Pariser   Berichte

Pariser Straßenkalender

Die Gründung der Deutschen Freiheitsbibliothek in Paris  wird von den meisten Pariser   Blättern erwähnt. Von der Eröffnung ist noch neben den ausgezeichnet stilisierten Reden der Franzosen   Fleg und des Dramatikers Lenormand   die in fließendem Französisch vorgetragene Rede Alfred Kerrs be­merkenswert.

Im Jour" befindet sich ein Bericht über einen Besuch im Konzentrationslager Oranienburg  . Der Berichterstatter Georges Aguesse macht sich unter anderem darüber lustig, daß die Gefangenen nach der Gewichtsstatistik in diesem Lager zunehmen. Von zwanzig wahllos herausgegriffenen Schutzhäftlingen hat nur einer einer an Körpergewicht abge­nommen, die anderen sind 4 bis 5 Kilogramm dicker ge­worden, was der Franzose proprement incroyable" findet.

Marianne Oswald   ist von Brüssel nach Paris   zurückge­kehrt.

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Die Teresina tanzt am 18. Mai im Theatre des Champs Elysées.

Clermont- Ferrand  

Die

Der für das ganze Schicksal dieser Partei entscheidende Kongreß der Radikal- Sozialisten findet in Clermont- Ferrand  , der bergigen Hauptstadt der Auvergnaten statt. Auvergnaten, die Urbewohner jenes berühmten Massif central", das Frankreichs Mitte buckelt, genießen in Paris  besondere Beachtung nicht nur wegen ihres Akzents, sondern vor allem auch als traditionelle Inhaber von Wirtschaften und Gemüseläden, besonders als Verkäufer der ,, salaisons", der Räucherwaren. Als einfache Leute nach Paris   gekommen, werden die Auvergnaten häufig zunächst Wirte und Kohlen­händler zugleich, was man ,, bougnat" nennt, und ziehen sich dann mit fünfzehn Jahren mit einer durch Sparsamkeit er­worbenen Rente zurück.

. Clermont- Ferrand  , heute Hauptstadt des Puy- de- Dome  , ge­nannt nach dem 1465 Meter hohen ehemals vulkanischen Berg, hat etwa 65 000 Einwohner. Die altertümliche Stadt ist aus der Geschichte dadurch vor allem bekannt, daß hier der erste Kreuzzug gegen die ,, Ungläubigen" verkündet wurde. Ein Clermontaiser war ferner jener große Blaise Pascal  , der gewaltige Mathematiker und jansenistische Christ, der in seinen Pensées" die klaren und wunderbaren Gesetze der französischen   Sprache und ihres Denkens mit un­erhörter Meisterschaft geformt hat. Die Partei der großen Gegensätze tagt also zu mindestens in einer großen histori­schen Landschaft.

Geheimnisvoller

Angriff auf einen Küster

In der Basilika zu Argenteuil   findet gegenwärtig die Ausstellung eines Kleides sehr alten Datums statt, das nach der katholischen Ueberlieferung die Tunika Christi ist. Es handelt sich um eine Parallele zu dem Rock in Trier  . Hunderttausende von Wallfahrern besuchen die Stadt.

Vorigen Sonntag sollen allein 25 000 Pilger dagewesen sein. Abends schloß dann der Kirchenwärter Dallier,

ein Mann von 52 Jahren, die Pforten der Basilika wie ge­wöhnlich und ging in seine in der nächsten Nähe liegende Wohnung. Um 21.30 Uhr machte er eine Runde durch die Kirche, ohne etwas Auffälliges zu bemerken, außer daẞ der Sakristan Jean Gambarelli, ein 22jähriger kräftiger Bursch, der nachtfl immer in de Sakristei schlief und den Rock bewachte, noch nicht da war. Daher trat er um Mitter­nacht abermals eine Runde an. Bei dieser wurde er ver­meintlich, kaum als er die Kirchentür geöffnet hatte, von einem verborgenen Individuum angefallen und mit einem Totschläger auf den Kopf geschlagen. Im Blute liegend, wurde der Hüter der Basilika auf seine Hilferufe gefunden, ohne daß sich eine Spur des Täters zeigte.

Die Polizei hat eine Untersuchung über diesen bis jetzt reichlich mysteriösen Fall eröffnet. Wahrscheinlich hat sich die wundersame Geschichte so zugetragen, daß der Wächter vor Schreck das Opfer einer Halluination wurde und sich beim Fallen die blutigen Verletzungen zugezogen. Jeden­falls konnte ärztlich kein Schlag mit einem Totschläger fest­gestellt werden.

