Deutsche Freiheit" Nr. 158
Das bunte Blatt
Freitag, 6. Juli 1984
Große Männer
Der schalthafte Tolstoi
Tolstoi hatte während eines Aufenthaltes in der Krim ein töstliches Erlebnis, das der Dichter selbst erzählt hat. Ein reicher Amerikaner fam in seiner Jacht in Gesellschaft mit Freunden an und bat um die Erlaubnis, den großen Russen zu sehen. Er versprach auch, sie würden ihn durch Sprechen nicht belästigen und mit einem Blick zufrieden sein. Die Erlaubnis wurde gewährt. Tolstoi saß auf seinem Balkon„ wie ein buddhistisches Gößenbild", so sagte er, und die ganze Gesellschaft der Amerikaner zog langsam und schweigend an ihm vorbei; jeder blickte ihn beim Vorbeigehen an. Eine Dame jedoch hielt sich nicht an die Abmachung gebunden. Sie stand einen Augenblick still und rief:„ Leo Tolstoi , Leo Tolstoi , alle Ihre edlen Schriften haben mein Leben tief beeinflußt; aber was mich am meisten gelehrt hat, ist Ihr..." Hier hatte sie den Namen des Werkes vergessen. Der franke Dichter lehnte sich über die Brüstung des Balfons und flüsterte lächelnd: „ Tote Seelen?"" Ja, ja," hauchte sie verzückt.„ Das Buch ist aber von Gogol , nicht von mir!"
Edisons Werbung.
Der berühmte Erfinder Edison soll bei der Werbung um seine Frau eine recht eigenartige und knappe Form gewählt haben. Eines Tages ging er in eines seiner Arbeitszimmer und stellte sich hinter den Stuhl einer hübschen Telegrafistin, die ganz in ihre Arbeit vertieft war. Das Mädchen blickte sich scheu um und sagte:„ Ich weiß, daß Sie es waren, Mr. Edison. Ich weiß immer, wenn Sie in der Nähe sind." Darauf antwortete er ohne weitere Einleitung zu ihrer Ueberraschung:„ Ich habe in der letzten Zeit sehr viel über Sie nachgedacht..." Ich würde Sie gern heiraten, wenn Sie mich haben wollen." Einen Monat später waren die beiden verHeiratet.
Unfreiwillige Mitarbeit
Auf dem internationalen Kunstmarkt haben die Werke des französischen Malers Monticelli einen hohen Preis und man sucht eifrig die leuchtenden Farbenvisionen dieses Marseiller Malers, der in seiner Spätzeit Zeichnung und Inhalt arg vernachlässigte, um durch das dicke Auftragen der Farben übereinander eine kräftige Wirkung zu erzielen. Seinen Landsleuten galt er als wunderlicher Sonderling, dessen „ Schmierereien" man nicht einmal Seltenheitswert beimaß. Mit der Pfeife im Mund lief er damals auf der Straße umher und bot den Vorübergehenden seine Bilder für lächerlich geringe Preise an. Den Leuten, die seine Werfe zurückwiesen, machte er dann wohl noch den Vorschlag, sie möchten sich von ihm malen lassen.„ Kommen Sie dort in das Cafe," meinte er. Ich porträtiere Sie, während Sie frühstücken". Heute kann man für solch ein paar Bilder von Monticelli ein kleines Vermögen bekommen. Einmal hatte der Maler gerade eines seiner kleinen lichtdurchglühten Bilder vollendet und auf einen Stuhl gelegt, als sich ein neues Dienstmädchen, das in dem vollgepropften Atelier des Malers die nötige Vorsicht noch nicht gelernt hatte, auf das
Neuyorker film- ensur
wird immer strenger
Die Zensur des Staates Neuyork hat dieser Tage dem neuen Film der berühmten Mae West „ Das ist keine Sünde" die Aufführungsgenehmigung versagt. Mehrere Szenen müssen wiederholt und verschiedene Dialogstellen entfernt werden. Auch der Titel soll geändert werden, da er nach Ansicht der Prüfungsbehörde„ den sex- appeal verherrlicht". Diese Strenge, die im Staate Neuyorf eine Neuerscheinung bildet, ist die Folge einer„ Schamwelle", welche gegenwärtig von der katholischen Kirche propagiert wird. Die Filmindustrie hat bereits gegen diese puritanischen Maßnahmen Einspruch erhoben, da sie zahlreiche kalifornische Studios mit Schließung bedrohen.
eben vollendete noch nicht trockene Meisterwerk setzte. Das Mädchen fing an zu weinen und bat den Meister flehentlich um Verzeihung, der aber betrachtete wohlgefällig die Tat der unfreiwilligen Mitarbeiterin und sagte dann tröstend: " O, das macht nichts. Im Gegenteil! Jetzt sieht das Bild noch viel schöner aus." Nach einigen Pinselstrichen war der Schaden wieder gutgemacht, ja Monticelli fand dies Werk besonders gelungen.
