.Deutsche Freiheit", Nr. 188 Das bunte Matt Dienstag, den IS. Juni 1934 Vom Elend zum Weltruhm Abschied von Paris Das romantische Qben der Anna s>ten Die Russin Anna S t c it, die vorher in ihrem Heimatlands und in Berlin gefilmt hat, ist vor kurzer Zeit für mehrere Filme von der Metro- Goldwyn-Mayer nach Hollywood verpflichtet wor- den. Ihr erster dortiger Film„Nana", nach dem Roman von Emile Zola , ist in Europa mit großem Interesse ausgenommen worden. In Kiew lebte eine Familie, sehr vereint. Die Mutter, eine«chwedin, träumte immer davon, einmal Künstlerin zu werden: der Bater, ein Ukrainer, war akrobatischer Tänzer. Im Jahre 15>10 wurde ihr erstes Kind geboren, eine Tochter, Anna. Das Heben geht ruhig weiter, bis die Revolution ausbricht. Der Tänzer wirft sich in die Massen, als wenn es sich um ein gigantisches Ballett handele. Einige Monate später jedoch trifft ihn eine Kugel uu!* die Familie blieb allein zurück. Drei Unglückliche, denn Mutter Sten hatte noch einem anderen kleinen Mädchen das Leben gegeben. Jetzt beginnt für Anna eine schreckliche Zeit. Ihr liegt es ob, für die Lebensnotwendigkeiten der kleinen Familie zu sorgen, obgleich sie doch erst 12 Jahre alt ist. Zuerst heißt es fliehen: fliehen vor den deutschen Bomben, fliehen vor den Kosaken-Patrouillen. die dem alten Regime treu geblieben sind, fliehen vor den ausgehungerten Bauern und endlich fliehen vor den roten Truppen. Und trotzdem muß man essen. Die Mutter verkaust den wenigen Schmuck, den sie noch besitzt, ihre Möbel, ihre Garderobe, alles. Aber das genügt nicht. Anna oerdingt sich als Haus- mäbchen an einen Bauern? sie arbeitet hart, von morgens bis abends, um ihren Lohn zuverdienen: gerade ausreichend, damit sie, ihre Schwester und ihre Mutter nicht des Hungers sterben. Jahrelang geht diese Arbeit so weiter, aber es ge- lingt den Frauen, sich über Wasser zu halten. Endlich auch etwas Glück. Eines Tages kündigen große Zettel an den Mauern der Stadt an, daß die Regierung ein Staatstheater gründen will. Welche Aussichten für das junge Mädchen! Soll sie Artistin werden? Der Traum ihrer Mutter ist auch der ihrige. Anna Sten stellt sich vor. Begünstigt durch den Ruf ihres Vaters wird sie engagiert und es gelingt ihr sogar, die Aufmerksamkeit des großen Direktors Stanis- lawski auf sich zu ziehen. Tiefer vertraut ihr eine Rolle in einem Stück von Gerhard Hauptmann , dann empfiehlt er sie weiter und ist ihr dabei behilflich, daß sie, erst 13 Jahre alt, die Filmakademie in Moskau besuchen kann. Hier lernt sie die Geheimnisse des Films kennen. Sie arbeitet hart und erlernt richtig ihren neuen Beruf. Bald hat sie auch schon ihre erste Rolle und dreht zusammen mit Jnkijinoff„Sturm über Asien". Zu gleicher Zeit spielt sie auch im Theater, und während der Ausnahmen zu„Sturm über Asien" debütiert sie unter der Direktion von Stanislawski in einem Stück von Pirandello. Aber wir sind in USSR., und hier heißt es, den Gesetzen des Staates zu gehorchen. Dieser bestimmt, daß die junge Anna sich einer umherziehenden Truppe an- schließt, und bald sehen wir unseren Star im Süden an der Arbeit, auf der Krim . Dort macht sie die Bekanntschast eines jungen Filmdirektors, der ihr den Hos macht. Sie ge- fallen sich, unterzeichnen ein Dokument vor der Kommission: sie sind verheiratet. Kurze Zeit danach gefällt ihnen aber das gemeinsame Leben nicht mehr, sie unterzeichnen ein anderes Dokument: sie find frei. Anna Sten ist aber ein wahrer Star und die Folge wird das bestätigen. Nach ihrer Tournee in der Krim kehrt Anna nach Moskau zurück. Dort arbeitet sie mit Febor Ozep in den..Brüdern Karamazosf" und dann mit Kortner . Darauf- hin ist sie bekannt und geht nach Berlin . Unglücklicherweise hat sie dort einen Automobilunsall und eine ewige Narbe bleibt auf ihrer Stirn zurück. Aber auch das ist nicht das Schlimmste, sie trägt eine Ponny-Frisur. Bald danach lernt sie den Anwalt und Architekten Dr. Eugen Franke kennen und heiratet ihn. Und dann... jetzt kommt noch eine Ge- schichte, es wird noch einmal rouiantisch in dem Leben dieses Stars, aber amerikanisch. Eines Sonntags liest ein großer amerikanischer Produzent das„Ney Movie Magazine", als seine Augen auf einer Fotografie haften bleiben. Bald erhellte sich sein Blick und Samuel Goldwyn mußte denken wie einst Archimedes: „Heureka."