Deutsche   Stimmen Beilage zur Deutschen Freiheit" Ereignisse und Geschichten

Sonntag- Montag, den 13. und 14. Mai 1934

Gestalt gewordenes Christentum

A

propos, Herr Streicher

Salander schreibt in der Basler ,, National- Zeitung":

Zur Feier des 1. Mai hat das Wochenblatt Der Stürmer  ", dessen Herausgeber der Gauführer von Franken, Julius Streicher  , ist, eine umfangreiche Sondernummer heraus­gebracht. Sie war bereits längere Zeit vorher angekündigt in einem Massensprospekt, der in allen größeren Restaurants ausgelegt und verteilt wurde. nie as

hunderte zurückliegenden Haßäußerungen als bewiesene Tat­sachen hingestellt werden. Damit soll die kritiklose Masse der Halbgebildeten, die alles Gedruckte, schon weil es überhaupt gedruckt werden konnte, als wahr oder immer­hin möglich auffassen, mit Impulsen von Haß und Rachsucht geladen werden.

Diese Druckschrift, die sich selbst ob ihres tapferen Mutes faustdick belobt, ist die gewissenloseste und verhetendste Beleidigung, die je gegen einen ganzen Volksstamm geschleudert wurde. Daß dessen Angehörige zudem, soweit sie in den Grenzen Deutschlands   leben, wehrlos den Folgen des damit neu angefachten Rassenhasses ausgeliefert sind, macht die Sache noch peinlicher und widerwärtiger.

Wir stehen hier vor einem beschämenden Dokument des

ist, eine geistige Errungenschaft wie den Buchdruck, welche Licht, Klarheit und Freude der Menschheit zu schenken be­Licht, Klarheit und Freude der Menschheit zu schenken be­

Diese Sondernummer ist dem Zweck gewidmet, zu be­weisen, daß das jüdische Volk insgesamt als ein Mörder volk zu betrachten sei. Auf der Titelseite steht über einem Bild, auf dem zwei Juden in einer Schale das Blut zahlreicher kopfüber in den Wolken hängender Kinderleichen auffangen, in fetten roten Lettern die Ueberschrift: Jüdischer Mord­plan gegen die nichtjüdische Menschheit aufgedeckt". Tiefstands unserer Kultur. Denn daß es überhaupt möglich odn Die ganze Nummer enthält nichts anderes als die endlose Wiederholung des abgestandenen Märchens vom jüdischen Ritualmord in den verschiedenen Formen, in denen diese Greuellegende in der Geschichte der Justizmorde und Reli­gionsverfolgungen aufgetreten ist. Herr Streicher gibt ge­wissermaßen einen Katalog aller geschichtlichen Fälle, bei denen die scheußliche Bezichtigung, die bekanntlich auch gegen die ersten Christen und später gegen zahlreiche gnostische Sekten und Ketzergemeinden erhoben worden ist, vom 2. Jahrhundert bis zur Gegenwart den Juden gegenüber zur Anwendung kam. Sogar ein katholischer Märtyrerknabe, der heilige Simon von Trient  , der mir bisher nicht bekannt war, muß als Opfer der Juden herhalten.

Das Grauenhafteste der Aufzählung dieser Anschuldi­gungen und Prozesse, die teilweise, ob nun die Angeklagten unter dem Einfluß der Foltermittel geständig waren oder nicht, Ursache und Vorwand grausamster Judenverfolgungen waren, ist nicht die ekelerregende Ausführlichkeit der an­geblichen Tatbeschreibungen. Auch nicht die geradezu an­stößigen Bilder, in deren Auswahl der Herausgeber, der in noch gezähmtem Zustand von Beruf Jugenderzieher war, seine schöne Seele entblößt. Sondern die unerhörte Ver­antwortungslosigkeit, mit der alle diese teilweise Jahr­

rufen wäre, so schamlos und ausschließlich in den Dienst finstersten Hasses zu stellen, ist eine Angelegenheit, die nicht nur Deutschland  , das Land Lessings, Goethes und Schillers angeht, sondern unsre ganze christlich- abendlän­dische Gedanken- und Willenswelt, denn sie beweist, wie wenig es uns gelungen ist, über die Bewältigung der Natur­kräfte hinaus zu einer ordnenden Beherrschung der Kräfte der Seele zu dringen.

