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Nr. 146 2. Jahrgang

Einzige unabhängige Tageszeitung Deutschlands

Saarbrücken, Donnerstag, den 28. Juni 1934 Chefredakteur: M. Braun

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Aus dem Inhalt

Dec Reichsanwalt

und Thälmann

Der Krieg zwischen

Seite 2

Seite 3

S- A. und ,, Stahlhelm "

Deutsche Arbeitslöhne

Bacthous Triumphfahet

Seite 4

Seite 7

Reichsmark ohne Deckung Gestern und fieute

28. Juni 1914. Zwanzig Jahre sind es her, aber die Ein­nerung an diesen fieberheißen Sonntag ist noch lebendig. Schlaff saßen die Großstädter im Freien. Wer über Asphalt ging, blieb mit den Absätzen wie in einem Morast stecken.

Die Reichsbankrotteure Hitler und Schacht haben 11/12 der Gold- Da kamen gegen fünf Uhr die Extrablätter: Das habs­und Devisenbestände verwirtschaftet

dnb. Berlin , 26. Junt. Nach dem Ausweis der Reichs: bank vom 28. Juni 1934 hat sich die gesamte Kapitalanlage um 80 Millionen RM. verringert. Während des Juni sind somit nur zwei Drittel der Inanspruchnahme der Reichs: bank zum Mai- Ultimo zurüdgeflossen. Hier macht sich augen­scheinlich schon die beginnende Reisezeit bemerkbar. Im ein zelnen ging der Wechselbestand um 98 auf 2968, der Bestand an Reichsschawechseln um 1 auf 14 Millionen RM, zurüd, während Lombardforderungen um 1 auf 81 Millionen RM. stiegen. Eine stärfere Steigerung um 17 Mill. auf 345 Mill. RM. erfuhr der Bestand an deckungsfähigen Wertpapieren. Dies hängt augenscheinlich mit der Abwicklung des Konvers sionsgeschäftes zusammen. Der Notenumlauf ermäßigte sich um 88 auf 3898 Mill. RM., während 34 Mill, RM. Scheide= münzen in die Reichsbankfaffe zurüdgeflossen sind. Unter Berücksichtigung von 8 Mill. neu ausgeprägter und 6 Mill. wieder eingezogener Scheidemünzen erhöhte sich der Bestand auf 284 Mill. RM. Der Abfluß von Gold und Devisen hat sich weiter fortgesezt, und zwar in erhöhtem Maße. Obwohl in der vergangenen Woche feine Bereitstellungen für Zinszahlungen zu machen waren, ging der Goldbestand um 22 auf 72 Mill. und der Bestand an deckungsfähigen Devisen um 2 auf 4 Mill. RM. zurüd. Der Gold: und Devisens bestand hat demnach eine Verringerung um 24 auf rund 76 Mill. RM. erfahren. Er deckt den Notenumlauf nur noch mit 2,8 Prozent gegen 2,9 Prozent in der Vorwoche. Die verschiedenen Maßnahmen der Reichsbank nach außen wie nach innen finden in dieser Entwicklung ihre volle Berech tigung(?). Der Zahlungsmittelumlauf betrug 5277 Mill. RM. gegen 5092 mil. RM. zur gleichen Zeit des Vorjahres. Die gesamten offenen Reserven der Reichsbank sind also innerhalb einer Woche von 100 auf 76 Millionen Reichsmart gesunken. Wie von uns wiederholt dargelegt worden ist, sind

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Deckung noch 1,5 v. H.

allerdings noch stille Reserven, so die Reste der Russenzah­lungen, die Valutaguthaben der Lebensversicherungsgesell­schaften und vielleicht mit Wissen der Reichsbank im Ausland deponierte Devisen von deutschen Exporteuren vorhanden. Indessen können dies alles zusammengenommen im günstigsten Falle nur einige hundert Millionen Reichsmart sein.

Bergleicht man die Gold- und Devisenbestände der Reichs­bank mit denen des 30. Januar 1933, dem unheilvollen Tage, an dem Abenteurern und Hasardeuren die Führung der Reichsgeschäfte übertragen wurde, so steht man vor der Tat­sache, daß der Reichskanzler und der Reichsbankpräsident elf Zwölftel der damaligen Bestände verwirtschaftet haben. Da­bei sind noch nicht eingerechnet die mindestens 150 Millionen Devisen und Gold, die durch das sogenannte Volksverrats­gesetz ausgefämmt worden sind. Auch sie sind von den Bankrottpolitikern vergeudet worden.

