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Deutschland  - an den Abgrund geführt"

Die fortschreitende Zersetzung

Der Berliner   Sonderkorrespondent des Manchester Guardian" berichtet über halblegale Zusammenfünfte deutscher   Konservativer, die durch ihre Verwandt­schaften, Geschäftsbeziehungen und vor allem durch ihren Zusammenhang mit der Reichswehr   Kontakt zu jenen haben, die Deutschland   heute beherrschen. Der Korrespondent ist der Auffassung, daß diese konservativen Kreise heute einen Ein: blick in die deutsche Lage haben, wie sie nicht nur dem Aus: land, sondern auch der übergroßen Mehrheit der National: fozialisten verwehrt ist. Bei einer Zusammenkunft, die kürz lich über 30 Personen vereinigte, darunter mehrere Konser vative von einem gewissen Rang, deren Namen der englische  Berichterstatter fennt, erklärte der Leiter der Unterredung ein hoher Beamter, der dem Adel angehört- finngemäß etwa folgendes: Deutschland   wird von Abenteurern re= giert( Hitler   bezeichnete er ausdrücklich als Ausnahme von dieser Kategorie). Deutschland   wird an den Abgrund geführt...

Die Lage Frankreichs   ist konsolidiert worden. Frankreich   ist

schleiern   bemüht ist. Der verhaftete angebliche Täter soll geistesschwach" sein, während van der Lubbe z. B. nicht nur von der Gestapo  , sondern sogar vom höchsten deutschen   Ge= richt für einen geistig ganz normalen Menschen gehalten wurde. Die ausgesetzte Belohnung von 30 000 Marf wird zurückgezogen, und der Bevölkerung wird der gute Rat er­teilt, sich um die Angelegenheit nicht mehr zu fümmern.

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In Mainz   wurde am 2. Mai in früher Morgenstunde eine Razzia durchgeführt, weil während des Festes der natio­nalen Arbeit" zahlreiche illegale Flugblätter verteilt wor­den waren in der gleichen Stadt, deren Polizeipräsident sich schon im Dezember vorigen Jahres rühmte, den letzten Kommunisten verhaftet zu haben. 150 Arbeiter, die feines Delifts überführt sind, aber von der Polizei als Kommu­nisten und Sozialdemokraten bezeichnet werden, wurden ver­haftet und in das Konzentrationslager Osthofen abtranspor­

tiert.

entschloffen, eine endgültige Reglung des Abrüstung: Stimmung: schlecht

problems herbeizuführen. Frankreich   fordert, daß es ent weder eine 300 000. Mann starte Reichswehr   mit furzer Dienstzeit bei Auflösung der SA.   gibt oder eine 100 000 Mann starfe Reichswehr   bei schärffter ausländischer Kon­trolle über die SA  . Die Reichswehr   selbst ist für das erstere, aber die SA.  - Führer, die ihren Einfluß nicht verlieren wollten, find für das legtere. Es wird notwendig sein, einige Zugeständnisse zu machen, wenn Gegenmaßnahmen der fremden Mächte vermieden werden sollen

Die Abenteurer( immer mit Ausnahme Hitlers  , der bereit ist, der Auflösung der SA. zuzustimmen), sind turzsichtig genug, alles zu ristieren, felbst den Krieg.

Deutschland   ist aber gegenwärtig unfähig, einen Krieg zu führen; es wäre in einer Woche besiegt. Die Reichswehr  würde einer solchen Politit ihre Unterstüßung verweigern müssen, und in diesem Falle wäre es mit Hitlers   autoritärer Regierung zu Ende,

Sie würde durch eine Reichswehrdiktatur erfest werden.

Wahrscheinlich würde Hitler   als Kanzler beibehalten werden, aber die SA.   und der Bonzenhaufen würden zerschlagen werden. Alle nationalen Kräfte unter den Deutschnationalen

und im Stahlhelm müssen sich für die Unterstüßung eines folchen Regimes zusammenschließen. Es wird dann notwendig sein, eine neue Ideologie au schaffen, denn der Glaube in die autoritäre" Partei( NSDAP  .) und in den autoritären" Staat wird zerstört sein. für eine

Wegbereitung

Das bedeutet monarchistische Restauration, obimon nur die weitere Entwicklung zeigen wird, ob eine Monarchie möglich ist oder nicht."