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INSERIEREN

BRINGT GEWINN

Henriots Geständnis

Paris  , 12. Mai. Ueber das Geständnis Michel Hen­riots, der seine Frau mit seinem Jagdgewehr niederge= schossen und zunächst vorgegeben hat, ein Landstreicher müsse der Täter sein, verlautet: Michel Henriot verstand sich mit seiner Frau, mit der er seit sieben Monaten verheiratet war, ganz und gar nicht. Am Tage der Tat kam es zwischen den beiden Eheleuten zu einem Wortwechsel, als Henriot seine Frau bat, doch netter und vertrauensvoller zu ihm zu sein, eine Aufforderung, der sich die junge Frau verschloß. Die beiden wurden handgemein und schlugen sich zunächst mit den Fäusten. Henriot holte dann aus der Küche eine Feuerzange, mit der er seine Frau blutig schlug. Frau Henriot flüchtete darauf in das Zimmer, in dem der Fernsprechapparat stand, um Hilfe zu rufen. Darauf schoß der Mann seinen Karabiner sechsmal gegen sie ab und traf sie mit fünf Schüssen tödlich.

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Fronikämpfer zur Saarfrage

Sicherheit für Personen und Vermögen

DNB. Paris  , 12. Mai. Auf dem Kongreß der National­vereinigung der ehemaligen Frontkämpfer in Metz   wurde eine Entschließung angenommen, die die französische   Saarpolitik betrifft. In ihr werden sofortige Sicherheitsmaßnahmen für Personen und Vermögen im Saargebiet gefordert. Die Entschließung verlangt die unbedingte Abhaltung der Volksabstimmung zu den in Versailler Vertrag vorgesehenen Bedingungen, damit nicht wie es weiter heißt in der Nachbarschaft des wiedergewonnenen Elsaß- Lothringen   durch den Willen der Diplomaten und ohne Rücksicht auf den Willen der Saar­bevölkerung ein neues Elsaß- Lothringen   geschaffen werde. Schließlich wird noch betont, daß die durch die Volksabstim­mung zu bestimmende politische Grenze mit der wirtschaft­lichen Grenze zusammenfallen müsse, so daß also die mit Deutschland   abgeschlossenen Handelsverträge auch für das Saargebiet gelten müßten.

Der Vater des jungen Henriot, Staatsanwalt Henriot, hat daraufhin dem Richter, der die Untersuchung führt, folgendes daraufhin dem Richter, der die Untersuchung führt, folgendes BRIEFKASTEN Telegramm gesandt: Ich bitte, daß die Justiz in dieser Sache, die mich so nahe angeht, ihre Pflicht tut, wie ich sie immer getan habe in Sachen, die mich nicht persönlich an­gingen."

Der Vater hat einen vierzehntägigen Urlaub erbeten. Es wird befannt, daß die Untersuchung sich damit beschäf­tigt, festzustellen, wer dem jungen Henriot die Idee einge­geben hat, eine Lebensversicherung auf seine Frau von 800 000 Franken abzuschließen, mit Sinzufügung der Sonderrubrik: Auch im Falle eines Mordes."

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Eine Pariser   Ureigentümlichkeit verschwindet

Wer nachts über die Seinebrücke ging, konnte in der Gegend der Präfektur manchmal ein sonderbares Bähnle sehen, das schnaubend und pustend Lebensmittel und Ge­müse aus der bekannten Ackerstadt Arpajon   nach den Hallen von Paris   brachte. Dieses Bähnle, das sehr altmodisch war, verschwindet jetzt infolge der Aufhebung der Linie nach Arpajan. Der Bauch von Paris  " wird von nun an durch Auto- Lastwagen gefüllt werden.

Film- Paris  

Im Marivaux   erscheint der Film Dactylo se marie" ( Tippmädel heiratet"), die Fortsetzung des Dactylo". Films. Das Theaterstück, On a trouvé une femme nue" ( ,, Man fand eine nackte Frau") ist als komischer Film in den Rex- Palast übertragen worden. ,, Le grand fléau"( ,, Die große Geißel") ist ein amerikanischer Antisyphilis- Film im Caméo  . Besonders pariserisch wirkt ,, Voila Montmartre" im Impérial.

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Aus Hamburg   erhalten wir folgende Mitteilung: In Hamburger Automatenrestaurants ist diese Warnung angebracht worden: Mit Ronzentrationslager wird auf Veranlassung des Senats jeder be­straft, der falsche oder alte Zehnpfennigstücke benugt." Daß so etwas bei dem allgemeinen moralischen und wirtschaftlichen Aufschwung noch vorkommen tann! Wahrscheinlich sind die Täter Margisten, Freimaurer   oder galizische Juden.

