Deutsche   Stimmen Beilage zur Deutschen Freiheit". Ereignisse und Geschichten

Sonntag- Montag, den 3. und 4. Juni 1934

Massenseele im Trommelfeuer

Ein Kapitel von politischem Ecfolg

Der Erfolg ist etwas Bestechendes: die Bewunderer fliegen ihm nur so zu! Jeder Erfolgreiche gilt in der Oeffentlichkeit als einer, der etwas können muß, denn von nichts wird nichts, von allein entsteht kein Erfolg und wie die in solchen Fällen landläufigen Redensarten sonst noch heißen mögen. Richtig, ohne irgendwelches Können gibts keinen Erfolg, fragt sich nur, ob es sich dabei um sozial wertvolles, um jenes Können handelt, das der Erfolg so gern vortäuscht und ob Bluff und Maskierung dabei die größere Rolle spielen.

Da der Erfolg ein sozial wichtiges Phänomen ist, gibt es gründliche, wissenschaftliche Durchleuchtungen dieses Pro­blems und die Ergebnisse sind für den sogenannten, gesunden Menschenverstand" nicht gerade schmeichelhaft. Auf die Um­weltkonstellation kommt es an, wer oder was in bestimmten Zeiten erfolgreich ist, da diese Umwelt aber einem ständigen. Wandel unterworfen ist, wandeln sich auch die Erfolgschancen und Möglichkeiten fortgesetzt. Große und kleine Demagogen etwa, die in ruhigen, normalen Epochen unbeachtet bleiben oder als Bierbankschwadroneure ein führen würden, können in Zeiten sozialer Wirren und Er­krankungen schnell in den politischen Vordergrund geraten. Aber unabhängig von den sozialen Voraussetzungen, wird der Erfolg immer von zwei Faktoren bestimmt, die Dr. Gustav Ichheißer in seinem Buch über Die Kritik des Erfolgs" wissenschaftlich erörtert und damit die Fragwürdigkeit des Erfolgreichen bloß legt: die Leistungstüchtigkeit und die Erfolgstüchtigkeit beides zwei durch­aus verschiedene Werte.

anonymes

Dasein

Im beruflichen wie im politischen Leben gehören zur Leistungstüchtigkeit alle jene Qualitäten der Per­sönlichkeit, die nötig sind, um sozial Wertvolles zu schaffen: fachliches Können und Talent ebenso wie Methode, Fleiß, Umsicht, Energie, also sozial hochwertige Eigenschaften. Die Erfolgstüchtigkeit hingegen hat noch andere Vor­aussetzungen: Ausnützung guter Beziehungen, Protektion, Re­klamefähigkeit, bedenkenlose Herabsetzung der Leistungen des Konkurrenten, skrupellose Ausnützung gewisser günstiger Konjunkturen, Kenntnis und Ausbeutung der menschlichen Schwächen, kurz: sozial unterwertige Eigenschaften, die das faktische Niveau der angepriesenen Leistung in keiner Weise erhöhen, wohl aber den Schein der Leistungen und damit die Erfolgschancen. Ich heißer sagt dazu:

,, Im Bereiche der seelischen Sensibilität darf die ,, Dick­häutigkeit" als die spezifisch erfolgspositive, die sensitive ,, Dünnhäutigkeit" als die spezifisch erfolgsnegative Eigen­schaft gewertet werden..

66

Leistungsminderwertigkeit kann durch entsprechende( re­klamegewandte) Erfolgstüchtigkeit ausgeglichen, die schlech­teren Schuhe können dadurch zu besseren gemacht werden. Rundfunkreden, Umzüge, Uniformen können eine Weile po­litische Taten ersetzen und über unerfüllte Versprechen hin­wegtäuschen. Den Anteil der Leistungstüchtigkeit und der Erfolgstüchtigkeit an der Konstituierung der Erfolgschancen bringt Ichheißers Untersuchung durch folgende Formulierung zum Ausdruck:

