Friedenspfand oder Kriegsherd?

Zur Diskussion über die Neutralisierung des Saargebietes

Man schreibt uns:

Der ehemalige Direktor der franco- saarländischen Handelskammer Francois Christin hat in der Action Nouvelle", dem Organ der französischen National revolutionäre, in einem umfangreichen Artikel zu dem Saarproblem Stellung genommen. Der Verfasser geht von der Notwendigkeit aus, im Wege von Verhandlungen aus dem Saargebiet einen neutralen Staat zu schaffen, in dem jede Lokalverwaltung das Recht habe, zwischen deutscher und französischer Verwaltung zu wählen. Allein in der politischen Neutralitätserklärung des Saargebietes sieht Christin den Schlüssel zur Lage Europas . Das Saargebiet, als europäische Hoffnung und Dolmetsch des Welt friedens", werde die Ursache eines furchtbaren Konfliktes zwischen Deutschland und Frankreich sein, wenn man sich nicht zu der von ihm angeregten Lösung einer vertrags­mäßigen Pazifterung der Saar verstehe. Und in herrlichen Farben entwarf er für den Fall der Neutralitätserklärung der Saar ein fantastisches Bild der Prosperität, die im Land aufblühen müsse, er sieht in einem solchen Land die " Befreierin Europas , den Schiedsrichter über den Welt­frieden". In fieben großangelegten Kapiteln, deren Ueber schriften schon den Standpunkt des Verfassers zum Aus­druck bringen, wandelt er diesen seinen Gedanken, der übrigens durchaus nicht neu ist, in den verschiedensten Ge­bieten ab. Die politischen Fragen scheinen ihm zweit rangig, er sieht die Probleme und ihre Lösung lediglich auf wirtschaftlichem Gebiete und erhofft von hier aus die Be­reinigung der deutsch - französischen Beziehungen. Die ein zige politische Schlußfolgerung, die er zieht, besteht darin, daß das Problem bei der von ihm gewünschten Reglung -koste es was es molle vor 1935 gelöst werden müsse. So bestehend bei der Beantwortung der aufgeworfenen wirtschaftlichen Fragen die Joeengänge des Verfassers find, so sehr setzt die geradezu unschuldige Unkenntnis der Gedankengänge der nationalsozialistischen Regierung in Erstaunen. Selbst wenn bis vor kurzem auf deutscher Geite noch der ehrliche Wille bestanden hätte, sich auf bindende Diskussionen über das Saarproblem mit Frank reich einzulassen, so dürfte die Feststellung, daß hierzu heute alle Wege verschüttet sind, unmöglich sein. Bon Deutschland aus gesehen könnten Verhandlungen geführt werden nur über die unbedingte Rückgliederung ohne das durch den Versailler Vertrag vorgesehene Botum der Gaarbevölkerung. Das haben die verschiedenen Redner, die als authentische Interpreten des Willens der Reichs­regierung das Saarproblem erörterten, oft genug zum Ausdruck gebracht. Für Frankreich kann es eine Aus einanderseßung über die schwebenden Fragen nur im Rahmen des Völkerbunds in Genf geben, um so mehr als Hitlerdeutschland seinen Entschluß, sich von allen aus der Zugehörigkeit zu der Genfer Institution erwachsenen Ver­bindlichkeiten zu befreien, durch den Austritt aus dem Bölkerbund deutlich genug bekundet hat und die Wieder­aufnahme der Besprechungen über seinen Wiedereintritt kategorisch von der Erledigung der Saarfrage in seinem Sinne abhängig macht.

Deutsche Stimmungskrise

Zu diesem Thema schreibt die Neue Züricher Zeitung" ( Nr. 143):