„Ich Habs gefunden." Es war ein Foto von Anna Sten . Ohne eine Minute Zeit zu verlieren, kabelte Goldwyn an seine Korrespondenten, damit sie ihm den Star auffänden und ihn kontraktlich verpflichteten. Ein Antwort- kabel erreicht ihn: sie spricht kein Wort englisch. Macht nichts, sagte der Produzent, sie wird es lernen. Und bald ist Anna Sten unterwegs nach Hollywood . Samuel Goldwyn war entschlossen, 300 000 Dollar zu riskieren, einzig und allein, weil er Vertrauen zu seiner neuen Entdeckung hatte und weil er sein findiges Auge kannte. Die junge Russin machte viel von sich reden, gerade, weil sie selbst nichts sagte und man nichts von ihr wußte. Als der erste Film zur Hälfte fertig war, ließ Goldwyn ihn sich in seinem privaten Vorführraum zeigen.„Nicht schlecht," sagte er,„aber noch lange nicht gut genug,' noch einmal!" Er hatte 230 000 Dollar ausgegeben. Jetzt war der Film beendet. Anna, Nana... vielleicht war der Vorname des russischen Stars ein Indiz für die Rolle, die sie spielen sollte? Claude Arlen. 11 Männer sind zweitrangig" Die„paradiesmenschen" von Keu-Suinea In Innern des von den Papua bewohnten Gebietes auf Neuguinea , das von Australien als Mandatsgebiet ver- waltet wird, haben Flieger, so berichtet die„Basler National- Zeitung", ein bisher unbekanntes Volk entdeckt. Der Stamm steht auf einer sehr viel höheren Zivilisationsstufe als die halbwilden Papuas. Die Männer sind hochgewachsen und tragen lange Bärte, während die Frauen als ausgesprochen schön bezeichnet werden. Sie leben in viereckigen Häusern, während die Papuas in kugelförmigen Hütten hausen, und treiben Ackerbau und Viehzucht. Dabei wird für den Acker- bau ein sehr kunstvolles und sinnreiches Bewässerungssystem benutzt. Ter aus über 200 000 Köpfen'bestehende Stamm lebt an der Quelle des Whagi-Flusses in der Nähe des Hagen - Berges zwischen dem Bismarck-Gebirge und der Grenze des Papua -Gebietes. Eine von der australischen Regierung in die Gegend entsandte Erpedition berichtet, daß die Angehört- gen des Stammes friedfertig und zugänglich sind, und daß ihre Gebräuche und Lebensgewohnheiten sich in jeder Be- ziehung von denen der Papua unterscheiden. Zur Erforschung der Geschichte des Stammes werden noch in diesem Monat zwei Missionare nach Neuguinea abreisen. Nun meldet sich soeben ein Mann, der schon einmal unter diesem, der Wissenschast bis jetzt entgangenen Volke geweilt hat. Dieser Mr. Busby lebt jetzt in England und sucht hier die Mittel zu finden, um so bald wie möglich wieder in das „Paradies" zurückzukehren. Er ist ein alter Minen-Prospek- tor, den auf einmal das Heimweh packte und der wegen dieses Heimwehs sogar das Paradies im Stich ließ,— um es nun wieder zu suchen. „Ich hatte damals lange in Australien gearbeitet und war dann nach Neu-Guinea herübergekommen. Die Papuas sagten mir immer, daß weiter im Innern, unweit der Schneeberge tdenn wirklich steigen einige Gebirge, trotz der Aequatornähe, mit weißem Eisgipfel bis zu 3000 Meter Höhe empor) gute„Steine" zu finden seien. Tie hatten da auch eine alte Sage, von der mir ein alter Papua berichtete, von einem fremden Königsvolk. Jedenfalls ahnte ich, daß dort etwas Neues sein müsse. Eines Abends kam ich auf der Suche nach einem Lagerplatz in eine Lichtung, in der ich zu meinem Erstaunen fast fünfzig Frauen fand, alle sehr schlank und gut gewachsen und mit einem intelligenten Gcsichtsausdruck." Erst liefen die Frauen davon und beobachteten aus dem Dickicht den Mr. Busby. Dann beruhigten sie sich und kamen sehr freundlich wieder näher. „Ich bin ein paar Wochen bort geblieben. Und ich muß sagen, daß ich aus meinem freilich etwas bewegten