wird nicht leicht sein, die deutsche Jugend wieder von der Tambourmajorromantik zu lösen und zu Lynkeus auf den Turm des Geistes und der menschlichen Würde zu führen. Argus.
der Leitung der deutschen Front" äußerst unangenehm. Er fam ihr zu früh, denn vorläufig werden noch Liebe und Menschlichkeit gepredigt. Den Terror will man nicht wahr haben. Und solche Terrorbeweise wie den an der jüdischen Friedhofmauer können der deutschen Front" äußerst unangenehm werden.
Und siehe da, in der Nacht von Donnerstag auf Freitag ist die Schrift wieder beseitigt worden,
Nach Lage der Dinge fann das nur auf Anordnung der „ Deutschen- Front"-Behörde geschehen sein. Die Friedhofsmauer ist aber mit dem hezerischen Text bereits fotografiert worden, so daß sich dieser nationalsozialistische Schandakt nicht mehr wegleugnen läßt.