.Deutsche Freiheit« Nr. 184 Das bume Matt Donnerstag, 14. Juni 1934 Rasputins Tochter erzählt Der Grenzbsum London , Ansang Juni. War Rasputin , die mystische und treibende Kraft hinter dem Thron von Rußland , ein Heiliger oder ein Verbrecher? Vor einigen Monaten schon spielte diese Frage eine wesentliche Rolle in dem Prozeß, der vor dem Gericht in London verhandelt wurde. Der russische Graf Jussuposf, der in Paris lebt, der eigentliche Mörder Rasputins , wurde damals über die Persönlichkeit seines Opfers befragt. Der Graf beantwortete die Frage dahingehend, daß er Rafputin für einen Verbrecher und einen Schädling für das Land ge- halten habe und daß er es deshalb als seine Pflicht an- gesehen hätte, ihn aus dem Wege zu räumen. Aber nicht über die Rolle des Grafen bei den dramatischen Geschehnissen am Hose von Petersburg hatte das englische Gericht zu entscheiden, sondern über die Klage seiner Frau gegen eine amerikanische Filmgesellschaft. Die Filmfirma hatte in einem Filme, der dieses Thema zum Gegenstand hatte, der objektiven Wahrheit zuwider eine Freundschaft zwischen der heutigen Gemahlin des Grafen Jussupofs und Rasputin konstruiert, während sie in Wirklichkeit Rasputin auch nicht ein einziges Mal in ihrem Leben gesehen hat. Ter Klage auf Erstattung einer hohen Entschädigung und Einziehung des Filmes wurde bekanntlich von dem eng- lischen Gericht stattgegeben. * Unter dem Titel„Mein B a t e r" veröffentlicht die Tochter Rasputins jetzt ein Buch, das in diesen Tagen in einem englischen Verlage erschienen ist. In diesem Buche macht Maria Rasputin aus ihrem Bater einen Heiligen» denn in keiner Zeile und auf keiner Seite ist er hier der ewige Verschwörer und Ränkeschmieder. Hier arbeitet er nicht zugunsten Deutschlands , wie es so oft behauptet wurde. Hier ergeht er sich nicht täglich in den wüstesten Orgien, wie es so gerne in den Büchern und Filmen über ihn ge- schildert wurde. Als ein Mann, der glaubte, von Gott ge- sandt zu sein, und der nur daran dachte, Rußland zu leiten, den Zaren und die Zarin richtig zu führen, auf den Frieden und den Fortschritt seines Landes bedacht zu sein, immer an andere und nie an sich selbst zu denken,— so erscheint er in den Augen seiner Tochter. Ein einfacher sibirischer Bauer, der einst eine Bision hatte, als er die Becker pflügte, eine Bision, die ihm zeigte, daß er sich erheben solle vom Erdboden, um Menschen zu führen und die Gerechtigkeit zu suchen. Fast scheint es, als hätte sich die Bision der jungen Jeannc d Are in ihrem elsässischen Torfe im fernen Sibirien wiederholt. -* Auch der vielverbreiteten Ansicht, daß Rafputin«in sibirischer Mönch gewesen sei, widerspricht die Tochter mit Nachdruck in. ihrem Buche.„Er war niemals ein Mönch gewesen, noch hat er von irgend jemandem Befehle erhalten, noch gehörte er einer religiösen Sekte an." Niemals macht er von Arzneien Gebrauch, immer heilte er die Krankheiten ausschließlich durch Gebete und Be- schwörungen. So verbreitete sich sein Ruf schnell über seine engere Heimat hinaus und drang auch bis in die Haupt- stadt. Zu jener Zeit lag der junge Thronfolger schwerkrank danieder, und kein Arzt konnte ihm eine Hilfe bringen. Schließlich holte man Rasputin an das Krankenbett, und diese Szene im Petersburger Palast beschreibt Maria Rasputin mit folgenden Worten: „Der kleine Knabe lag fast tot aussehend im Bett, seine Mutter lag weinend auf den Knien neben ihm. Mein Vater betrat das Zimmer, begrüßte die Anwesenden sehr einfach, tüdem er„Guten Tag" sagte,^r küßte nicht einmal die Hände weder des Zaren noch der Zarin, da er nicht wußte, daß es so Sitte war. Dann befahl er den Anwesenden, sich auf die Knie zu werfen und ein gemeinsames Gebet zu ver- richten, während er den Knaben dauernd mit seinen funkeln- den Augen betrachtete und seine Hand aus dessen Stirn legte. Der Zarewitsch sti-'j einen kleinen Seufzer aus und öffnete die Augen. Er war jedoch nicht erschreckt, weil er einen bärtigen Mann neben sich