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Freihei

Einzige unabhängige Tageszeitung Deutschlands

A

Nr. 128 2. Jahrgang

Saarbrücken , Donnerstag, 7. Juni 1934

Chefredakteur: M. Braun

Aus dem Inhalt

Die Pforten der Hölle

Seite 2

Frei sei die deutsche Saar

Seite 3

mangel und Teuerung

Seite 4

Holland über das ,, deitte Reich"

Seite 7

Führer zum Bankrott Gestern und heute

Der Herr Reichspropagandaminister hat vor wenigen Ta­gen den Befehl erteilt, die letzten jüdischen Künstler auf der Bühne und im Film zu entfernen, auch diejenigen, die

Die Reichsregierung hat das Gold für den Rückkauf mehr oder weniger" nichtarisch verheiratet sind. Die Folge der Saargruben verwirtschaftet

Beschließt der Völkerbund die Vereinigung des ganzen Saarbedengebietes oder eines Teiles mit Deutschland , so hat Deutschland die Eigentumsrechte Frants reichs an den in diesem Gebietsteil gelegenen Gruben im ganzen zu einem in Gold zahlbaren Preise zurüdzukaufen. Dieser Preis wird durch drei nach Stimmenmehrheit beschließende Sachverständige festgelegt; einer dieser Sachverständigen wird durch Deutschland , einer von Frankreich und einer, der weder Franzose noch Deutscher sein darf, vom Völkerbund( im Englischen: vom Rat des Völkerbunds) ernannt.

Saarstatut von Versailles .

Im Falle einer Rüdgliederung des Saargebietes an Deutschland muß also das Deutsche Reich an die französische Republik eine von Sachverständigen festzuseßende Summe für die Saargruben zahlen. Die ernsthaften Schäzungen über den Wert der Gruben schwanken zwischen 180 und 300 Millionen Reichsmart. Nehmen wir einmal den für Deutsch­ land sehr günstigen Fall an, es gelinge eine Einigung auf 200 Millionen Reichsmark in Gold.

Solange Margisten, Sentrumsleute, Demokraten und andere Sorten Landesverräter in den berüchtigten vierzehn Jahren deutscher Schmach das Reich regierten, bestand über das Schicksal des Saargebietes in den beiden entscheidenden Fragen volle Gewißheit:

1. Die gesamte Bevölkerung mit Ausnahme vielleicht einiger Einzelgänger war für die sofortige Wieder vereinigung mit dem deutschen Mutterlande, während jetzt ein harter Kampf tobt. Nicht um das selbstverständliche Deutschtum des Saarvolts, sondern um seine Freiheit gegen die Barbarei der deutschen Diktatur.

2. Jede Reichsregierung vor Hitler wäre in der Lage gewesen, unmittelbar nach der Entscheidung des Völker­bundes den festgesetzten Wert der Saargruben in Gold zu zahlen und somit nicht nur die politische, sondern auch die wirtschaftliche Souveränität des Deutschen Reichs über das Saargebiet wiederherzustellen.

Noch Ende des Jahres 1930 wies die deutsche Reichsbank einen Gold- und Devisenbestand von 2685 Millionen Mart aus. Das war die goldschwere Erbschaft, die das letzte " marristische" Reichskabinett Hermann Müller hinterlassen hatte.

Als Reichsfanzler Hitler als nationalen Retter und Be­freier am 30. Januar 1933 berufen wurde, hatte trotz drei Jahren schwerster Krise die Reichsbank immer noch 960 Millionen Reichsmark Gold und Devisenbestände.

Der letzte Reichsbankausweis verzeichnet nur noch einen fümmerlichen Restbest d von 135 Millionen Reichsmark in Gold und Devisen. Der große deutsche Führer hat also inner­

halb fünfzehn Monaten 825 Millionen Reichsmark in Gold allein aus der Reichsbank verwirtschaftet. Dazu mindestens 150 Millionen Reichsmart, die durch das Volksverratsgesetz an Devisen und Gold ausgefämmt worden sind. Dazu das Russengold und einige kleinere Zuflüffe.