Ein Frrtum" Rossinis
Eine hübsche Anekdote wird von Gounod und Ingres aus jener Zeit erzählt, in der Ingres Direktor der Villa Medici und Gounod dort Pensionär war. Beide hatten bisweilen freundschaftliche Auseinandersetzungen über die italienische Musit, die Ingres höchstens für Jahrmarktboden gut ge
Goya und die X- Strahlen
Gegenwärtig ist in Madrid wieder die alte Debatte über zwei berühmte Bilder von Goya an der Tagesordnung. Es handelt sich um„ Die nackte Frau“ und„ Die bekleidete Schönheit". Manche wollen wissen, das Modell zu diesen Gemälden sei die Herzogin Alba gewesen und Goya habe aus Diskretion das Gesicht retouchiert. Andere erklärten, es liege lediglich eine gewisse Aehnlichkeit vor. Dieser Tage wurden nun die beiden Leinwände einer unfehlbaren Prüfung unterzogen: man hat sie durchleuchtet. Dabei wurde festgestellt, daß an den Gesichtszügen niemals Aenderungen vorgenommen worden sind. Die Herzogin Alba hat demnach nicht für diese Bilder gesessen. Dennoch halten Unentwegte thre dahingehende Ansicht aufrecht. Es fällt ihnen zu schwer, die schöne Legende fallen zu lassen.
nug" fand. Eines Abends war man in dem Salon des Direks Die Engländer lachen
tors versammelt. Gounod saß am Klavier und hatte eben den ersten Aft des„ Don Juan " vorgespielt.„ Was für eine Musif!" rief Ingres begeistert, was für eine Ausdrucksfähigkeit! Gestehen Sie, lieber Freund, daß die Italiener niemals etwas Aehnliches gemacht haben oder machen werden!" Gounod , dessen Finger über die Tasten hinglitten, fing langsam den kleinen Jägerchor aus„ Wilhelm Tell " zu spielen und zu singen an. Kaum waren die letzten Noten verklungen, als Ingres in höchster Begeisterung aufsprang. " Gott , wie schön ist das! Woher nehmen Sie diese Inspirationen, lieber junger Meister?"„ Aber Monsieur Ingres , das ist ja gar nicht von mir!"" Das ist nicht von Fynen?" sagte der Direktor überrascht," wer ist denn das Genie, das diese Melodie gefunden hat?"" Monsieur Ingres," ant
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In England lacht man gegenwärtig über folgende Anetdcte, die ein großer Arzt in seinen soeben erschienenen Memoiren erzählt: Zur Zeit der Königin Viktoria hatte ein berühmter englischer Chirurg, Professor an der Universität Oxford , eines Tages einen Zettel an der Tür seines Vorlesungssaales angebracht, auf dem zu lesen war:„ Die heutige Vorlesung muß leider ausfallen, da der Herr Professor an das Krankenbett Ihrer Majestät berufen worden ist." Eine Studentenhand schrieb unter diese Bekanntmachung:„ God save the Queen ." Was auf deutsch bekanntlich heißt:„ Gott erhalte die Königin!"
wortete Gounod lächelnd,„ das ist von Rossini!“„ Von Baer besucht Carnera
Rossini, diesem Scharlatan?" rief Ingres , und nach einer Pause fügte er hinzu:„ Dann hat er sich an diesem Tage geirrt."
Der fromme Zuhörer
Der bekannte englische Kirchenredner und Romanschriftsteller S. K. Hocking hatte in einer Kapelle zu predigen, die von der Eisenbahnstation ziemlich weit entfernt war. Da er zu spät zum Gottesdienst zu kommen fürchtete, nahm er sich eine Droschke, stürzte dann eilig in die Sakristei, um sich umzukleiden; aber als er die Kanzel betrat, war er ent= täuscht, daß die andächtige Gemeinde nur aus einem einzigen
Der italienische Borer Carnera liegt an den Folgen seiner Niederlage durch Mar Baer noch immer in einem Neuyorker Krankenhaus. Dieser Tage empfing er den Besuch seines Gegners, der sich bekanntlich nach dem Kampfe umkleidete und einen Nachtklub aufsuchte. Beide unterhielten sich in dem Krankenzimmer Garneras längere Zeit auf das Angeregteste. Carnera , der im Verlauf des Kampfes verschiedene Verlegungen ernsterer Natur davongetragen hat, wird auf den Rat seiner Aerzte noch längere Zeit im Krankenhaus zubringen müssen.
