man, daß die neuerlichen Vorfälle in Saarbrücken und Saar­ louis ( Aftendiebstahl und Verjagung der französischen Stu denten) einen sehr üblen Eindruck hinterlassen haben.

Auch das Völkerbundssekretariat soll angesichts der beiden Vorfälle die Lage an der Saar als außerordentlich ernst an­sehen. In Völkerbundskreisen glaubt man nicht, daß der Saarlouiser Pogrom aus einer wirklichen Volksstimmung heraus entstanden sei. Man nimmt vielmehr an, daß die Demonstration gegen die jungen Franzosen von der deut­schen Front" systematisch organisiert worden sei.

Oberbürgermeister Neikes

Die Sozialdemokratie fordert einer außerordent­liche Stadtverordnetensitzung

Die Putsch- Ankündigung des Saarbrücker Oberbürger­meisters Neifes, die wir gestern ausführlich meldeten, hat die sozialdemokratische Stadtverordnetenfrattion zu folgendem Brief veranlaßt:

Saarbrüden, den 25. Mai. An den Herrn Oberbürgermeister der Stadt Saarbrücken ! Die sozialdemokratische Stadtverordnetenfraftion hat mit außerordentlichem Befremden und mit stärtster Ent rüstung Ihre Aeußerungen gelesen, die Sie gegenüber dem Berichterstatter der Baseler Nationalzeitung" gemacht haben. Ihre danach getane Acußerung, daß mit einer politischen Explosion im Saargebiet zu rechnen sel, haben Sie, wenn Sie schon eine solche unverantwortliche Aeuße­rung tun, nicht für die Saargebietsbevölkerung bzw. die Einwohnerschaft Saarbrückens schlechthin abzugeben, sondern höchstens für die Ihnen nahestehenden Kreise. Die freiheitlich gefinnte Bevölkerung des Saargebietes weist es weit von sich, gewaltsame Aufstände im Saargebiet stattfinden zu lassen, durch die ihre Würde als Deutsche nur in den Schutz gezerrt werden könnte.

Da derartige Aeußerungen nicht unwidersprochen bleiben

dürfen und vor allem nicht in der Welt bleiben dürfen als vermeintliche Auffassung der Saargebietsbevölkerung, er­suche ich Sie namens der sozialdemokratischen Stadtver­ordnetenfraktion, unverzüglich eine öffentliche Stadtver­ordnetensißung einzuberufen mit dem Thema: Stellung nahme zu dem Interview des Oberbürgermeisters Dr. Neikes".

Für die sozialdemokratische Stadtverordnetenfraftion: ges. Unterschrift.

Saarlouis kommt zur Sprache Protest beim Völkerbund wegen des Akten­diebstahls

Wie aus Paris gemeldet wird, muß damit gerechnet werden, daß der Zwischenfall von Saarlouis von den Ver­tretern der Regierungskommission sowohl als auch von den französischen Delegierten am 30. Mai in Genf zur Sprache gebracht wird, und zwar anfäßlich der Auf­nahme der Saarfrage auf die Tagesordnung der außer ordentlichen Seffion des Völkerbundsrates. Die französische Berwaltung der Saargruben gibt befannt, daß sie wegen des Diebstahls von Dokumenten aus ihren Geschäftsräumen beim Wölferbund Protest einreichen werde.

Heizer Reimel

Berichte aus Straßburg

Es läßt sich sehr leicht denken, daß in diesen Tagen sich die öffentlichen Diskussionen fast alle um das Schickial des Straßburger Heizers Reimel drehten. Der Mann fuhr am vergangenen Freitag wie immer auf einer Lokomotive in den Kehler internationalen Bahnhof ein. Dort ver= hafteten ihn von der Maschine herunter zwei deutsche Gendarmen. Man warf ihm vor, die deutsche Regierung lächerlich machende Aeußerungen öffentlich getan zu haben. Am Dienstag stand der Heizer Reimel in Kehl vorm Gericht, das ihm vier Wochen Gefängnis zudiftierte. Alle Zeitungen berichteten ausführlich über den Fall. Sie ver­urteilen in schärfsten Worten das Vorgehen der deutschen Behörden und fordern mit Recht von der Regierung Gegenmaßnahmen.

