„Deutsche Freiheit", Nr. 14»Das bunte VlattSooulag Montag, Zt. 25. Jnut.24 stunden mit Maurice ChevalierChevalier, der augenblicklich in Hollywood unterLeitung von Ernst Lubüsch mit Jeanette Mac Donaldals Partnerin an der Verfilmumg der„Lustigen Witwe"arbeitet, wird sowie dieser Fillm beendet ist, sich nachLondon begeben, um dort seine» ersten englischen Filmzu beginnen. Einem lang ersehnten Wunsch entsprechendwird ihm dort eine ernste Rolle anvertraut werden. Erwird die Titelrolle in dem Film„Der Marschall" spielen:ein einfacher Soldat der Großen Armee, der Marschallvon Frankreich wird.Trotz der spontanen Natur seines Spiels und seinerNeigung, allen Augenblicksregungen nachzugeben, istMaurice Chevalier fraglos einer der methodischsten Schau-spieler des Films. Seine Arbeit, seine Zerstreuungen, seineUebungen sind systematischen Regeln unterworfen. Er istvon einer Selbstdisziplin beherrscht, eine Angewohnheit,deren Ursprung zweifellos in seiner Militärzeit zu suchen ist.Jetzt während der Vorbereitungen für die„Lustige Witwe"erscheint Chevalier, schon immer Morgenarbeiter gewesen,um 9 Uhr in den Ateliers der Metro-Goldwyn-Mayer, undeinige Minuten später fand man ihn schon bei der Arbeit.Er probte unter Leitung der Ballettmeisterin AlbertinaRasch den berühmten Walzer. Dann gab er vielleicht einInterview, beschäftigte sich mit seinen Privatangelegenheitenund fuhr bann zum Essen in seine Villa. Am Nachmittagspielte er gewöhnlich mit einigen Freunden Tennis oderGolf.Sowie aber die Vorbereitungen für den Film beendetwaren und die regelrechte Arbeit begann, kann manChevalier jeden Morgen um 8 Uhr im Atelier sehen. Oft(Bin Koloß, der schlecht stehtWie man jetzt erfährt, war Carnera, der italienische Riese,dem jetzt von dem Amerikaner Baer der Weltmeistertitel imSchwergewicht abgenommen wurde, von seiner Truppen-behörde der Eintritt in die Armee versagt worden, als erin dem Alter war, wie jeder seiner Landsleute, seine Militär-Tienstjahre zu absolvieren. Der Zustand seiner Beine machteihn für den qktiven Dienst untauglich. Er stand nicht festaus den Füßen. Aber das hinderte ihn nicht eine ziemlichbewegte und oft auch glückliche Karriere im Ring zu machen.Aber seine neuerliche Niederlage beweist, daß ein Mann,der nicht sähig ist Soldat zu sein, was auch immer die Stärkeseiner Faust sei, ein unvollkommener Mann ist.Der Krater als SelbstmörderDer Vulkan Mihara Bama auf der japanischen InselOshima ist ein trauriger Anziehungspunkt geworden, wasdie japanische Regierung sehr beunruhigt. Eine Legendedurchzieht das Land, daß die Selbstmörder in seinen heiligenFlammen die ewige Ruhe finden, und sein Krater ist seitdemdie Weltkrise zur Vermehrung dieser Verzweiflungsaktebeigetragen hat, einer der Orte geworden, wo gescheiterteExistenzen Abschied vom Dasein nehmen. Im vergangenenJahre haben sich mehr als 299 Personen in den entsetzlichenSchlund gestürzt. Eine große Tokioter Zeitung hatte in derHoffnung, diesen Aberglauben zu zerstören, beschlossen, eineExpedition in das Innere des Vulkans zu unternehmen.Zwei unerschrockene Redakteure legten sich Gasmasten anund lieben sich in eine Eisengondel, eine Art Fensterlaterne,begleitet ihn sein Manager dorthin, der die wenigen MinutenAutofahrt benützt, um mit ihm über die Geschäfte zu sprechen.In einer Stunde ist Chevalier geschminkt und angezogen,so daß er Punkt 9 Uhr mit seiner Arbeit beginnen kann.Seinen Punch nimmt er jetzt allein oder mit einem Freundein seiner Loge ein und bleibt danach bis zum Abend imAtelier. Im Gegensatz zu den meisten anderen Stars be-steht er nie darauf, zu einer bestimmten Stunde die Arbeitzu beenden: er bleibt eben so lange im Atelier, bis seinetägliche Aufgabe zur Zufriedenheit seines Regisseurs er-ledigt ist.In den Arbeitspausen im Atelier, sieht man ihn gewöhnlich mit einigen Kameraden promenieren und scherzen, fallser nicht einen Song zu proben oder einen