,, Setzen wir die Gesamtheit der subjektiv, d. h. vom Ver­halten( also nicht von der Umweltkonstellation) her be­

bit

dingten Erfolgschancen mit 100 Prozent an, dann läßt sich sagen, daß an der Begründung dieser Erfolgschancen die Leistungstüchtigkeit und die Erfolgstüchtigkeit in un­gleichem Maße beteiligt sein können. Konkurrieren zwei Individuen miteinander und ist die Leistungstüchtigkeit des einen mit 50 Prozent, die höhere Leistungstüchtigkeit des anderen mit 80 Prozent etwa anzusetzen, mit welcher letzteren keine Erfolgstüchtigkeit verbunden ist, dann kann dennoch der Erstgenannte seinen Konkurrenten über­flügeln, weil er seinen 50 Prozent Leistungstüchtigkeit weitere 50 Prozent Erfolgstüchtigkeit hinzufügt und dieser­art die beiden erfolgsrelevanten Faktoren zusammen ein höheres überlegenes Erfolgsgewicht erlangen.... Das ,, Gute, Schöne und Wahre" ist also durchaus nicht mit Kräften begabt, die seinen Sieg automatisch garantieren, zu­mal in der politischen Sphäre gerade die unschöpfe. rische Erfolgstüchtigkeit mit raffinierten Ver­kleidungen auftritt, denn der Politiker oder seine Bewegung sind nur erfolgreich, wenn sie als leistungstüchtig gelten. Und so täuscht denn der Programmlose sein Geheimprogramm" um so lauter vor und der Dilettant sein ,, Fachwissen". Durch solches zweckrationales" Verletzen aller sozialen Normen und Spielregeln steigen die Erfolgschancen des Betrüge­rischen, so daß im Wettlauf um den Erfolg der mit dem ge­ringsten sittlichen Ballast den bequemsten Start hat. Das ..machiavellistische Verhalten", wider Treu und Glauben mit allen zweckdienlichen Mitteln auf Gewinn, Macht, Erfolg auszugehen, bringt hemmungslosere Minderwertige den an sittliche Normen gebundenen, sittlich Höherwertigen gegen­über immer wieder in Vorteil. Und so gesehen verlieren die Worte Machiavellis, wonach es Tugenden gibt, die zwangs­läufig zum Untergange führen, und manche Laster, die sicheren Erfolg verbürgen, jeden Anschein von Paradoxie. In der Sphäre, dieser ,, Laster  " sind die Kriminellen heimisch, und so erklärt sich, warum der faschistische Erfolgsrummel unserer Tage soviel Kriminalistisches in seinen Reihen vereint.

-

ist das, was der Soziologe die Selbstverschleie­rung des Erfolgs" nennt. Auf der Zuschauerseite, im sozialen Bewußtsein, sind Mechanismen am Werke, die das Fragwürdige der Erfolgstüchtigkeit maskieren. Erfolg geht alle an, denn die meisten Menschen suchen ihn, weil uns die menschliche Umwelt unter anderem auch nach dem je­weiligen Erfolg bewertet. Von dieser Umweltbewertung hängt zuletzt auch unser Selbstbewußtsein ab. Das Bedürfnis, den Erfolgstüchtigen auch als leistungstüchtig anzuerkennen, lebt seit jeher in den Menschen, weil sie sich ja auch jeder in den Größenverhältnissen seines Lebensraumes vom Erfolg als tüchtig bestätigt sehen möchten. Gilt es bei einem, gilt es bei allen. Daraus ergibt sich die unbewußte Bereitschaft, erfolgstüchtig gleich leistungstüchtig zu setzen, ein innerer Zustand, der auch im sozialen Leben zu op­tischen Täuschungen führt. Wir können tausendmal wissen, daß Schienen parallel verlaufen, im konkreten Falle werden unsere Augen der Täuschung, daß die Schienen zusammen­laufen, immer wieder erliegen. Und wir können tausendmal durch Lebenserfahrung wissen, mit welch dreckigen Mitteln und unzulänglichem Können oft Erfolge errungen werden- vor der Macht des konkreten Erfolgseindrucks verblassen die prinzipiellen Einsichten: die optische Täuschung tritt ein, Erfolgstüchtigkeit wird als Leistungstüchtigkeit hinge­

nommen.