Hitler  - Coué

Paris  , 13, Mai( Inpreß). Der Berliner   Korrefpondent des Journal" schreibt feinem Blatt, daß Adolf Sitler in Deutschland   mit Goue verglichen wird, der seine Kranfen durch Suggestion heilte, indem er sie ununterbrochen, selbst wenn sie sich im schlechtesten Zustand befanden wiederholen lifeß: Es geht mir besser, es geht mir viel besser, ich fühle mich durchaus wohl."

,, Rebellen"

Aus dem Berliner   SA. Sturm, der sein Sturmlofal in der Fuldastraße, Ecke Weserstraße in Berlin- Neukölln hat. find 20. Mann wegen Rebellion" verhaftet und ins Konzen  : trationslager gebracht worden.

Die Geheime Staatspolizei   hat plötzlich entdeckt, daß der Bombenwurf Unter den. Linden von einem Halbirren her= rührt. Es ist ganz offensichtlich, daß sie mit dieser Erklä­rung den Cliquenfampf zwischen Nöhm und Göring  , dem dieser Bombenwurf entsprang, vor der Oeffentlichkeit zu ver­

Prozeß gegen Paula Wallisch  

Von Mare Sommerhausen

Der Brüsseler Rechtsanwalt und Abgeordnete Marc Sommerhausen hat in Vertretung der Liga für Men­schenrechte an der Hauptverhandlung gegen Paula Wallisch   und Maria& ertner teilgenommen. Er berichtet darüber im Brüsseler Peuple  ":

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Im Schwurgerichtssaal von Leoben   drängt sich die Menge. Man sitzt über zwei Frauen zu Gericht. Das Publikum sieht nur ihre Rücken es ist erst zugelassen worden, als die Angeklagten schon auf der Anklagebank saßen. Das Verhör mit der Frau im schwarzen Kleid ist beendet. Sie ersucht, sich einen Augenblick aus dem Saal entfernen zu dürfen. Sie versucht es, aufzustehen, aber, gelähmt, bricht fie in die Aime der Gendarmen, die neben ihr stehen, zusammen. Ein Murmeln des Schreckens geht durch den Saal. Die Männer ballen die Fäuste. Die Frauen schluchzen. Diese Angeflagte, geschüttelt von einem fonvulfivischen Zittern. ist Paula Wallisch  . Im Februar war sie jung und voll Lebenskraft seit der Hinrichtung ihres Mannes ist sie eine menschliche Ruine.

Zahllose Versuche sind unternommen worden, ihr den Kalvarienberg dieses Prozesses zu ersparen. Aber der Haß der Heimwehr   war stärker. Er hatte an der Leiche des Mannes nicht genug.

Paula Wallisch   ist angeflagt, den Schutzbündlern während des Kampfes Tee und belegte Brote gebracht zu haben. Das ist alles, was der Staatsanwalt gegen fie vorbringen fann. Das ist in seinen Augen Teilnahme am Bürgerkrieg, das ift Hochverrat.

Paula Wallisch   ist physisch gebrochen, aber nicht moralisch. Mit einer frischen, entschiedenen, fast kindlichen Stimme berichtet sie das furchtbare Erlebnis.

Am 12. Februar morgens meldete ein Bote, daß der Gene­ralstreif beginnt. Wallisch verließ in einem Taxi Graz, um sich zu den Arbeitern von Bruck   zu begeben, denen er ver­sprochen hat, in der Stunde des Kampfes bei ihnen zu sein.

Er hatte diese Stunde kommen gesehen, aber nicht ohne ernste

Besorgnis.

Wie es das neutrale Ausland sieht

Zürich  , 13. Mai( Inpreß). Die katholischen Neuen Zür­cher Nachrichten" schreiben in einem Leitartikel Eindrücke aus dem dritten Reich" u. a.:

,, Es ist kaum zu glauben, wie start das Unbehagen" in den letzten Wochen gewachsen ist. Die zum deutschen Gruß emporgereckte Hand ballt sich zur Faust, die gegen die ers hoben wird, denen man diese Schweinerei" zu verdanken hat, und aus dem gleichen Munde, der vielleicht noch vor 10 Minuten flammende Bekenntnisse zur nationalsozia: listischen Bewegung von sich gab, kommen nicht immer sehr liebenswürdige Aeußerungen über die herrschende Kor ruption und Unfähigkeit. Das ganze Regime lebt vom Schein vom Schein der allgemeinen Zustimmung, die durch eine kunstvolle Verbindung von Propaganda und Ter: ror vor allem wirtschaftlich- organisatorischem Terror erzeugt wird. Keiner trane öffentlich dem anderen, und darum sind alle begeistert". Wenn von der Volksbegeiste= rung geredet wird, so ist damit nur die Tatsache propagan= diftisch zugedeckt, daß die Voltoftimmung sehr schlecht ist." Göbbels   läßt sich rächen

