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Wehrmacht. Polizei. Wehrverbände
Kurz vor dem Ausbruch der blutigen Krise in Hitlers Mörderregime ist uns folgender Stimmungsbericht aus dem Reiche zugegangen. Er hat auch durch die Ereignisse der jüngsten Tage nicht an Bedeutung verloren.
1. Wehrmacht
Fast durchweg sind die unterrichteten Beobachter nach wie vor der Meinung, daß die Reichswehr nur äußerlich gleichgeschaltet ist, sich aber sehr vorsichtig verhält. Bielen erscheint sie als das kommende Kraftzentrum, aber niemand weiß einstweilen zu sagen, wer der Mann sein wird, unter dessen Kommando dieses Kraftzentrum zum Einsatz kommen könnte. In diesem Zusammenhang ist eine Mitteilung aus gut informierten Kreisen interessant:
„ Die Tagung der Reichswehrführer in Bad- Nauheim vor einigen Wochen unter Vorfis des Chefs der Seeres leitung, General Fritsch, beschäftigte sich u. a. mit der Frage der Nachfolge des Reichspräsidenten , da in jenen
Tagen amtliche Stellen mit dem unmittelbar bevorstehenden Ableben Hindenburgs rechneten. Es wird be= hauptet, daß für die Frage des Oberbefehls der Wehrmacht im Falle seines Ablebens abweichend von den bisherigen Vorschriften der Verfassung von der Generalität eine Reglung gefordert wurde, die eine unerwünschte Einflußnahme von Parteistellen auf die Führung der Wehrmacht ausschließt."
Diesen Kreisen erscheint Göring noch mehr als bisher als der Mann, der für Reichswehr und Offizierskorps eine Schwäche hat:
„ Es bestätigt sich immer wieder, daß bei der Spannung, die zwischen Wehrmacht und Teilen der Polizei einerseits, Partei- und SA. - Stellen andererseits besteht, Göring sich im zunehmenden Maße von der Parteiauffassung distan= ziert und die Wünsche der militärischen Stellen unterstützt. Diese Auffassung findet ihre Bestätigung in personalpolitischen Entscheidungen, wie der Ernennung des Generals Friedrich zum Oberbürgermeister von Potsdam und des Standortältesten General von Jagow zum Regierungs- Präsidenten gegen den Widerstand der Parteiorganisation."
Alle sonstigen Berichte stimmen überein in der FestStellung, daß die Spannungen zwischen Reichswehr und Ga. nicht nachgelassen haben. Wir verzeichnen folgende Meldungen:
Aus Bayern : Man hört übereinstimmend, daß die Reichswehr sehr geringe Sympathien für die gegenwärtigen Machthaber hat. Die Reichswehrsoldaten, von wenigen faschistisch eingestellten Offizieren abgesehen, be= trachten die SA , und SS, mit einer gewissen Berachtung. Allgemein fann man feststellen, daß der Reichswehrsoldat fich eigentlich wenig um Politif fümmert und daß er heute noch streng dem Befehl seines Führers Folge leistet."
Aus Hessen : Die Reichswehroffiziere bringen ihre Abneigung gegen die Nazis offen zum Ausdruck. Ein Unteroffizier, der eine SA. - Gruppe ausbildet, sagte mir: " Was meinst Du, wie wir die Kerle schleifen, diese Idioten!" Aus Sachien:„ Es werden SA. - Leute für eine eineinhalb Jahr währende Dienstzeit eingezogen. Durch diese Einrückung entspinnt sich aber eine Rivalität zwischen SA. und NW. , da die SA. - Chargen nicht in ihrem Rang belassen werden. Ein SA. - Truppenführer, der im Rang einem RW.- Feldwebel gleichkommt, wird im besten Fall Untergefreiter, was großen Unwillen hervorruft. Bei der Ausbildung werden diese Leute sehr gedrillt und zum Teil auch beschimpft. Wenn etwas nicht klappt, so rufen die NW. - Offiziere immer: 3hr seid ja nicht bei Eurer
Auf der Alaunstraße in Dresden spielte sich folgender Vorfall ab: Eine Abteilung SA. mit Fahne marschierte durch die Straße, geführt von einem Sturmführer. Ein des Weges daherkommender RW.- Soldat grüßte nicht. Er wurde von dem A.- Führer zur Rede gestellt, nahm feinerlei Haltung ein und sagte nur, daß er niemanden gefehen habe. Seine Namensnennung verweigerte er. Der SA- Führer wollte nunmehr durch einige SA. - Leute den NW. - Soldaten festnehmen lassen. Der Soldat leistete Widerstand und 3-4 hinzueilende Reichswehrsoldaten unterstüßten ihn, wobei einige fogar die Seitengewehre gezogen hatten. Hierauf ließ der EA.- Führer seine Leute antreten und rückte ab, während die Soldaten unter Bravorufen des Publikums(!) ihres Weges gingen." Aus verschiedenen Gegenden wird auch neuerdings übereinstimmend berichtet, daß bei den Einstellungen zur Reichswehr die frühere Zugehörigkeit zum Reichsbanner durchaus kein Hinderungsgrund ist. Häufig werden ehemalige Reichsbannerleute eingestellt, SA. - Leute dagegen abgewiesen ,,, da sie doch zu stark durch die politische Arbeit in Anspruch genommen würden."