Manne bestand. Doch erinnerte er sich daran, daß ein Amts: Wissen Sie schon...
bruder einmal auch vor einem einzigen Zuhörer gepredigt und diesen bekehrt und zu einem guten Christen gemacht habe. Er hielt also eine lange und ergreifende Predigt, und da der Mann sehr andächtig und ruhig dasaß, trat er zum Schluß an ihn heran, schüttelte ihm die Hand und fragte: " Hoffentlich ist Ihnen meine Predigt nicht zu lang gewesen?" ,, Aber im Gegenteil," antwortete der andere, ich bin ja Ihr Kutscher." Der Geistliche hatte vergessen, den wackeren Rosse lenker abzulohnen, und dieser verdiente sich während der Predigt ein hübsches Wartegeld.
Ein Wolf tötet 215 Tiere
In einem kleinen rumänischen Dorf brach ein toller Wolf bei Nacht in einem großen Stall voll Schafe und Ziegen ein und richtete dort ein entsetzliches Blutbad an. Der tolle Mörder stürzte sich auf mehrere hundert Tiere, sprang ihnen an die Gurgel, biß einige Male zu und sprang dann auf das nächste Opfer. Da die Tiere zum Teil angebunden waren, waren sie dem Wolf hilflos ausgeliefert. 215 Tierleichen fanden die Bauern am nächsten Morgen. Da der Stall weitab von den Wohnhäusern war, hatten die Bauern nicht einmal die ängstlichen Schreie ihrer Tiere gehört. Aber die Wachthunde hatten sich auf ihn gestürzt; doch der tollwütige Wolf hatte über zwei Dußend Hunde abgeschüttelt. Er war aber doch selbst so schwer verletzt worden, daß die Bauern ihn am nächsten Morgen auffanden und mit Knüppeln totschlagen konnten.
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.. was der kirchliche Inder ist? Das Verzeichnis der von der katholischen Kirche verbotenen Bücher. ... wie die größte Schlagader des Menschen heißt? Die Aorta.
.. warum man Schwelger„ Sybariten" nennt? Nach der antiken Stadt Sybaris in Unteritalien, deren Bewohner als Schwelger berühmt waren.
... wie die brühmteste Sammlung von Kriminalprozessen heißt? Der Pitaval; nach seinem Herausgeber Francois Bitaval( 1673-1745) genannt.
... was ein Jon ist? Ein elektrisch geladenes Atom. .. welche fünstliche Sprachen es gibt? Volapük, Espe
ranto, Jdo.
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Der
wer der Schußheilige der Feuerwehr ist? heilige Florian. wer der Sage nach Adams erste Frau war?- Lilith , eine Teufelin.
.. was Meerschaum ist?- Magnesiumerde. ... wieviel Monate das römische Jahr hatte?- Zehn. .. in welcher Oper Schlittschuh gelaufen wird? „ Prophet" von Giacomo Meyerbeer .
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Im
welcher Grieche wollte durch eine Missetat berühmt werden? Herostrat. Er zündete( 356 v. Chr.) den Artemistempel von Ephesus an.
Unsere Töchter, die Mazinen
Roman von Hermonia 3ur Mühlen.
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Doktor Bär versuchte mich zu beruhigen. „ Die Arbeitslosigkeit, die Krise," sagte er. „ Aber das ist doch keine Revolution," sagte ich.„ Das ist feine Freiheitsbewegung. Das ist der allergemeinste Neid, der allergemeinste Betrug."
Und dann schwieg ich und fühlte, wie mir das Blut in die Wangen schoß. Auch unter meinen Bekannten, meinen
laffengenossen", gab es Nationalsozialisten. Sie waren nicht aus Ueberzeugung dabei, nicht einmal aus Dummheit, sondern weil sie auf diese Art ihr Vermögen zu schützen hofften. Sie erschienen mir, und erscheinen mir noch heute, gemeiner, niederträchtiger als die Mörder und Verbrecher der SA. Sie mußten ja die Wahrheit wissen. Und es gibt nur eine unverzeihliche Sünde: der erkannten Wahrheit widerstreben. Ich dachte an die bösen Tage der Leibeigenschaft: wie viele Menschen haben gelitten, damit diese eine Klasse die Möglichkeit besize, sich echte Kultur anzueignen, wie viel ist diese Klasse der Menschheit schuldig, und wie zahlt sie es jetzt? Ich bin eine unpolitische Frau, bin auch nicht sehr flug, aber in diesem Augenblick hätte ich das Staatsoberhaupt unseres Landes sein wollen, um mit aller Strenge gegen diese Partei vorzugehen. Und was meine Klassengenossen anbelangt, so wünschte ich mir für sie die Guillotine. Aber diese da, diese wissenden Verräter an der Menschheit, hätten ja nicht einmal mit Anstand zu sterben gewußt.