zum

Gegen diesen faulen Zauber, der den Bluff siegen und die Qualität unterliegen läßt, gibt es nur ein Mittel: Erzie kritischen des Zuschauers hung Denken, Aufklärung über die Rolle der Täuschungs­mechanismen. Soziologen wie Ichheißer fordern, daß man damit in der Schule beginne. Aber hier sind die Grenzen der bürgerlichen Pädagogik; sie darf nicht zugeben, wie sehr gerade die bürgerlich- kapitalistische ,, Ordnung" auf unwahr­haftigen Erfolgsideologien aufgebaut ist und kann den jungen Menschen kein neues, besseres Weltbild geben. Um so dringlicher erwächst der sozialistischen   Agitation die Auf­gabe, kritisches, selbständiges Denken zu fördern, das Ge­bluffe, den Schwindel und die Gemeingefährlichkeit der Kurpfuscher aller Art niederzukämpfen und ihre Gebote blinden Glaubens und Gehorchens als das zu entlarven, was sie sind: Verschleierungen ihres Humbugs und ihrer Unter­Bruno Brandy. wertigkeit.

Aber das Publikum ist doch auch noch da! Das hört Christiane hat Mut

und sieht doch, wie ein Erfolg zustande kommt! Das ,, macht" ihn ja überhaupt erst und das muß doch unterscheiden können zwischen den lauteren und den unlauteren Mitteln?! Leider sehr oft nicht, denn so leicht machts dem Zuschauer der routinierte Erfolgstüchtige namentlich in der Politik nicht. Je mehr er lügt, desto eifriger wird er versichern, daß er die Welt von der Lüge reinigen wolle. Je gottloser er handelt, desto lauter wird er Gott anrufen, wenn das Pu­blikum, das er gewinnen will, in religiösen Traditionen lebt. Je korrumpierter er und seine Partei sind, desto heuchle­rischer wird er über die Korruption der Gegner" zetern und Reinigung verheißen. Grundsätze täuscht er vor, um sie über Bord gehen zu lassen, sobald sie unbequem werden. Jede Veränderung der Situation findet ihn anpassungsfähiger, als den mit sittlichen und grundsätzlichen Auffassungen Be­schwerten. Der Gesinnungslose ist dem Mann einer Gesinnung infolge größerer Bewegungsfreiheit immer an Erfolgstüchtig­keit überlegen.

Was dem Zuschauer aber die Dinge noch mehr vernebelt,

noch einmal: Deutsche an der Riviera

In unserer Ausgabe vom 23. Mai brachten wir einen Deutsche  Artikel von Benito: ,, Deutsche   flanieren tippeln und die Riviera." Wir erhalten als Ergänzung zu diesem Artikel die folgenden Ausführungen: An dieser Stelle ist vor einigen Tagen das Problem Deutsche   an der Riviera" behandelt worden sicht nach nicht erschöpfend genug. Mein Kollege Benito hat nämlich einen Besucherfaktor völlig unberücksichtigt ge­lassen: die Emigranten, die die Cote d'Azur   bevölkern.

-

meiner An­

Emigranten, das ist ein sehr dehnbarer Begriff. Kann man Leute, die ohne zwingenden Grund das dritte Reich" ver­lassen haben und es vorziehen, ihre Gelder statt unter Haken­kreuzfahnen unter dem blauen Himmel des Südens zu ver­zehren, überhaupt als Emigranten" bezeichnen? Sie selbst bezeichnen sich manchmal gerne so. und die Franzosen be­trachten sie ebenfalls als Flüchtlinge".

Dazu ist einiges zu sagen.

Vor einigen Monaten ging durch die französische   Presse die Meldung, daß in einem Nizzaer Hotel eine Tänzerin einen Mann durch einen Revolverschuß schwer verletzt und sich dann selbst erschossen hat. Dieser Fall würde uns nicht interessieren, hieße der Mann nicht Dr. Alfred Meyer   und wäre er nicht Anwalt und Antiquar in Trier   gewesen. Ge­wesen. Die strengen Maßnahmen der Hitler  - Regierung zwangen ihn," schrieb die Nizzaer Zeitung ,,, Deutschland   zu verlassen und sich in Zürich   zu etablieren." Also- ein Emigrant!

Jedes Jahr," so fährt das Blatt fort ,,, kam er für zwei oder drei Monate nach Nizza  , um hier ein fröhliches Leben zu führen. Dr. Meyer war eine bekannte Persönlichkeit in Nizzas   Nachtlokalen."