bestimmten Punktin seinem Film mit seinem Regisseur durchzusprechen hat.Er ist auch einer der Wenigen, die ihre Dialoge gelernthaben, so daß nur wenige Szenen noch einmal gedrehtwerden müssen.Ist sein Tageswerk beendet, so begibt er sich direkt nachBeverly Hills, wo er mit seinem Manager wohnt. Nach demDiner liest er oft irgend ein neuerichienenes Buch, bevor erdamit beginnt, seine Rolle für den nächsten Tag zu studieren.Falls er sich nicht zu irgendeiner Einladung begibt— unddas geschieht, während er arbeitet, nur am Samstag—, ziehter sich fast täglich um 19 Uhr zurück.Im Atelier erwartet ihn noch eine andere Arbeit. MehrereStunden täglich sitzt er den Fotograsen. Er prüft jede Posederartig sorgfältig, bis er eine noch wirksamere Stellunggefunden hat und die Resultate ihn vollauf zufrieden stellen.Ter berühmte Schauspieler behandelt eben sämtliche Detailsmit derselben Peinlichkeit wie seine Rollen selbst. K. A.einschließen, die dann langsam in den Abgrund hinunter-gelassen wurde. Die Forscher begannen ihre Arbeit in derHoffnung, den 249-Meter-Rekord zu schlagen, der durch denSeismologen Kerner aus dem Stromboli gehalten wird. In159 Meter Tiefe schien sich der ungeheure Dampf zu ver-ziehen und es konnten seltene Ausnahmen der von der Lavazerrissenen Bergwände gemacht werden. Jeden Augenblickwurde die Ruhe durch das Aufkrachen heftiger Explosionengestört. 199 Meter tiefer sah man auf den Felsvorsprüngendie zahlreichen Leichen der Verzweifelten. Sie waren voll-kommen intakt, was dazu angetan ist, den Volksglauben andas reinigende Feuer zu zerstören. Endlich, in 499 MeterTiefe, nachdem sie den Rekord geschlagen hatten, gaben diekühnen Journalisten wie Taucher das Zeichen zum Aufstieg,aber nicht, weil die Hitze unerträglich geworden war, sondernweil die durch die Stärke der unterirdischen Explosionen her-vorgerufenen Erdstöße imstande waren, die Gondel jedenAugenblick zu zerdrücken.Dreizehnjähriger baut DampfmaschineDer 13jährige Kolja Popow, Sohn eines Arbeiters derEharkower Lokomotivfabrik, Schüler der Fabrikschule diesesBetriebes, hat eine Dampfmaschine selbständig konstruiert.Bor einigen Tagen wurde sie einer Gruppe junger Technikerund Spezialisten vorgeführt, die übereinstimmend feststellten,daß die Maschine in technischer Hinsicht einwandfrei kon-struiert war. Der junge Popow hat die Maschine für denWetlbewerb gebaut, den die Station für technischen Unter-richt in Charkow für Schulkinder organisierte. An dem Wett-bewerb nahmen 18 999 Kinder teil und legten über 8990Originalkonstruktionen und technische Neuerungen vor.Hoher Besuch in EnglandLondon, 18. Juni. fMTP.) Mit LI Salutschüssen wurde derEmir Abdullah von Transjordanien bei seiner Landung inDover begrüßt. Der Emir ist zu einem mehrwöchigen Be-such in England eingetroffen, das er seit dem Jahre 19L2nicht mehr gesehen hat. Er wird in den nächsten Tagen demKönig einen Besuch machen und dann mehrere Wochen demBesuch Englands und Schottlands widmen. Für London hater seine besonderen Interessen, die er den Reportern verra-ten hat Der Fürst ist ein begeisterter Anhänger des Films.Er selbst besitzt eine Filmkamera, an der er große Freudehat. Bisher hat er jedoch nur stumme Filme gesehen. Nunwill er sich in London, nach dem Besuch der großen Film-studios, zum ersten Male einen Tonfilm ansehen.Hühnersprache- schwere SpracheDie Gelehrten sind ein glücklicher Menschenschlag. Mittenin einer Epoche gewaltigster Umwälzungen sind sie imstande,sich aus die Merkwürdigsten Studien zu konzentrieren. Teritalienische Dichter d'Annunzio zum Beispiel verbringt be»kanntlich seine Freizeit damit, die Sprache der Hunde zuerlernen. Ein Münchener Professor, Herr Dr. BastienSchmidt ist jetzt in Wettbewerb mit ihm getreten. Er behaup-tet, zwölf Ausdrücke aus dem Wortschatz der Hühner entdecktzu haben. Wenn man bedenkt, daß eine lebende Sprache49 999 Wörter umfaßt, wird man das ein bißchen wenig fin-den. Aber wahrscheinlich genügt es für die Hühner. Imübrigen hat der Herr Professor sein Lexikon wohl noch nichtfertiggestellt...Humor„Eigentlich wollte ich mir nur einen Zahn ziehen lassen,aber der Zahnarzt mußte dann einen zweiten noch heraus-nehmen."