Die Vorschläge Christins hätten einen Sinn gehabt, wenn als Vertragspartner Frankreichs in Deutschland ein System bestanden hätte, das in der unbedingten Ein­System bestanden hätte, das in der unbedingten Ein­haltung bestehender oder zu begründender vertraglicher Verpflichtungen eine prinzipielle Bindung und nicht eine bloße Zweckmäßigkeitsmaßnahme gesehen hätte. Aber- und hier scheinen die wesentlichsten Einwände gegen die blendenden Gedankengänge des ehemaligen Direktors der franco- saarländischen Handelskammer zu liegen- be stände in Deutschland nicht eine nationalsozialistische Regierung, so könnte es an der Entscheidung der Saar­bevölkerung und auch des Bölkerbunds keinen 3meifel über die Selbstverständlichkeit unbedingter Rück gliederung geben. Ein politisches Saarproblem existiert eben erst seit dem 30. Januar 1933, und wie eminent politisch das Problem schlechthin ist, beweist gerade die Tatsache, daß die heute im Brennpunkt der Auseinandersetzungen stehenden wirtschaftlichen Fragen bis zum Sieg des Nationalsozialismus in Deutschland nicht einmal ventiliert wurden. Das Land ist ausgesprochen deutsch , an dieser Tatsache läßt auch Christin keinen 3weifel, und er befürchtet daher für Frankreich eine schwere Enttäuschung für den Fall der Abstimmung. Mit diesen Feststellungen darf er zweifellos recht behalten; so sehr man auf französischer Seite und in den Kreisen der Anschlußgegner geneigt ist, die Entscheidung aus dem Trommelfeuer nationaler Gegensätze auf den verfach lichten Boden sozialer Erwägungen des Lebens interesses zu wälzen, in ihren wesentlichsten Teilen ist die Entscheidung doch getragen von dem rein politischen Gesichtspunkt einer Abstimmung für oder gegen den Nationalsozialismus und sein System. Diese Fragestellung bedingt es, daß zweifellos jede Befragung der Gaarbevölkerung für Frankreich eine Enttäuschung fein wird, da jede gleichwie immer geartete Entscheidung gegen Hitler noch nicht als Votum für Frankreich gedeutet werden darf. Die Tätigkeit des Völkerbundes bei der Verwaltung des Saargebietes hat durchaus nicht so evident den Vorzug dieses Regimes vor anderen erwiesen, als daß selbst die Erklärung für den Status quo als Vertrauensvotum für das jetzige Regime gewertet werden dürfe. Da aber diese Möglichkeit als einzige der im Versailler Vertrag vorgesehenen Möglich keiten der Ablehnung des faschistischen Diktaturregimes bleibt, ist für den Fall der Abstimmung die Entscheidung der Saarbevölkerung absolut offen. Nichts wäre falscher als die Auffassung, die durchgehende Ernüchterung, die heute ganz Deutschland von den Arbeiter- bis tief in die Mittelschichten erfaßt hat, bliebe ohne Wirkung auf das Votum der Saarbevölkerung.

Begeisterung ist ein Ausnahmezustand der menschlichen Seele und läßt sich nicht wie eine Ware auf Eis konservieren; die Wirkung auch der geschichtesten, hinreißendsten Propa ganda, in der die Nationalsozialisten unbestritten Meister sind, findet ihre Grenzen in der Aufnahmefähigkeit der Menschen, an die sie sich richtet, und dieje Grenzen find in dem verflossenen ersten Jahr der nationalsozialistischen Herr­fchaft manchenorts erreicht oder sogar bis zu dem Punkte, wo sie die angestrebte- Wirfung ins Gegenteil verfchren fann, überschritten worden. Zu diesem Gefühl einer gewissen Ueberfättigung gesellt sich bei vielen Bürgern des dritten Reiches" eine Stimmung der Enttäuschung und Er nüchterung darüber, daß die politische Umwälzung vom März 1933 nicht alles das gebracht hat, was man von ihr erhoffen und erwarten zu dürfen glaubte, Wenn die natio­nalsozialistische Presse heute feststellt, daß Hitler keine gol­denen Berge versprochen habe, so braucht man ihr nicht zu widersprechen, weil es auf den konkreten Inhalt der vom Nationalsozialismus gemachten Versprechungen weit weniger ankommt als auf die ebenso unbestimmten wie kühnen Hoff­nungen und Sehnsüchte, die er in den Jahren seines Kamp­fes um die Macht in den Herzen seiner Anhänger zu er­wecken verstanden hat. Die lichte Kehrseite der vom Na­tionalsozialismus den Massen eingehämmerten Ueberzeu­gung, daß alle die wirtschaftlichen Bedrängnisse und poli tischen Belastungen Deutschlands in den Nachkriegsjahren die Schuld eines fluchwürdigen politischen Systems" seien und persönliche Gesinnungsschlechtigkeit der Regierenden den Wiederaufstieg des Reiches verhindere, war ja eben der Glaube, daß es genügen werde, das" System" zu stürzen und eine Regierung von unzweifelhaft gutgesinnten, uneigen­nüßigen Männern einsetzen, um alles zum Bessern zu wen­den. Diese maßlose Ueberschäßung subjektiver Momente, die nichts Geringeres als ein Wunder der politischen und wirt­schaftlichen Erlösung von einer einzigen nationalen Wil­Iensanspannung erhoffte, rächt sich heute an dem neuen Re­gime, das seinerseits ebenso mit gewaltigen objektiven Hin­dernissen des Wiederaufbaues und mit einer unglaublich schlechten Erbschaft"( Reichswart") zu ringen hat wie die früheren Regierungen der auf den Trümmern des Kaiser­reiches errichteten Weimarer Republik , denen der National sozialismus nie das beneficium inventarii" zubilliger wollte. Im demokratisch- parlamentarischen Staate ist es ein bekannter und natürlicher Vorgang, daß eine an die Re gierung gelangte Oppositionspartei später einen Teil der Anhänger von sich absplittern sieht, wenn diese Anhänger thre Erwartungen und Wünsche nicht in erhofftem Maße er füllt ſehen; der Nationalfozialismus, der. eine Partei der Diktatur ist, erlebt den gleichen Vorgang in der platoni­scheren Form einer durch Miesmacher, Kritikaſter, Wübl mäuse usw. hervorgerufenen Stimmungskrise.

