Freitag, 8. Juni 1934
ARBEIT UND WIRTSCHAFT
Die Pg.- Unternehmer
..Es gibt nur noch..."
Die Reichsbetriebsgemeinschaft Leder" tritt die Flucht in die Oeffentlichkeit an und berichtet aus Erkelenz , Dremmen , Ratheim und zahlreichen weiteren Orten von etwa 30 Schuhfabriken die der Treuhänder am 15. Dezember durch einen Bezirkstarif zwingen mußte, gewisse einheitliche Mindestlöhne einzuhalten. Aber schon bald stellte sich heraus, daß dieses Abkommen in keiner Weise respektiert wurde. ,, Der Deutsche Lederarbeiter" erzählt:
,, Die Arbeiter wurden als Holzhacker und Besenbinder hingestellt, die keinen anständigen Schuh herstellen könnten und auch für ihre traurige" Arbeit keinen Tarif verlangen könnten. Die dortigen Unternehmer wehrten sich mit aller Kraft, schütten ihre Parteizugehörigkeit vor, drohten mit Schließung der Betriebe, ja, zitierten zur Unterlegung ihrer ego. istischen Machenschaften gar aus dem Zusammenhang gerissene Wortenationalsozialistischer Führer. Sie stellten sich als die wahren Nationalsozialisten heraus und ihre Arbeiter mit samt der Arbeitsfront waren Marxisten und Zerstörer des Aufbauwerkes der Nation."
Zur Begründung dieses SOS- Rufes eines Organs der Deut schen Arbeitsfront werden Einzelheiten über die Zustände angegeben. Die einzelnen Unternehmer überboten sich förmlich in der Unterschreitung der Tariflöhne in einem Spielraum von 20 bis 80 Prozent, Ueberstunden wurden mit keinem Aufschlag bezahlt, bei Bandarbeit wurde keine Minute der vorgeschriebenen Bandpause gewährt, keine Akkordzuschläge, kein Urlaub.„ Arbeitsplay, Unterkunft und Behandlung der Arbeitskameraden spotteten jeder Beschreibung."
Die Reichsbetriebsgemeinschaft hat eine Säuberungsaktion eingeleitet, von der sie sich restlose Besserung der hier gezeichneten Unternehmer erwartet, und sie orakelt:
,, Gläubiger denn je marschierten am 1. Mai in diesem Gebiet die Arbeiter auf. Sie haben die Zuversicht, daß im Arbeiterstaat Adolf Hitlers Sauberkeit und soziale Gerechtigkeit herrschen."
Auf der zweiten Seite derselben Zeitung gibt die Reichsbetriebsgemeinschaft bekannt, daß das Aufgabengebiet der Arbeitsgerichte neu geregelt ist. Sie sind nur noch für
Streitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis zuständig. Dagegen ist ihnen die Zuständigkeit für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Tarifvertragsparteien oder zwischen diesen und Dritten ausdrücklich entzogen worden, denn:
,, Es gibt keine Tarifvertragsparteien mehr. Wir kennen kcine Tarifverträge mehr, es gibt nur noch Tarifordnungen, die vom Treuhänder der Arbeit erlassen werden können und dem auch die Aufgabe gestellt ist, die Durchführung der Tarifordnung zu überwachen."
Es gibt also auch keine Stelle mehr, die selbst die bescheidensten Tarifordnungen zu schützen in der Lage wäre. Der Deutsche Lederarbeiter" versichert auch jubelnd( auf der zweiten Seite), daß mit dieser Aushöhlung der Arbeitsgerichtsbarkeit die kollektive Rechtsgestaltung ihre Ablösung in der Führerentscheidung gefunden habe.
Vizekanzler v. Papen erläuterte die unbedingte Abhängigkeit der saarländischen Wirtschaft vom deutschen Markte aus der Entwicklung der Ausfuhr der schwerindustriellen Erzeugnisse.
