Deutsche Stimmen. Stimmen Beilage zur Deutschen Freiheit" Ereignisse und Geschichten

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Mittwoch, den 16. Mai 1934

Der Brief Albert Bassermanns

Sein Abschied von der Bühnengenossenschaft

Jüngst wurde berichtet, daß Albert Bassermann seinen Austritt aus der deutschen Bühnengenossenschaft er­klärt habe. Bestimmte Unterlagen gab es für diese Mel­dung bis vor kurzem nicht, aber sie hatte einen hohen Grad an Wahrscheinlichkeit. Bassermann gastiert seit der Macht­ergreifung durch die ,, nationale Revolution" im Auslaud: scit dreißig Jahren ist er mit einer Jüdin, der Schauspielerin Else Schiff- Bassermann, verheiratet, die ihn auf seinen Gast­spielreisen stets begleitete und in seinem Ensemble spielte.

Jetzt aber wird Bassermanns Brief an den Vorstand der Bühnengenossenschaft im Wortlaut veröffentlicht. Er lautet: ,, Anfang Juli vorigen Jahres habe ich nach Beendigung des Ufafilms ,, Ein gewisser Herr Gran" Berlin verlassen mit der Hoffnung, daß die Bestimmungen der deutschen Re­gierung bezüglich der Wirksamkeit unserer nichtarischen Kollegen( also auch meiner Frau) mit der Zeit sich ab­schwächen und zum großen Teil wieder aufgehoben würden. Die Fälle Grete Mosheim , Lucie Mannheim , Lotte Stein , Wallburg usw. schienen mir recht zu geben und ich entschloß mich, mit meiner Frau unser übliches Frühjahrsgastspiel am Leipziger Schauspielhaus zu absolvieren.

Während der Verhandlung kam plöglich die Demonstra­tion gelegentlich der Vorführung des Elisabeth- Bergner­Films in Berlin und bald darauf erschien ein neuer Erlaß des Propagandaministeriums, der leider eine Verschärfung der obengenannten Bestimmungen in Aussicht stellte. Das Resultat der Verhandlungen, die das Leipziger Schauspiel­haus seit einiger Zeit mit ihnen über unser Gastspiel pflegte, veranlaßte die Direktion des genannten Theaters, mich im Interesse seines Fortbestehens zu bitten, dieses Gastspiel allein zu absolvieren. Das bedeutet also eine Ausschaltung

meiner Frau auf den deutschen Bühnen, meiner Frau, mit der zusammen ich ein Menschenalter in Deutschland gewirkt habe.

Sie werden begreifen, daß ich trots den Sorgen um meine Leipziger Kollegen und trots den inständigen Bitten meiner Frau, das Gastspiel ohne sie zu absolvieren, mich dazu nicht entschließen konnte. Meiner Frau Vorschlag, sich von mir scheiden zu lassen, um das Gastspiel zu ermöglichen, kommt natürlich überhaupt nicht in Frage. Und Sie, meine Herren, und die deutsche Regierung müßten mich als einen traurigen Charakter einschätzen, wenn ich unter diesen Umständen nicht die Konsequenzen zöge.

Ich melde hierdurch unseren Austritt aus der Genossen­ schaft Deutscher Bühnenangehöriger an und lege damit selbstverständlich auch meine Ehrenmitgliedschaft nieder. Was für Gefühle der Trauer dieser Entschluß in mir und meiner Frau auslöst, brauche ich hier nicht weiter auszu­führen.

Mit vorzüglicher Hochachtung Albert Bassermann ."

In dieser Zeit der seelischen Erniedrigung tut schon das menschlich Selbstverständliche wohl. Albert Bassermann , der

Dem Führer

Von Ministerpräsident Hermann Göring ( mitgeteilt von Georg Wilman) Gott sandt' Dich uns, um uns zu retten, O hätt er Dich früher gesandt!

Es rasselten schwer unsre Ketten, Tage und Nächte wir hätten Zergehen können vor Schand!

Von allen den deutschesten Gauen

O Führer, erschallt Lob und Preis. Nicht Männer, auch Kinder und Frauen

Beschwören die Treue Dir heiß!

Es befreit die Erlösung die Herzen, Retter des Volks, Du bist da!

Längst vergessen sind Kummer und Schmerzen, Immer bist geistig Du nah! Chorale Dir sollten erklingen,

Herzen fliegen Dir zu.

Inbrünstig wollen wir singen:

Nimm unsre Herzen, die schwingen! Großer Erretter Du!

Es mög unser ,, Heil" Dich erlaben. Nun lies mal die Anfangsbuchstaben!