Möglichkeit terroristischer Willensbeeinflussung beinahe ausgeschlossen erscheint, und der gleichzeitg Mitglied der ,, deutschen Front" ist, darf als symptomatisch angesehen werden. Während in diesem Beispiel es dem Betreffenden gegeben ist, sowohl dem Zuge seines wirtschaftlichen wie seines politischen Herzens" zu folgen, besteht in weiten Kreisen der Saarbevölkerung, die zum großen Teile zudem noch dem ständigen Druck der Nationalsozialisten aus gesetzt ist, ein heftiger Gewissenskonflikt, der gerade da­durch an Schärfe gewinnt, daß er fälschlich zu einer Ent­scheidung für oder gegen Deutschland zugespitzt wird. In Wirklichkeit und das kann nicht oft genug gesagt werden handelt es sich und darf es sich nur um eine Entscheidung für oder gegen das faschistische System in Deutschland handeln. Die Entscheidung also wenn sie nicht auf Rückgliederung lautet sollte daher immer nur als dilatorische, nicht endgültige anzusehen sein.

So gesehen verliert das von Christin aufgeworfene Problem seinen Sinn. Die aus dem Saarproblem erwach­fenden Konfliktstoffe stellen- welche Reglung auch immer eine immanente Bedrohung des getroffen wird­europäischen Friedens dar. Die bestehenden politischen Kräfteverhältnisse, die voraussichtlich auch zur Zeit der Ab­stimmung noch bestehen werden, erlauben eine endgültige Bereinigung der nun einmal dank dem unglückseligsten aller Verträge aufgeworfenen Fragen nicht. So unange­nehm und schwer verdaulich für die deutsche Wirtschaft das Saargebiet im Falle der Rückgliederung auch wäre, so sehr die innersten Wünsche aller Beteiligten auch eine Hinausschiebung der Entscheidung erstreben, zu einer endgültigen Neutralisierung des Saargebiets würde sich das heutige Deutschland nie verstehen.

Die Vorschläge Christins sind immerhin einer ernsthaften Diskussion wert, der Gedanke an ihre Realisierung aber muß als utopisch bezeichnet werden. Auf beiden Seiten ist allzuviel gegen den Gedanken der Verständigung gesündigt worden, als daß in den französisch- deutschen Beziehungen eine Atmosphäre herrschte, die einem solchen Projekt der Befriedung der Saar Aussicht auf Erfolg gäbe. Hinzu kommt mie selbst die französische Presse beinahe ein hellig zum Ausdruck bringt, daß von französischer Seite allzulange das Saargebiet nur als eine Art koloniales Ausbeutungsobjekt betrachtet wurde und daß alles ver­säumt wurde, den Gedanken der Völkerverständigung da, wo man ihn am finnfälligsten hätte bekunden können, in die Praxis umzusetzen.

