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Nr. 150 2. Jahrgang

Fretheil

Einzige unabhängige Tageszeitung Deutschlands

Saarbrücken, Dienstag, 3. Juli 1934

Chefredakteur: M. Braun

Aus dem Inhalt

Röhms Glück

und Ende

Seite 5

Hindenburg - Krise

Das Demissionsgesuch- Reichspräsident, Reichsverweser oder Monarchic?

Um Hindenburgs Rücktritt

Der Kampf um die Reichsspitze

Paris 2. Juli( Eig. Bericht). Es liegen neuerdings aus zuverlässigen Quellen Nachrichten aus Berlin vor, die feft behaupten, daß der Reichspräsident von Hinden­ burg sein Rücktrittsgesuch eingereicht habe. Der von Altersleiden zermürbte Reichspräsident ist durch die Ereignisse, die ihm nur allmählich bekannt ge­worden sind, lief erschüttert. Er und seine Umgebung haben den Glauben verloren, daß die Autorität und die Lebenskräfte des Reichspräsidenten noch ausreichen, um irgendwie in die furchtbare Krise aktiv eingreifen zu können. Auch als Reichsverweser für die vielleicht heranziehende Monarchie hält man Hinden­ burg nicht mehr für geeignet. Was zur Zeit geschieht, liegt alles außerhalb der Willensspäre des Hindenburgkreises. Ob der Alte bleibt oder gehalten mird, ist für die Männer der Gegenrevolution lediglich eine inner- und außenpolitische Zweckmäßigkeitsfrage.

Papen bleibt Gefangener

Seine Akten beseitigt.- Alle Bewegungsfreiheit entzogen

Berlin , 2. Juli( Eigner Bericht). Die Meldungen über eine Flucht des Vizekanzlers von Papen sind falsch. Er befindet sich als Gefangener in Berlin . 3war ift er nicht in ein Gefängnis eingeliefert worden, aber er wird Tag und Nacht von Bewaffneten Görings überwacht. Jede amtliche Tätigkeit ist ihm untersagt. Alle Akten aus seinem Amtsgebäude und aus seiner Privatwohnung sind entfernt worden und werden nun gründlich untersucht, da man den Nachweis finden möchte, daß von Papen an der Verschwörung beteiligt war. Solange die Untersuchung der Akten dauert, ist Papens Schicksal ganz ungewiß. Vizekanzler ist er jedenfalls zur Stunde nur noch dem Titel nach. Seine Entmachtung ist im Augenblick vollständig. Schleicher Opfer einer Fälschung?

Saarbrüden, 2. Juli. Ueber die Gründe der Berhaftung und Ermordung Schleichers werden Einzelheiten bekannt, die die offiziellen Auslassungen verschweigen. Mehrere französische Blätter be= schäftigen sich mit dieser Version. Danach zirkulierte am Tage nach der Marburger Rede des Vizekanzlers v. Papen in sogenannten politischen Kreisen Berlins eine Minister: liste", die die Mitglieder eines fünftigen Reichswehrkabinetts nach einem Sturze Hitlers enthielt. Der Kanzler dieses Kabinetts sollte der Chef der Heeresleitung General von Fritsch sein, während Schleicher die Reichswehr übernehmen sollte. Diese sogenannte Minifterlifte war offenbar ein Fantasieprodukt. Es scheint aber, daß ihr Bekanntwerden namentlich auch im Ausland, Hitler und Göring einen Vor­wand zum Einschreiten gegen Schleicher gegeben hat. Man darf hinzufügen, daß sie selbst diese angebliche Ministerliste nicht ernst genommen haben dürften. Zu fragen bleibt, ob die ganze Liste nicht grade dort entstanden ist, wo man ein Dokument brauchte, um gegen den Verhaßten vorzugehen. ( Siehe auch 2. Seite.)

Komplott mit Jugoslawien ?