So bemerkt die Republique" zu dem skandalösen Vorfall: Wie lange will man sich denn diese Willkürakte ohne jegliche Bergeltungsmaßnahme noch gefallen lassen? Hier in Straßburg verkehren täglich Dußende von Kehlern, Sie sich nicht den geringsten Zwang antun in ihren Ge­sprächen. Es gibt außerdem noch eine ganze Anzahl Deut­ scher , die hier täglich herüber kommen zu ganz bestimmten politischen Zwecken. Sie bleiben unbehelligt. Man hätte wirklich unrecht, fich zu genieren da drüben.." Die demo­fratische Neue Zeitung" schreibt: Man stelle sich ein­mal vor, daß die französische Regierung alle diejenigen Deutschen , die sich unfreundlich über die französische Demo fratie äußern, verhaften würde! Die Gefängnisse würden für diesen Zweck nicht ausreichen.... Man würde den fran= zösisch- deutschen Zwischenfall Reimel nicht so ernst zu nehmen brauchen wenn es sich nicht um ein Glied in der Kette handeln ständiger deutscher Provokationen würde. Die französische Regierung hat keine Veranlassung, sich dies alles gefallen zu lassen..." Die sozialistische reie Presse" erklärt: Wer hat Vertrauen zu einem

Micsmacher einst und jetzt

Eine sehr treffende Bemerkung zu dem nationalsoziali stischen Feldzug gegen die Miesmacher finden wir in der ,, Neuen Zürcher Zeitung ". Das Blatt knüpft an einen der üblichen heuchlerischen Ausfälle des Völkischen Beob­achters" gegen die Reaktion" an und schreibt dazu:

" Der Völtische Beobachter" trägt es der Reaktion" oder der guten Gesellschaft" heute ganz besonders noch nach, daß ste unter dem demokratischen Regime aus angeblicher Treue zum Staat den regierenden Kreisen nicht mit aller Schärfe entgegengetreten sei, sondern im Gegenteil damals den wilden Nationalsozialisten es höllisch übel nahm, daß sie mit ihrer serießenden Kritik" auch vor hohen Staatsbeamten nicht halt machten". Wenn der Völkische Beobachter" damit selbst an die Taktik der NSDAP . erinnert, so läge es eigentlich nahe, zu untersuchen, ob nicht ein Teil der Kritik­sucht, gegen die das Regime einen Vernichtungsfeldzug er­öffnen mußte, auf jene zersetzende Kritik" der national­sozialistischen Agitation vor der Eroberung der Macht zu­rückzuführen wäre. Sicherlich sind die ernstgemeinten und vielleicht nicht ganz aussichtlosen Reform- und Wiederauf: banversuche früherer Regierungen zum Teil gescheitert, weil die Nationalsozialisten den Niedergang Deutschlands unter dem parlamentarisch- demokratischen System für unaushalt: sam erflären und das Volk davon zu überzeugen wußten, daß es niemals besser werden könne. Seitdem sie selbst an der Macht sind, wiffen sie, daß sie eine solche Agitation und auch die Kritik einzelner nicht dulden können.

Die heutige politische Führung in Deutschland ist aller­dings entschlossen, die kritikaster" zum Schweigen zu bringen; aber der Erfolg hängt schwerlich davon allein ab.

Straßburger Wochenbericht

Straßburg , 25. Mai 1934.

Vom Pfingstgeist und anderen Dingen

Wie seltsam! Man steht in Straßburg unter der Rhein­brücke, beobachtet den an Feiertagen besonders lebhaften Verkehr, den die zu Fuß, zu Rad und mit dem Auto ins Elsaß reißenden Ausflügler verursachen, schaut hinüber ans andere Ufer, erblickt vreeinzelt braune Uniformen, sieht die in leichten Nebel gehüllten Berge des Schwarzwaldes und weiß: dies nun ist Deutschland , dein Vaterland"! Nur einige hundert Meter, die das grüne Wasser des Rheins ausfüllt, trennen uns von diesem Land, dessen neue Herren dafür gesorgt haben, daß überall in der Welt, wo Kultur und Humanität keine leeren Begriffsschemen bilden, der Dame Deutschland nur mit einem leisen Grauen aus­gesprochen wird. Während wir so stehen und sinnen, emp­finden wir, daß der Rhein hier nicht einige hundert Meter, breit sein nein Millionen Kilometer könnte, so breit und tief ist die Kluft, die sich geistig zwischen Deutschland und Frankreich und der ganzen übrigen Welt aufgetan hat.