Bei den zahlreichen evangelischen Bischofsweihen, die gegenwärtig in deutschen Landen stattfinden, wird immer wieder auf die Werte des Nationalsozialismus für das christ­liche Empfinden und Erleben Bezug genommen. Der Landes­bischof Dietrich hat in seiner Einsetzungspredigt zu Wiesbaden   von dem Weg zu einem neuen Ostern gesprochen, den Hitler gewiesen habe. Und der neue Bischof Kessel in Königsberg   verkündete sogar, der Nationalsozialismus sei in seiner idealen Form nichts anderes als Gestalt gewordenes Christentum.

Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, im ,, Stürmer" der Herrn Streicher habe es noch nicht ganz Gestalt ge­

wonnen.

Kampf um Gustav Hartung  

Ein Angriff auf die Kunst wird abgeschlagen

Aus Bern   wird uns von seltsamen Dingen geschrieben, die sich hinter den Kulissen des Stadt- Theaters abspielen.

Zwei Tatsachen muß man sich zum besseren Verständnis der ganzen Angelegenheit ins Gedächtnis zurückrufen: Das neue Preßgeset der Schweiz   und die Abdankung des Berner Theaterleiters Lustig- Prean.

Das Lettere stellte den Berner Theaterausschuß vor die Frage nach der Wahl eines Nachfolgers. 200 Bewerbungen sind eingelaufen. Es war keine Kleinigkeit, unter der Masse guter und bekannter Namen den richtigen herauszufinden. Nur eine Schwierigkeit bestand dabei, unter den wirklich Bekannten befand sich kein einziger Schweizer  , der schweize­rische Schriftstellerverein aber drang mit allen Mitteln darauf, daß der neue Beherrscher des Berner Theaters un­bedingt mit der schweizerischen Staatsangehörigkeit geziert

sein müsse.

Es steht nun aber fest, daß die Wahl auf Gustav Har. tung fallen wird. Alles kann man von Hartung behaupten, daß er aber urchiger" Schweizer   sei mit dem besten Willen nicht.

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Nachdem nun die bevorstehende Wahl dieses um die Kunst mehr als um materiellen Erfolg seiner Theater ver­dienten Mannes bekannt geworden ist, ist etwas außer­mit ordentlich Merkwürdiges, in der Geschichte der Kunst Ausnahme der jetzt in Deutschland   beliebten Art der Be­wohl einzigartig handlung künstlerischer" Fragen Dastehendes passiert. Die Fremdenpolizei in Bern   hat näm­lich erklärt, sie werde einem Theaterleiter, der nicht das Schweizer   Bürgerrecht besige, keinesfalls die Aufenthalts­genehmigung erteilen!

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Auf wessen Betreiben die sonst in künstlerischen Dingen sehr gleichgültige Polizei zu dieser Stellungnahme kommt, weiß man nicht, man munkelt jedoch, daß der Schweizer Schriftstellerverein, dessen Vorsitzender Moeschlin vor nicht allzu langer Zeit den Anschluß an den Reichsverband des deutschen Schrifttums gesucht und gefunden hat, hier seine Hand im Spiele haben soll.

Salut Hitler

Stimmungsbild aus einer deutschen Schule

Aus einem Brief einer Untertertianerin eines Berliner  Oberlyzeums vom 21. Dezember 1933:

,, Neulich wäre beinahe unsere ganze Klasse aus der Schule

Man kann begreifen, daß ein Verein, der es sich zum Ziele gesteckt hat, seine Mitglieder auf schriftstellerischem Gebiete nach Möglichkeit zu fördern, mit starken Mitteln daraufhin arbeitet, jede nur mögliche Position für sich und die seinen zu gewinnen. Unbegreiflich bleibt es, wenn sich der Verband, der die Wahrung der Kunst auf seine Fahnen geschrieben hat, hinter die staatliche Polizei steckt, um einen lästigen Nebenbuhler auszuschalten. Vielleicht hat der Schweizer  Verband gar nicht die Absicht gehabt, die Polizei zu be­mühen, jedenfalls aber ist er dennoch die treibende Kraft, die zu diesem Schritt der Fremdenpolizei geführt hat. Gei­stige Argumente waren es bestimmt nicht, die hier gewirkt

haben.

Es ist ein Glück für die Schweiz  , daß die Herren, die über das Berner Theater zu bestimmen haben, nicht so schüchtern sind wie ihre Kollegen in Deutschland  . Man hat nämlich der Fremdenpolizei rundheraus erklärt, daß entweder das unter Har­Berner Theater glatt geschlossen oder aher tungs Leitung gestellt werden würde. Um jedoch die er­higten Gemüter zu beruhigen, sei man bereit, den schweize­rischen Dramatiker von Arx dem neuen Direktor als Drama­turgen beizuordnen.