Alles in allem: Die Reichsregierung Hitler hat dem deutschen Volke bisher mindestens anderthalb Milliarden in Gold und Devisen gekostet. Der klägliche Reft an Gold und Devisen bei der Reichsbank ist viel fleiner als am Ende des Weltfrieges im November 1918, Er ist auch viel kleiner als am Ende der Inflation im Herbst 1923.

So ungewiß der Ausblick in die Zukunft auch sein mag, für eines bietet uns der ruhmvolle deutsche Führer mit seinen Wirtschaftspaladinen Dr. Schacht und Dr. Schmitt in jedem Reichsbankausweis und in jeder Monatsstatistik des Außenhandels volle Garantie: der Gold- und Devisen­schwund wird anhalten und die dahinsiechende Bestände rasch dem Nullpunkt nähern.

Schon heute reicht der gesamte Gold- und Devisenbestand der Reichsbank nicht aus, die Saargruben von Frankreich zurückzukaufen. Man mag sich ausmalen, wie es mit den Gold- und Devisenbeständen aussehen wird, wenn den unwahrscheinlichen Erfolg der Abstimmung für Hitler vor­ausgesetzt Frankreich die Rechnung für die Saargruben präsentiert.

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Das ist eine Frage, die durch die voreiligen Sieges­fanfaren der deutschen Front" an der Saar und ihre ewigen Flaggenparaden nicht gelöst werden kann, wie über­haupt zum Schmerze der Röchlingfront in den acht Monaten, die uns noch vom Abstimmungstage trennen, die wirtschafts­und finanzrolitischen Fragen starf in den Vordergrund treten werden. Schon jetzt denken viele, sehr viele Geschäfts­leute, wenn sie hinter den befohlenen Fahnen über das Jahr 1935 mit sich philosophieren, mehr an die deutsche Wirtschafts­lage, an die deutsche Währungsfrage und an die deutsche Devisengesetzgebung als an das Horst- Wessel- Lied.

Es ist wirklich nicht die Schuld der Freiheitsfront an der Saar , wenn diese Sorgen so stark geworden sind und sich

jeden Tag vermehren. Erst unter dem Reichskanzler Hitler ist die Rückgliederung zu einem Problem, das Saargebiet zu einer Frage" geworden. Erst der Reichskanzler Hitler und andere Pfuscher haben dem deutschen Volfe eine Kur ver­ordnet, die zur galoppierenden Schwindsucht führen muß.

Mit allen Mitteln lügnerischer Propaganda versucht man, die Erkenntnis der Tatsachen für die Saarbevölkerung zu. verschleiern. Mit jedem Tage mehr aber wird die Wahrheit über die Grenzen des Reichs ins Saargebiet vordringen und dem Saarvolt seine wichtigste politische Aufgabe klar machen: es muß am 13. Januar 1935 der deutschen Abenteurer- und Banfrottregierung eine Niederlage beibringen, um deren Sturz und damit die Rettung Deutschlands zu beschleunigen.

Generalstreik der spanischen Landarbeiter

Von den Sozialdemokraten und Syndikalisten proklamiert

Madrid , 6. Juni.

Entsprechend dem von den Sozialdemokraten gemeinsam mit den Syndikalisten verkündeten Generalstreit der Land: arbeiter, find trotz umfaffender Regierungsmaßnahmen etwa ein Drittel der Arbeiter in den Streif getreten.

Aus Madrid schreibt uns J. W.

Eine dunkle Wolfe schwebt über Spanien : Der Generals fireit der Landarbeiter. In der Geschichte der letzten Jahr­zehnte ist dies wohl der erste Fall, in dem die Landarbeiter­schaft in der ganzen Welt der rechtloseste Proletarier­stand es magt, sich in einer Einzelaftion, aus sich heraus, gegen untragbare Unterdrückungsmethoden aufzulehnen.