Dasein keine friedlichere Erinnerung habe als jene an diese Wochen. Woher diese Menschen kommen, welche Sprachverivandt- schatten bestehen, welche Beziehungen zu anderen Völkern herrschen— das alles weiß ich nicht. Wenn die Wissenschaftler jetzt sagen, daß sie einen ägyptischen Typ haben, dann muß ich das glauben. Aber ich kann berichten, wie sie leben. Die Frauen herrschen in diesem Paradies. Eine Königin wird gewählt, und zwar nur unter dem Gesichtspunkt ihrer Klugheit und ihres guten Aussehens. Ihr Wort ist absolutes Gesetz." „... Was mich am meisten erstaunte: dieMännersind hier Menschen zweiten Ranges, auch körperlich, wenn sie auch nach unserem Standard gemessen immer noch große und kräftige Gestalten haben. Aber sie sind viel femininer. Sie tun alle Hausarbeit, spielen also nach unseren Begriffen die Hausfrau, während die Frau den Landwirt macht. Verbrechen habe ich nie gesehen und beobachtet. Das liegt vielleicht an den raffiniert ausgeklügelten Gesetzen und Ueberwachungsmethoden der Frauen, vielleicht aber auch an den geradezu idyllischen Bedingungen. Einmal sah ich, wie ein Mann wegen einer kleinen Ver- fehlung verurteilt wurde, von zwei der stärksten Frauen ausgepeitscht zu werden. Der Mann unterwarf sich diesem Urteil ohne weiteres. Ich möchte sofort wieder aus die Insel, zu diesem Volk zurück. Aber der Weg in ihre Gemeinschaft ist schwer, genau so, wie die Missionare es schwer haben werden, sie zu be- kehren. Denn dieses Volk, das zweifellos sehr alt ist, hält hartnäckig an den alten Ueberlieferungen fest und wird auch von ihnen nicht abgehen. Zudem haben sie ja auch alles, was sie brauchen, und sind glücklich, viel glücklicher als wir!" Also spricht Mr. Busby und sucht eifriger denn je die Mittel, um wieder in sein„Paradies" zurückzugelangen. Der Friede von Neu-Guinea ruft ihn— trotz der„Frauen- Herrschaft"... Der Kalif und fein Schüler Ein Gleichnis von Dyonis Lippa / Ein Schüler, der in allem Wissen sich ausgezeichnet hatte, wurde vom Kalifen Jussei auf Reisen geschickt. Drei Jahre lang sollte Ermil in allen Ländern seine Kenntnisse erweitern und vertiefen. Nach dieser Zeit, als er zurückgekehrt war, fragte ihn der Kalis vor seinem Hosstaate: „Was hast du gesehen und was tat sich dir kund, Ermil, mein Sohn?" Dieser antwortete: „Nur dies, großer Herrscher. Ich war in der Welt und sehnte mich nach der Heimat. Der Staub aus fremden Ländern auf meinen Sandalen ist auch nur Staub. Und die Sterne sind gleich fern, von hier, wie aus der Fremde. Tie Nacht gleich dunkel— der Schmerz gleich tief— die Worte gleich leer..." „Ermil," rief der Kalif ,„du warst nicht umsonst in der Welt!" und er umarmte ihn. Nun liegst du abendlich zu meinen Füßen, Tu große, abenteuerliche Stadt. Bieltausend Dächer drängen sich und grüßen Den fremden Mann, der keine Heimat hat. Mehr als ein Jahr Hab ich in dir gelitten. Nicht einen Tag mich wirklich frei gefühlt. Bielleicht Hab ich dir Unrecht abzubitten, Wenn ich geklagt, du hättest mich zerwühlt. Doch weiß ich nun: Ich muß dich bald verlassen, Wenn ich nicht ganz an dir zerbrechen soll. Ich sehne mich nach südlichen Terrassen. Nach Meer und Weite, blau und sonnenvoll. Vielleicht kann dort der Heimat Bild verblassen. Die ohne Matz ich liebe noch im Groll. H o r a t i o. Vierundzwanzig schwarze Heroen Der furchtbarste Schrecken Afrikas , die Schlafkrankheit, fordert alljährlich viele lausend Opfer. Bis heute ist es noch nicht gelungen, trotz unendlich vieler Bemühungen von seilen der Wissenschaft, diesem Schrecken wirksam Einhalt zu ge- bieten. Seit vielen Jahren hat man schon Versuche an Tieren vorgenommen, während man bisher Versuche an menschlichem Material noch nicht vornehmen konnte, da sich zu diesem Risiko niemand bereit finden wollte. Wtjjeu- schaftler und Bakteriologen forderten daher jetzt öffentlich die Bevölkerung von Uganda , dem am schlimmsten von der Schlafkrankheit heimgesuchten Gebiet in Ostafrika , auf, sich freiwillig zu Versuchszwecken zur