Deutschlands größte Schauspielertradition verkörpert, dessen Der dunkle Punkt Darstellungskunst mit der wichtigsten Harald Bratt August Riekel Epoche des deutschen Theaters verknüpft ist, wendet sich mit

einmalige

Widerwillen von der Terrormoral des dritten Reiches" ab. An der Hand Albert Bassermanns blinkt der Iffland- Ring. Seit hundert Jahren hat er sich auf die bedeutendsten deut­ schen Schauspieler vererbt. Vor Bassermann trug ihn Josef Kainz . Niemals dürfte ihn Albert Bassermann mit größerem Recht und mit größerer Ehre tragen als heute.

Amtlich Göbbels ' repräsentatives Deutschlandbuch

Die Reichsstelle zur Förderung deutschen Schrifttums", Berlin ( Amt für öffentliche Buchwerbung) hat an die deut­ schen Buchhandlungen einen Brief gerichtet, in dem gesagt wird: ,, Im Volk und Reich- Verlag, Berlin , erschien soeben das Buch Deutschland zwischen Nacht und Tag", Heraus­geber Friedrich Heiß... Dieses Buch ist als wichtige Waffe der Regierung im Kampf um die Erneuerung des Denkens auf Wunsch des Reichsministeriums für Volksauf­klärung und Propaganda von allen deutschen Buchhand­lungen sofort in den Mittelpunkt ihrer Werbungen zu stel­len... Buchhandlungen, die Beziehungen zum Ausland pflegen, müssen es als ihre Ehrenpflicht betrachten, in syste­matischer Vertriebsarbeit für das Werk im Ausland Absat zu finden... Die Ueberwachungsstellen der Reichsstelle sind zum Bericht angehalten..."

Der amtliche Charakter dieses Buches ,, Deutschland zwi­schen Nacht und Tag" wird gleichfalls durch das Vorwort unterstrichen. Es heißt hier: ,, Für einzelne Abschnitte fan­den wir sachliche Förderung und Mitwirkung von einer Reihe amtlicher Stellen."

Dieses repräsentative Propagandawerk des dritten Rei­ches" ist ein Bilderbuch mit verbindenden Texten. Es will einen Querschnitt geben durch das Deutschland von gestern und heute; es will die Voraussetzung aufzeigen, die den Nationalsozialismus zur Macht führten und beweisen, was Hitler mit seiner Regierung erreicht hat. Das Buch beginnt, nach dem Vorwort, mit dem Spruch auf dem Grabstein von Fischer und Kern auf dem Dorffriedhof von Saaleck", mit den Rathenaumördern also, und es ist wissenswert, daß das Propagandaministerium den politischen Mord als Vor­

aussetzung des ,, dritten Reiches" an erster Stelle öffentlich

verkündet.

Dem Krieg von 1914-18 wird eine Reihe von Bildern ge­widmet; eine Seeschlachtkarte" unterrichtet über Skager­ rak " und die Taten der Kreuzer ,, Emden " ,,, Karlsruhe " usw.; die abgetrennten" Gebiete werden durch grafische Darstellung anschaulich gemacht; von ,, Trugabstimmung" z. B in Eupen- Malmedy wird gesprochen; die europäischen Rüstungen werden groß aufgemacht und der deutsche Westen liegt offen und ist wehrlos"; eine Schlageterfeier ist fotografiert und so fort.

In allen Bildern atmet der Geist des ,, kriegerischen Hel­dentums" und der Haß der Revanche. 43 Seiten des Buches werden ,, der neuen Gemeinschaft" im dritten Reich" ge­

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1. Vor einigen Jahren wurde der sehr konjunkturtüchtige, damals der SPD. angehörende Prof. August Riekel von der sozialdemokratischen Regierung Jasper- Sievers in Braunschweig zum Direktor des Erziehungswissenschaft­lichen Forschungsinstituts gemacht. Riekel heimste große Ehrungen ein, doch leistete er hinfort nur noch weniger für sein Fach. Hingegen startete er 1932 ein Stück ,, Der Dikta­tor" im Schauspielhaus Hamburg , worin er unter dem Pseu donym Bratt seinem nationalen Herzen die Zügel schießen ließ. Hamburger Zeitungen plauderten aus, ,, daß hier ein der in echt deutscher Treu­bekehrter Sozialdemokrat herzigkeit durchaus versäumt hatte, aus der Partei auszu­sich politisch seherisch gebe." Es geschah dem Riekel dann auch nicht viel, er konnte unangefochten auf seinem Heidegut leben, brauchte sich nicht einmal zu trennen von seinem feudalen Auto, derweil seine Kollegen Jensen, Paulsen, Frankenberg brotlos wurden. Nun hat er neuer­dings mit der Ufa einen Filmvertrag über sein Stück ,, Die Insel" geschlossen, in dem Werner Krauß die Hauptrolle spielen soll. Wir können uns aber vorstellen, daß der Ri I seine einzige höllische Angst auch trotz dieser beträc Erfolge mit sich weiter: chleppt. diese nämlich, daß es Tages herauskommen könne, daß er Jude ist. Er ist es, ganz kleinlaut hat er davon seinen nächsten Bekannten berichtet,