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In Spanien macht das Landproletariat mehr als zwei Drittel der Gesamtarbeiterschaft aus. Auf 550 000 Arbeits­Iose insgesamt tommen etwa 400 000 andarbeiter. Wie in feinem anderen Staate sind hier die Landarbeiter gewerkschaftlich organisiert. Der sozialistische Erdarbeiter­perband vereint in sich etwa 200 000 zahlende Mitglieder, dazu kommen die Syndikalisten, die Kommunisten und die die Tagelöhner Kataloniens . Dieser enge Rabassaires"

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ten. Nur auf der Basis organisierter Landarbeiterschaft

hauptsächlich beim Land- Proletariat. Haben Landarbeiter und Bauer ihr Brot, hat es auch die übrige Wirtschaft. Während seiner zweijährigen Arbeitsminister- Zeit ist es

Largo Caballer gelungen, den spanischen Landarbeiter auf einen etwas menschenwürdigeren Lebensstandard zu heben. Ein Gesetz vor allem, trug dazu bei: Das Gesetz zur Eins haltung der Diftrifsgrenzen" d. h. das Gefeß, daß nur die Beschäftigung von im Distrikt ansässigen Arbeitern gestattet.

Dieses Gesetz verhinderte systematisch die Unterbietung der neuen Tariflöhne durch von außerhalb angeworbene, unor­ganiſierte Arbeiter, von jeher forderte es den heftigiten Widerstand der Arbeitgeber heraus.

Als Lerrour und mit ihm der neue Arbeitsminister Samper heute Ministerpräsident, ans Ruder fam, be­gann ein wahrer Sturmlauf des Landunternehmertums gegen die Tariflohngesetzgebung im allgemeinen und das Gesetz über die Einhaltung der Distriktsgrenzen" im beson­deren. Samper versprach die Abschaffung des mißliebigen Gesetzes. Er begann damit, die von Largo Caballero er­nannten Vorfßenden des Schlichtungsausschusses, die über die Durchführung des Gesezes zu wachen hatten, durch vom Unternehmertum vorgeschlagene Elemente zu erießen. Ta-. riflöhne wurden nur in den seltensten Fällen noch einge­Bild: e

181,4 Arbeitstage, im Minimum 43,5 Arbeitstage voll se­

davon war, daß zum Schluß dieser Spielzeit die bescheide­nen Reste nichtarischer Künstler ihre Verträge verloren und nie mehr ein Engagement erhalten.

Aber es wäre ungerecht, wenn wir nicht einige Ausnahmen vermerken wollten. Geduldet werden nämlich nach wie vor der dicke Otto Wallburg , die blond- zarte Grete Mosheim und die quecksilbrige Filmhumoristin Lucie Englisch , die jüngst als Schützenkönigin in einem dem Kinopublikum gefälligen Lustspiel großen Erfolg erzielt hat. Wie diese Dame kürz­lich mitten unter germanischem Volke zu einem der glück­lichsten Tage ihres Lebens kam, dies möchten wir berichten. weil es sehr aufschlußreich ist.

In einem Kölner Kinopalast zeigte man diesen Lucie Englisch - Film: Meine Frau, die Schützenkönigin". Der Direktor lud die Künstlerin reklamehalber zum persönlichen Auftreten ein. Auf dem Bahnsteig sah es, so erzählt uns dér ,, Westdeutsche Beobachter", Westdeutschlands größte Zei­tung. zuerst ,, ganz alltäglich" aus. Aber dann! Eine Schützen­kapelle erschien, ein bayrischer Bub mit einem Maibaum, ein Kölscher Köbes mit einem Fäßchen Obergärigen, und hinterher: viel, viel Volk. Endlich brauste der Zug in die Halle, Lucie ist da ,,, klein, frisch, fröhlich, hier hat man sie lebendig als Mensch und da ist sie noch herziger und viel­leicht noch viel hübscher". Der Westdeutsche Beobachter" zeigt uns den Empfang auch im Bild, und wir sehen ,, einen Teil der ungeheuren Menschenmenge", die die reizende Jüdin nicht verpassen wollte. Vor dem Bahnhof stieg sie dann in einen zweispännigen Fiaker unter ,, unbeschreib­lichem Gedränge".

ララ

,, Schön wars, schön wars" beteuert sie immer wieder. ,, So etwas habe ich noch nie erlebt, ein so herzlicher Empfang, und so viel liebe Menschen.. aber nun bin ich ganz glück­lich."

...