sah, sondern lächelte zuerst ihn, dann seine Mutter und zuletzt alle, die im Zimmer waren, an. Das war das deutliche Zeichen, daß die Lebensslamme in ihm wieder aufgerichtet- war. Der schreckliche Blutsturz hörte auf, die Krise der-Krankheit war überstanden, und der Knabe genas von diesem Augenblick an rasch und voll- kommen." Bei erneuten Anfällen in den folgenden Jahren, von denen der Thronfolger wieder nach der Erzählung der Tochter Rasputins erlöst und gerettet worden sein soll, weilte Rasputin fern von der Hauptstadt, und es war ihm unmög- lich, zur rechten Zeit dort zu sein. Dringend benachrichtigt von des Thronfolgers Krankheit, tat er nichts anderes, als telegrafisch ein gemeinsames Gebet zu schicken. * Mit dem wachsenden Einfluß Rasputins auf den Zaren und Zarin begannen auch die Lügen und Intrigen gegen ihn. Man wollte unter allen Umständ-"i seine Machtstellung untergraben, und besonders seine Freundschaft mit der Zarin wurde von seinen„Freunden" ausgebeutet. Man setzte sogar das Gerücht in Umlauf, daß er und die Zarin die Verbündeten Deutschlands seien und daß sie für einen Separatfrieden arbeiteten. Die heftigen Widerstände von allen möglichen Seiten verfehlten ihre Wirkung auf Rasputin nicht, und in dieser Zeit nahm er die Gewöhn- heit an, Wein in großen Mengen zu trinken, was er vorher nie getan hatte. Bald hatten die Feinde diese Schwäche erkannt und nutzten sie geschickt aus alö Waffe zu seiner eigenen Vernichtung. Man lud ihn ein zu den großen Gelagen in der russischen Gesellschaft und nahm ihn mit zu den Veranstaltungen in der Villa Rode, dem elegantesten und beliebtesten Ver- gnügungslokal der Hauptstadt. Hier wurde auch langsam und planmäßig seine spätere Ermordung vorbereitet. Im Hinblick auf seine Mörder jedoch konnte die Tochter keine wesentlichen neuen Tatsachen bringen, außer ihrer Er- klärung, daß ihr Vater keinen vergifteten Kuchen gegessen haben könne. Da er niemals Süßigkeiten Ungerührt habe, so besteht für sie nur die Möglichkeit, daß er vergifteten Wein getrunken habe. Auch dieses Buch ist natürlich, auf seine Art, nicht frei von einer einseitigen Tendenz, denn sein Zweck ist ja, Rasputin vor der Geschichte zu rechtfertigen und ihn von den vielen Anschuldigungen reinzuwaschen, die von anderer Seite gegen ihn gerichtet worden sind. Aber in jedem Fall bleibt das Buch der Maria Rafputin ein interessantes Dokument, das für die Forschung um einen noch keinesfalls erledigten Geschichtsfall trotz seiner persönlichen Färbung gewiß nicht ohne Bedeutung sein wird. Ernst Schubert. Der Mann, der den C)MN 17bmal überquerte Oer Rekord eines Amerikaners Man hat sich daran gewöhnt, daß fast täglich die Rekorde fallen, und man ist kaum noch erstaunt, wenn wieder ein- mal zu Wasser, zu Lande oder in der Luft eine neue Höchst- leistung vollbracht wird, die alles bisher Dagewesene in den tiefsten Schatten stellt. Gerade haben die Flieger Rosst und Eoöos die Rekordliste der Ozeanflüge um ein neues Meister- stück bereichert, noch ist der Jubel nicht verhallt, der in Europa und Amerika diesem grandiosen Flugabenteuer folgte,— da entdeckt eine Pariser Zeitung gleich einen anderen Ozcanrekord, der zwar nichts mit Schnelligkeit zu tun hat, der vielleicht nicht einmal abenteuerlich ist, der aber doch so außergewöhnlich ist, daß er mit Recht ein Rekord ge- nannt werden kann. Es handelt sich um einen Reisenden, um einen Ameri- kaner namens Venon, der diesen Titel als Rekordmann für sich in Anspruch nehmen darf. Und was hat er vollbracht? Er hat den Ozean zwischen Amerika und Frankreich nicht weniger als 170mal überquert, und das ist gewiß nichts Alltägliches. Herr Venon scheint ein sehr vernünftiger Mann zu sein, denn er selbst findet seinen„Rekord" weder außer- ordentlich, noch besonders originell,— aber schließlich haben die Reporter nicht mit Unrecht diesen 17Sfachen Ozeanreisenden aus seiner Anonymität befreit. Wenn jemand eine Reise tut, dann kann er was erzählen, — und so kann auch Herr