2. Polizei
Aus zahlreichen Berichten geht hervor, daß, die Stimmung unter den Polizeibeamten nicht gut sein kann. Die Beamten haben einige Gründe dazu: verschärfter Drill, anstrengende militärische Ausbildung, Ueberordnung von SA. - Führern. Dazu sind noch aus der Zeit der Republik viele Beamte im Dienst. Jm Westen sagte ein Beamter zu einem Gewährsmann:„ Kommen Sie nur mal in unsere Rafernen, in wieviel Mannschaftsspinden noch Severingbilder liegen."
Aber das alles bleibt unter der Oberfläche und der Gegenfatz zur SA, der die Stimmung beherrscht, kommt nur bei günstiger Gelegenheit zum Vorschein. So wird aus Bremen folgender Borfall berichtet:
„ Einige SA. - Leute griffen auf der Straße einen Juden auf und schafften ihn in ihre Kaserne, das Goffelhaus. Dort sollte er verprügelt werden. Einige Passanten beobachteten den Vorfall und mobilisierten eine Polizeistreife. Die Polizeibeamten versuchten, in die SA. - Kaserne einzu dringen, um den Juden zu befreien. Doch die SA. - Wache im Goffelhaus hielt die Beamten unter Bedrohung mit der Schüßwaffe vom Eindringen zurück. Die Polizei zog unverrichteter Sache ab, erstattete jedoch Meldung. Von den Polizeiinstanzen verschob eine die Verantwortung auf die nächste, bis der Vorfall an den Polizeisenator Laue herangebracht wurde. Laue, ein mächtiger Mann, Mitglied der Handelskammer, mit guten Beziehungen zu den Bremer Patriziern, gab den Befehl zum Einsatz der stärksten politischen Machtmittel, Nachts fuhren zwei Ueberfallwagen vor dem Gosselhaus vor. Die Beamten truaen Stahlhelm und waren mit Karabinern bewaffnet. SA. wurde mit Gummifnüppeln und Karabinerkolben niedergeschlagen und das Haus besetzt. Vier Rädelsführer des SA. - Wider
standes wurden verhaftet. Sie kamen vor den Schnellrichter und erhielten 9 Monate Gefängnis. Inzwischen setzten umfangreiche Verhandlungen ein. Der SA. - Gruppenführer Freiherr v. Schorlemmer, feinem Range nach ein mächtiger Mann in ganz Nordwestdeutsch land , kämpfte um sein Ansehen bei der SA . Doch der Arm des Polizeipräsidenten reichte weiter. Seine Hintermänner machten in Berlin , insbesondere auch beim Reichswirtschaftsminister, darauf aufmerksam, daß bei den engen Beziehungen zwischen Bremen und dem Ausland solche Vorfälle nicht geduldet werden könnten. In der Tat wurde die Forderung der SA. , den Senator Laue seines Amtes zu entheben, abgelehnt. Statt dessen wurde Herr v. Schor= lemmer in die Wüste geschickt. Um vor der Oeffentlichkeit jeden Skandal zu vermeiden, wurde der Preffe verboten, über die Vorgänge zu berichten und nach drei Tagen durfte die SA. sogar wieder im Goffelhaus Einzug halten."