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Dr. Wassermann im Konzentrationslager

Berlin  , 12. Mai. Am 11. Mai wurde der jüdische Ange­ſtellte der Commerz- und Privatbank Dr. Jakob Wasser­ mann  , der 1900 in Riga   geboren ist, durch die Geheime Staatspolizei   festgenommen, weil er aufreisende und schwerste Verunglimpfungen persönlicher Art gegen Reichs­minister Dr. Göbbels   systematisch und in aller Oeffentlich­feit in Umlauf gesetzt haben soll. Dr. Wassermann wurde direkt aus dem Betriebe heraus verhaftet. Dr. Wassermann wurde ins Konzentrationslager Oranienburg   gebracht.-

Der Katzenjammer

flaggung bei Besuchen usw. hingewiesen. Indem ich mir diese begrüßenswerten Ausführungen des Stellvertreters des Führers in vollem Umfang zu eigen mache, bitte ich, es auch den Inhabern öffentlicher Aemter in Reich, Staat und Gemeinden zur Pflicht zu machen, ihr Auftreten in der Oeffentlichkeit nach den gleichen Grundsätzen zu regeln. Im besonderen bitte ich dafür Sorge zu tragen, daß die Ver­leihung weiterer Ehrenbürgerschaften unterbleibt und daß Straßenum- und Straßenneubenennungen nach Lebenden nicht mehr stattfinden.

Pfälzer Brief

Aus Zweibrüden wird uns geschrieben:

Zweibrücken   war mit seiner großen Beamtenbevölkerung und infolge der besonderen Beachtung wegen seiner Grenz­lage ein günstiger Boden für die Nazis. Die Arbeiterschaft hatte sich allerdings glänzend gehalten, und man konnte be­obachten, daß nie ein solcher Zusammenhalt vorhanden war, nie so starke Demonstrationen zustande tamen, als furz vor der Machtergreifung der Nazis. Die Arbeiterschaft hat sich auch bis jetzt noch nicht unterwerfen lassen. In den Reihen der bisher 100prozentigen Nazis aber friselt es. Am Ge­burtstag Hitlers tam dies sehr sichtbar zum Ausdruck, denn es war mindestens um 25 Prozent weniger beflaggt als im vorigen Jahr.

Aber auch bei der SA. ist die veränderte Stimmung zu spüren. Ein Sturm hat befanntlich 140 Mann. Davon treten heute noch etwa 70-80 Mann an. Es fällt auf, daß ein großer Teil teine Uniform trägt. Ob dieses, wie manche glauben, mit dem beabsichtigten Einfall in den Saarstaat zusammen­hängt oder damit, daß sich jeder aus eigenen Mitteln die Uni­form beschaffen muß, wozu aber weder Geld noch Lust vor= handen ist, kann im Moment nicht flar beantwortet werden. Jedenfalls wird es stark kritisiert, daß man die Leute an­brüllt: Warum lassen Sie sich nicht die Haare furz schnei­den?" Warum kommen Sie mit schiefen Absäzen daher?" ,, Wie können Sie mit ganz unpassenden Knöpfen am Anzug daherkommen?" usw. Zwei Mal pro Woche werden die Leute geschlossen zu Vorträgen und Instruktionen geführt. Dabei wird vor- und nachher tüchtig exerziert. Sonntags ist Aus­marsch und nur jeden 4. Sonntag ist ein freier Tag. Jede Echar hat eine Maschinengewehrabteilung, die Ausbildung geht sehr gründlich vor sich. An Karabinern und Gewehr wer= den alle ausgebildet. Am 15. 4. war eine große Brigade­besichtigung, verbunden mit Felddienstübung.

