Deutsche Freiheit" Nr. 180 Das bunte Matt Samstag, S. Juni 1984. EinAtückDeutlchlanb ohne Mystik Die Rente für den Ellenbogen und Schmalfuß hat eine Stinkwut gegen die Juden Atom;ertrümmerung 33on Jacques P. Ldtranger ..Es fand die entscheidende, die letzte Untersuchung statt. Schmalfuß stand vor dem kurzsichtigen, kleinen Regiments- arzt Dr. Pick. Ein Mediziner, der wegen seiner Kurzsichtig- keit im Hinterland Verwendung gesunden hatte. Schmal- fuß mußte seinen Oberkörper entblößen. Eine Schwester half. Dr. Pick reichte ihm knapp bis an die Schulter. Seine kleinen, kalten Finger tasteten am Arm herum. Schreiben Sie, Schwester," näselte er.Unvollständige Versteifung des rechten Ellenbogengelenkes. Beschränkung der Gebrauchsfähigkeit der rechten Hand. Rohe'Kraft der kühlen, etwas rot gefärbten rechten Hand ist stark herab- gesetzt." Ichmalfuß stierte. Unterhalb seiner. rechten' Schulter be­wegte sich ein schwarzer Haarbusch. Was für eine Ratte, dachte Schmalfuß. Krabbelt da auf meiner Haut herum mit seinen kalten Leichenfingern. Komischer Kerl, dieser Doktor. Sieht aus wie'n Jud. Der Regimentsarzt litt an gestielten Schleimhautwuche- rungen im Nasenraum. Das hinderte ihn stark am Sprechen. Dazu klemmte ein goldener Klemmer die rötliche Nase zu- sammen. Ließ sie krumm erscheinen. Widerlicher Kerl, dachte Schmalsuß. Unter Berücksichtigung des Berufes als Bierkutscher," diktierte näselnd Dr. Peck zum Schluß,stelle ich eine SV- prozentige Erwerbsunfähigkeit fest. Eine Abschrift geht an die Königliche Regierung in Dresdens " * Schmalfuß brauchte nicht wieder ins Feld. Wurde HilfS- dienstpflichtiger. Stand dem Bezirkskommanbo zur Ber- sügung. Seine Laufbahn begann. Laufbahnen. Politische und andere Munitionsfabrik Wilhelm Scheibe u. Koch. 367 Frauen und 12 Männer. Einer von den Männern war Kurt Schmalsuß. Ehemaliger Bierkutscher. Kriegsverwundet. Rentenempfänger. Ledig. Stand an einer Drehbank. Drehte Granaten. Für die. die noch draußen waren. Eigentlich gegen sie. Oder doch für? Nein, gegen. In dem Raum war er ber einzige Mann. Arbeitende Frauen. Kriegsfrauen. Verhärmt, blaß, abgerackert, hung- rig. Schmalsuß führte das große Wort. «Ich bin zweimal verwundet worden. Habe den Scheiß- dreck mitgemacht. Für das Vaterland. Jawohl!" Er trug, im Knopfloch, das schwarze Bändchen. Eiserne? Kreuz 2. Klasse.' Der Weltkrieg war ein großer Krieg. Die Stadt im Osten Sachsens war ein winziges Städtchen. Schmalfuß, unter stillen Frauen, war ein KriegSheld. Ein gewaltiger Kriegsheld. Mit Bizeps.... Heißer Julitag 1917. Sonntag. Er geht wit der ledigen Straßenbahnen» Hilde Siebert. Hinaus i» die Natur. Hin- ein in die Fichten. Die Hilde ist ein schmales, blutarmes Persönchen. Sie trägt die dicke, schwarze Uniform der klein- städtischen Ringbahn. Sie hat Hosen an, breite, so was zeigt, was man hat als Frau. Auf den hochgesteckten Zöpfen, ein wenig schief, die Mütze. Sie muß noch heute in den Dienst, die Arme, Nachtdienst. Bon 6 bis 9 Uhr. Sie halten sich an den Händen. Sie suchen einen einsamen Feldweg. Die Sonne brennt.Ich bin müde," sagt das Mädchen. Sie knöpft die warme Uniformjacke auf.Wir haben wenig Zeit," sagt Schmalsuß. Sie setze» sich schnell. Sie legen sich schnell. Hinterher sagt Schmalsuß zu dem Mädchen, dessen Augen glänzen:Mit der Hochzelt werden wir bald einig sein. Ich krieg eine Rente. Dann brauchst du nicht mehr zu arbeiten." * Drei Monate später heiratete er. Nicht die Hilde Siebert. Eine Kriegerswitwe Lina verw. Hering geb. Schultheiß. Sie hatte eine fast neue Einrichtung und ihr Charakter war auch nicht zu verachten. Außerdem war sie tagsüber leicht- gläubig und nachts stark kitzlig.... *- Der Krieg war eines Tages zu Ende. Ganz plötzlich. Die Leute in dem kleinen Städtchen waren ganz erschrocken. Alles kam so überraschend. Der Frieden und die Schließung der Munitionsfabrik. 