" Deutsche Freiheit", Nr. 135
Nachtmusik
Das bunte Blatt
Warwara Petrowna erwachte und horchte auf. Ihr Geficht wurde bleich, ihre großen Augen wurden noch größer und funfelten vor Angst, als sie sich davon überzeugte, daß es fein Traum gewesen war... Entsetzt verbarg sie ihr Gesicht hinter den Händen, dann stützte sie sich auf den Ellbogen und weckte ihren Mann. Ihr Mann lag, wie ein Igel zusammengerollt, neben ihr, schnarchte leise und blies ihr seinen Atem auf die Schulter.
Aljoscha, mein Lieber... Wach auf! Liebling!... Ach ... ist das entsetzlich!"
Aljoscha hörte auf zu schnarchen und streckte die Beine. Warwara Petrowna kniff ihn in die Wange. Er recte sich, schnaufte noch einmal und erwachte.
,, Aljoscha, Liebling... Wach auf. Da weint jemand..." ,, Wer weint? Was fällt dir ein?"
„ Horch mal. Hörst du? Da stöhnt jemand... Sicher hat uns jemand ein Kind unterschoben... Ach, ich kann das nicht mehr anhören!"
Aljoscha setzte sich im Bett auf und lauschte. Durch das weit offene Fenster blickte die graue Nacht. Mit Fliederduft und dem leisen Flüstern der Linde brachte ein sanfter Lufthauch seltsame Laute ins Zimmer... Man konnte nicht gleich erkennen, was es für Raute waren: ob Kinderweinen oder ein klagelied oder ein Geheul... man fonnte es nicht unterscheiden! Nur eines war flar: die Laute erflangen gerade unter dem Fenster und kamen nicht aus einer Kehle, sondern aus mehreren... Da waren Soprane, Alt und Tenöre...
,, Aber Warja, das sind doch Rater," sagte Aljoscha. Du Dummchen!"
Kater? Unmöglich! Was sollen dann die Bässe sein?" ,, Da grunzt ein Schwein. Du darfst doch nicht vergessen, daß wir auf dem Lande find... Hörst du? Natürlich Kater ... Also, beruhige dich; schlaf nur ruhig."
Warja und Aljoscha legten sich wieder hin und deckten sich zu. Ins Fenster wehte die Kühle des Morgens und sie fröstelten ein wenig. Die Eheleute rollten sich wieder wie Igel zusammen und schlossen die Augen. Fünf Minuten später wurde Aljoscha unruhig und drehte sich auf die andere Seite.
Die laffen einen wirklich nicht schlafen, der Teufel soll sie holen... Dieses Geschret..." Inzwischen wurde die Kazenmusif crescendo. Zu den vorigen waren offenbar neue Sänger mit neuen Kräften gekommen. Das leise Rascheln unter dem Fenster verwandelte sich in Getöse, Lärm, Toben.... Das Piano, das zart wie Aspik gewesen war, hatten den Grad des Fortissimo erreicht, und bald war die Luft von empörenden Lauten erfüllt. Einige Kater stießen furz abgerissene Schreie aus, andere trillerten bravourös Achtel und Sechzehntelnoten, wieder andere fangen einförmig langgedöhnte Töne... Aber ein Rater es war wohl der älteste und temperamentvollste sang mit ganz unnatürlicher Stimme, gar nicht wie ein Kater, bald sang er im Baß, bald im Tenor.
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,, Mau... mau... pft... pft... pft... farrrjau..." Wäre das Fauchen nicht gewesen, man hätte nicht glauben fönnen, daß da Kater sangen... Warza drehte sich im Bett und brummt etwas.. Aljoscha sprang auf, fluchte laut und schloß das Fenster... Aber ein Fenster ist nicht sehr dick, es läßt Laute und Licht durch.
" Ich muß um acht Uhr aufstehen, muß ins Amt," schimpfte Aljoscha ,,, und diese Teufel brüllen da und lassen einen nicht schlafen... So halte doch wenigstens du den Mund, dummes Frauenzimmer! Jammert einem auch noch ins Ohr! Jetzt weint sie gar! Was kann ich dafür? Sinds vielleicht meine Kater?"
,, Vertreib sie, Liebling!"-
Wütend sprang Aljoscha aus dem Bett und ging zur Fenster... Der Morgen graute schon.