Die schwerindustrielle Produktion kann nur durch den Absatz außerhalb des Saargebietes im erforderlichen Maße aufrechterhalten werden.
Der Vertrag von Versailles hat uns dem französischen Zollgebiete eingegliedert und uns damit mit unserer Produktion auf den französischen Markt angewiesen. Unser Absatz nach Deutschland wird leider immer schwieriger. Der Weltmarkt ist wegen unserer ungünstigen geographischen Lage vielfach nicht erreichbar. Will man also verhüten, daß hier im Saargebiet große Betriebe stillgelegt werden, so muß man Absatz auf dem französischen Markte suchen.
Die enttäuschten Angestellten
Der Arbeitsbeschaffungs- Zauber
Die Siegesberichte von der Arbeitsschlacht sind Schwindel. Die Arbeitslosenstatistik ist entstellt und gefälscht. Dennoch ist es nicht überflüssig, selbst aus diesem Zahlenmaterial nachzuweisen, daß es sich um den angeblichen Rückgang der deutschen Erwerbslosigkeit in keiner Weise um die Belebung der privaten Wirtschaft handelt, sondern um Notstandsarbeiten, deren Finanzierung das dritte Reich" hart an die Grenze einer neuen Inflation gebracht hat. Wie wenig diese Arbeitsbeschaffung mit einer Konjunkturbelebung zu tun hat, wird offenbar, wenn man die Gesamtziffern in ihrer beruflichen Untergliederung sieht und den Rückgang der Arbeitslosigkeit von Arbeitern und Angestellten gegenüberstellt.
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In den Angestelltenkreisen, die der Naziagitation zuerst zum Opfer gefallen waren, herrscht jetzt eine so große Enttäuschung, daß selbst die Presse der Deutschen Angestelltenfront" nicht länger schweigen kann. Sie wundert sich ,,, daß tatsächlich bei der Belebung der Wirtschaft vergleichsweise mehr Arbeiter als Angestellte wieder in den Wirtschaftsprozeß eingegliedert werden" und bringt folgende Gegenüberstellung:
Es waren arbeitslos:
Am 31. III. 1933 5 011 533 587 322
keit von technischen Angestellten wird aus der Arbeitsbeschaffung in der Bauindustrie erklärt. Würde aber außer dem Tiefbau( Straßenarbeiten) der Häuserbau eine merkliche Belebung erfahren haben, so müßten erfahrungsgemäß auch alle übrigen Industrien Veranlassung gehabt haben, Neueinstellungen von Angestellten vorzunehmen. Das Gegenteil trifft zu, denn der Arbeitsmarkt der kaufmännischen Industrieangestellten zeigt nur 31 Prozent Aufnahmefähig
keit.
Das geradezu klägliche Resultat bei den sonstigen Angestellten gibt den Niedergang im Theater- und Vergnügungsgewerbe wieder. Das Zurückbleiben der kaufmännischen und Böroangestellten aber ist charakteristisch für das Erlahmen des Klein- und Großhandels, des Binnenmarktes und des Exports. Die Trostlosigkeit des deutschen Handels kommt noch nicht einmal voll zum Ausdruck, denn in den 31 Prozent Neueinstellungen Böroangestellter sind weit über 100 000 auf die Unterbringung der Hitler- Parteige. nossen in den gewaltig aufgeblähten öffentlichen Verwaltungen, in der Sozialversicherung, im Propaganda- und Zeitungswesen und den sonstigen Stellen enthalten, die