Venon einiges erzählen. Seine erste Reise über den Ozean hat er im Jahre 1892 auf der „Gascogne" gemacht, seine bisher letzte auf der„Jle-de- France", mit der er gerade dieser Tage in Frankreich ge- landet ist. Er hat, so erzählt er, also etwa zwei volle Jahre seines Lebens auf Ozeandampfern verbracht, und das will, abgesehen von der Geldfrage, schon etwas heißen. Aber viel- leicht wird ihn fein Sohn noch überbieten. Denn der junge Herr Venon, der heute ganze zehn Jahre zählt, hat es immerhin bereits auf 23 Ozeanreisen gebracht und der als Baby von drei Monaten das erstemal zur großen Ueber- fahrt gestartet ist. Ein hoffnungsvolles Kind, das mutz man sogen! Ja. und dann hat Herr Venon noch von anderen Dingen gesprochen. Er hat dem Reporter erzählt, daß der Präsident Roosevelt das Französische sehr schätze, aber obwohl der fron - zösische Zeitungsmann, der diesen Rekordmann entdeckt hatte, sich natürlich dadurch sehr geschmeichelt fühlen mußte. so wollte er doch eigentlich etwas ganz anderes erfahren, er wollte ja Herrn Benon vor allem von den Eindrücken er- zählen hören, die man erhält, wenn man so ungeheuerlich oft„übern großen Teich" gefahren ist. Doch Herr Venon lenkte immer wieder davon ab, und hat eigentlich nichts Sensationelles mehr berichten können. Biel - leicht kann man auf einer Ozeanreise wirklich nicht sehr viel Neues erleben, und Herrn Benon muß eine solche Reise jetzt wirklich schon so vorkommen wie andern Menschen eine etwas ausgedehnte Fahrt in der Straßenbahn. Am Ende hat Herr Benon nur noch erklärt, daß er Frankreich und die Franzosen genau so gut zu kennen glaube wie Amerika und die Amerikaner,— aber daß dieser Rekordinhaber ein kennt- nisreicher Weltmann sein muß, das ist nun wirklich nichts Absonderliches. Herr Venon ist für die Flieger Rossi und CodoS wahrhastig keine Konkurrenz,— aber Rekord bleibt schließlich Rekord, und die großen Schiffahrtsgesellschasten wären ge- miß nicht traurig, wenn sie möglichst viele so gute Kunden wie den Amerikaner Venon hätten. Lachen nicht verlernen Schwiegervater in spe:„Meine Tochter ist anspruchsvoll. Können Sie mit Ihrer kleinen Brotfabrik eine Frau über- Haupt ernähren?" „Aber ja," versicherte der Bräutigam,„mehr als zwei- taufend Laib Brot pro Tag kann Edith doch unmöglich auf- essen." * Mutti, wovon haben die Motten gelebt, bevor Adam und Eva Kleider getragen haben? s.Paßtime", Bombay.) * „Es muß doch schrecklich sein, wenn eine Giraffe Hals- schmerzen hat." „Ja, aber ein Elefant, der den Schnupfen bekommt, ist auch nicht zu beneiden." „Es gibt aber noch etwas Schlimmeres." „Und das wäre?" „Hühneraugen bei den Tausendfüßlern." <„Berlmske Tidende", Kopenhagen .) Von L. L. Ein Baum, gewachsen t» einem Wald— In Feindesland? In Freundeslanö? Ein Baum gebietet mir heule— Halt! Denn hinter ihm liegt das„Vaterland". Er winkt nicht mit lockenden Farben wie einst, Er mahnt— er warnt— er droht—„Gib acht!" Schon mancher hat an dem Baum geweint. Schon manchem das Vaterland Tränen gebracht! Doch da ist der Baum, nur aus Tannenholz Doch unüberwindlich! Hart wie Stahl! Was ist Vaterland? Wo ist unser Stolz Auf unsere Heimat? Sie war es einmal!! Die Heimat ist, was uns Fremde einst war. Doch stehe ich oft an dem schmalen Baum Und sehe einen Wald, eine Stadt— so klar Wie einen schönen, vergangenen Traum! Mehr Licht für denselben preis Herr Georges Claude hat vor der Pariser Akademie der Wissenschaften einen Vortrag gehalten, in dem er gezeigt hat, wie man große Ersparnisse an elektrischer Energie machen könnte, indem man neue seltene Gase nutzbar macht. Unsere gewöhnlichen Glühbirnen sind mit einem knapp gewordenen Gase gefüllt: dem Argon. Brächte man es nun fertig, dieses Gas durch andere, wie das Crypton und Xenon, zu ersetzen, so würde man ihre Ergiebigkeit um 3S Prozent erhöhen. Die beiden letzteren Gase sind aber nahezu unwelkbar. Das Crypton ist in der Atmosphäre nur zu einem Millionstel Prozent, das Xenon zu 10 Millionstel vorhanden. Herr Georges Claude und seine Mitarbeiter haben sich aber durch diese außerordentliche Seltenheit nicht abschrecken lassen. Seit dem Jahre 1923 haben sie Versuche angestellt, um die be- treffenden Gase in praktisch verwertbaren Mengen zu gewin- nen.