367 Frauen und'12 Männer waren ohne Arbeit. Schmalfuß wurde Mitglied imArbeiter- und Soldaten- rat". Er war erstUnabhängiger Sozialist", dann ging er zu den Spartakisten. Weil das wenigstens Kerle sind, sagt« er. Eines Tages hatte er auch die Spartakisten satt. Ueher- Haupt die ganze Politik. Scheiße, sagte er. Er beantragte ein Anstellungsformular. Weil er kriegS - verletzt ist. Und jetzt ohne Arbeit. Er wurde Briefträger. Sein richtiger Titel: Hilfspostbote. Wenn er sich bewährt, sagre man ihm, wird er befördert werben. Langsam, aber sicher, Herr Schmalsuß. Ich bin jetzt Postbeamter." Er bekam fast vor sich selbst Respekt. * Seine Frau Lina trug schon da? zweite Kind. Den un- geheuren Bauch streckte sie vor wie eine Pauke. Ihr auf- gedunsenes Gesicht glänzte. Schmalfuß sah sich die Be- scherung an und fand, wie alle Männer seines Kalibers,, daß die Frau einen lächerlichen Eindruck macht in diesem Zu- stand. Er war noch immer Hilfspostbote. Er trug keine Pauke. Nur eine kleine Ledertasche. Eines schönen Tages, am hellen Nachmittag, die Sonne lachte, siel die Lina hin. In ihrer Wohnung. Bautz, da'lag sie da, die arme Lina. Warum? Ein Geheimer hatte ihr eben schonend mitgeteilt, baß ihr Mann Unterschlagungen begangen habe Unterschlagungen im Amt.; liebe Frau Schmalsuß. Postquittungen gefälscht. Das Schuhgeschäft k^oldberg ist dahinter gekommen. Und nun fitzt er, der Hilfsbote. Seit Mittag. Im Untersuchungsgefängnis. * Es war kein großer Kamps um Schmalfuß. Aber um seine Rente. Schmalsuß schrieb aus dem Gefängnis. An das Versiche» rungsamt. Ich, der ehemalige Soldat und Bierkutscher Schmalfuß svon seiner Beamtenstellung schrieb er nichts), bin im Welt- krieg zweimal verwundet worden. Ich war, meine Herren, Gefreiter. Ich ersuche umgehend um eine Absindungs- summe. Hochachtend Kurt Schmalfuß, ehem. Gefreiter. In- haber ber Sächsischen Tapserkeitsmedaille und des Eisernen Kreuzes 2. Klasse." Das Versicherungsamt schrieb an die Gesängnisverwal- tung Kurz und bündig:Warum ist Schmalsuß im Gesäng- nis und für wielange?" ,Wegen schweren Diebstahls im Amt. Drei Jahre sechs Monate." lautete die Antwort. Kurz und bündig. Es wurden Fragebogen ausgefüllt. Die Polizei stellte fest, was er alles in seinem Leben gemacht hat. Frau Lina mußte zu ihrem Schreck erfahren, daß der Lump, der Gauner, der Spitzbube Alimente gezahlt hat! An. wen? An eine Frau Hilde Müller geborene Siebert. Für einen Jungen mit Vornamen Karl Seine Mutter war einmal, während des Krieges, Straßenbahnerin gewesen. Auf der kleinen Ring- bahn. Es war einmal ein heißer Sommertag. Ein Sonntag. Ein einsamer Feldweg. Sie hatten sich an den Händen ge- halten. Dann gesetzt. Dann gelegt. Das Resultat hieß heute Karl. Der Mann seiner Mutter war der Autoschlosser Hein- rich Müller geworden. Wie heißen seine ehelichen Kinder, Frau Schmalfuß?" Schluchzend sagte Frau Lina: Martha Emma und Margarethe Hildegard." Ist der Antragsteller, zur Zeit wohnhaft im Sächsischen Landgerichtsgefängnis zu Leipzig , zum Weiterbezug seiner Rente berechtigt? ' So ein Fragebogen ist unbarmherzig. Ein Frager ohne Herz. '* DaS Leben rollte wie ein langer Güterzug in einer kahlen Landschaft. Einmal hielt der Zug mitten auf der Strecke. Man fand die Lina auf dem Trockenboden. An einer Leine hängen. Blau, mit vorgestreckter Zunge, die Augen völler trockener Tränen. Man schnitt sie ab. Es war zu spät. Sie hatte einen kurzen Brief hinterlassen. Bier Worte nur. Die schiefen Buchstaben, die wie umgefallene Balken auf dem Papier lagen, ergaben