Die Ereignisse in Deutschland   hinderten ihn aber keines­wegs, sein fröhliches Leben in Nizza   fortzusetzen und hier jede Nacht Unsummen in den Nachtlokalen zu verprassen.

95

Ein Emigrant!" sagen die Franzosen.

Und so wie ihn gibt es hier Hunderte und Tausende. Blättert man in den Fremdenlisten von Nizza  , Cannes  , Monte Carlo  : unter den Gästen der großen Luxushotels findet man immer wieder Namen, die deutlich genug sprechen.

Der Wirt eines großen Nachtlokals versicherte uns, 50 Prozent seiner Gäste seien deutsche Emigranten", und sie seien seine besten Kunden.

Sie sind auf den Rennen, bei den Regatten, bei den Auto­

.

schen Flüchtlinge spricht( denn es gibt auch genug dieser Art in Nizza  ), dann bekommt man zur Antwort: ,, Wenden Sie sich doch an Ihre reichen Landsleute!"

Der Leiter des Nizzaer ,, Comité d'Aide aux victimes de l'Hitlerisme" erzählte uns, wie er vergeblich bei einigen dieser reichen ,, Emigranten" um kleine Beiträge für das Hilfs­komitee bat. Und das Schlimmste ist eben, daß die Franzosen  den Unterschied wohl sehen zwischen der Lage dieser beiden Gruppen von Flüchtlingen, nicht aber begreifen können, daß es unter Kapitalisten noch nie eine Solidarität gegeben hat, auch nicht, wenn sie zufällig derselben Religion waren.

Wie sich diese Leute ihren notleidenden Glaubens- und Schicksalsgenossen gegenüber benehmen, davon einige Bei­

spiele:

Ein junges deutsch  - jüdisches Ehepaar, aus Deutschland   ver­trieben, versucht, sich durch einen kleinen Krawattenhausier­handel durchzuschlagen. Zufällig wird auch einem reichen ,, Emigranten" eine Krawatte zum Kauf angeboten. Was ant­wortet der Herr? ,, Ich bin doch selbst Flüchtling, ich weiß nicht, was ich hier anfangen soll, um Geld zu verdienen. Ich habe mit meiner Familie auch nur noch für die nächsten 12 Jahre zu leben." Das bedeutet, da der Mann täglich für seine Familie und sich in dem Hotel, in dem er wohnt, 180 Franken bezahlt, steht ihm eine Summe von mindestens 850 000 Franken zur Verfügung. Aber eine Krwatte für 12 Franken kann er nicht kaufen; er ist selbst ,, Flüchtling".

Ein anderes Beispiel: Wir unterhalten uns mit einem ,, emi­grierten" Pelzhändler aus Leipzig   darüber, was man abends so in Nizza   anfangen könne. ,, Ich gehe fast jeden Abend ins Kasino," erzählt er uns. ,, Verlieren Sie viel beim Spiel?" fragen wir. ,, Nein, das ist nicht so schlimm, selten mehr als 100 Franken am Abend."

Diese Beispiele könnte man beliebig fortsetzen. Da ist die Familie, die im größten Luxushotel von Nizza   wohnt und für ihre Zimmer ,, nur" 80 Franken pro Tag bezahlt; da ist der weltbekannte Chefredakteur einer großen Berliner Zeitung  , der einen jämmerlichen Betrag gibt für einen Flüchtling, der ein Fahrrad braucht, um nach dem Saargebiet zu können, wo er Arbeit hat; da ist ein westfälischer Gutsbesitzer, der nach seiner eigenen Aussage steinreich ist und einer Emigrantin für 2 Stunden Diktat und Maschinenschreiben auf der eigenen Maschine 5 Franken 80 Pfennige bezahlt, was pro Stunde zirka 30 Pfennige sind; solche Leute sind hier zu auch Hilfsbereite unter diesen reichen Emigranten, aber sie sind sehr selten....

turnieren. sie sind überall da anzutreffen, wo die elegante Dukeyif vertreten. Gewiß, es gibt auch Ausnahmen, es gibt

Welt sich trifft.