treten

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widmet; diese neue Gemeinschaft" besteht darin, daß in Das gesunde Stundentenmaß 30 Bildern nationalsozialistische Aufmärsche oder stramm­stehende Uniformierte gezeigt werden. Am aufschlußreich- ,, Es droht eine Katastrophe" sten ist das Kapitel Der Aufbau". Der Aufbau besteht darin, daß Hitler einen Spatenstich tut, daß er einem kleinen Mädchen die Hand gibt, daß der österreichische Naziführer Habicht in einer Pressebesprechung redet, daß Helgoland, Schächte an der Ruhr, die Nationalbibliothek, Kathreiners Hochhaus in Berlin und Aehnliches gezeigt werden, die be­kanntlich vor Hitlers Machtergreifung niemals existiert haben.

Auf einem einzigen Bild wird ein Haus im Bau gezeigt; es ist ein gewöhnliches Wohngebäude. Das Propagandamini­sterium scheint der Welt zeigen zu wollen, daß sich der nationalsozialistische Aufbau" auf diese Leistung be­schränkt. Das ist ihm restlos gelungen.

Der Reichsbildungsminister

Tg. Reichsminister Rust, Heldenvater a. D.

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Der Heldenvater Rust er hat sich während des Krieges selbst so bezeichnet und wurde in Kollegenkreisen seither so genannt ist zum Reichsbildungsminister ernannt worden. In den Betrachtungen, die jetzt angestellt werden von den Schreibknechten des Göbbels über den neuen Reichsminister, findet sich regelmäßig eine grobe Fälschung zugunsten des Heldenvaters. Es heißt z. B. in der Roten Erde": Als er als Fraktionsführer im Provinziallandtag der Provinz Han­ nover gegen den marxistischen Oberpräsidenten Noske we­gen des Verbots der Hitlerjugend einen Mißtrauensantrag einbrachte, wurde er von seinem Lehramt( als Studienrat) entfernt."

Das ist eine Lüge, leider. Tatsache ist, daß die Republik Preußen den Hetzer Rust nicht entfernt" hat. Rust hat selber gekämpft um seine Pensionierung, die er mit Hilfe einiger ärztlicher Zeugnisse, die ihm Arbeitsunfähigkeit, pathologische Bewußtseinsstörungen, Anfälle von Größen­wahn bescheinigten, erreichte. Preußen zahlte dem Gau­leiter Rust , der als Psychopath seinen Abschied genommen hatte, seine volle Pension. Er wurde nicht zum Märtyrer. Aber sein altes Leiden behielt er, genau wie der wegen Geisteskrankheit dem Schuldienst enfernte Lehrer Hinkler, jetziger Polizeipräsident von Altona . Rust ist durch Wochen völlig unfähig zu klaren Gedanken, er verschleppt deswegen unzählige Entscheidungen. Seine Mitarbeiter seuf­zen darob.( Hinkler, um dem Kollegen auch gleich ein Wort zu widmen, reagiert seine pathologischen Zustände in aufsehenerregenden Saufereien ab, die regelmäßig in Tobsuchtsausbrüchen enden. Seine SS. - Adjutanten wissen ein Lied davon zu singen.)

aus

Der Heldenvater Rust, Psychopath und Reichsbildungs­minister ist der Repräsentant der neuen Bildung" im ,, dritten Reich". Er hat in Preußen die marxistischen Lehrer aus den Schulen entfernt, hat Schulfeiern organisiert, Fähn­cen verteilen lassen, ein paar neue pädagogische Akade­mien gestartet, alle wesentlichen Dinge pädagogischer Füh­

rung hat er der HJ. und dem NSLB. überlassen. So wird er es auch wohl weiterhin halten, auf daß sein Konkurrent Schemm ihm nicht zuviel Krach veranstalte.