Saarländer  . Ihnen haben Verwandte geklagt, sie könnten ihr Geld bei der Spartanje in Köln   nicht abheben, weil man ihnen sagte, die Regierung wünsche, daß man ihr das Geld ein Jahr lang zur Ver­fügung stelle, also auf dem Konto lasse. Die Leute fürchten nun als Saboteure zu gelten, wenn sie eine Abhebung machen. Das ist sehr interessant. Wir glauben Ihnen gerne, daß diefer Vorgang die Bes geisterung Ihrer Verwandten für das System, das sie herbeiführen halfen, gedämpft hat.

H. K. Madrid  . Nur keine Sorge um unser Deutschtum. Ausbür­gern fann man uns, aber doch nur formalrechtlich. Deutschland   lebt in uns und mit uns überall. Das einzige Mittel deutsch   zu blei­ben, ist deutsch   zu sein."

H. C., Warschau  . Warum sollen die Russen nicht 300 000 Schall­platten mit Schlagermelodien bestellen? Früher waren allerdings die bürgerlichen" Schlager verpönt. Wenn man jezt etwas lockerer wird, spricht das wohl auch dafür, daß sich der Bolschewismus sicherer fühlt als früher.

H. Genf. Ihrem Briefe entnehmen wir: Der Führer der deut­ schen   Arbeitsfront, Dr. Ley, hat in seiner Rede in der Krolloper Berlin   u. a. gesagt, es hätte feinen 3wed, böswillige Unternehmer zu bestreifen, solche Leute müßten einfach sterilisiert werden. Dieses Wort hat in der ganzen Welt ein lebhaftes Echo gefunden. In Genf  erzählt man sich, daß in italienischen Kreisen die Auffassung vertre ten wird, Herr Len fäme wieder auf die Internationale Arbeits­fonferenz, wenn man ihm verspricht, daß ein internationales Ueber­einkommen über die Sterilisierung der Unternehmer verabschiedet wird."

Winterthur  . Sie schreiben uns: Als Leser Ihrer wertvollen Zei­tung erlaube ich mir, Ihnen zu sagen: Obwohl in vielem wir nicht mit Ihnen einiggehen können, taufe ich die D. F." doch täglich. Manchmal möchte man unsern so diplomatischen Schweizerzeitungen einen Ihrer Tatsachenberichte hinhalten und ihnen geradezu befeh­len, auch so zu schreiben, aber leider geht das nicht. Man muß sich immer und immer wieder fragen ist das möglich, ist das wirklich und wahrhaftig, was heute in Deutschland   geschieht? Es ist für uns Schweizer   sehr schwer, wenn nicht überhaupt unmöglich, sich die heu­tigen Zustände dort auch nur einigermaßen vorzustellen und vor allem zu verstehen. Wenn schon ich kein Sozialdemokrat bin, möchte ich Sie doch grüßen mit einem: Und dennoch Freiheit!" Wir nehmen Ihren Zuruf gerne als unsere Losung auf: Dennoch!

Reisender Lothringen  . Ein von Ihnen eingesandter Zeitungsaus schnitt meldet: Zehn Millionen polnische Eier, die nach Spanien  eingeführt werden sollten, können auf Grund einer Ankündigung des spanischen   Landwirtschaftsministers, daß die Einfuhrquote für Eter bereits überschritten sei, nicht nach Spanien   herein. Da die Eier zum größten Teil bereits schlecht geworden sind, werden sie veraussichtlich ins Mittelländische Meer geschüttet werden." Die tapitalistische Beitung, die das meldet, hat drüber gesezt Faule Eier". Wenn es nicht so viele faule Gehirne gäbe, wären Zustände nicht möglich, die wichtigste Nahrungsmittel verderben lassen, wäh rend ungezählte Millionen Menschen hungern.

An mehrere. Der frühere kommunistische Abgeordnete Dr. Neu­tauer ist noch immer im Konzentrationslager Er ist Kriegsbeschä digter. Jezt wird er von jungen Burschen zur Zwangsarbeit ge­führt, die bei Kriegsausbruch noch vorschulpflichtig waren. Neubauer ist bei seiner Verhaftung am 3. August furchtbar mißhandelt mor­den. Im Reichstagsprozeß wurde er als Zeuge aus der Haft vorge führt worden. Er hat sich im Prozeß recht tapfer gehalten. Gerade darum wird ihn Göring   wohl weiter schinden lassen. Sein Schicksal beschäftigt neben dem Ossiezkys, Renns und anderer mehr und mehr die Weltpresse. Er ist jetzt in dem Konzentrationslager Eschwege  , wo er oft bis an den Hüften im Sumpf arbeitet. Sein Leben ist be= broht. Man muß seine Freilassung fordern.

Für den Gesamtinhalt verantwortlich: Johann Piz in Dub weiler; für Inserate: Otto Kuhn in Saarbrücken  . Rotationsdrud und Verlag: Verlag der Volksstimme GmbH., Saarbrücken 8, Schützenstraße 5. Schließfach 776 Saarbrücken.