Wenn man dann mit Franzosen über die Notlage der deut­

Künstlerflucht aus Deutschland  

Christiane Grautoff  , eine junge Berliner   Film- und Bühnen­schauspielerin, die Deutschland   vor einigen Tagen verlassen und in London   eingetroffen ist, gab vor Vertretern der eng­lischen Presse interessante Erklärungen über die Kunst im ,, dritten Reich" ab. ,, Ich habe keine Spur jüdischen Blutes in meinen Adern," sagte sie ,,, aber ich konnte als Künstlerin nicht länger mit ansehen, was Hitler   in den Bezirken der deutschen Kunst anstellt. Ich werde nicht nach Deutschland  zurückkehren, so lange Hitler an der Macht ist. Man geht im ,, dritten Reich" so weit, Shakespeare   zu fälschen, um die Doktrin des dritten Reiches" zu propagieren; man macht aus Shylock   ein unmenschliches Monstrum und aus Jessika eine giftige Schlange. Schauspiele und Filme und benutzt sie ausschließlich zu Propagandazwecken. Das einzige Sujet ist: ,, Nazi- Deutschland über alles." Die Unzufriedenheit unter den Künstlern ist groß, aber niemand wagt, den Mund auf­zutun. Kunst existiert nicht mehr in Deutschland  ."

Wenn man vormittags über die Promenade des Anglais geht, hört man fast nur deutsch   sprechen. Wir haben uns das Vergnügen gemacht, auf einer Bank sitzend ein bißchen zu stenografieren:

994.

was glauben Sie, was die Person verlangt? Free Verpflegung und dreihundert Franken monatlich! Natürlich, ein Flüchtling. Statt froh zu sein, daß man ihr das Essen gibt. Sie hat nicht einmal eine Arbeitskarte. Und ich habe gar nicht verlangt, daß sie die gröbste Hausarbeit macht. Sie sollte nur auf die Kinder aufpassen und ein bißchen mit anfassen. Natürlich habe ich sie nicht genommen....

994-->

.. doch, bei T., habe ich etwas Passendes gefunden. Ein weißes Complet, mit Pelz besett, halblang. 900 Franken. Halb geschenkt, nicht wahr...."

..... essen jetzt bei S. Reizend eingerichtet, und glänzende Küche. Und gar nicht teuer. Prix fixe ohne Wein 25 Franken. Aber prima! Vorher haben wir im R. 40 Franken bezahlt, das war nicht halb so gut...."

Kommen Sie heute abend zu Raquel Meller  ? Sie singt im ,, Artistique". Ich kann Ihnen eine ermäßigte Karte besorgen, 50 Franken mit Souper  . Ich meine, wenn man schon mal hier ist, muß man das doch auch mitmachen...." Das sind die Gespräche, die man in deutscher Sprache täg­lich hier hören kann.

Sie sind emigriert", diese Herrschaften. Mit Schofför, Kindermädchen und Pflegerin. Ihr Wagen mit der Bezeich­nung IA oder IVB rollt geräuschlos über die Promenade. Auch sie sind ,, Emigranten".

Und sie schädigen die wahre Emigration, schädigen sie in jeder Beziehung. Der Franzose sagt sich: ,, Da schreiben sie, die Emigration sei die geistige Elite Deutschlands  . Sieht so das geistige Deutschland   aus?"

Oder er denkt: ,, Wozu sollen wir uns denn um die armen Flüchtlinge kümmern, wenn ihre reichen Landsleute in den Villen in Cimiez siten und die armen am Strand schlafen lassen? Sollen doch erst einmal die etwas tun!"

Leider haben diese Franzosen nicht Unrecht.

Aber die Emigranten" in Anführungszeichen   wollen nicht begreifen. Daß wir hier nicht Herrn Dr. Goebbels   das Wort reden wollen, wird keiner unserer Leser bezweifeln. Und doch muß man feststellen:

Sie benehmen sich, als sei die Promenade des Anglais in Nizza   der Kurfürstendamm   in Berlin  . Sie provozieren nicht nur die wahren Emigranten, sondern sie machen sich oben­drein bei den Franzosen so unbeliebt wie möglich.

Schon flackert grade hier in Nizza   eine neue Welle des Antisemitismus auf. Mögen sich die, die es angeht, diese Zeilen etwas zu Herzen nehmen, um sich und vor allem was eine neue Emigration zu ersparen! Georg Wilman

.