Aljoscha blickte gegen den Himmel. Er sah nur noch ein einsames Sternchen, und auch das flimmerte nur mehr schwach, wie durch Nebel... Auf der Linde schilpten die Spatzen, die der Lärm des geöffneten Fensters aufgeschreckt hatte. Aljoscha blickte auf die Erde und sah so ungefähr ein Dugend Kater. Mit hochgestellten Schwänzen gingen fie, leise auf das Gras tretend, bucklig wie Dromedare um ein schönes Kazenfräulein herum, das auf einem umgefippten Kübel saß. Man konnte schwer unterscheiden, was sie vor allem ausdrücken wollten: ihre Liebe zu der Kazendame oder ihre eigene Würde? Waren sie um der Liebe willen ge= fommen oder nur, um ihre Schönheit zu zeigen? Ihr Benehmen gegeneinander verriet den ausgesuchtesten Haß... Außerhalb des Gartens rieb sich ein Schwein mit Ferkeln am Gatter und versuchte, in den Garten einzubringen. „ Marrsch!" zischte Aljoscha„ Ksch! Ihr Teufel! Pich! Ffft!" Aber die Kater achteten gar nicht auf ihn. Nur das Käzzthen blickte in seine Richtung, und auch das nur kurz und unwillig. Sie war glücklich ihr war nicht nach Aljoscha zumute... Pich... pich... Ihr Bestien! Donnerwetter, der Teufel soll euch alle holen. Warja, gib mal die Karaffe her! Wir werden sie anschütten. Diese Teufel!"
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Warja sprang aus dem Bett und reichte ihm statt der Karaffe den Krug vom Waschtisch Aljoscha lehnte sich weit aus dem Fenster und neigte den Krug...
,, Ach, meine Herrschaften!" hörte er da eine Stimme über seinem Kopf.„ Ach, die Jugend! Kann man sich denn so be= nehmen? Achachach... Diese Jugend!" Darauf folgte ein Seufzer.
Aljoscha sah hinauf und bemerfte edige Schultern in einem großgeblümten Baumwollschlafrock und dürre, sehnige
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ist doch... äh... der Organismus. Meinen Sie nicht? Der Organismus? Das muß man verstehen! Ich kann das nicht billigen, werter Herr!"
Aljoscha befam Angst, ging auf Zehenspißen zu seinem Bett und legte sich, ganz klein geworden, hinein. Warja kauerte neben ihm und hielt den Atem an.
„ Das ist unser Alter..." flüsterte Alfoscha.„ Der Alte selbst... Und schläft nicht. Bewundert die Kater. Dieses Aas! Es ist sehr unangenehm, mit dem Chef zusammenzuwohnen."
" Jungen Mann!" hörte Aljoscha die näselnde Stimme des Alten. Wo sind Sie? Kommen Sie doch gefälligst her!" Aljoscha trat ans Fenster und blickte nach oben.
,, Sehen Sie diesen weißen Kater da? Wie finden Sie ihn? Der gehört mir! Diese Haltung! Dieser Gang!... Sehen Sie doch! Miau, miau... Waßka! Waßjuschka du Gauner!
Der Iswostschik
Freitag, 15. Juni 1984
Was für einen Schnurrbart dieser Schlingel hat! Das ist ein Sibirischer, der Schelm. Aber kein Verbannter, he- hehe... Und das Kätzchen... das Käßchen wirds bekommen! He- he... Immer trägt mein Kater den Sieg davon. Gleich werden Sie das selbst sehen. Die Haltung, diese prächtige Haltung!"
Aljoscha sagte, daß ihm das Fell sehr gefiele. Der Alte begann das Leben dieses Katers zu beschreiben und seine Gewohnheiten. Er wurde ganz feurig und erzählte, bis die Sonne aufging. Er erzählte alle Einzelheiten, schmazte mit den Lippen und leckte seine fnochigen Finger ab... So fam Aljoscha um seinen Schlaf!
In der nächsten Nacht begannen die Rater furz nach zwölf wieder ihr Lied und weckten Warja. Aljoscha wagte nicht, die Kater zu verjagen. Unter ihnen war ja der Kater Seiner Exzellenz, seines Vorgesezten. Aljoscha und Warja lauschten bis zum Morgen der Kazenmufif.
( Uebersetzung aus dem Russischen von Boris Krotkow und G. S. Stoeßler.)
Von Peter Bitter
Die tausend Kilometer von Moskau nach Saratow hatten wir glücklich hinter uns. Nun standen wir vor dem Bahnhof und versuchten in die Straßenbahn einzusteigen. Aber es blieb bloß beim Versuch: denn jedesmal, wenn die Kondukteuerin unsere Gepäckstücke betrachtete, schallte es uns sehr energisch entgegen:
" Ausgeschlossen, Bürger mit dem Gepäck?!" Ein Tari gab es nicht, das uns ans andere Ufer der Wolga Man hatte uns nämlich in Moskau gesagt, gebracht hätte.