Schließlich fehlt der nötige Garant für die wirksame Erhaltung der Befriedung eines so kleinen Gebietes, das zur Klärung seiner Beziehungen zu den beteiligten Mäch­ten einer uninteressierten" Rontrollinstanz bedürfe. Es wird keinen noch so entschiedenen Verfechter des Völker­bundes geben, der in ihm jenen Garanten erblicken kann. Die Unfähigkeit dieses Instituts zur Lösung der vor seinem Forum aufgeworfenen Probleme ist noch gesteigert worden durch den Austritt Deutschlands , dessen Bindung im Rah­men des Völkerbundes aber geradezu conditio sine qua non des Projektes ist. Und von welchen Imponderabilien Deutschland den Wiedereintritt abhängig macht, haben wir oben zum Ausdruck gebracht.

Ob eine Lösung der Saarfrage zur Zeit möglich ist,

Betonen wir es nochmals: Soweit es das Votum der Saarbevölkerung angeht, werden die Bemühungen, die eine Verlagerung der Frage auf das rein wirtschaftliche Gebiet erstreben, die das Botum entpolitisieren wollen, zum Scheitern verurteilt sein. Der Fall eines saarländischeint zweifelhaft, wenn sie erfolgen soll, so muß ihre schen Fabrikbesizers, der sich bereits in Frankreich für den Fall der Rückgliederung angekauft hat und bei dem so die

Mit dieser Feststellung ist über die Bedeutung der Leistun gen, die das nationalsozialistische Regime in dem ersten Jahre seiner Herrschaft vollbracht hat und auf die es fich gegenüber den Miesmachern und Kritikastern beruft, nichts Entwertendes ausgesagt, sondern nur der Abstand dieser Leistungen von den viel weiter gehenden gefühlsmäßigen Erwartungen gewisser Volktstreise als eine zur Erklärung der deutschen Stimmungsfrise dienende Tatsache notiert. Daß daneben die Miesmacher und Kritikaster für ihren von der Regierung in Acht und Bann geschlagenen Peffemismus noch besonders aktuelle Gründe geltend machen könnten, die sich auf die gegenwärtige Lage Deutschlands im Innern und nach außen beziehen, wird auch in einem Teil der national­sozialistischen Presse indirekt zugegeben. Der Nationalsoja­lismus hat in der Richtung der Schaffung einer innerdeut­schen Notgemeinschaft durch mehrere große Aktionen( Win­terhilfe, Arbeitsbeschaffung usw.) Bemerkenswertes voll­biacht; aber eine entscheidende und radikale Besserung der Lage hat er nicht herbeiführen können, weil sie auf dem Wege binnenwirtschaftlicher Maßnahmen und sozialer Aus­gleichsaktionen überhaupt nicht herbeizuführen sein dürfte, sondern die Wiederherstellung und den Ausbau der Bezie hungen zum Ausland auf der Basis vollen gegenseitigen Vertrauens zur Voraussetzung hat. Solange die rückläufige Bewegung, die auf diesem Gebiete durch die Machtergreifung des Nationalsozialismus eingeleitet worden ist, sich fortsetzt, ist nicht abzusehen, welches Schicksal das Schiff Deutsch­ land " auf seiner jeßigen Sturmfahrt( Reichswart") noch erleben wird.

Der Völkische Beobachter" und andere nationalsozialistische Blätter haben übereinstimmend die sogenannte gute Ge­sellschaft" als den eigentlichen Herd der als Miesmacherei bezeichneten Erscheinung denunziert. Daran ist nach unsern Beobachtungen insofern etwas Richtiges, als zweifellos weite Kreise des gebildeten deutschen Bürgertum 3, un­beschadet der früheren Parteizugehörigkeit. Heute eine ziem lich fritische Stellung gegenüber dem Regime einnehmen, das sie zum Teil selbst in den Sattel zu feßen geholfen haben Es ist aber durchaus nicht die Straffheit der politischen Füh rung, die in diesen Kreisen grundsäßlich am meisten Anstoß erregt; die Kritif richtet sich gegen gewiffe Formen und Afte der nationalsozialistischen Parteiherrschaft, bei dener Sie Grenze zwischen Nationalsozialismus und Nationalbol chewismus in Fließen gerät, und vor allem gegen die kul ' urelle Niveaulosigkeit in manchen Bezirken des national ezialistischen Parteibetriebs, der heute auch die der Parte richt angehörigen Streise auf dem Wege über eine Reihe von