Auf dem dazu gehörigen Bild sehen wir die kölnisch­deutschen Jünglinge, Mädchen, Männer und Matronen, deren Gesichter strahlend der Nichtarierin zugewandt sind: ,, Ueber­all an der Straße stehen sie, sie jubeln, freuen sich. Aus den Läden kommen die Verkäuferinnen, aus den Bürohäusern schauen die gestrengen Herren Bürovorsteher, alle wollen Lucie Englisch sehen."

Das sind genau die gleichen Menschen, die vielleicht eine Woche vorher in irgendeiner nationalsozialistischen Kund­gebung waren. Sie hörten Haẞreden und waren Glieder des geeinten deutschen Volkes. Vorigen Sonntag Dr. Robert Ley , heute die Jüdin Lucie Englisch , Augenweiden und Herzens­angelegenheit jener anonymen, für alles zu mißbrauchenden, für alles zu gewinnenden Masse. Die gleichen Leute hätten das jüdische Fräulein Englisch mit Pfeifen und Johlen be. grüßt, hätte die maßgebliche Presse mitgeteilt, daß die Dame aus undefinierbaren galizischen Gefilden käme, nicht Lucie Englisch heiße, sondern Rebekka Perlmutter, und daß sie es wage, blonden deutschen Frauen mit orientalischer Frech­heit das Filmbrot zu stehlen. Ein Ruf hätte genügt, und Lucie Englisch wäre gar nicht mehr glücklich gewesen, genau so wenig, wie ihre größere Kollegin Elisabeth Bergner .

Die Masse ist an sich weder gut noch böse. Sie kann zur Schande getrieben, aber auch zur Würde erzogen werden; sie kann heute auf eine jüdische Schützenkönigin stunden­lang warten und morgen ihr mit Rohheit begegnen. Es ist nicht wahr, daß der Mensch gut sei, und daß er kraft natür­licher Anlage dazu dränge, die angeborene Güte im Leben zu betätigen.

Es kommt eben unter den Menschen immer wieder auf die Umstände an. Und auf die Stärke des Willens, diese Um­stände zu prägen und die Kollektivseele zu aktivisieren. In Jahrhunderten höchster technischer Entfaltung ist der Mensch ein Triebwesen geblieben, mit gewaltigen Möglich. keiten, im edelsten wie im niedrigsten Sinne. Wer den Hebel zu diesen Möglichkeiten besitzt, der kann die Quarzadern der Menschlichkeit gewinnen oder die Schächte des Menschen­tums zu Bruch gehen lassen.

Vielleicht ist der Anlaß zu diesen Bemerkungen, nämlich das Glück der Jüdin Lucie Englisch im dritten Reiche", etwas weit hergeholt. Man kann einwenden: warum so viele Worte um ein Nichts, um eine einfache Sensation für die ewig mobile Neugierde? Aber die allerkleinsten Dinge, nur an den äußersten Rand dieser Zeit geschrieben, geben manch­mal ebenso wichtige Einblicke wie die großen Ereignisse, wenn man nur Ohren hat, zu hören und Augen, zu sehen. Argus.

in Mallorca , dem einzigen von der Krise und der Repu­blit nicht betroffenen Gebiet Spaniens , das Hauptsächlich und Minimum- Beschäftigung vorhanden. Er betrug 255

Arbeitsministerperiode Largo Caballeros zu betrach= 14 spanischen Regionen wurden im Durchschnitt marimal Kleinpächter aufweist, war ein Ausgleich zwischen Marimal­konnte überhaupt eine wirksame Tarif- Lohngefeßgebung auf arbeitet. Der höchste Beschäftigungsgrad bestand in der Pro- Tage. Der höchste Lohn wurde für- Arbeit in Aragon Spaniens liegen bei der Struktur des Landes nun einmal beschäftigung Arbeiter bei 10 Tagen Arbeit im Jahr. Nur die gleiche Arbeit belief sich auf 5 Pes. in Galicien . Für auf dem Lande durchgeführt werden. Die Sozialprobleme vinz Leon bei 300 Arbeitstagen marimal, die Minimum- bezahlt. Er betrug 16, Pes. täglich. Der Mindestlohn für