Pariser Straßenkalender
Die Gründung der Deutschen Freiheitsbibliothek in Paris wird von den meisten Pariser Blättern erwähnt. Von der Eröffnung ist noch neben den ausgezeichnet stilisierten Reden der Franzosen Fleg und des Dramatikers Lenormand die in fließendem Französisch vorgetragene Rede Alfred Kerrs bemerkenswert.
Im Jour" befindet sich ein Bericht über einen Besuch im Konzentrationslager Oranienburg . Der Berichterstatter Georges Aguesse macht sich unter anderem darüber lustig, daß die Gefangenen nach der Gewichtsstatistik in diesem Lager zunehmen. Von zwanzig wahllos herausgegriffenen Schutzhäftlingen hat nur einer einer an Körpergewicht abgenommen, die anderen sind 4 bis 5 Kilogramm dicker geworden, was der Franzose proprement incroyable" findet.
Die Probeabende der Philharmonia( Orchester und Chor
Tél. Trinité 43-13 Métro Pigalle
Deutsche Poliklinik
Paris, 62, Rue de la Rochefoucauld
a) Allgemeine Konsultationen mit 9 Spezialisten. b) Chirurgie c) Orthopädie d) Geburtshilfliche Klinik e) Zahnärztliches Kabinett Ordination täglich von 9-12 und 2-8; Sonntags und Feiertags von 10-12 und 2-4 Uhr
303
Dr. Spécialiste
96, rue de Rivol Métro: Chalele RADIKALE HEILUNG VOD BLUT., HAUT. and FRAUENKRANKHEITEN Heilang von Krampfadern and oftenen Beinwanden Neueste Behandlungsmethoden Elektri zität Impfungsverfahren Trypafle vine
Einspritzungen
Blut and Harn- Untersuchungen Sper makultur. Salvarsan. Wismut usw. Sprechstunden täglich von 10-12 und VOD 4-8 Ubr Sonntags von 9-12 Uhr Konsultationen von 25 Fr. ab.
Chirurg.- Mediz. Klinik Dr. Ettinger
168 ter, Avenue de Neuilly, NEUILLY- sur- Seine . Tel: Maillot 95-50. Ständige Betten. Dauernder ärztlicher Tag und Nachtdienst. Konsultation erster Professoren. Stationskranke pro Tag ab 40 Fr. Entbindungen. Gewissenhafte Behandlung. Jeglicher Komt. Kabinett für X- und ultraviolette Strahlen. Lichtbäder. Teilweise und ganze Entiettungskur. Hochfrequenz. Diathermie. Persönliche oder schriftliche Auskünfte auf Wunsch
Deutsches Zahnärztliches Institut
22, RUE DE DOUAI. Métro: Blanche, Pigalle fel. Trinité 50.27 Sprechstunden: 9-12, 2.8 Uhr Zahn- u. Mundkrankh., Röntgen, Elektrotherapie, Prothesen, Kronen, Brücken in Gold, Platin u. Porzellan NEUHEIT: PORZELLAN KRONEN UND BRÜCKEN
Umarbeitung schlechtsitzender Gebisse mit voller Garantie für guten Sitz. Reparaturen binnen 3 Stunden SCHONENDSTE BEHANDLUNG FÜR NERVÖSE UND HERZKRANKE MASSIGE PREISE, UNTERSUCHUNG U. BERATUNG KOSTENLOS
deutscher Emigranten) finden regelmäßig im Restaurant Der Mord auf der Fuchsfarm
,.Dardik" 41, rue Richer( Métro: Gadet oder Montmartre ) statt. Orchester jeweils Donnerstags, Chor Montags. immer 20.45. Anmeldungen: Philharmonia, 45, avenue de général Michel Bizot, 12e.
Die Teresina tanzt am 18. Mai im Theatre des Champs Elysées.
Die
Der für das ganze Schicksal dieser Partei entscheidende Kongreß der Radikal- Sozialisten findet in Clermont- Ferrand , der bergigen Hauptstadt der Auvergnaten statt. Auvergnaten, die Urbewohner jenes berühmten„ Massif central", das Frankreichs Mitte buckelt, genießen in Paris besondere Beachtung nicht nur wegen ihres Akzents, sondern vor allem auch als traditionelle Inhaber von Wirtschaften und Gemüseläden, besonders als Verkäufer der ,, salaisons", der Räucherwaren. Als einfache Leute nach Paris gekommen, werden die Auvergnaten häufig zunächst Wirte und Kohlenhändler zugleich, was man ,, bougnat" nennt, und ziehen sich dann mit fünfzehn Jahren mit einer durch Sparsamkeit erworbenen Rente zurück.