3. Wehrverbände
Die Ermüdungserscheinungen in der SA. nehmen zu. Nicht alle Mitglieder sind solche Landsknechtsnaturen wie der Fememörder und Obergruppenführer Heines, der erst Ende Mai wieder seinen SA. - Männern bei einer Ansprache in Altheide( Schlesien ) sagte:
„ Wir haben die Verpflichtung übernommen, Revolutionäre zu bleiben. Revolutionär sein heißt für uns nichts anderes, als darüber zu wachen, daß der herrliche Schwung unserer Bewegung nicht hereingezogen wird in das Paragrafengestrüpp unfähiger Federsuchser. Der gleiche wilde Fanatismus soll uns beseelen, der uns zum Siege führte. Wir stehen erst am Anfang. Hüter und Vollender der deutschen Revolution wird die junge Generation sein, in der wahrer A.- Geist steckt. Wer sich nach bürgerlicher Ruhe sehnt, dem paßt das Braunhemd nicht. Kampf ist unser Leben. Wir ruhen nicht eher, bis die deutsche Revotion restlos durchgeführt ist. Der Dienst ist für uns fein Opfer. Wir folgen unserem Blut. Wer erst einmal auf Adolf Hitlers Fahnen schwört, hat nichts mehr, was ihm selbst gehört. Wir haben unsere Heimat in der SA , gefunden."
Aus diesen Worten spricht die Erbitterung und Enttäuschung darüber, daß es mit den herrlichen Saalschlachten und Straßenkämpfen zu Ende ist, daß auch im dritten Reich" die Federfuchser sich wieder durchgesetzt haben. Noch übt sich ein Teil in privaten Kampfhandlungen": Aus verschiedenen Landesteilen liegen Berichte vor über Schlägereien der SA. unter sich, zwischen SA. und SS. , SA. und Stahlhelm, SA. und Arbeitsdienst, SA. und Reichswehr usw., usw. Besonders bunt scheint es in Bremen zuzugehen:
„ Die Revolte der SA. am 1. Mai in Bremen , die Kämpfe zwischen SA. und Stahlhelm in den Zentralhallen und die Kämpfe der SA. gegen die Polizei mit anschließender Besetzung des Braunen Hauses durch die Polizei war auch auf der Straße von großen Tumulten begleitet. Zwischen 6 und 7 Uhr abends zogen die revoltierenden SA. - Formationen durch die Straßen und stürmten das gleichgeschaltete Kaufhaus Karstadt . Mehrere große Schaufensterscheiben wurden zertrümmert, die SA. - Leute holten vom Dach des Warenhauses zirka 15 große Hakenkreuz- und schwarz- weiß- rote Fahnen, die anläßlich der Maifeier gehißt waren. Die eingesezte Polizei gina gegen die Nazirevolutionäre vor, es gab viel Prügel und zahlreiche Verhaftete. Eine große Menschenmenge sah auch dieser interessanten Maifeier zu."
Aber diese Landsknechtsnaturen stellen nur einen Teil der gesamten SA. , der andere sind friedlichere Naturen, die den Drill, die anstrengenden Nachtmärsche, die Geländeübungen satt haben. Viele von ihnen sind in die SA. gegangen, weil sie arbeitslos waren und auf eine Stelle hofften. Haben sie inzwischen eine Arbeitsstelle be kommen, so finden sie die S. leicht überflüssig, haben sie keine bekommen, so erst recht. So kommt es, daß der Diensteifer erheblich nachläßt. Aus mehreren Berichten geht hervor, daß die Stürme nur noch mit sehr großen Lücken antreten. Vielfach müssen Stürme aufgelöst werden( so z. B. am Oberrhein die Stürme 5 und 8). Biele legen es darauf an, infolge Dienstversäumnis aus geschlossen zu werden. Dann müssen sie die Uniformen abliefern, auch wenn sie früher von ihnen selbst angeschafft worden sind.( Berichte aus Breslau , Rheinland , Branden burg.)
Das Regime greift mit drakonischen Mitteln durch. Wer sich vom Dienst drückt, wird ausgeschlossen und der Ausschluß hat automatisch den Verlust der Arbeitsstelle zur Folge. Aus der Provinz Brandenburg liegt das bereits vom„ Neuen Vorwärts" vom 3. Juni veröffentlichte Dokument vor, in dem der Obertruppführer eines Fernsprechsturmes einem Ausschlußkandidaten schreibt:
„ Auf Grund Ihrer Interessenlosigkeit am Dienst, dauernder Entschuldigung ohne stichhaltigen Grund werde ich Antrag auf Ausschluß aus der SA. beim Nachrichtensturmbann stellen... Ich verbiete Ihnen hiermit das Tragen der SA. - Uniform und mache Sie darauf aufmerksam, daß ich Sie sofort festnehmen lasse, falls Sie entgegen dem Verbot die Uniform tragen sollten. Sollten Sie am Montag ohne Entschuldigungsgrund nicht erscheinen, wäre ich gezwungen, Sie vorführen zu lassen. Desweiteren mache ich Sie darauf aufmerksam, daß der Ausschluß aus der SA. eine Mitteilung davon an Ihre Sie beschäftigende Firma und an das Arbeitsamt zur Folge hat."