nach eingehender Prüfung durch die Mordkommission:>,Er weiß schon warum." Schmalsuß zuckte die Achseln. Nee, ich weeß von nischt. Schmalfuß trug Trauer. Ein Jahr, zwei Jahre, drei Jahre. Der dunkle Anzug war aus haltbarem Stoff. Der Jude Fischmann harte ihn nicht übers Ohr gehauen, mußte Schmalfuß zugeben. Na, das ist eben mal eine Ausnahme. Sonst sind die Juden ein beschissenes Volk. Die hauen einen übers Ohr, na. man weiß schon. Unterm Hintern holen sie einem die paar Groschen vor, wenn sie können. Eine ge- fährliche Rasse. Fischmann wurde von ihm großzügig ausgenommen. Noch. Der half ihm ja auch gelegentlich. Außerdem war Fischmann der einzige Jude, mit dem Schmalfuß persönlich Fühlung hatte. Trotzdem: er ist gegen diese gefährliche Rasse. Man muß sie mit Stumpf und Stiel ausrotten! Manchmal trug er schon eine braune Uniform. Erst nur abends, wenn es dunkelte. Später kam er damit auch anS Licht. Eines Tages wurde er zum 3. Schriftführer der Nationalsozialistischen Betriebszelle gewählt. In denChe- mischen Werken AG." Er war dort angestellt worden. Als Portier. Sein Parteigenosse Eichhorn hatte ihn einem anderen Pg. empfohlen. Dieser andere war ein hohes Tier bei den Chemischen Werken. * Am 1. April 1933 wurden die Juden boykottiert. Ein lustiger Tag. Ein fröhlicher Tag. Zur Feier des Tages schlössen die Behörden ihre Büros. In ganz Deutschland . Auch in dem kleinen Städtchen im Osten Sachsens . An Fischmanns Schaufenster klebten große, gelbe Zettel. Da war zu lesen:Das Betreten dieses Judengeschäftes ist mit Lebensgefahr verbunden!" Auf einem Zettel prangte ein Totenkopf. Darunter die InschriftTod den Juden- Hetzern!" Am Nachmittag kam Schmalsuß vorbei. In einer neuen Uniform. Erst wollte er einen Bogen machen. Dann blieb er aber doch stehen. Ein tapferer Mann macht keinen Bogen, Schmalsuß. In den Straßen und Gassen ging das ganze Städtchen spazieren. Das ist nicht persönlich gegen Sie, das ist auS Prinzip," murmelte er leise(warum leise, Schmalsuß?). Wieso Prinzip?" fragte Kischmann. Müde. Er fragte und er fragte auch nicht. Fischmann ging zurück. Allein. In seinen Laben. In den leeren. Ging ins Kontor. Setzte sich an den Schreibtisch. Stützte den Kopf in die Hände. Begann zu grübeln. Er suchte eine Entschuldigung für den Schmalsuß. Eine Ver- teidigung. Einen Grund für den Antisemitismus. Ein echter Jude, dieser Fischmann. Er suchte einenGrund" für etwas, das ihn vernichten will. Er suchte. Er such» noch heute. Ein echter Jude..... Die Ausstellung von Chikago Präsident Roosevelt hat dieser Tage ein Gesetz unter- zeichnet, daS der Regierung einen Kredit von 209 006 Dollar bereitstellt zur weiteren Teilnahme an der Ausstellung von Chikago. Ein Beschluß des Kongresses setzt genauestens aus- einander, welche Mengen ausländischer Waren, die für die Ausstellung bestimmt sind, in das Land eingeführt werden können. Man scheint also drüben mit Bestimmtheit zu hoffen, den Mißerfolg, wenigstens in finanzieller Hinsicht, des ver- gangenen JahreS noch einholen zu können. Eine epochale Erfindung Der italienische Physiker F e r m i berichtet in der römischen Akademie der Wissenschaften über seine neuesten Arbeiten auf dem Gebiet der Atomumivandlung und künstlischen Radioaktivität- Wie verlautet, ist ihm die Umwandlung sehr zahlreicher Elemente durch Beschießung mit Neutronenstrahlen sowie die Erzeugung eines Uranisokops vom Atomgewicht 93 gelungen. Bisher war das gewöhnliche Uran mit dem Atomgewicht 92 das schwerste bekannte Element. Wir werden auf diese Versuche nach Eingang ge- nauerer Nachrichten zurückkommen. Hierzu verbreitet das Deutsche Nachrichtenbüro noch fol- gende Meldung aus Rom : . Der Professor der Chemie Fermi