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Von drüben erschallt aus frischen Kinderkehlen ein Lied: ,, Fürs Vaterland zu streiten, Hurra, Vik. toria"... Eine kleine Gruppe Kinder in Uniformen marschiert den Rhein entlang, die Fahne des Mordes an der Spitze, straff militärisch gegliedert. Ihr Lied dringt herüber in ein anderes Land, zu Menschen, die hier an der Grenze meist noch die gleiche Sprache sprechen wie drüben. Aber diese Menschen verstehen einander nicht mehr. Man schüttelt den Kopf. Es ist Pfingsten! Gehet hin und lehret alle Völker"... Hurra, Viktoria!" Neudeutscher Pfingstgeist. Brummend naht in kühnen Kreisen ein Flugzeug. Ein deutsches Flugzeug. Das Hakenkreuz leuchtet weithin sichtbar von seinen Flügeln. Ueber der alten Stadt zeigt das Flugzeug in ruhigem Flug die Symbole des dritten Reiches". Erstaunt beobachten die Bürger den deutschen Flieger. Seine Tat stellt eine Verlegung der Hoheitsrechte Frankreichs dar. Was frägt danach ein deutscher Flieger, der sich von oben das altehrwürdige Münster ans der Nähe beschauen will. Für Provokationen haben die neuen Herren Deutschlands jeden Sinn verloren, sie sind von einer Tollkühnheit, die sich lediglich aus ihrer verzweifelten politischen und wirtschaftlichen Situation er­

klären läßt.

wenig unsicher schauen sie drein. Sie sprechen nicht viel, treffen ihre Freunde, verschwinden möglichst rasch von der Straße, ziehen sich zurück in stille Gastwirtschaften oder abgeschlossene Wohnungen. Dort erst atmen sie auf. Dann

Nachbarn, der an der Grenze nichts weiter verübt als Krafeel, wie es die Verhaftung in Kehl und das Erscheinen des deutschen Flugzeuges darstellt. Kein Mensch in Frank­ reich und im Elsaß will einen Krieg, aber alle, die diese Manöver des Hitlerdeutschland zur Kenntnis genommen haben, sagen sich: trau, schau, wem! Und daß diese Vorsicht geboten erscheint, zeigen die beiden kleinen Lokal­ereignisse, die sich Pfingsten bei Straßburg abgespielt haben." Die Neuesten Nachrichten" schreiben: Das Urteil trägt den Charakter einer unqualifizierbaren Provokation. Stellen wir folgendes fest: Jeden Tag kommen Reichs­deutsche ins Elsaß und erkundigen sich nach dem Los ihrer ,, unglücklichen eljässischen Volksgenossen", jeden Tag er­zählen sie uns Märchen vom Hitlerparadies. Die Herr= schaften geben sogar soweit, die Errichtung von Konzentra­tionslagern in Frankreich anzuraten, wo Volkserziehung nach deutschem Muster betrieben würde und wo den dort internierten Unglücklichen wortwörtlich eingeblänt würde, was ihre politische Ansicht und Ueberzeugung sein soll. Jeden Tag sieht man bei uns deutsche Zeitungen in Hülle und Fülle, wo doch alle elsässischen Zeitungen mit einer Aus= nahme und diese aus bekannten Gründen im Reiche verboten sind und in diefen Zeitungen steht meistens nichts Franzosenfreundliches. Jeden Tag werden Franzosen, Eng­länder, Amerikaner und andere Angehörige zivilisierter Länder im Reich verhaftet und oft sogar mißhandelt, während bei uns und in unseren Straßen Leute frech einher= schreiten, die offensichtlich dafür bezahlt sind, unserem Lande Schaden zuzufügen..." Hier zeigt sich ganz deutlich die Wirkung, die von solchen Provokationen ausgeht. Deutschland gerät immer mehr in den Ruf. den Frieden der Welt zu stören. Angesichts solcher Tatsachen flingen die Hitler- Friedens- Reden immer stärker als hohle Deflamationen ohne icden Wert.

Die, Spionin"

Und ein Trottel von ,, Freund"

Das Schöffengericht Berlin verurteilte die 25 Jahre alte E. W., genannt St., wegen intellektueller Urfundenfälschung zu einer Woche Gefängnis. Verbüßt durch sieben­monatige Untersuchungshaft.