Aus Schlesien wird gemeldet, daß in Langenöls in einer Möbelfabrik etwa 20 Leute entlassen worden sind, weil sie aus der SA. ausgetreten sind.
Wichtige Funktionen bei der Disziplinierung der SA. fallen der sogenannten„ Feldpolizei" zu. Diese Spezialtruppe, die polizeiliche Befugnisse gegenüber allen SA.Männern und NSDAP .- Mitgliedern hat, ist inzwischen in allen Landesteilen aufgestellt worden. Außer der Kontrolle der SA .- Männer in den Nachtlokalen hat sie noch 3. B. folgende Aufgabe:
Kiel : In der Gastwirtschaft Seestern" im Hafen kam eines Abends ein angetrunkener Sturmführer zum Zechen. Als der Wirt merkte, daß der Mann betrunken war, wollte er ihm keine Getränke mehr verabfolgen. Der Strumführer fina an Krach zu machen, daraufhin wurde er von dem Gastwirt an die Luft gesetzt. Nach kurzer Frist tam er mit einigen Leuten seines Sturmes zurück und unter seiner Führung wurde die Gastwirtschaft demoliert. Plötzlich erschien die SA.- Polizei( in Kiel bekannt als „ Weiße Mäuse"), verhaftete die SA .- Leute. Resultat: der Strum muß den ganzen angerichteten Schaden bezahlen.
Ein ähnlicher Fall spielte sich in Elmischenhagen bei Niel ab, auch dort mußte der betr. Sturm den ganzen Schaden bezahlen."
Nebenher laufen aber noch organisatorische Gegenmaßnahmen. Ein Bericht aus Baden sagt darüber
„ Die immer mehr zu Tage tretenden Zersehungserscheinungen der SA . und SS. haben die Führer veranlaßt, anzuordnen, daß die gesamte SA, während des Monats Juli Urlaub bekommt. Während dieser Zeit sollen alle unbequemen Elemente ausgeschieden werden. Die Vorbereitungen dazu sind im vollen Gange. So werden erneut wieder alle SA .- Leute ärztlich auf Kriegstauglichfeit untersucht. Wer ausgemerzt werden soll, wird einfach für friegsuntauglich" befunden."
Es scheint, daß die Krisenerscheinungen in der SA . bis in die allerhöchsten Kreise hinein ihre Schatten werfen. Bon gut unterrichteter Seite wird die Auffassung ver treten, daß der Urlaub Röhms seinen Grund in Meinungsverschiedenheiten zwischen ihm und Hitler hinsicht lich der weiteren Existenz der SA. habe. Einflußreiche Nationalsozialisten nennen diesen Konflikt selbst eine schwere Belastungsprobe für die Autorität des Führers.
Dazu kommen die Sorgen mit dem Stahlhelm. Ueber die Vorgänge im Stahlhelm liegen einige Berichte vor, die einen Einblick in die Schärfe der Gegensäge gewähren. Ein Berliner Beobachter äußert sich:
" Der Stahlhelm hat geglaubt, durch Ausnüßung der allgemeinen Mißstimmung Terrain zurückgewinnen zu fönnen, das infolge der Haltung seines Bundesführers Seldte nach dem 30. Januar verloren gegangen war. Es dürfte übertrieben sein, anzunehmen, daß in diesen Kreisen aus der zweifellos gegnerischen Einstellung gegen das Regime an irgendwelchen aftiven Widerstand in der nächsten Zeit gedacht worden war. Die Sammlung der aftivsten gegnerischen Kräfte im Lager des Stahlhelms ist jedoch nicht verborgen geblieben und hat die Spannung zwischen diesem und der SA und Parteiorganisation in solchem Maße verschärft, daß ein Verbot des Reststahlhelms von einflußreichen Parteistellen gefordert wurde. In zahlreichen Orten ist es zu Zusammenstößen und Schlägereien zwischen SA . und Stahlhelm gekommen, so in Bremen , wo der regierende Bürgermeister und der Polizeifenator dem Stahlhelm angehören und die Polizei mit dem Gummifnüppel gegen SA .- Sturmtrupps vorging, die auf der Straße gegen die Stahlhelmmitglieder der Regierung demonstrierten."