Der Arbeitsdienst ist geschlossen uniformiert. Gear­beitet wird sehr wenig, dafür um so mehr exerziert. Der ri.)- tige Ausdruck wäre nach Ansicht der Leute. Rekrutendepor". Die sogenannten Pflichtarbeiter müssen für die Unter­stützung ohne den geringsten Zuschlag arbeiten. Sie werden nicht als Erwerbslose geführt.

Die sogenannten Arbeiter des Reinhardt- Programms er­halten täglich zur Unterstüßung 20 Pfennig für das Mittag­essen und monatlich einen Gutschein der Winterhilfe von 25 Mart. Letzteres wird aber jetzt eingestellt. Ein guter SA.­Mann sagte jeßt: Haben wir dafür gekämpft? Ich mache mich noch unglücklich."

Soweit die Leute Privatunternehmern für Notstandsarbei­ten zugewiesen werden, beträgt der Höchststundenlohn 50 Pig. Dabei ist ein Mann mit 6 Kindern, der wöchentlich noch 18 Mart nach Hause bringt, also nicht mehr als der Pflicht­arbeiter des Wohlfahrtsamtės.

Den Arbeitern der Weberei Zorn wurde vor 14 Tagen Lohnabbau angefündigt. Die Arbeiterinnen übten daraufhin passive Resistenz. Nachdem die Verhandlungen fruchtlos ver­fonfen waren, wurden sie gezwungen, wieder zu arbeiten. stadt weitergegeben. Dort ist der Industriellenverband. Man fann sich leicht die Stimmung unter diesen Enttäuschten vor­stellen,

Das Volk hat die Beweihräucherung der Nazi- Sie wurden damit getröstet, die Angelegenheit sei nach Neu­bonzen satt

Der Reichsinnenminister Dr. Frick sab sich gezwungen, an die Landesregierungen einen Erlaß zu richten, der sich mit dem Auftreten der Unterführer befaßt und in dem es u. a. heißt:

Der Stellvertreter des Führers hat vor kurzem in einer an die Gauleiter gerichteten Verfügung gegen gewisse Er­scheinungen Stellung genommen, die mit der bescheidenen Zurückhaltung, die jeder Parteigenosse und besonders auch jeder Unterführer entsprechend dem Vorbilde des Führers in der Oeffentlichkeit beobachten sollte, nicht vereinbar seien. Ter Stellvertreter des Führers hat in diesem Zusammen hang besonders auf Zeitungsartikel, Huldigungsadressen, Bildveröffentlichunger, Geburtstags- und Jubiläums­wünsche, Ehrenbürgerschaften, Straßenbenennungen, Be­

Acht Tage vorher," erzählt Frau Wallisch, habe ich meinen Mann mit einem Arbeitslosen darüber sprechen ge= hört. Wann geht es endlich los, Wallisch?," fragte der Ar­beitslose. Anfangen ist leicht," sagte Wallisch, aber dann?" Du hast leicht reden," sagte der Arbeitslose, du hast dein Einkommen. Aber wir, die wir seit Jahren vor Hunger am Verrecken sind, wie haltens nicht mehr aus. Im übrigen merden die Nazis mit uns gehen."" Bildet euch das nicht ein," antwortete Wallisch. Die Nazis werden nicht mit dem Finger rühren. Und die Eisenbahner werden nicht mit­streifen." Wallisch hatte keine Illusionen über den Kampf, den er begann. Als er aber unvermeidlich geworden war, stellte er sich an die Spitze. Und seine Frau fuhr mit ihm nach Bruck  .

Der Abend fam. Die fämpfenden Schutzbündler hatten nichts zu essen. Manche wollten requirieren gehen. Da eilte Paula in den Konsumverein, brachte Lebensmittel und ver= teilte sie mit Hilfe anderer Frauen unter den Kämpfenden. Am nächsten Morgen der Rückzug. Paula will dem Gericht

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das Heldenlied von den vierhundert Schutzbündlern erzählen, die sich mit der Waffe in der Hand zur jugo­slawischen Grenze durchzuschlagen versuchten. Sie will von dem Verrat des Ruß sprechen, der sich ergeben und den Rück­zug seiner Kameraden verraten hat, von der Gefangennahme ihres Mannes, von den grausamen Stunden im Gefängnis, von den schurkischen Scherzen der Offiziere nach dem Todes­urteil. Der Präsident Wazzek, der selbst im Februar die Heimwehr kommandiert hat, unterbricht sie: Das inter­effiert den Gerichtshof nicht. Wann sind Sie gefangen genommen worden?" Paula antwortet: Um 11 Uhr vor­mittags. Man hat mich so gefesselt, daß die Spuren der Fesseln noch nach zwei Tagen sichtbar waren." Der Präsi­dent:" Das hat mit der Anflage nichts zu tun."