Verfügung zu stellen. Es meldeten sich auch sofort daraus 21 Eingeborene, obwohl sie sich der Folgen dieser ihrer Handlung voll bewußt waren. Elf von ihnen wurden mit den Bakterien der Krankheit in- fisziert und die Gelehrten begannen mit ihrer an den Tieren bereits erprobten Heilungskur. Keiner von diesen Eingeborenen starb und man konnte allmählich feststellen, daß sie eine ununterbrochene Genesungskur durchmachten. Dies ist der erste große Erfolg im Kampf gegen die Schlaf- krankheit, den die Wissenschaft auf diesem, im wahrsten Sinne des Wortes bisher schwarzen Gebiet zu ver- zeichnen hat. Räuber entdecken die Schatze der Großmogule Das Märchen von Ali Baba und den 10 Räubern ist kürz- lich durch die Wirklichkeit übertrumpft worden. Eine Bande von Wegelagerern hatle sich vor der Polizei des indischen Distriktes Hissaa in eine riesige Höhle geflüchtet. Dort be- rührte einer der Räuber aus Versehen eine Stelle der Höh- lenwand, in die eine Art Skulptur gehauen war. Ehe er sichs versah, bewegte sich der berührte Stein, rutscht« zu Boden und gab den Weg in einen langen Gang frei. Die Räuber nahmen allen ihren Mut zusammen, machten sich künstliche Kerzen zurecht und drangen in den Gang ein. An seinem Ende fanden sie ein weites Gewölbe, in dem ungeheure Schätze von Diamanten und Goldstickereien aufgestapelt lagen. Sie stammten aus der Zeit der ruhmreichsten und verschwenderischsten Großmogule.— Die Räuber nahmen einen der goldgewirkten Mäntel mit. Seine Knöpfe waren Edelsteine. Sie verkauften das Prachtstück einem Kaufmann in Bombay und versuchten, mit dem Erlös das Terrain zu erwerben, unter dem die Höhle lag. Der Eigentümer des Grundstücks wurde jedoch wegen des hohen Angebotes miß- iranisch. Er wandte sich an die Polizei. Ein Regierungs- beamter leitete daraufhin eine Untersuchung ein, deren Er- gebnis er dem indischen Institut für Archäologie unter- breitete. Gegenwärtig sind die Gelehrten damit beschäftigt. Ausmaß und Wert des Schatzes zu taxieren. Er baute nach oben Jetzt, wo die Wolkenkratzer schon eine gegebene Tatsache sind, wird das Woolworth-Building bald zur Vergangenheit gehören. Aber sein Architekt. Mr. Caß Gilbert , der dieser Tage in England starb, ist noch nicht Vergangenheit. Er war ein Pionier aus dem Gebiete der Baukunst, der nicht nur in Amerika Anerkennung fand, sondern auch von der englischen Königlichen Akademie zu Lebzeiten geehrt wurde. Als er das Woolworth-Building baute, waren Wolkenkratzer von solchen Ausmaßen unbekannt. Er sah, daß Neuyork, wenn es sich ausbreiten wollte, es keineswegs wie andere Städte horizontal tun konnte, da es auf einer Insel gelegen ist. Daher baute er nach oben. Aber Gilbert hatte nicht nur die Idee, er war auch fähig, sie praktisch auszuführen. Seine Kenntnisse in Stahl- und Eisenkonstruktionen waren seinen Zeitgenossen um Jahre Woraus: wäre es nicht so ge- wesen, wäre das Woolworth-Building eine Unmöglichkeit gewesen. Radio aus der Stratosphäre In drei Wochen wird es den europäischen Hörern möglich sein, die interessanteste und originellste Rundfunkübertragung, die je arrangiert wurde, zu hören. Captain A. W. Stephens und Major W. E. Kepner, beide Mitglieder der amerikani- schen Lustflotte, sind im Begriff, zu Forschungszwecken in einem Ballon in die Stratosphäre aufzusteigen, wo sie eine Rekordhöhe von 80 000 Fuß zu erreichen hoffen. Sie wollen eine Beschreibung dieses Experiments und ihre Ersahrungen an Ort und Stelle in ein Mikrofon sprechen, dessen Schwingungen über eine Spezial-Wellenlänge von einem großen amerikanischen Sender aufgefangen werden sollen, der sie dann seinerseits wieder mit einer Stärke von 100 Kilo- watt in die Welt sendet. Dieser Sender wird zuerst mit allen amerikanischen Stationen in Verbindung stehen, und auch die Vorbereitungen sind schon getroffen, daß diese seltene Uebertragung auch von den europäischen Stationen aufge- nomme» werden kann.
Ausgabe
2 (19.6.1934) 138
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