„War der zweite auch so schlecht?"„Bewahre— bewahre, aber der Mann konnte mir auf 19Gulden nicht herausgeben."*„Von jetzt ab muß ich vegetarisch leben/,^at Ihnen der Arzt das verordnet?"„Nein, aber mein Fleischhauer borgt mir nichts mehr."*Die jungverheiratete Frau sah, daß ihr Mann sorgenvollund nervös war.„Liebster," sagte sie,„erzähle mir doch, was dich bedrückt!Deine Sorgen gehören von jetzt ab nicht mehr dir allein, son-dern uns beiden zusammen!"„Nun, wenn du es durchaus wissen willst", sagte er,„wirhaben einen Brief von einem Mädel aus Linz bekommen,die uns wegen gebrochenem Eheversprechen verklagen will."*Herr Mayer erzählt von dem verwegenen Einbruch in sei-ne Wohnung:„Dabei war es bei hellichtem Tag. Und wir haben garnichts gehört. Wir saßen gerade bei Tisch und aßen dieSuppe..."„Tann konnten Sie freilich nichts hören", bemerkt derNachbar.*Der Tertianer: Bater, erinnerst du dich noch an die Ge-schichte, wie man dich in der Tertia aus dem Gymnasiumgejagt hat?Der Bater brummte oerlegen: Gewiß.?«,<> fiifi nflcÄ in der Welt wiederbolt.Unsere Töchter, die OapnenRoman von HermyniaZurMühlen. 5Um diese Zeit hatte die.Gräsin Agnes einen großen Kum-mer. Ihre Tochter Claudia war seit ungefähr einem Jahrimmer schrulliger geworden. Manchmal sprach sie tagelangkein Wort, dann wieder war sie von einer wilden Lustigkeit,redete fremde Menschen.an, besonders Männer, lachte wieverrückt und bekam dann, mitten im Lachen, einen Wein-krampf. Sie war jetzt fünsunddreißig Jahre alt, aber sie sahaus wie vierzig ober noch mehr, ganz schmal und verhutzelt,und in dem blassen Gesicht glänzten nur die großen blauenAugen, die sie von der Mutter hat. Die Gräfin wußte nicht,was sie mit Claudia anfangen sollte. Tie selbst ist ja so stillund zart, daß sie das wilde Wesen der Tochter nicht begreifenkonnte. Manchmal sah es auch fast so aus, als ob Claudiadie Mutter haßte. Und eines Nachts versuchte daS Mädchen,sich umzubringen. Sie sprang in den See und wäre auch er-trunken, wenn nicht ein paar Fischer sie herausgezogenhätten. Sie kam in eine Heilanstalt und blieb zwei Monatedort. Als sie heimkehrte, schien sie zuerst ganz muirter undfroh und sprach immer von dem Arzt, der sie behandelt hatte.Sie deutet an, daß er in sie verliebt sei und nur nicht woge,seine Liebe zu gestehen, weil er ein einfacher Bürgerlicher,sie aber eine Comtesse ist. Doch muß sie sich getäuscht haben,denn der Arzt heiratete kurz daraus ein junges Mädchen,' mit dem er schon verliebt gewesen war, als Claudia in dieAnstalt kam. Claudia wurde wieder mürrisch und böse. Tieschien jetzt alle Menschen zu hassen, ihre Mutter, mich, meineToni, vor allem aber Lieselotte Feldhüter, die ein hübschesMädchen geworden war und an allen zehn Fingern Verehrerhatte. Wenn Claudia auf der Straße Lieselotte begegnete,rümpfte sie die Nase, als ob es irgendwo schlecht rieche, undging ohne Gruß an ihr vorüber. Das ärgerte die FrauDoktor Feldhüter furchtbar. Sie erzählte überall herum,Claudia sei hysterisch und mannstoll, und überhaupt dieganze Familie, die alte Gräfin mit ihrem Hochmut, die sichzu großartig vorkomme, um mit den achtbaren Familien derStadt zu verkehren. Dabei gibt es keinen Menschen, der sowenig hochmütig ist wie die Gräfin Agnes: sie konnie nurdas Getue der Frau Doktor nicht leiden.Also am dritten Januar 1931 wurde die Fabrik geschlossen,in der meine Toni gearbeitet hatte, und alle Arbeiter undAngestellten lagen aus der Straße. Viele von ihnen jammer-ten schrecklich, was ja auch begreiflich war, denn wo solltensie Arbeit finden? Es wurden im ganzen Reich Betriebegeschlossen, und viele andere arbeiteten