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Wunderbare Frau wie auch die zweite Angeklagte, Maria Fertner, die Obmännin der Frauenorganisation

von Bruck  .

Der Staatsanwalt verlangt die strenge Bestrafung der Angeklagten. Sie behaupten heute," sagt er, sie hätten die Lebensmittel verteilt, um Plünderungen zu verhüten. Ich glaube nicht daran. In der Voruntersuchung haben sie dieses Motiv nicht angegeben." Ich wollte nichts sagen, was den

Die Führer versuchen, jetzt die unzufriedene Bevölkerung, besonders die Arbeiterschaft damit zu beruhigen, daß sie sagen, das Saargebiet müsse jetzt noch rückgegliedert werden, dann ginge es mit Ernst an die Großen, an die Kapitalisten. Die Arbeiter wissen natürlich sehr gut. daß auch im Saar­gebiet der Großfapitalist Röchling   führt" und zeigen keine Neigung, fich mit solchen Schmarren einwickeln zu lassen.

Als anffallend kann noch angeführt werden, daß wieder­holt große Strecken hart an der Grenze zwischen Pirmasens  und Zweibrücken   gesperrt waren wegen Uebungen, an denen auch die Zollbeamte und die Gendarmerie teilnahmen. Auch die jetzt genannten Beamten werden, sehr eifrig an Sick= irbungen berangezogen und entfalten einen gewissen: Wett­eifer untereinander.

Schußbund nur im geringsten herabsetzen konnte," antwortet schlagfertig Maria Fertner.

Das Wort hat der Verteidiger. Dr. Bich I er erhebt sich auf seinen zwei Stöden. Ergreifendes Schauspiel, dieser Schwerinvalide des Weltkrieges als Verteidiger von Paula Wallisch  , der Schwerinvaliden der Revolution.

Der Verteidiger zeigt die juristische Unhaltbarkeit der An­flage. Er spricht von dem Martyrium seiner Klientin. Aber er spricht vorsichtig. Denn ein Kommissär des Sicherheits­direktors ist im Sqal, auf den Vorwand lauernd, den sozial­demokratischen Rechtsanwalt in ein Konzentrationslager zu schicken. Der Rechtsanwalt, der Maria Fertner verteidigt, hat sieben Wochen dort verbracht, ohne auch nur den Grund seiner Verhaftung zu erfahren.

Die Geschnorenen ziehen sich mit dem Gerichtshof zurück. Die Geschworenen möchten freisprechen. Der Präsident be­steht auf der Verurteilung. Nach einer halben Stunde ist es entschieden. Ein Jahr schweren Kerfers. Abermals im Saal furchtbare Erregung. Als die Verurteilten abgeführt wer­den steht alles auf, die Frauen winfen mit den Taschen­tüchern und rufen:

Paula! Paula!"

Die Gendarmen selbst sind zu ergriffen, um diese Demon­stration zu unterbrücken.

Der Verteidiger telefoniert nach Graz. Er verlangt die Enthaftung Paula Wallische wegen ihres Gesundheits­zustandes. Die Nachricht, daß die beiden Frauen enthaftet werden, verbreitet sich mit Wind: seile in der Stadt. Straßen und Plätze vor dem Gefängnisgebäude find schwarz von Menschen. Aber der Sicherheitsdirektor hat angeordnet: ,, Alle Demonstrationen zu unterdrücken."

Erst in der Abenddämmerung wird Paula Wallisch   durch eine Seitentür in ein Auto getragen. Jetzt ruht sie in einem fleinen weißen Zimmer eines Krankenhauses aus. Sechs Wochen Behandlung, dann wenigstens sechs Wochen Refon­valefzenz." jagt der Nervenspez'alarzt, der auch die Wirwe Stanets, der in Graz gehängt wurde, behandelt hat. Und dann? Soll Paula Wallisch   dann in den Kerfer? Oder wird man sie dann in ein Konzentrationslager sperren, um sie der Anbetung der Bevölkerung zu entziehen? Wenn es noch so etwas wie ein Menschheitsgewissen gibt, so kann das nicht

geschehen.