Organisationen und Veranstaltungen wie Arbeitsfront"

Gitler- Jugend. SA. - Dienst der Studenten, Schulungskurs usiv. erfaßt. Was die Nationalsozialisten den Rastendünkel'

dieser Kreise des Bürgertums nennen, ist zum guten Zei nichts anderes als das Bewußtsein, ein Erbe an kulturellen Werten, wissenschaftlicher Bildung, sachlichem und fachlichem

erste und legte Vorbedingung die Garantie einer freien, unbeeinflußten Willensentschließung des Saarvolks sein.

Können zu verwalten, dessen auch das neue Deutschland für jedes Werk des Wiederaufbaues dringend bedarf; die Miẞ= achtung des Geistes, die auf gewissen und nicht immer nur den untersten Stufen der nationalsozialistischen Parteihierar­chie gepflegt wird, die bis zum Erzeß gehende Betonung des Primats biologischer Gesichtspunkte für die Wertung der Persönlichkeit im dritten. Reich" muß auf sie verleßend wir­fen und droht sie dem Regime innerlich umso nachhaltiger zu entfremden, je mehr sie äußerlich der Gleichschaltung" ver= fallen sind. Wenn beispielsweise der Führer der Arbeits­front" davon spricht, daß der Herdengeruch unserer Rasse das Höchste und Edelste" sei, so wird man entpfindlichen Na­turen nicht verwehren können, darüber im stillen Kämmer­lein die soeben parteiosiig ell zum ersten der Sinnesorgane erhobene Nase zu rümpfen, und wenn die Geheimräte eines der wichtigsten Reichsämter sich in einem nationalsozialisti= schen Schulungskurs den von Sachkunde ungetrübten Vor­trag irgendeines Pg. aus Köpenick über das von ihnen täg lich mit saurem Schweiß beackerte Gebiet anhören müssen, ist es unvermeidlich, daß in ihres Busens Schwärze despek­tierliche, ja geradezu miesmacherische" Gedanken entstehen.. Es ist kein Zweifel: viel Miesmacherei und Kritikasterium fließt aus Quellen, die das nationalsozialistisch: Regime nicht mit einem Propagandafeldzug wird verstopfen können.

Ein Schweizer , der unlängst von einem Aufenthalt in Deutschland zurüdgefehrt ist, hat das Ergebnis seiner Beo­bachtungen in diesem Blatte dahin zusammengefaßt, daß sich das Vertrauen und die Verehrung für Hitler und die oberste Führung befestigt, aber auch die scharfe Gegen­jäßlichkeit zwischen den untern Parteiorganen und Dienststellen und dem Volk verstärkt habe. Diese Auffassung, die mit den Eindrücken anderer Beobachter übereinstimmt, enthält ein wichtiges Element zur Beurteilung der heutigen deutschen Stimmungskrise. Troß allem, was über die be= sondere Befähigung der faschistischen und nationalsozialisti schen Systeme gesagt und geschrieben wird, ist es klar, daß die persönlichen Eigenschaften, die für die Teilnahme an einer faschistischen" Bewegung und für die Erringung einer führenden Stellung in derselben maßgebend find, nicht ohne weiteres zusammenfallen mit den für die Bekleidung von Regierungs- und Verwaltungsstellen erforderlichen Quali­äten. Mussolini hat nach der Machtergreifung einige Beit ebraucht, um sich der schlechten Ruderer in der Bemannung einer Galeere zu entledigen; aber er hat sich schließlich hrer entledigt, und heute verfährt der Duce mit jouveräner Rücksichtslosigkeit auch gegenüber den ältesten und verdien­esten Parteigenossen, wenn er den rechten Mann an den rechten Play stellen will. Hier liegt auch für den deutschen Nationalsozialismus ein Problem von Kapitaler Bedeutung, essen Lösung aber durch den Feldzug gegen die Miesmacher und Kritikaster, der eine Stimmungsfrise mit den Mitteln der politischen Propagandatechnik zu überwinden versucht. feinen Schritt näher gebracht wird.