hat gestern in der König- lichen Akademie von Lincei in Anwesenheit des Königs- paares ein neuartiges Experiment der Atomzertrümmerung vorgeführt, durch das er ein neues radioaktives Element durch Atomumwandlung gewonnen hat. Die Atomzertrüm- merung ist in ber modernen Chemie durchaus etwas Alltäg- liches. Die Erfindung Professor Fermis ist insofern etwas Neuartiges, als er durch Zertrümmerung des Urans ein neues Element erhalten hat. von dem ein Gramm eine Energie von 60 000 Kilowattstunden enthalten soll. Das käme einer Wärmemenge von rund 52 Millionen Kalorien gleich. Da die Umwandlung eines Gramms Wasserstoff in Helium etwas 200 000 kW ergeben würde, wären schon 50 Kilogramm Wasserstoff ausreichend, um die zehn Milliarden kWh elektrische Energie zu schaffen, die Italien in einem Jahr ver» braucht. Fermi hat den neuentdeckten StoffElement 93" genannt. Eine Brücke über den Kanal In Paris ist der polnische Ingenieur Adalbert Kramstuk eingetroffen. Er bringt den Plan für die Konstruktion einer Brücke mit, die über den Aermelkanal Frankreich mit Groß- britannien verbinden soll und deren Errichtung sich billiger stellen soll, als der projektierte Tunnel. Das Kapital soll von einer privaten Gesellschaft aufgebracht werden, der internationale Finanzmänner angehören und die die Eisen- bahn-Konzession U' Autostraße-Konzession auf der Brücke erhalten soll. Man denkt daran, auf halbem Wege eine künstliche Insel mit Hotels, Garagen usw. zu bauen. Der polnische Ingenieur, der seinen festen Wohnsitz noch in Süd- Amerika hat, ist vollsten Vertrauens und versichert, daß er die Einwilligung der französischen und englischen Regierun- gen erhalten wird, so daß er zu Beginn des nächsten Jahres mit seiner Arbeit anfangen kann. Mary pickford vertrag: flch mitDoug"?- Mary Pickford ist, nachPickfair", der berühmtesten Be» hausung von Hollywood , die sie mit ihrem Gatten Douglas Fatrbants bewohnt hatte, zurückgekehrt. Diese Rückkehr wird in der Filmstadt als ein sicheres Indiz dafür angesehen, daß Mary ihren Plan, sich von ,D>oug" scheiden zu lassen, fallen gelassen hat. lachen nicht verlernen Was ist denn mit dem Mann geschehen, der Ihre Unter- schrift auf einem Wechsel gefälscht hat?" Er wurde ins Irrenhaus gebracht." * Kellner, ich möchte zahlen!" Was haben Sie gehabt?" Das weiß ich nicht. Bestellt habe ich einen Rostbraten." »*. Erich geht wit seinen Sachen unordentlich um. Als die Mutter morgens das Zimmer betritt, liegen seine sämtlichen Habseligkeiten aus dem Boden zerstreut. Die Mutter fragt: Wer hat seine Kleider nicht aufgehängt, als er zu Bett ging?" Unter der Decke spricht eine gedämpfte Stimme:Adam. Frau Mayer bekommt Zwillinge. Herr Mayer ist auf einer Geschäftsreise. Frau Mayer telegrafiert ihrem Mann: Heute Zwillinge bekommen. Morgen mehr." Ein ideales Paar. Sie haben immer die gleichen Ge- danken." Ja, aber sie scheint rascher zu denken." * Und wissen Sie. daß eS zehn Jahre gebraucht hat. bis ich entdeck: habe, daß ich absolut kein Talent zum Schreiben besitze?" Und dann gaben Sie eS auf?" O nein, da war ich schon viel zu berühmt!" * Wie geht denn Ihr Artikel über das Perpetuum mobil«?" Großer Erfolg! Kaum schicke ich ihn weg, kommt er prompt zurück." * Gratuliere, Herr Professor, ich höre. Ihre Frau hat Zwillinge bekommen. Sind eS Knaben oder Mädchen?" Ich glaube. eS ist ein Knabe und ein Mädchen. ES kann aber auch umgekehrt sein." * In der Oper: Ein Herr wird von seinem Nachbarn ge- fragt, wie ihm die Stimme der Primadonna gefalle.O, sie besitzt das schönste Asthma, das ich je gehört habe." * Haben Sie Kinder?" Ja, drei erwachsene Töchter." Leben sie bei Ihnen zu Haufe?" Nein, sie sind noch nicht verheiratet gewesen."