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bei Saratom sei eine Brücke und wir wagten nicht daran zu zweifeln.
mit seiner Kutsche auf die Straße, denn er benutzte das Trottoir als Fahrbahn. Gingen wir über die Straße stellte er einfach sein Gefährt quer und rammte so den ganzen Verkehr. Die Leute wurden auf dieses sonderbare Treiben aufmerksam, wiesen mit den Fingern nach uns und eine Gruppe Jugendlicher schloß sich, uns umringend, an.
,, Diese Leute, ihr Brüder, wollen mir durchgehen. Ich bekomme noch zehn Rubel," schrie der Jswostschit.
Ich wandte mich an die Umstehenden:„ Genossen, die Sache ist soundso. Er sollte uns nach Engels fahren..." „ Nach Engels?" fragte einer und befühlte meinen Mantel,
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Hört, ihr Bürger: Nach Engels wollen sie fahren mit dem Schlitten."
Aber Iswostschifi*) gab es genug vor dem Bahnhof. In ach, hast du ein feines Mäntelchen. Bist wohl ein Spez**) einer Reihe standen die Schlitten, und auf den Kutschböden, in Pelze gemidelt, saßen die Besitzer dieser Gefährte Männer mit patriarchalischen Bärten und blaugefrorenen Nasen.
Wir riefen einen an. Er roch bedenklich nach Wodka, neigte sich ein wenig auf die Seite und erklärte sich schließlich bereit, uns für fünf Rubel nach Engels zu fahren. Engels ist die Hauptstadt der Wolgadeutschen und wir hatten doch im Museum zu tun, das sehr interessante Einzelheiten über die Entwicklung der Deutschen unter Katharina der Großen enthält.
Zu dritt nahmen wir Plazz, der Jswostschif warf eine Decke über uns, die Koffer auf uns, fletterte auf den Bock und begann über seiner Mähre irgendwelche Beschwörungen zu murmeln. Da das Biest für gute Worte anscheinend nicht zugänglich war, saufte die Peitsche durch die Luft und die Rutsche setzte sich in Bewegung.
Kaum waren wir hundert Meter an den niedrigen Häusern vorbeigefahren, drehte sich der Jswostschik um und hielt das Gefährt an.
" Ihr wollt nach Engels?" " Ja, Onfelchen."
" Dann zahlt ihr zehn Rubel."
Wir sahen uns erschrocken an.
„ Ein Wucherer," sagte Freund Ernst deutsch. Aber laut sagte er, da es bereits dämmerte und wir in Engels gegen Abend erwartet wurden:
„ Unser letztes Wort: acht Rubel." Zehn Rubel oder aussteigen!"
„ Ja also, sollst sie haben."
Wir glitten beinahe lautlos durch die belebte Straße. Da ein Ruck, und wieder wandte sich der Jswostschif um. " Ich soll euch nach Engels fahren?" „ Selbstverständlich, Väterchen."
" Dann bekomme ich fünfzehn Rubel." Kurzer Kriegsrat. Beschluß: Wir steigen aus, geben dem Kerl fünf Rubel und suchen ein Hotel auf.
Verächtlich sah er, wie wir uns mit den Koffern abmühten und hielt fordernd die Hand hin. Als Freund Ernst einen Fünfrubelschein hineinlegte, sprang er vom Bock. " Noch zehn Rubel." Er kniff die wässerigen Aeuglein zu. ,, Nicht einmal, wenn du uns nach dem Ural fährst." Wir ließen ihn kurzerhand stehen und suchten einen Milizmann, um diesen nach einem geeigneten Quartier zu fragen.
Weit und breit feine Uniform. Jeder packte seinen Koffer und wir zogen los der Jswostschik fluchend und schimpfend hinterher. Gingen wir am Gehsteig, jagte er die Passanten *) Russischer Einspänner.
Gold aus Cava
In der englischen Oeffentlichkeit haben die Versuche eines Chemikers, der eine Methode gefunden hat, Gold aus Lava herzustellen, großes Aufsehen erregt. Seit einigen Jahren schon haben fünf bekannte englische Chemiker Untersuchungen auf diesem Gebiete angestellt, die jetzt abgeschlossen worden sind und veröffentlicht wurden. Eine Reihe prominenter Banfiers und Industrieller ist bereits an der Gesellschaft, die gegründet werden soll, interessiert. Als Gründungsfapital wird eine Million Pfund angegeben, während man mit einer jährlichen Produktion von nicht weniger als 50 Millionen Pfund rechnet.
Finger. Und die Finger drohten... Der Alte saß am Wissen Sie schon...
Fenster und wandte fein Auge von den Katern. Seine Aeuglein leuchteten lüstern und waren so ölig, als ob er einem Ballett zusähe.
Aljoscha riß seinen Mund auf, wurde blaß und lächelte... " Geruhen zu schlafen, Eure Exzellenz?" fragte er ganz un passend.