Im folgenden noch eine kleine Erinnerung an Rust . Im September 1929 wiesen erhebliche Verdachtsmomente darauf hin, daß in der Gauleitung Hannover der NSDAP . einer der Herde der Bombenlegerorganisation zu finden wäre. Als polizeiliche Recherchen einsetzten, wurde der in erster Linie verdächtige Gauleiter und Redakteur des ,, Niedersächsischen Beobachters", Herr W. Heinz, von Hitler brüsk seines Postens enthoben und durch Rust ersetzt. Um die Unbeteiligtheit der NSDAP . an den Attentaten dar­zutun, sette Hitler Kopfprämien für ihre Entdeckung aus und gleichzeitig gab der polizeilich sistierte neue Gauführer Rust zu Protokoll, daß F. W. Heinz mit den Bombenlegern in Verbindung stünde und denunzierte sogar, daß Heinz in einer vertraulichen Führersigung kurz zuvor bei einer Be­sprechung dieser Akte gesagt hätte: ,, Es wird bald noch ganz

anders knallen!"( Es folgte dann das erste Reichstagsatten­

tat der Nazis, Anfang September 1929.) Diese Denunziation gegenüber der Severing- Polizei kennzeichnet den Herrn

Rust als einen würdigen Vertreter neudeutscher Treue.

Gedenke...

Ahnherr werden ist nicht schwer...

In der Zeitschrift ,, Deutsche Berufsschule", Berlin

( Herausgeber: Deutscher Verein für Berufsschulwesen),

lesen wir:

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,, Gedenke, daß du ein deutscher Ahnherr bist! Das gilt insbesondere für das deutsche Mädchen..." Warum nicht? Wir sind überzeugt davon, daß die blond­bezopften Mitglieder des BDM.( Bund deutscher Mädchen), wenn es an höherer Stelle gewünscht wird, ohne Murren diese Rolle übernehmen und sie prachtvoll erfüllen werden. Denn Befehl ist Befehl.

Der Führer der Reichsfachschaft der Studierenden, Dr. Staebel, gab der ,, Kreuz- Zeitung " ein Interview, in den offen von einer drohenden Katastrophe im deutschen Hoch­schulstudium gesprochen wird. In dem Interview heißt es: ,, Zweifellos ist der Student in den letzten zwei Semestern zu viel beansprucht worden, und da die Hochschule und die ernste Arbeit in den Seminaren und Uebungen zunächst am wenigstens verlockend schienen, mußte das Studium leiden. Es ist uns Führern in der Deutschen Studentenschaft klar, daß hier eine schwere Gefahr für den Staat droht. Denn wenn die Leistungen nachlassen, wenn in den Seminaren nur noch diejenigen sitzen, die dank ihrer( offensichtlich jii­dischen) Abstammung oder politischen Einstellung nicht Mite mußessehr glieder der Studentenschaft sein können, da Wir bald zu einer Katastrophe kommen. werden deshalb bewußt darauf hinarbeiten, daß Hochschule und Studium wieder(!) zu ihrem Recht kommen. Wir werden es erreichen, daß der SA.- Dienst auf ein gesundes(!). Maß zurückgeschraubt wird... Gegen alle diejenigen, die glauben, daß sie in Zukunft allein auf Grund guter Partei­dienstzeugnisse etwas erreichen können, werden wir mit schärfsten Mitteln vorgehen."

Wer trägt jüdische Blutsteile?

Die Juden- Nazis...

Aus einem Artikel ,, Die Parteigerichtsbarkeit der NSDAP. * im ,, Völkischen Beobachter":

,, Der liberalistische Staat hat alle rassenmäßigen Ge­danken abgelehnt. Dadurch konnte es geschehen, daß schon vor der Machtübernahme einzelne, später viele Menschen in die Bewegung kamen, die keine Ahnung davon hatten, daß sie Träger jüdischer Blutsteile waren!!...

Nanu? Welch seltsames offiziöses Eingeständnis! Welch Göringscher Sendbote macht da Jagd auf die unaussprech­lichen Blutsteile des Dr. Josef Göbbels ?!

Zeit- Notizen

Warum Mosley kein ,, Führer" ist,

stellt die Zeitschrift für Politik"( Heft 1) fest, nämlich: ,, Mosley war bekanntlich mit der Tochter des ehemaligen Vizekönigs von Indien , Lord Curzon , aus dessen Ehe mit einer amerikanischen Jüdin verheiratet, und als sie noch lebte, hat diese Frau auch auf den faschistischen Versamm­lungen Mosleys gesprochen..." Er soll sich entlüften

Die Zeitschrift ,, Der Wanderer" hat einen neuen Schrift­leiter erhalten, den Pfarrer Spelmeyer aus Münster , der darauf hinweist, daß es vielleicht besser sei, wenn der in der Stadt arbeits- und obdachlos Gewordene wandere in der Hoffnung, doch wieder Arbeit zu finden, als weun er im stumpfen Sigen in der Großstadt verkümmere. Das Wandern beate für ihn eine gewisse Entitiftungs