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Uns geht es nicht um Hartung oder sonst einen bestimmten Mann, Uns geht es nicht darum, ob ein Schweizer   oder ein Pole oder ein Mann irgendeiner anderen Nationalität Direk­tor eines Theaters in Bern   wird. Uns geht es darum, daß in

wird, daß Polizei und Kunst nichts, aber auch gar nichts jedem Lande endlich einmal klar und eindeutig festgestellt miteinander zu tun haben; daß, wenn schon die Politik die Menschen fesselt, wenigstens die Kunst frei bleibt. Wir sehen in den Maßnahmen der Polizei eine große, sehr große Ge­fahr, die blitzartig die Lage erhellt, in die die Schweiz   zu geraten droht, wenn sie sich nicht von dem verheerenden Einflusse des deutschen Nachbarlandes befreit.

Denn wo die Kunst in Fesseln liegt, sind schon die Menschen erschlagen. A. O.

Klasse heraus." Er läßt sich Bericht erstatten und sagte dann

nur: Das Deutschgefühl der Mädels sträubt sich eben gegen

die Französierung des deutschen Grußes." Damit geht er ruhig heraus. Man kann sich denken, in welcher Gemütsver fassung Frl. A. zurückblieb."

Man kann sich das denken.

geflogen. Das kam so: Frl. A.( die französische   Lehrerin Einstein   nach dec Sowjetunion  

kommt dort immer in die Klasse und sagt, während sie uns den deutschen Gruß erweist: Salut Hitler  , Darüber haben wir uns auf dem Hof unterhalten und das ist ihr wohl zu Ohren gekommen oder wieder erzählt worden. Wutschnaubend kam sie in der nächsten Stunde zu uns hereingestürzt: ,, Solcher Klasse erweise ich den Gruß nicht mehr," schrie sie. Ich will wissen, wer öffentlich(!) über meinen Gruß gesprochen hat." Darauf steht die ganze Klasse auf und wir sagen, wir fänden das zu wenig deutsch  . Nun geht es erst recht los: ,, Ich bin 9 Jahre Nationalsozialistin, wie könnt Ihr es wagen, an meiner Gesinnung zu zweifeln." Die Tadel hageln nur so. Da kommt gerade der Direktor herein. Frl. A. ruft ihm ent­gegen: ,, Das Maß dieser Klasse ist voll. Sie müssen aus der

Die mathematische Abteilung der Akademie der Wissen­schaften hat zu dem Ende Juni stattfindenden Mathematiker­kongreß eine Reihe hervorragender Mathematiker und Physiker aller Länder eingeladen, darunter Albert Ein stein und Professor Hadamard( Paris  ). Insgesamt sollen 25 ausländische Gelehrte und mehrere hundert Mathematiker der Sowjetunion   an dieser wissenschaftlichen Tagung teil­der Sowjetunion   an dieser wissenschaftlichen Tagung teil­nehmen. Die Moskauer Universität hat als Referenten bereits Otto Schmidt  , den Führer der Tscheljuskin- Expedition nam­haft gemacht. Professor Schmidt hat seit vielen Jahren den Lehrstuhl für Mathematik an der 1. Moskauer   Staats­universität inne.

Der Führer und die Rasse

Im neuen Reich darf niemand mehr Unreinen Nachwuchs zeugen. Genordet Volk tritt ans Gewehr, Um nach dem Feind zu äugen.

Der Führer hält auf Rassezucht Und hütet sich vor Kindern, Um nicht durch solche Hitlerfrucht Den Volkswert zu vermindern.

Zu deutlich zeigt sein Konterfei Den Tiefstand seiner Rasse, Als daß er sehr begeistert sei Von seiner Sonderklasse.

Es ist sein dümmstes Streben nicht, Den Vatertrieb zu bannen. Wie peinlich wäre doch die Pflicht, Den Osaf zu entmannen.

Rund um beaune Kunst ,, Kritik"

a

H... io.

In dem einst angesehenen Blatt Die Kunst"( Nr. 8) wird die Ausstellung ,, Der nordische Mensch in der Kunst" einfach so rezensiert, daß die ausstellenden Künstler einfach aufgezählt werden. Der Aufzählung fügt der Rezensent hinzu: ,, Rassentheoretisch möchte ich feststellen, daß von den hier ausgestellten 23 verstorbenen Künstlern 5 ein Alter zwischen 70 und 80, und 5 zwischen 80 und 90 Jahren erreicht haben; von den 25 Lebenden sind 2 zwischen 80 und 90, 4 zwischen 70 und 80 und 6 schon weit über 60 Jahre alt. Zähes Land, zähes Leben, gesundes Alter."