„ Nick on merter Herr! Sie vergehen sich an der Natur, junger t. äh... sozusagen, die Gesetze der Natur! Nich jon! Was geht Sie das an? Das
... wieviel Prozent der Erdoberfläche das Meer etwa be= deckt? Etwa 70 Prozent.
... mas man im Altertum die Säulen des Herafles" nannte? Die beiden Felsen Gibraltar und Abila.
welches das fleinste europäische Meer ist? Das Mar marameer
.
... mer durch seine Gärten berühmt wurde? Die Königin Semiramis, durch ihre Hängenden Gärten".
Alle lachten.
,, Am besten ist, man geht zur Miliz oder GPU. Die weiß immer Bescheid," meinte ein anderer. Freund Ernst ergriff das Wort:
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fünfzehn „ Sagen Sie, Genossen, ist das nicht Wucher Rubel verlangt er nach Engels. Durch die Stadt und über die Brücke vielleicht zwei Kilometer Weges..." ,, Ueber welche Brücke?"
„ Na, über die Wolgabrücke!"
„ Die ist doch nicht da..."
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,, Und war nie da die Wolga , dieses Wässerchen, ist doch hier zwei Kilometer breit."
„ Wollt ihr zahlen oder nicht?" Der Jswostschif brüllte es über die Versammlung.
" Wir gehen zur Miliz."
,, Nein, Bürger zur GPU. ist es näher- hier gleich umt die Ecke," sagte ein Knirps.
Und die Prozession setzte sich in Bewegung. Wir drei, mit den schweren Koffern voran, dann der Jswostschik, hinterher und links und rechts das Sowjetvolf, das neugierig auf den Ausgang dieses Streites war.
Ein niedriges Gebäude wie alle anderen. Ueber dem Eingang ein Schild: Gosudarstwenoje politischesteoje upravljenije. Oder furz: GPU . An der Wand war mit flammend roten Buchstaben eine Inschrift hingefleckst, der Inhalt harmlos: Zum 1. Mai liquidieren wir das Analphabetentum. Wir traten ein. Der Diensthabende, ein rothaariger blonder Riese, sah erstaunt den Aufzug an.
,, Sie wünschen?" Er war aus Marrstadt und sprach mit uns deutsch. Wir erzählten ihm die ganze Geschichte.
„ Ja es wird nichts anderes übrigbleiben, als die fünfzehn Rubel zu bezahlen..." und er wandte sich an die ganze Versammlung:„ Der Jawostschif ist noch eines jener privatfapitalistischen Ueberbleibsel, deren wir in der jetzigen Periode des sozialistischen Aufbaus bedürfen. Wir haben noch zu wenig Verkehrsmittel und daher brauchen wir ihn. Der Jswostschif wird sehr hoch besteuert und deshalb steht es ihm frei, zu verlangen wieviel er will. Aber der Prole= tarier fährt mit der Straßenbahn oder geht zu Fuß. Er unterstützt nicht diese Elemente, die ja in absehbarer Zeit ebenfalls liquidiert werden..." In diesem Ton sprach der Mann von der GPU. noch lange und erntete Beifall.
Der Jswostschif aber fümmerte sich einen Pfifferling darum, ob er bald oder nicht bald„ liquidiert" würde steckte das Geld ein und bestieg seinen Schlitten. Und er fuhr ab, jeder Zoll ein Sieger.. **) Spezialist.
... wie nach der griechischen Sage das erste Weib auf der Erde hieß? Pandora.
... wie das große kunsthistorische Werk heißt, das ein Führer durch die Kunstwerke Jtaliens ist? Der„ Cicerone" von Jakob Burchardt( 1818 bis 1897).
... woher das Wort stammt:„ Ein Schauspiel für Götter"? Aus Goethes Singspiel„ Erwin und Elmire ".
.... was Speftralanalyse ist? Die Untersuchung von Körpern auf Grund des Spektrums, das sie in glühenden Zustand zeigen.
... wer sagte:„ Vom Erhabenen zum Lächerlichen ist nur ein Schritt"? Napoleon I .
... welcher Dichter buchstäblich über Nacht berühmt wurde? Lord Byron ; nach dem Erscheinen der beiden ersten Gesänge von„ Child Harolds Pilgrimage".
... wer Lord Carnarvon war? Ein Aegyptologe: er finan= zierte die Ausgrabungen, bei denen das Grab des Tut- entamun gefunden wurde. Starb 1923- am Fluche Tut enf- amuns!
... mer den Charakter der Menschen aus ihrer Physiognomic erkennen lehrte? Johannes Lavater ( 1741 bis 1801), der Schöpfer der Physiognomik.