Der Reichsbankausweis spricht von einer Deckung des Notenumlaufs von 2,3 v. H. Stellt man die Gold- und Devisenbestände in Vergleich zu dem gesamten 3ah­Iungsmittelumlauf, so fommt man zu einer Deckung von 1,5 v. H. Man ist also praktisch auf dem Nullpunkt an­gelangt.

Troz aller Vertuschungsmanöver ist bei dieser Entwicklung auch im Innern Deutschlands das Vertrauen zur Reichsmark tief erschüttert. Das Hamstern und die Angstkäufe nehmen zu. Die Kapitalflucht ins Ausland ist seit Wochen wieder im Wachsen, und die Reichsmark ist im Auslande auch in kleinen Beträgen nur noch sehr schwer abzusetzen. Gehalten wird ihr Scheinfurs im Auslande nur noch durch die Stüßungskäufe der Reichsbank, die nun an ihre bescheidenen stillen Reserven herangehen muß, wenn sie ihre Stüßungspolitik fortseßen will. Weigert sie sich aber zu stüßen, so fällt die Reichsmark im Auslande binnen kurzer Frist in den Abgrund.

Reinhardts Steuerfantasien

Und das Reichsdefizit von 2110 Millionen Reichsmark

sein

Berlin , 27. Juni. Nicht der Reichsfinanzminister Graf von nationalsozialistischer Schwerin- Krosigk, sondern Staatssekretär Reinhardt hat soeben ein großes Steuer­reformprogramm verkündet. Wohlverstanden: es handelt fich noch feineswegs um festumrissene Vorlagen, sondern um Absichten und Pläne. Daß sie nicht der Minister, sondern der nationalsozialistische Staatssekretär bekannt gibt, zeigt, daß diese Reformankündigungen vor allem parteiagitatorischen Zielen dienen, daß sie ein Frontabschnitt in dem aussichts­Iosen Kampfe gegen die Miesmacher sein sollen. Was von den Absichten dann wirklich in Gesezesform gegossen und durchgeführt wird, zeigt sich nachher. Dessen ungeachtet wer­den wir die sehr ausführlichen Pläne Reinhardts noch ein gehend behandeln. Heute wollen wir nur hervorheben, doß nach den eigenen Worten des Staatssekretärs an eine Ver­minderung der Steuerlast nicht zu denken ist. Seine Reform geht daher nur auf eine Umlagerung der Steuerlasten hin­aus. Ob diese wirklich sozial wirkt, bleibt im einzelnen nachzuprüfen. Wenn Reinhardt z. B. einen allmählichen Ab­bau der besonders unbeliebten Hauszinssteuer bis zu deren völligen Aufhebung im Jahre 1940(!) ankündigt, so ist damit nicht gesagt, daß die Mieter, die jetzt die Hauszins­fteuer aufzubringen haben, wirklich entsprechend entlastet. werden. Mietpreissteigerungen oder neuerliche Steuerlasten, die als Ausgleich für die Hauszinssteuer notwendig werden, find wahrscheinlich.

Reinhardt selbst drückt sich vorsichtig aus:

Die allgemeine Haushaltlage läßt eine Verminderung der Steuereinnahmen bis auf weiteres nicht zu. Infolge­dessen kann eine Verminderung der Zahl der Steuern nur durch Verschmelzung verschiedener Steuern erreicht werden. Ich denke hier insbesondere daran, die Bürgerſteuer, die Chestandshilfe, die Krisensteuer der Veranlagten und den Einkommensteuerzuschlag der Einkommensempfänger mit mehr als 8000 Reichsmart Jahreseinkommen in die Ein­fommensteuer hineinzuarbeiten, so daß dann an Stelle von bisher fünf Steuern und Zuschlägen nur noch eine Steuer vorhanden sein wird. Es ist auch beabsichtigt, die Gemeinde­biersteuer mit der Reichsbiersteuer zu vereinigen. Auch Steuerjenfungen und Steuervergünstigungen dürfen, so­lange die allgemein aush ne minderung der Steuereinnahmen nicht zuläßt, nur insoweit erfolgen, als