mit halber Beleg-schast.Meine Toni suchte zuerst verzweifelt nach einer Stelle,aber sie fand nichts. Freilich bekam sie eine Unterstützung,und wir hätten leben können, aber das Nichtstun machte siehalb verrückt. Ich ging als Ausräumsrau in ein paar Häu-ser, und meine Toni versorgte bei uns den Haushalt. Aberwas gab es da schon zu tun? Sie holte die Bücher meinesarmen Anton hervor und las und las, und wenn der Seppelkam. stritten sie immer häusiger, und jetzt stritten sie nichtmehr wie Liebesleute, sondern wie erbitterte Gegner.Auch mit mir begann die Toni zu streiten, und auch mitihren allen Freunden und Freundinnen, mit den Genossen,die zu uns kamen. Nichts war ihr recht, an allem hatte sieetwas auszusetzen. Ich nahm es ihr nicht übel, ich wußte,die Untätigkeit frißt in ihr, und die Angst vor der Zukunft.Aber eS war ja doch eine böse Zeit: wirtschaftliche Sorgenund daheim das Mädel, dem man nichts recht machen konnte.Ich war froh, als der Winter einunddreißig vorüber war.Im Sommer, wenn die Gäste kommen, dachte ich, werbe ichwieder besser verdienen, und vielleicht findet die Toni dannauch Arbeit. Ich bin immer so gewesen: sobald die erstenKnospen kommen, habe ich das Gefühl, jetzt muß alles besserwerden.Dieser Porfrühling war eine aufgeregte Zeit. Der Reichs-Präsident sollte neu gewählt werden. Ueberall klebten Wahl-aufrufe, und alle Parteien hielten Versammlungen ab. Ichwar ein wenig erstaunt, als unsere Partei für die Wieder-wähl Hindenburgs eintrat, denn schließlich ist der alte Manndoch ein Junker und paßt nicht zum Präsidenten einer Ar-beiterpartei. Doch überlegte ich mir. daß er nun schon vieleJahre Reichspräsident gewesen war und die Republik ge-schützt hatte.„Treue um Treue" stand auf den Plakaten,und ich dachte, ein so alter Mann, der den Eid auf dieVerfassung geschworen hat, w-rd ihn nickt brechen. Vielleichtist er nicht sehr gescheit, vielleicht versteht er die Arbeiternicht, aber er ist ein ehrlicher, anstandlger Mensch, er w'rdseinen Eid halten.Der Sepvel kam jetzt wieder öfter zu uns und wollte unsüberreden, den kommunistischen Kandidaten zu wählen. Aberer hatte damit kein Glück. Ich mußte mich doch an das hal-ten, was die Partei vorschrieb, und Toni lachte höhnisch undsagte:„Ach. euer Thälmann. der muß ja doch tanzen, wie Mos-kau pfeift. Fällt mir nicht ein, ihm meine Stimme zu ge-ben."Ter Seppel wurde ganz böse.„Daß deine Mutter den Alten wählt, das kann ich nochverstehen. Tie ist seit Jahren Sozialdemokratin und läßtsich alles einreden. Aber du?"„Ich denk nicht daran, den Alten zu wählen," hat meineToni gesagt.„Aber ich will dir etwas sagen. To ein inter-nationaler Sozialismus ist nichts für uns Deutsche. Wirhaben ja gesehen, wie viel uns die Internationale geholfenhat. Wir brauchen einen deutschen Sozialismus, der fürunser Land paßt."Ter Seppel hat sie angestarrt, als wäre sie verrückt ge-worden. Tann ist er ganz langsam aufgestanden und hatgefragt:„Was willst du damit sagen?"Tie Toni war etwas verlegen geworden. Tie hat zuerstmich, dann den Seppel angeschaut und leise geantwortet:„Ich weiß es noch nicht. Aber wenn ich wähle, so wähleich einen Arbeiterführer."*„Also doch den Teddy! Warum sagst du das nicht gleich, dudummes Mädel?"„Es gibt noch einen," hat die Toni gesagt, und ich Habzuerst gar nicht begriffen, was sie meint.Der Seppel hatte keine so lange Leitung gehabt wie ich.„Ten Schwindler, den Scharlatan! Hast du den Verstandverloren? Ten Kerl, der nur daS Maul ausreißen kannund sich von der Schwerindustrie bezahlen läßt, den Hitler?"Mir ist der Schrecken in die Beine gefahren: das kann dochnicht der Toni ihr Ernst sein? Das kann doch nicht dieTochter von meinem Anton sagen. Ich muß ganz blaß geworden sein, denn der Seppel hat sich neben mich gesetzt undtröstend gesagt:„Sie hält uns ja nur zum Narren. Genossin. Ist ein vielzu gescheites Mädel, um so etwas zu tun."lFortsetzung folgt.)