Dieselelektrische Züge in
Am 15 Mai d. J. wurden in Holland auf den beiden Linien Amsterdam- Utrecht- s'Hertogenbosch- Boxtel- Eindhoven
am 31. III. 1934 Arbeiter 2 396 313 Angestellte 402 579 Während also( immer nach den amtlichen Zahlen) die Arbeitslosigkeit der Arbeiter innerhalb eines Jahres um 52 Prozent gesunken sein soll, wäre die Stellenlosigkeit der Angestellten im gleichen Zeitraum nur um 31 Prozent zurückgegangen. Die Angestelltenfront glaubt ihre Berufsgenossen über die mangelhafte Beteiligung am ,, Sieg der Arbeitsschlacht" mit dem Hinweis beruhigen zu können, daß schon immer bei absteigender Konjunktur die Arbeitslosig keit der Angestellten später eingesetzt und damit auch bei steigender Konjunktur wieder später geendet habe, als bei den Arbeitern. Diese allgemeine Wahrnehmung, die teils auf die längeren Kündigungsfristen, teils auf die andersartigen Funktionen der Angestellten zurückzuführen ist, wird auch nicht bestritten. Wenn aber innerhalb eines ganzen Jahres die Neueinstellungen von Arbeitern über 50 Prozent der ganzen Arbeitslosigkeit ausmachen sollen, dann müßte sich in dieser langen Frist auch bereits bei den Angestellten eine durchgreifende Entlastung des Arbeitsmarktes bemerkbar machen, vorausgesetzt, daß ein wirklicher Konjunkturumschwung eingetreten ist. Die große Spanne zwischen 52 Prozent und 31 Prozent bei Arbeitern und Angestellten aber zeigt mit aller Deutlichkeit, daß diese künstliche Ar- großem Maßstabe bei den holländischen Eisenbahnen bildet beitsbeschaffung und ihre statistische Aufmachung mit wirklichem Konjunkturwandel nicht das geringste zu tun hat. Noch deutlicher wird das Konjunkturbild, wenn man die Zahlen der einzelnen Angestelltengruppen prüft. Dazu muß die Angestelltenfront" folgende Zahlen bekanntgeben:
Es waren:
Am 31. III. 1933 am 31. III. 1934 427 755 293 227
96 619
62 948
52 853 56 499
Kaufm. u. Böroangestellte. Technische Angestellte Sonstige Angestellte... Demnach beträgt der Rückgang der Arbeitslosigkeit bei den technischen Angestellten 45 Prozent, bei den kaufmännischen. und Böroangestellten über 31 Prozent und bei den sonstigen Angestellten nur 10 Prozent. Die größere Aufnahmefähig
-Rotterdam und Den Haag- Utrecht- Arnhem( 260 Kilometer) 15 dieselelektrische Züge, bestehend aus 3 aneinandergekuppelten Fahrzeugen, die eine Stromeinheit bilden, in den Verkehr gebracht. Unter der Chassis sind die Züge rundum mit Schutzblech versehen. Sobald sich der Zug in Bewegung setzt, werden die Fußtritte automatisch in die Höhe gezogen. Der Luftwiderstand ist, soweit es die moderne Technik überhaupt gestattet, reduziert worden. Die neuen Züge fahren mit einer Geschwindigkeit von 150 Kilometer die Stunde, eine Geschwindigkeit, bei der ein gewöhnlicher Eisenbahnwagen 7/8 seiner Leistungsfähigkeit zur Ueberwindung des Luftwiderstandes benötigt. Diese dieselelektrischen Züge, die bis Oktober d. J. auf 40 erhöht werden sollen, führen 2 Maybach- Motoren, die 2 Generatoren von 210 Kilowatt treiben, mit sich.