Fräulein E. Hatte eine kleine Freundschaft mit einem An­gestellten. Und als der eines Tages bei ihr ein Paketchen entdeckte, dessen Inhalt, Herkunft und Ziel er zu wissen begehrte, da band dem leicht Verliebten Fräulein E. einen fantastischen Bären auf von ihrer Arbeit als Spionin. Und wenn an diesem Tage der eine oder der andere junge Mann auf der Straße oder in der Elet­trischen dem hübschen Fräulein E. freundliche Blicke zu= warf und ihr Freund sich ärgerte, da flüsterte E. listig ihm zu, daß auch dieser Fremde zu der großen Spionagezentrale gehöre, der sie diene.

-

Der unheimlich berührte junge Mann meldete der Polizei, daß er beinahe einer Spionin ins Garn gegangen wäre. Und Fräulein E. W., genannt St., wurde festgesetzt. Monate­lang führte sie die Polizei deren Pflicht es natürlich war, die Angaben der nach eigenem Geständnis im Dienste des Auslandes tätigen Agentin nachzuprüfen durch das Vor­bringen romantischer Schilderungen von Autofahrten, Feuergefechten, Spionenzusammenfünften in Schlachtenseer Villa oder in Hotelzimmern genau bezeichneter Nummern an der Nase herum. Sie nannte als Auftraggeber Namen, die unverkennbar dem Namensbrauch des betreffenden Landes entsprachen.

Und doch waren alle ihre Erzählungen Märchen­erzählungen, großer Humbug. Von der Anklage der wiffent­lich falschen Anschuldigungen hat das Gericht das Mädchen freisprechen müffen, weil sie doch sicherlich nicht die Ant­schuldigung gegen sich erstattet hat, um ein behördliches Verfahren in Gang zu bringen". Aber es hat sie verurteilt, weil sie ihre Vernehmungen usw. mit G. St. unter­schrieben hat, während doch geboren und angeredet auch später als G. St. vom Vater W. später anerkannt und mit seinem Namen bedacht worden war.

löst sich ihnen die Zunge. Sie sprechen von Deutschland . Malfeier Im Kerker

Vom Land des Terrors, der vielen das Familienglück brutal zerstörte, vom Land der verheimlichten Krise, die man drüber überall verspürt und die in den Zeitungen geleugnet wird. Diese Menschen des anderen Deutschland sind voller Sorge um ihr Vaterland", das mit verbundenen der furchtbare seelische Druck, dem sie drüben ausgesetzt snd und sie können es kaum fassen, daß hier nur einige Augen dem Abgrund zusteuert. Noch lastet auf ihnen allen hundert Meter vom Kehler Brückenkopf entfernt Menschen leben, die frei sprechen, eine Meinung baben und sie laut verkünden dürfen. Ein Landsmann, der in einer hier erscheinenden Zeitung einen Angriff auf die franzö­ sische Regierung entdeckt, frägt mich erstaunt, ob denn die Zeitungen hier so gegen ihre Regierung schreiben dürfen. Er hat in diesem einen Jahr Hitlerdiktatur schon vergessen, daß es noch voriges Jahr die gleiche Freiheit auch in Deutsch­ land gab! Diese Menschen aber sind die richtigen Deutschen und wenn wir ihren Erzählungen Glauben schenken dürfen, dann ist die Zahl derer, die das Ende der

Diktatur in Deutschland schon in kürzester Zeit er­

warten, größer, als die derer, die noch bedingungslos an den Braunauer Messias glauben.

Sie kommen zu uns und erleben das Pfingstwunder, ein freies und friedliches Volk kennen zu lernen, an das sie in ihrer kerkerähnlichen Abgeschlossenheit zu Hause schon kaum mehr glaubten.

Ein biederer Schwabe

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er fuhr einen kleinen neuen

Wagen gab diesem Gefühl sichtbaren Ausdruck, indem er an seinem Auto neben den Wimpel in den württembergischen Farben die Trikolore sette. Wie gut, daß es nicht nur Hakenkreuzflieger in Deutschland gibt!

Wenn der Revolver knallt

In der Schwesterngasse gab ein Italiener auf einen Neger, mit dem er in Streit geraten war, beim Verlassen einer Wirt­schaft mehrere Revolverschüsse ab. Der Neger wurde mit lebensgefährlichen Verletzungen ins Krankenhaus, der Ita­liener von der Polizei in die Fadengasse eingeliefert.