Verbotene Ausstellung

Ohne nähere Begründung versagte jetzt der Präsident der Reichskammer der bildenden Künste der Arbeitsgemein­schaft der Juryfreien" die Genehmigung zur Veranstaltung weiterer Ausstellungen..

Der Führergedanken

In Düsseldorf   gibts eine Gemeinschaftsausstellung deutscher   Künstler. Sie dient der Gemeinschaft und wird streng nach dem Führergedanken aufgebaut sein. Etwa zwanzig Künstler sind zu Gruppenwarten bestellt. Das soll keine Auszeichnung sein und der Auftrag ist nach Schluß der Ausstellung im Oktober erloschen. Jeder Gruppenwart nimmt noch vier deutsche Künstler in seine Gruppe. Innerhalb der Gruppe können die fünf Beteiligten je fünf Bildwerke aus­stellen. Es brauchen nicht die neuesten, aber es sollen die besten sein, gleich ob dieses oder jenes schon einmal gezeigt worden ist. Der Gruppenwart hat die Verantwortung. Na­türlich muß bei einer solchen Einteilung mancher Künstler zurückstehen, den man nicht gern vermißt. Es bleibt dann nur die Hoffnung auf die nächste Ausstellung, die grund­säglich mit anderen Gruppenwarten aufgezogen werden soll. Führer der gesamten Ausstellung ist Akademiedirektor Pro­fessor Grund, der hier wohl mehr als Leiter der Landesstelle Rheinland der Reichskammer der bildenden Künste   auftritt. Er kann unter Umständen eine ganze Gruppe ablehnen." Noch immer Gleichschaltung

Der im Jahre 1909 gegründete Verband deutscher Kunst­vereine ist als selbständige Fachschaft unter der Bezeichnung Bund deutscher Kunstvereine in die Reichskammer der bildenden Künste   eingegliedert worden. Zum Bundesvor­von Halle an der Saale  , Dr. Weidmann. Geschäftsführendes sitzenden wurde gewählt und bestätigt der Oberbürgermeister Vorstandsmitglied ist Hofrat Erwin Pixis. Sits des Buades ist München  .

Die Verteidigung des Buches

Die in verstärktem Umfange erschienene Mainummer der Zeitschrift Büchergilde" ist der Verteidigung des Buches gewidmet. Anlaß dazu gab das Verbot von Travens ,, Totenschiff" in Preußen. Dieses Verbot wirkt geradezu drastisch durch die Mitteilung, daß am selben Tag, an dem 40 Millionen Preußen( also nicht allen Deutschen  ) verboten wurde, das Totenschiff" zu lesen, die ersten englischen Zeitungen eintrafen, die von dem gewaltigen Erfolg, den das ,, Totenschiff" in England und in den übrigen Teilen des britischen Erdteiles hatte, lange Berichte brachten. Das ..Totenschiff" ist in 14 Sprachen erschienen und in Deutsch­ land   in über 100 000 Exemplaren verbreitet.

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Ein Artikel Auf dem Weg zum ersten Buch" und die Legende Magische Nacht" von Fritz Rosenfeld   beschäftigen sich ebenfalls mit dem Buche; während ein Aufsats Taten der Gemeinsamkeit" dem Gemeinschaftsgedanken der Büchergilde gewidmet ist. Diese gut illustrierte Zeitschrift erhalten die Mitglieder der Büchergilde Gutenberg kostenlos.

Keieck mit der Goethe- Plakette Weil er am besten...

Prof. Dr. h. c.   Ernst Krieck  , der in der alten litera­tistischen Zeit den wissenschaftlichen Ansprüchen deutscher  Universitäten nicht genügt, steht heute hoch im national­sozialistischen Zenith. Kürzlich wurde er von Frankfurt   auf den Lehrstuhl Kuno Fischers berufen. Bei einer Abschieds­feier überreichte der Vorsitzende des Kuratoriums, Ober­bürgermeister Staatsrat Dr. Krebs, dem scheidenden Rektor die Goethe- Plakette, die als Anerkennung hervor­ragender Verdienste um Kunst und Wissenschaft oder Dich­tung verliehen wird. Der Kurator der Universität. Dr. Wisser, führte u. a. aus, daß Prof. Krieck   allein der Mann gewesen sei, dessen erfolgreicher Aufbauarbeit es zu danken sei, daß die Frankfurter   Universität zu der deutschen Hoch­schule geworden sei, die am besten den national. sozialistischen Geist verbreitet habe... Eine Plakette ist geduldig, und Goethe kann sich nicht mehr wehren.