Die Einführung der dieselelektrischen Traktion in solch
einen Teil eines großzügigen Programmes zur Verbesserung und Beschleunigung des Verkehrs, wodurch die Eisenbahn in die Lage versetzt werden soll. gegen die Autokonkurrenz anzukämpfen. Während die elektrische Zugförderung nur für verkehrsreiche Strecken( wie Amsterdam - Rotterdam , wo 7 Städte mit einer Bevölkerungsdichte von insgesamt über 2 000 000, d. i. über eine Viertel der Gesamtbevölkerung des Landes, auf einer Strecke von 85 Kilometern berührt werden) bestimmt ist, wird die Dieseltraktion für den Schnelldienst durch Gegenden, wo die Städte mehr zerstreut liegen, angewandt. Die elektrische Zugförderung eignet sich besser für Strecken mit zahlreichen Haltestellen, die dieselelektrische erweist sich auf langen Fahrten als vorteilhafter. Die holländischen Eisenbahnen betreiben den Verkehr gegenwärtig auf 200 Kilometer doppelspuriger Strecke mit elektrischer
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sämtliche Marxisten und linksorientierten Angestellten entlassen haben. So wird das Zurückbleiben der Angestelltenbeschäftigung hinter der Arbeiterschaft geradezu zum Barometer für den konjunkturellen Tiefstand der Wirtschaft.
Die Erklärung, die sich die ,, Angestelltenfront" ihren enttäuschten Mitgliedern gegenüber leistet, ist ein Meisterstück von Verdrehung. Die erschwerte Wiedereingliederung der arbeitslosen Angestellten soll nämlich auf den organisatorischen Umbau der deutschen Wirtschaft in der Nachkriegszeit zurückzuführen sein. Die Rationalisierung und die Vertrustung der Industrie sollen, so wird erläutert, daran schuld sein, daß die Arbeitsgebiete der Angestellten eine solch gewaltige Einschränkung erfahren haben.
In Wirklichkeit haben die neue Betriebsorganisation, die Rationalisierung und die Vertrustung seit 1918 das zahlenmäßige Verhältnis zwischen Arbeitern und Angestellten verschoben und keineswegs umgekehrt. So entfielen auf 100 Arbeiter in der chemischen Industrie vor dem Kriege 20,2 nach dem Kriege 38.2 Angestellte, in der Maschinenindustrie hat sich der Prozentsag von 12,9 auf 22,8 Prozent erhöht. Dieselbe Entwicklung zeigen die übrigen Industriezweige.
Wenn selbst in den frisierten Arbeitslosenzahlen des ,, dritten Reiches" die Angestellten mit den neubeschäftigten Arbeitern nicht entfernt Schritt halten konnten, so kann auf keinen Fall der nachkriegszeitliche Umbau der monopolka pitalistischen Wirtschaftsorganisation als Grund herangezerrt werden. Nicht die moderne kapitalistische Betriebsorganisation hat die von der ,, Angestelltenfront" zugegebene Beibehaltung der Massenerwerbslosigkeit bei den Angestellten verursacht, sondern trotz der geänderten Betriebsform, die nachweislich mehr und neue Angestelltenfunktionen geschaffen hat, blieb es bei der Erwerbslosennot der Angestellten. Die Erwerbslosenzahlen der Angestellten und der gelernten Arbeiter sind nur der Beweis dafür, daß die Betriebe nicht beschäftigt sind. Die Argumente der Angestelltenfront" sind nichts als Spiegelfechterei.
Die sogenannte Arbeitsbeschaffung ist in der Hauptsache Pflichtarbeit der bisher unterstügten Arbeitslosen, aber keine Belebung der Wirtschaft, das zeigt der Stellenmarkt der Angestellten. Die Zahlen von der sogenannten Arbeitsschlacht sind fauler Zauber die wahre Schlacht der Arbeit aber steht den braunen Gewalthabern noch bevor.
Noch verschlechtert
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Die Stolberger Zinkhütte schreibt in ihrem Geschäftsbericht, daß auch das Jahr 1933 der deutschen Metallerzeugung noch nicht die notwendige Besserung gebracht habe. Die Verhältnisse, unter welchen die deutsche metallerzeugende Industrie stehe, hätten sich sogar in erheblichem Maße noch verschlechtert, weil die Entwicklung außerhalb Deutschlands Bedingungen geschaffen habe, die die ausländische Metallerzeugung fördern, aber der deutschen neue Hemmungen, tied Lasten und Erschwernisse auferlegen.
Die Gefolgschaft" wurde dennoch von 2137 auf 2970 er
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