Ueber Hugenberg und besonders über Seldte herrscht große Erbitterung. Von der Führertagung des Stahl. helms, die vor einigen Wochen in Magdeburg stattfand, ging uns folgender Bericht zu:
„ Anwesend waren ca. 5000 Führer. Daß bei der Tagung eine Aussprache nicht stattfand, ist selbstverständlich. Aber während Seldte früher beim Betreten des Saales mit stürmischen Front- Heil"-Rufen begrüßt wurde, herrschie diesmal beim Erscheinen Seldtes eisiges Schweigen. Seldte war sehr betreten, warf Müße und Handschuhe wütend auf den Tisch. Endlich rief eine Stimme aus dem Hintergrunde ganz mitleidig:„ Na, spielt nun schon den PepitaMarsch!"( Regimentsmarich der 66er, dem Seldte angehört hatte und der stets beim Erscheinen Seldtes gespielt wurde). Die Musik hat dann gespielt und sodann Seldte gesprochen. Die Rede wurde mit absolutem Schweigen aufgenommen. Seldte verließ darauf sofort den Saal; dabei begleiteten ihn Rufe wie: Siebste jeßt Franz, was Du gemacht hast? Du hast uns schön verkauft! usw." Aus verschiedenen Berichten geht hervor, daß viele Stahlhelmer den Eintritt in die SA.- Reserve I abgelehnt oder wieder rückgängig gemacht haben. Es liegt uns aus Stettin ein Schreiben des SA.- Sturmführers 3/ R 210 vom 9. Mai vor, in dem die Stahlhelmer zur Abgabe der Verpflichtungserklärung für die SA. Reserve I aufgefordert werden. Für den Fall der Ablehnung des Uebertritts heißt es:
„ Allerdings haben diefe Kameraden für die Dauer von 2 Jahren feine Möglichkeit, fich irgendeiner SA- Formas tion anzuschließen.
Bezüglich derjenigen Kameraden, von denen der Verpflichtungsschein nicht bis zum 12. d. M. bei dem Kameraden Saigge eingegangen ist, muß auf dem Dienstwege nach München gemeldet werden, daß sie die Abgabe einer Erklärung verweigern. Diese Kameraden find nach den maßgebenden Befehlen dauernd von der Aufnahme in die SA . ausgeschlossen."
„ Der Dresdner Stahlhelmführer Pusinelly war bereits in Schußhaft. In einer überfüllten StahlhelmversammTung am 16. 5. 1934 im Dresdner Ausstellungssaal( zirfa 3000 Personen) führte er aus, der Stahlhelm bleibe immer das, was er war, und wenn er( Redner) noch ein zweites Mal in Schußhaft kommen würde, er würde sich doch niemals„ von diesen Laufeinngens" etwas sagen lassen."
Schließlich eine kleine Meldung aus dem Rhein . land, die mindestens zeigt, wie weit die Nervosität in folge der inneren Spannungen gestiegen ist:
" Aus Kempen ( Stadt von 8000 Einwohnern): Bis zum 31. Mai mußten alle SS,- und SA .- Führer für ihre Dienststellen eine Liste der mit der Waffe ausgebildeten und wehrfähigen Mannschaften der oberen Dienststelle einreichen. Es ging das Gericht, man rechne mit einem Putsch der Reichswehr oder des Stahlhelms."
Aus der Streicherei Diffamierung der Juden
Frankfurt , 30. Juni( Inpreß). Die„ Mainfränkische Bettung" schreibt unter der Ueberschrift Karlburg ist erwacht" u. a.: Bis auf einige Ausnahmen, tragen seit Sonntag früh Wirtschaftsbäude an den Toren und Türen seit Sonntag früb die mittels einer Schablone mit schwarzer Farbe aufgetragene Warnung:„ Juden ist der Zutritt verboten." Da die zirka 10 Zentimeter großen Buchstaben in solider Farbe aufgetragen sind, ist wohl ein Verwischen unmöglich und bei der Größe der Buchstaben kann die Warnung nicht übersehen werden... Jede Gegenarbeit ist die schwerste Sabotage an dem Aufbau der deutschen Boltsgemeinschaft".
Nürnberg , 30. Juni( Inpreß). Die Fränkische Tageszeitung" schreibt:" Juden sind hier nicht erwünscht! Das liest man an den Türen von Gaststätten, deren Besizer deutschbewußte Volfsgenossen sind. Daß man in diesen Gaststätten jedoch immer wieder auch Juden begegnet, ist ein Zeichen für die Charakterlosigkeit dieser Rasse und dafür, welches Vertrauen sie in die Langmut der deutschen Volksgenossen feßen.