. Clermont- Ferrand , heute Hauptstadt des Puy- de- Dome , genannt nach dem 1465 Meter hohen ehemals vulkanischen Berg, hat etwa 65 000 Einwohner. Die altertümliche Stadt ist aus der Geschichte dadurch vor allem bekannt, daß hier der erste Kreuzzug gegen die ,, Ungläubigen" verkündet wurde. Ein Clermontaiser war ferner jener große Blaise Pascal , der gewaltige Mathematiker und jansenistische Christ, der in seinen Pensées" die klaren und wunderbaren Gesetze der französischen Sprache und ihres Denkens mit unerhörter Meisterschaft geformt hat. Die Partei der großen Gegensätze tagt also zu mindestens in einer großen historischen Landschaft.
Geheimnisvoller
Angriff auf einen Küster
In der Basilika zu Argenteuil findet gegenwärtig die Ausstellung eines Kleides sehr alten Datums statt, das nach der katholischen Ueberlieferung die Tunika Christi ist. Es handelt sich um eine Parallele zu dem Rock in Trier . Hunderttausende von Wallfahrern besuchen die Stadt.
Vorigen Sonntag sollen allein 25 000 Pilger dagewesen sein. Abends schloß dann der Kirchenwärter Dallier,
ein Mann von 52 Jahren, die Pforten der Basilika wie gewöhnlich und ging in seine in der nächsten Nähe liegende Wohnung. Um 21.30 Uhr machte er eine Runde durch die Kirche, ohne etwas Auffälliges zu bemerken, außer daẞ der Sakristan Jean Gambarelli, ein 22jähriger kräftiger Bursch, der nachtfl immer in de Sakristei schlief und den Rock bewachte, noch nicht da war. Daher trat er um Mitternacht abermals eine Runde an. Bei dieser wurde er vermeintlich, kaum als er die Kirchentür geöffnet hatte, von einem verborgenen Individuum angefallen und mit einem Totschläger auf den Kopf geschlagen. Im Blute liegend, wurde der Hüter der Basilika auf seine Hilferufe gefunden, ohne daß sich eine Spur des Täters zeigte.
Die Polizei hat eine Untersuchung über diesen bis jetzt reichlich mysteriösen Fall eröffnet. Wahrscheinlich hat sich die wundersame Geschichte so zugetragen, daß der Wächter vor Schreck das Opfer einer Halluination wurde und sich beim Fallen die blutigen Verletzungen zugezogen. Jedenfalls konnte ärztlich kein Schlag mit einem Totschläger festgestellt werden.
! DEUTSCHSPRECHEND Münchener u. Pariser Fakultä 17, rue Reaumur Métro Arts- et- Métiers od. République Frauen-, Bluts, Haut-, Harn- und Ge schlechtskrankheiten, Tripper, Syphi lis, Männerschwäche. Neueste Heilverfahren. Elektrizität.
Harne, Samen- und Blutanalysen. Mässige Bedingungen.( Auch für Kassenversicherte.) Täglich von 9-1 und 4-8,30. Uhr Sonn- und Feiertags von 9 bis 1 u. aut Rend. v. Tel, Arch.54-27
INSERIEREN
BRINGT GEWINN
Henriots Geständnis
Paris , 12. Mai. Ueber das Geständnis Michel Henriots, der seine Frau mit seinem Jagdgewehr niederge= schossen und zunächst vorgegeben hat, ein Landstreicher müsse der Täter sein, verlautet: Michel Henriot verstand sich mit seiner Frau, mit der er seit sieben Monaten verheiratet war, ganz und gar nicht. Am Tage der Tat kam es zwischen den beiden Eheleuten zu einem Wortwechsel, als Henriot seine Frau bat, doch netter und vertrauensvoller zu ihm zu sein, eine Aufforderung, der sich die junge Frau verschloß. Die beiden wurden handgemein und schlugen sich zunächst mit den Fäusten. Henriot holte dann aus der Küche eine Feuerzange, mit der er seine Frau blutig schlug. Frau Henriot flüchtete darauf in das Zimmer, in dem der Fernsprechapparat stand, um Hilfe zu rufen. Darauf schoß der Mann seinen Karabiner sechsmal gegen sie ab und traf sie mit fünf Schüssen tödlich.