Röhms ausländische Pläne

Ueber die ausländischen Verbindungen, die dem erschosse: nen SA. - Chef Röhm in den amtlichen Berliner Verlant: barungen nachgesagt werden, weiß die Neue Zürcher Zeitung " zu berichten, daß es sich um Beziehungen zu Jugoslawien handele. Röhm scheint danach bei seinem Besuch in Jugoslawien auf eigene Fauft Ankenvolirik ge: trieben zu haben. Das Tauschobjekt, das er, wie das Tell

Neue revolutionäre Epoche

Das stürmische Tempo der deutschen Entwicklung

Adolf Hitler hat seine öffentliche Laufbahn als bezahlter politischer Agent der Reichswehr begonnen. Er beendet sie als ein Reichskanzler, der nichts anderes ist als eine Marionette in der Hand des Reichswehrministers und seiner Generale. Wie lange er als Puppe der nun zu­nächst im Reiche allmächtigen Wehrmacht in der Rolle des Führers" durch seinen Blutsumpf waten darf, be­stimmen die hohen Militärs.

Der Reichswehrminister von Blomberg hat in einem

Erlaß, der in der ganzen Geschichte seinesgleichen sucht,

den deutschen Reichskanzler gerühmt, daß er einen Reichs­ministerkollegen und ältesten Kameraden persönlich an­gegriffen und zerschmettert", also abgeschlachtet hat. Der Wann, dessen Hände noch rauchen vom Blute seiner Freunde und brüderlichen Kumpane, wird der deutschen Jugend als als leuchtende Vorbilde hingestellt. Mit Schaudern wendet sich die Zivilisation von dieser bar­barischen Entartung, die ein Bolk mit großer Kultur­geschichte schändet. Nicht einmal die Soldateska, die im Jahre 1903 im Konak zu Belgrad den König Alexander Mordtat gesprochen. Der deutsche Reichskanzler und der und seine Draga niedersäbelte, hat so stolz von ihrer Mordtat gesprochen. Der deutsche Reichskanzler und der deutsche Reichswehrminister, der in General Schleicher einen Kameraden unter den Schlachtopfern der Mord nacht sieht, überbieten sich an freudigen Bekenntnissen zu der Schmach, die sie gemeinsam Deutschland zugefügt haben. Alles, was die Welt je über den deutschen Mili tarismus gesagt hat, wird angesichts der neuesten Ereig­nisse und mehr noch auf Grund der amtlichen militärischen Kundgebung von neuem aufwachen und mehr als je ge­glaubt werden. Es ist ein schweres Schicksal für Deutschland .

Ein Regime, das seinen Machtantritt durch die Brand­stiftung des Hauses der Volksvertretung beleuchtete und nun durch einen Massenmord ohne Gleichen sich zu be­haupten versucht, bleibt ein gefährlicher Unruheherd für die ganze Welt. Seine jezigen Führer werden nie mehr irgendwelches Vertrauen bei zivilisierten Regierungen erlangen können. Zu der politischen, wirtschaftlichen, finanziellen Isolierung Deutschlands wird die moralische hinzukommen, bis neue große Ereignisse Volk und Land entfühnen.

Das Gelichter, das die gleichgeschaltete Presse Deutsch­ lands redigieren darf, singt wahre Jubellieder auf Er eignisse, die Massenschlächter vom Range eines Kürten oder eines Haarmann erbleichen lassen könnten. Der, den sie ihren Führer" nennen, wird mit Ausdrücken der Be­wunderung und der Liebe überschüttet. Die Erschossenen auf Hitlers , Görings und Blombergs Jagdstrecke, die uns dieselbe Presse gestern noch als heroische Gestalten deut­

etnes lebenden Bären, der jugoslawischen Regierung für eine tatkräftige Unterstügung des bedrängten Deutschland ange= boten hätte, wäre ein österreichisches Grenzgebiet gewesen, und zwar der mit deutschsprachigen und slowenischen Einwohnern gemischte Teil Südkärntens an der Nordseite der Karawanken , der im Jahre 1920 zum Abstimmungsgebiet gehört und sich mit überwiegender Mehrheit für Oesterreich erklärt hatte.

Brüning beteiligt?