Nun strömen die Menschen, die von Deutschland kommen, in Richtung Münster , Autos und Motorräder eilen den Vogesen zu. Wer am Straßburger Brückenkopf Augen hat, zu sehen, der kann zweierlei Deutsche erkennen. Die einen gleichen dem hakenkreuzgeschmückten Flieger, der seinen Pfingstausflug über Straßburg machte. Die an­deren aber kommen still und bescheiden, scheu und ein

hinein in die Stadt. Ein großer Autobus der Reichspost fährt Das Auto im Bassin des Pasteurdenkmals

Einen verlassenen Personenwagen, der wahrscheinlich ge­stohlen war, fand man dieser Tage im Bassin des Pasteur­denkmals an der Universität. Als die Polizei den Wagen entfernen wollte, stand er in hellen Flammen. Er verbrannte völlig und wurde von den Pompiers beseitigt. Sein Besiger meldete sich noch nicht.

In Bruck an der Mur

Auf dem Umweg über Jugoslawien erhält der OND. folgenden erschütternden Bericht über die Maifeier in Bruck an der Mur , der Stadt Obersteiermarks, in der Koloman Wallisch gelebt und gekämpft hat. Der Bericht stammt aus dem Brucker Notgefängnis, den Stadtsälen: Es ist Montag, 30. April 1934, 20 Uhr. Der Justizwach beamte geht ernsten Blickes auf der Galerie des Saales hin und her und befiehlt im strengen Ton Ruhe. Alle Genossen liegen auf ihren Strohjäcken und denken an den morgigen 1. Mai. Die Fenster sind offen. Plöglich vernehmen wir von dem gegenüberliegenden Schloßberg Gesang; immer lauter und deutlicher werden die Stimmen. Ein Flüstern geht durch den Saal: Das müssen unsere Jugendgenossinnen sein." Und so war es auch. Eine größere Zahl junger Genojsinnen sangen unsere alten Wanderlieder. Tief gerührt lauschten wir dem Gesang. Wir danken ihnen herzlichst und bitten ste, weiter so tapfer und mutia zu sein. Wir werden wieder­fommen.

Dann schläft alles ein. Morgens zwischen 5 und 6 Uhr erwachen wir. Ernst ist die Miene jedes Genossen. Die, die sonst immer Späße machten oder Karten spielten, waren diesmal ernst. Jeder wußte, daß dieser 1. Mai nicht unser 1. Mai ist. Plöblich ertönte Musif. Ein Wachposten befahl, die Türen des Balfons zu öffnen, damit wir die Tagreveille der Vaterländischen Front hören könnten. Die Genossen schlossen aber die Türen und Fenster und zogen sich auf ihre Strohsäcke zurück. Um halb 9 Uhr fam das Frühstück. Alle Genossen saßen stumm auf ihren Strohsäden, da rief plöß­lich ein mutiger, junger Genosse: Achtung, Genossen, wir gedenken am heutigen Tage derer, die am 12. Februar ge­fallen find." 5 Minuten standen 250 Gefangene chrfurchts­voll, stramm und gedachten ihrer toten Brüder und ihres unvergeßlichen Führers und Helden Koloman Wallisch . Nach dem Frühstück gingen wir in den Hof spazieren. Alle Gefangenen hatten rote Papierstreifen und steckten sie zu einer roten Nelfe zusammengefaltet, ins Knopfloch. halbe Stunde gingen wir im Kreis geschloffen herum, da bemerfte ein Justizbeamter die Nelfen. Er holte seinen Vorgesetzten und der gab den Befehl, die Nelfen sofort ab­zunehmen, da sonst der Spaziergang im Hof und der er­laubte Lebensmittelzuschuß entzogen würde. Da wir den Zweck unserer Demonstration erreicht hatten, gingen wir den gewohnten Gang weiter.

Eine

Wir senden diesen Bericht, um zu zeigen, daß wir noch leben und im Geiste mit unseren Genofsinnen und Genossen aller Länder und Sprachen aufs innigste verbunden sind. Bei dieser Gelegenheit danken wir allen für die Hilfe, die sie uns gedeihen lassen. Wir hoffen, mit unserer Kraft und Eurer Hilfe bald wieder einen 1. Mai feiern zu können, aber einen Mai, wie wir ihn uns wünschen. Freiheit!! Die Gefangenen

in den Stadtsälen Brud an der Mur .