*
Fronikämpfer zur Saarfrage
Sicherheit für Personen und Vermögen
DNB. Paris , 12. Mai. Auf dem Kongreß der Nationalvereinigung der ehemaligen Frontkämpfer in Metz wurde eine Entschließung angenommen, die die französische Saarpolitik betrifft. In ihr werden sofortige Sicherheitsmaßnahmen für Personen und Vermögen im Saargebiet gefordert. Die Entschließung verlangt die unbedingte Abhaltung der Volksabstimmung zu den in Versailler Vertrag vorgesehenen Bedingungen, damit nicht wie es weiter heißt in der Nachbarschaft des wiedergewonnenen Elsaß- Lothringen durch den Willen der Diplomaten und ohne Rücksicht auf den Willen der Saarbevölkerung ein neues Elsaß- Lothringen geschaffen werde. Schließlich wird noch betont, daß die durch die Volksabstimmung zu bestimmende politische Grenze mit der wirtschaftlichen Grenze zusammenfallen müsse, so daß also die mit Deutschland abgeschlossenen Handelsverträge auch für das Saargebiet gelten müßten.
Der Vater des jungen Henriot, Staatsanwalt Henriot, hat daraufhin dem Richter, der die Untersuchung führt, folgendes daraufhin dem Richter, der die Untersuchung führt, folgendes BRIEFKASTEN Telegramm gesandt: Ich bitte, daß die Justiz in dieser Sache, die mich so nahe angeht, ihre Pflicht tut, wie ich sie immer getan habe in Sachen, die mich nicht persönlich angingen."
Der Vater hat einen vierzehntägigen Urlaub erbeten. Es wird befannt, daß die Untersuchung sich damit beschäftigt, festzustellen, wer dem jungen Henriot die Idee eingegeben hat, eine Lebensversicherung auf seine Frau von 800 000 Franken abzuschließen, mit Sinzufügung der Sonderrubrik:„ Auch im Falle eines Mordes."
Les Gaines
de
FRoussel
Paris
166, Boul Haussmann 83, Boulevard Malesherbes. 177, Regent Street, London W. I Moderne Damengürtel mit Büstenhalter
Eine Pariser Ureigentümlichkeit verschwindet
Wer nachts über die Seinebrücke ging, konnte in der Gegend der Präfektur manchmal ein sonderbares Bähnle sehen, das schnaubend und pustend Lebensmittel und Gemüse aus der bekannten Ackerstadt Arpajon nach den Hallen von Paris brachte. Dieses Bähnle, das sehr altmodisch war, verschwindet jetzt infolge der Aufhebung der Linie nach Arpajan. Der Bauch von Paris " wird von nun an durch Auto- Lastwagen gefüllt werden.
Im Marivaux erscheint der Film„ Dactylo se marie" ( Tippmädel heiratet"), die Fortsetzung des„ Dactylo". Films. Das Theaterstück„, On a trouvé une femme nue" ( ,, Man fand eine nackte Frau") ist als komischer Film in den Rex- Palast übertragen worden. ,, Le grand fléau"( ,, Die große Geißel") ist ein amerikanischer Antisyphilis- Film im Caméo . Besonders pariserisch wirkt ,, Voila Montmartre" im Impérial.
Berühmte Hellseherin
Mme Maria ZENI
Dr. ès sciences occultes Astrologie, Chiromancie Cartomancie, Psychoanalyse
spricht geläufig deutsch 62, Rue de la Rochefoucauld( i. Hof, Tr. C, 2. Stock rechts Täglich 2-7 Uhr außer Donnerstags Metro: Pigalle
Schweizerisches uno elstasisches Wurstwarengeschäft
Kuchenbäckerei, Konditorei, Weins and Liköre
Produits Schmid
76, Boulevard de Strasbourg, 8, rue St. Laurent
Telefon 4 Linien vereinigt unter BOTZARIS 01-10
Doktor Wachtel und Doktor Axel Geschlechtskrankheiten, Männer und Frauen Nase, Hals, Ohren
123, Bd. Sébastopol.- Sprechstunden v. 9-12 u. 2-8 Uhr; Sonntags vormittags Metro: Reaumur, St. Denis
Aus Hamburg erhalten wir folgende Mitteilung: In Hamburger Automatenrestaurants ist diese Warnung angebracht worden:„ Mit Ronzentrationslager wird auf Veranlassung des Senats jeder bestraft, der falsche oder alte Zehnpfennigstücke benugt." Daß so etwas bei dem allgemeinen moralischen und wirtschaftlichen Aufschwung noch vorkommen tann! Wahrscheinlich sind die Täter Margisten, Freimaurer oder galizische Juden.