bei sorgfältiger Prüfung angenommen werden kann, daß durch die volkswirtschaftliche und fiskalische Wirkung der Steuervergünstigung oder Steuersenfung der Ausfall mög­lichst ausgeglichen wird, wie das seit einem Jahr durch Ge­währung der Steuerfreiheit für Ersatzbeschaffungen, Steuer­befreiung für neu errichtete Kleinwohnungen und Eigen­

heime, Steuerfreiheit für Aufwendungen zu Zwecken des zivilen Luftschußes usw., Ermäßigung der Steuerschuld für Instandsetzungen und Ergänzungen an Gebäuden usw., schließlich durch die Halbierung der Umsatzsteuer für die

Landwirtschaft, die Senkung der Grundsteuer für die Land­wirtschaft usw. und durch die Senfung der Abgabe zur Ar­beitslosenhilfe geschieht.

Im Rahmen der Steuerreform sind weitere sehr erheb=

liche Steuererleichterungen vorgesehen. Durch die Möglichkeit, für Teile des Einkommens unter bestimmten Bedingungen Steuerfreiheit zu erlangen, durch die Gewäh­rung höherer Steuerfreibeträge für Kinder sowie durch un­mittelbare Senfung der Steuersäße. Der Ausfall aus alledem wird, gesamtsteuerlich gesehen, ausgeglichen teilweise im Rahmen eines bestimmten technischen Umbaues der Steuer, teilweise durch die volkswirtschaftlichen und fiskalischen Wirkungen, die sich aus der Erleichterung zwangsläufig er­geben.

Durch die gegenwärtige Lage unseres allgemeinen Haus­halts find uns bei unserem Bestreben nach Entlastung leider Grenzen gezogen. Die Steuerpolitit im Adolf- Hitler­Staat ist im wesentlichen auf drei große Gedanken abgestellt: 1. Kampf um die Verminderung der Arbeits­losigkeit und damit um die Gesundung der sozialen, wirtschaftlichen und finanziellen Dinge unseres Volfes, in

Zusammenhang damit Lösung dringender volkswirtschaft­

licher Fragen;

2. Förderung der Familie, in Zusammenhang damit Verwirklichung des volkspolitischen Gedankens;

3. Betonung des Wertes der Persönlichkeit und der persönlichen Verantwortung in der Wirt schaft."

Es ist notwendig, diesen verheißungsvollen Worten einige Bemerkungen über die derzeitige Finanzlage des Adolf­Hitler- Staates" gegenüberzustellen. Man wird dann gleich erfennen, daß auf steuerliche Entlastungen überhaupt nicht zu rechnen ist.

burgische Thronfolgerpaar in Serajewo ermordet!"

In Kiel war zur gleichen Stunde die ,, Woche" auf dem Zenith. Unter den blitzenden Segeln seiner ,, Hohenzollern " leitete Wilhelm II. , der Admiral des Atlantischen Ozeans in der Ostsee , die Regatta. Da nähert sich ein Motorboot dem Schiff. Der Kaiser runzelt die Stirn: was will man jetzt von ihm? Der junge Offizier im Boot legt eine Depesche in ein Zigarettenetui und wirft es in hohem Bogen auf Deck. Ein Matrose hebt es auf: vor drei Stunden der Erzherzog Franz Ferdinand und seine Frau von serbischen Irridentisten er­schossen! Die Flaggen gehen auf Halbmast, die Regatta wird abgebrochen, Wilhelm kehrt nach Berlin zurück.