London , den 2. Juli 1984. Eine eigentümlich anmutende Information des Sonntags­Slattes Sunday Referee" bringt den ehemaligen Reichs­fanzler Dr. Brüning, über dessen gegenwärtigen Aufenthalt in England viel gerätselt worden ist, in Zusammenhang mit den Ereignissen in Deutschland . Die Reise Brünings stehe in Zusammenhang mit Schleichers Plänen zum Sturze Hitlers . Brüning habe sich an einem Staatsstreich zum Sturze Sifra heleitisen und sich dabei der radikalen Nazis

bedienen wollen. Auch eine Reise des früheren Sentrums­

schen Mannestums rühmte und die ausnahmslos von eben jenem Führer" berufen und gehalten wurden, sind nun asoziale und amoralische Elemente, moralisch minder­wertige Jämmerlinge, Dummköpfe mit krankhafter Ver­anlagung und Selbstüberschätzung, obskure Persönlich­keiten mit perverser Verschwendungssucht. Welch ein Ge­zeter wäre losgebrochen, wenn noch vor 3 Tagen, die ,, deutschfeindliche" Presse zu der verkommenes Gesindel auch uns zu rechnen beliebt, so von Röhm, Heines, Ernst in der die korrupte deutsche Presse auch die blutigen Ge­stalten, die sie heute noch anbetet, wahrheitsecht charakterisieren möchte, aber sie wird dann nicht mehr die Gelegenheit dazu haben. Mit den blutbeseffenen Führern werden zu Hunderttausenden die feilen Gesellen verschwinden, die dem Banditismus in unserem Vaterland zum Siege verholfen und ihm gedient haben.

und Konsorten geschrieben haben würde. Es naht die Zeit,

nieder­

Was ist seit Samstag hinter den Exekutionen und Füsilladen, die noch immer wüten, geschehen? Der deutsche Hochkapitalismus, der deutsche Großgrundbesitz, haben durch ihre Exekutivorgane, also durch die Reichswehr , die Schutzpolizei und die hohe Bürokratie die sozialistischen Strömungen im deutschen Nationalismus geschlagen. Sie wollen gemeinsam das Reich regieren und im Sinne kapitalistischer Reaktion gegen alle sozialisti­schen Richtungen Ordnung" schaffen. Alles, was Besitz­vorrechte bedroht fühlte, atmet auf. Hitler ist nun offen der gegenrevolutionäre Führer und wird als solcher aus­gerufen und byzantinisch umschmeichelt. In dieser Glorifi­zierung spricht sich die Unruhe der nun mit ungehemmter Brutalität Herrschenden aus. Es fehlt ihnen trotz da und dort inszeniertem Volksjubel die Massenbasis. In Hitler sehen sie den zur Zeit einzigen Mitverschworenen der Gegenrevolution, der das drohende Chaos aufhalten kann. 3war ist er aus der Unterwelt aufgestiegen und herrscht mit den Methoden der Unterwelt, aber das ist im Augen­blick für die Feudalen aller Art kein Hindernis. Es geht um ihre Macht und um nichts anderes in diesem unglück­lichen Deutschland .

Wie diese Macht stabilisiert werden soll, liegt noch voll­kommen im Dunkeln. Nur soviel ist klar, daß über die Machtverteilung in den obersten Schichten der Gegen­revolution selbst die stärksten Meinungsverschiedenheiten herrschen. Der Kampf um die Nachfolge des Reichspräsidenten beginnt. Ob der uralte Herr nun schnellstens durch den Tod abgeht oder demissioniert oder zum Rücktritt gezwungen wird: eine akute Reichspräsidentenkrise ist da. Die Monarchisten und ihre Thronanwärter stehen auf dem Sprung. Fortsetzung siehe 2. Seite.

kanzlers Brüning habe in London sondiert, wie auch in Paris sondiert worden sei. Auch eine Reise des früheren Reichskanzlers Dr. Wirt nach Moskau , die das Blatt er­wähnt, stehe damit im Zusammenhang.

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Die Meldung ist auch in die französische Presse überge gangen. Sie verdient ein großes Fragezeichen. Selbst wenn man annehmen wollte, daß die alten Gegensäze zwischen Brüning und Schleicher- bekanntlich war es Schleicher, der den Kanzler Brüning gestürzt hat durch die Ereignisse inzwischen überbrückt worden seien, so wäre doch gerade Brü­ ning kaum der Mann, den sich die radikalen Nazis" als Führer aussuchen würden.

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Zu der Verhaftung und Erschießung des Berliner Grup penführers Ernst erfährt man noch, daß Ernst in Bremen festgenommen wurde, als er gerade mit seiner Fran eine Hochzeitsreise nach den canarischen Inseln antreten wollte. Ernst war persönlich nahe befreundet mit dem Prinzen Ferdinand von Hohenzollern, dem ältesten Sohne des ehe maligen Kronprinzen. Die Ermordung von Erust ist ins zwischen amtlich bestätigt worden,