Saarländer . Ihnen haben Verwandte geklagt, sie könnten ihr Geld bei der Spartanje in Köln nicht abheben, weil man ihnen sagte, die Regierung wünsche, daß man ihr das Geld ein Jahr lang zur Verfügung stelle, also auf dem Konto lasse. Die Leute fürchten nun als Saboteure zu gelten, wenn sie eine Abhebung machen. Das ist sehr interessant. Wir glauben Ihnen gerne, daß diefer Vorgang die Bes geisterung Ihrer Verwandten für das System, das sie herbeiführen halfen, gedämpft hat.
H. K. Madrid . Nur keine Sorge um unser Deutschtum. Ausbürgern fann man uns, aber doch nur formalrechtlich. Deutschland lebt in uns und mit uns überall. Das einzige Mittel deutsch zu bleiben, ist deutsch zu sein."
H. C., Warschau . Warum sollen die Russen nicht 300 000 Schallplatten mit Schlagermelodien bestellen? Früher waren allerdings die„ bürgerlichen" Schlager verpönt. Wenn man jezt etwas lockerer wird, spricht das wohl auch dafür, daß sich der Bolschewismus sicherer fühlt als früher.
H. Genf. Ihrem Briefe entnehmen wir:„ Der Führer der deut schen Arbeitsfront, Dr. Ley, hat in seiner Rede in der Krolloper Berlin u. a. gesagt, es hätte feinen 3wed, böswillige Unternehmer zu bestreifen, solche Leute müßten einfach sterilisiert werden. Dieses Wort hat in der ganzen Welt ein lebhaftes Echo gefunden. In Genf erzählt man sich, daß in italienischen Kreisen die Auffassung vertre ten wird, Herr Len fäme wieder auf die Internationale Arbeitsfonferenz, wenn man ihm verspricht, daß ein internationales Uebereinkommen über die Sterilisierung der Unternehmer verabschiedet wird."
Winterthur . Sie schreiben uns:„ Als Leser Ihrer wertvollen Zeitung erlaube ich mir, Ihnen zu sagen: Obwohl in vielem wir nicht mit Ihnen einiggehen können, taufe ich die„ D. F." doch täglich. Manchmal möchte man unsern so diplomatischen Schweizerzeitungen einen Ihrer Tatsachenberichte hinhalten und ihnen geradezu befehlen, auch so zu schreiben, aber leider geht das nicht. Man muß sich immer und immer wieder fragen ist das möglich, ist das wirklich und wahrhaftig, was heute in Deutschland geschieht? Es ist für uns Schweizer sehr schwer, wenn nicht überhaupt unmöglich, sich die heutigen Zustände dort auch nur einigermaßen vorzustellen und vor allem zu verstehen. Wenn schon ich kein Sozialdemokrat bin, möchte ich Sie doch grüßen mit einem: Und dennoch Freiheit!" Wir nehmen Ihren Zuruf gerne als unsere Losung auf: Dennoch!
Reisender Lothringen . Ein von Ihnen eingesandter Zeitungsaus schnitt meldet: Zehn Millionen polnische Eier, die nach Spanien eingeführt werden sollten, können auf Grund einer Ankündigung des spanischen Landwirtschaftsministers, daß die Einfuhrquote für Eter bereits überschritten sei, nicht nach Spanien herein. Da die Eier zum größten Teil bereits schlecht geworden sind, werden sie veraussichtlich ins Mittelländische Meer geschüttet werden." Die tapitalistische Beitung, die das meldet, hat drüber gesezt Faule Eier". Wenn es nicht so viele faule Gehirne gäbe, wären Zustände nicht möglich, die wichtigste Nahrungsmittel verderben lassen, wäh rend ungezählte Millionen Menschen hungern.
An mehrere. Der frühere kommunistische Abgeordnete Dr. Neutauer ist noch immer im Konzentrationslager Er ist Kriegsbeschä digter. Jezt wird er von jungen Burschen zur Zwangsarbeit geführt, die bei Kriegsausbruch noch vorschulpflichtig waren. Neubauer ist bei seiner Verhaftung am 3. August furchtbar mißhandelt morden. Im Reichstagsprozeß wurde er als Zeuge aus der Haft vorge führt worden. Er hat sich im Prozeß recht tapfer gehalten. Gerade darum wird ihn Göring wohl weiter schinden lassen. Sein Schicksal beschäftigt neben dem Ossiezkys, Renns und anderer mehr und mehr die Weltpresse. Er ist jetzt in dem Konzentrationslager Eschwege , wo er oft bis an den Hüften im Sumpf arbeitet. Sein Leben ist be= broht. Man muß seine Freilassung fordern.