Der Mann, der in Serajewo auf der Bahre lag, hatte noch im Tode ein hartes und brutales Gesicht. Nimmt man den mächtig ausgefaserten Schnurrbart und den steilen Haar­kamm fort, so könnte man an Göring denken. Franz Fer­ dinand von Habsburg hatte keinen Freund am kaiserlichen Hofe gehabt. Er war ungütig und aufbrausend, von unbarm­herziger Kälte auch gegenüber seinen Schmeichlern. Seinem kaiserlichen Onkel und den Hofschranzen hatte er niemals vergessen können, mit welcher Herablassung und inneren Ablehnung sie seine morganatische Frau, die tschechische Gräfin Chotek , behandelt hatten. Soweit er zur Liebe fähig war, hatte sie ihr und den Kindern gehört. Nun war sie mit ihm unter den Schüssen des Gymnasiasten Princip gestorben. Als der alte Franz Josef die Nachricht aus Serajewo erhielt, sagte er: ,, Entsetzlich! Der Allmächtige läßt sich nicht heraus­fordern. Eine höhere Gewalt hat wieder jene Ordnung her­gestellt, die ich leider nicht zu halten vermochte." Er schlief, wie der bayrische Gesandte in Wien , von Tucher, nach Mün­ chen berichtete, die folgende Nacht reichlich und gut. Mit dem Tode seines Neffen war der dunkle Fleck auf dem legi­timen Schilde der Habsburger , verursacht durch eine uneben­bürtige Frau, durch göttliche Entscheidung ausgetilgt wor­den.

Wir wissen heute, daß die österreichischen Zivilbehörden und Potiorek , der Militärgouverneur von Bosnien , den Erz­herzog nahezu in den Tod hatten reisen lassen. Attentate von bosnisch- serbischen Irridentisten, die die Annexion Bosniens von 1908 rückgängig machen wollten, waren' mündlich und schriftlich angekündigt worden. Zwölf Jahre nach dem Morde behauptete Dr. Pfeffer, der Untersuchungsrichter im Pro­zeß gegen Princip und Genossen ,,, daß gewisse österreichisch­ungarische Kreise das Attentat begünstigt haben". Was für Kreise? Franz Ferdinand galt, nicht nur auf Grund seiner Heirat mit der Tschechin, als slavophil. Slavenfreundschaft hatte in der Sphäre des hofrätlichen Wiener Zeremoniells etwas vom Ludergeruch des Plebejertums. Die Wiederher­stellung der göttlichen Hofordnung trat ein, als den Thron­folger die slavischen Kugeln trafen.

Sie waren zugleich das Signal zum langersehnten Kriege mit Serbien . Es begann der Depeschenwechsel, die offene und heimliche Rückversicherung für den Fall eines Falles, während sich die Generalstäbler Europas bereits über die fertigen Kriegspläne beugten. Wilhelm II. schrieb, wie wir seit der Publikation seiner Randbemerkungen zu den diplo­matischen Aktenstücken wissen, seine ermunternde Fanfaren: ..Wenn es doch erst losginge... es komme ruhig zum Kriege. Die Orientfrage muß mit Blut und Eisen gelöst werden."

Was Blut und Eisen gelöst haben, wissen wir heute. Wir wissen es nicht, wenn wir die europäische Landkarte von heute mit der von 1914 vergleichen. Auch nicht vor den Gräbern der Millionen, die erst in dem Augenblick wirklich gestorben waren, als sich erwies, daß eine Ueberzahl von Lebendigen nichts von ihnen gelernt hatte.

Bis zur Stunde, als die Kanonenschlünde zu sprechen be­gonnen hatten, besaßen wir alle einen Geschichtsgeist und den Zauberschlüssel dazu. Die einen sahen im Weltkriege das notwendige Ergebnis notwendige Ergebnis der kapitalistisch- imperialistischen Epoche, die anderen die gewaltsame Entfaltung der Idee der Nation, andere wieder die Geißel Gottes zur Reinigung der Menschheit.

Genügen heute nicht wieder ein paar Schüsse, um ein Welt­ereignis von noch viel größerer Erschütterung auszulösen als das von 1914? Ist unser Glaube noch da, daß es unter Menschen eine Entwicklung gebe, im Sinne der Entwicklung zur Freiheit, worin für Hegel die absolute Idee in der menschlichen Geschichte bestand?

Der Glaube ist noch da. Mit der Einschränkung freilich, daß unter den Menschen alles wieder von vorn begonnen werden muß. Denn es gibt nichts, was sich nicht mit ihnen, zum Schlechten wie zum Guten, zum Kriege wie zum Frieden. Argus

Fortsetzung siehe 2. Seite vollbringen liebe