— Zuerst hat man sie als Abfallprodukte der Tauer- stoff-Jndustrie aus der Luft selbst zu ziehen gesucht. Die erhaltenen Mengen reichten aber für gewöhnliche Beleuch- tungszwecke nicht aus. Erst als George Claude seine groß- artige Erfindung der flüssigen Luft den Experimenten dienst- bar machte, gelang es ihm, die Gase in bemerkenswerten Quantitäten zu gewinnen. Er ließ die atmosphärische Luft über die flüssige gleiten, wobei er deren Temperatur sehr niedrig hielt. Dadurch wurde die Lust gereinigt und Xenon wie Crypton durch die flüssige Lust zurückgehalten.— Mit stärkeren Maschinen wird es möglich sein, gewaltige Luft- massen— bis zu 200 M0 Kubikmeter— in der geschilderten Weise zu behandeln. Die Ersparnisse an elektrischer Energie, die sich dadurch erzielen lassen werden, werden einen epoche- machenden Fortschritt in der Nutzung elektrischen Lichtes für industrielle Zwecke darstellen. Die yigeuner von Moskau In Moskau leben 20000Zigeuner. Bis in die letzt« Zeit waren sie ein Nomadenvolk. Gegenwärtig sind sie als Arbeiter, Angestellte oder Heimarbeiter beschäftigt. Für die Zigeunersprache, die früher über keinerlei Schrifttum ver- fügte, wurde in Anlehnung an die lateinische Schrift ein eigenes Alphabet geschaffen. Für die Zigeunerkinder sind besondere Schulen errichtet worden, und es werden Bücher und Zeitungen in der Zigeunersprache herausgegeben. Seit drei Jahren ist in Moskau ein Zigeuner-Theater„Romain" tätig. Die Schauspieler sind junge Zigeuner, von denen viele noch im Reisewagen geboren sind. Das Theater unternimmt Touren durch die USSR . Die nächste Tournee wird in Zigeuner-Kollektivwirtschaften führen, und es werben be- sondere Aufführungen für die noch nomadisierenden Zigeuner in verschiedenen Landesteilen veranstaltet werden. Unter den Theaterstücken, die die Zigeuner aufführen, be- finden sich einige Propagandastücke, die die Zigeuner für seßhaftes Leben werben sollen. Erwähnenswert ist darunter das Stück„Das Leben auf Rädern", das das Nomadenleben und die seßhafte Lebensweise einander gegenüberstellt. Außerdem wird„Carmen" zur Aufführung gebracht, wobei Motive aus alten Zigeunerweisen besondere Verarbeitung finden. Tieropfer in Indien Ellare in der Provinz Madras in Indien ist von einer entsetzlichen Pockenepidemie befallen. Um diese Krankheit los zu werden, greift die Bevölkerung zu eigentlich prähistori- schen Mitteln: dem Sühneopser. Gestern hat man der indischen Göttin, der man die Macht zuschreibt, die Krankheit dem Lande zu nehmen, auf riesigen Scheiterhaufen sechs Millionen Stück Vieh geopfert, um ihren Zorn zu besänf- tigen. Die Beamten des Landes und einige höhergestellte Bürger versuchten, diese Kulturschande zu vermeiden, und redeten der Bevölkerung ein, daß nur die medizinische Wissenschaft und die sanitären Maßnahmen imstande wären, die Epidemie verschwinden zu lassen. Aber all diese An- strengungen blieben erfolglos. Lilian Harvey verheiratet sich Lilian Harvey , die seit etwa zwei Jahren in Hollywood weilt, äußerte sich jetzt zu einem Reporter über ihre Pläne für die Zukunft. Nach Beendigung ihres nächsten FilmeS „Serenade" will sie nach Europa kommen und sich hier ver- heiraten. Sie erzählte dem Reporter vor allem, daß sie gerne ein häusliches Leben führen möchte,— so etwas gefällt dem amerikanischen Publikum immer, und welcher Filmstar möchte dem Publikum nicht gefallen? Schließlich wird noch die Tatsache bekannt, daß die so oft angezeigte, aber immer wieder dementierte Ehe zwischen Willy Fritsch , dem deutschen Filmschauspieler, und Lilian Harvey jetzt Wirklich- keit werden wirb,— die Backfische der ganzen Welt werden sicher gratulieren!
Ausgabe
2 (14.6.1934) 134
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