Im kleinen Städtchen herrschte an diesem Abend großer Jubel, ich hörte bis spät nachts rohe Stimmen:„ Heil Hitler!" brüllen. Und trotzdem es eine warme Nacht war, schloß ich alle Fenster, damit der Ruf nicht bis in mein Haus dringe. Damals ahnte ich nicht, daß er es dennoch tun würde.
Das Jahr zweiunddreißig schien für mich ein glückliches werden zu wollen. Claudia begann heiterer und lebensfroher zu sein. Ich freute mich, wenn ich sie ansah. Ihre Wangen hatten eine zarte Röte, und ihre schönen Augen glänzten. Sie wurde jogar freundlich zu mir. Die Mahl= zeiten verbrachten wir nicht mehr in gedrücktem Schweigen. Claudia hatte immer etwas zu erzählen, sie lachte und plauderte, und ich dachte beglückt: nun sind für sie die bösen Zeiten vorüber, jetzt können wir endlich einander nahe fommen. Sie zog sich auch nicht mehr von den Menschen zurück; sie ging viel aus, auch abends, sie las wieder, nicht die ab= scheulichen Bücher, die waren aus ihrem Bücherschrank verschwunden-, sondern allerhand fleine Broschüren; ich wußte nicht, was darin stand, denn Claudia erwiderte auf meine Fragen nur:
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„ Das interessiert dich bestimmt nicht, Mutter. Außerdem würdest du es ja doch nicht verstehen."
Aber sie sagte es in einem sonetten, lieben Ton, daß ich mich nicht darüber kränkte.
Ja, es war ein glückliches Jahr. Ein Frühling voller Blüten und Duft, ein wundervoller Sommer. Der Garten war so schön. Ich saß fast den ganzen Tag in der Jasminlaube und holte, beruhigt von dem Frieden ringsum, meine lieben alten Bücher wieder hervor. Bisweilen setzte Claudia sich zu mir und neckte mich.
„ Immer deine Romantit," meinte sie lächelnd.„ Ich glaube, Mutter, du weißt gar nicht, in welchem Jahrhundert wir leben. Heute kommt es auf die Kraft an, auf die Unerschütterlichkeit."
„ Es gibt auch eine stille Kraft, mein Kind. Und ich glaube, die ist unerschütterlicher als die laute."
Claudia beachtete meine Worte nicht; sie schwärmte weiter:
„ Die Kraft, Mutter, und die Macht, Menschen anzuziehen, ihnen alles zu bedeuten. Das ist das Wichtigste. Ein Name, der alle entflammt, die ihn hören."
Ihre Wangen glühten; sie sah so schön aus, und ihre blauen Augen leuchteten geheimnisvoll. Mir fiel plötzlich etwas ein: so habe ich auch einmal ausgesehen, vor vielen, vielen Jahren, in den ersten Tagen nach meiner Hochzeit. Ich entsann mich, wie ich damals in den Spiegel geblickt und mir ganz erstaunt gesagt hatte:„ Du bist ja schön, Agnes."
Dabei war ich nie wirklich schön, nur die Liebe und das Glück hatten mich so verklärt. Aber was war es, das auf Claudias feines Gesicht diesen Ausdruck gezaubert hatte?
Ich wagte nicht, sie danach zu fragen. Ein einziges unbedachtes Wort hätte unser gutes Verhältnis stören können. Ja, ich dachte damals sogar: vielleicht liebt sie jemand, vielleicht wird sie wiedergeliebt. Vielleicht wird für sie noch alles gut.
Der Herbst fam und erfüllte die Verheißungen des Sommers. Im dunklen Laub glänzten die roten Aepfel, und schwerbeladene Karren brachten die Ernte heim. Am Abend tönte über die Schweizer Grenze leiser Gesang. Diese Töne, die zu uns herüberschwangen, schienen die Grenze aufzuheben. Im zitternden Sternenlicht war das schlaftrunkene Land hüben und drüben eins, und ich dachte froh: Claudia wird es noch erleben, daß alle Grenzen verschwinden, und alle Länder ein Land sind. Ich wußte nicht, ich alte Törin, Wirklichkeit geflohen war. daß ich wieder einmal, einen ganzen Sommer lang, vor der
Aber sie läßt sich nicht auf die Dauer verscheuchen. Bergeblich hüllen wir uns in die rosigen Traumwolfen anderer Zeiten und anderer Länder, vergeblich schließen wir, aus schwächlicher Angst, die Augen, stopfen uns die Ohren zu vor der rauhen Stimme, die alle Harmonie zerstört: eines Tages zerreißen die Wolfen, eines Tages zwingt uns etwas, die Augen zu öffnen, und der gellende Schrei der Wirklichkeit übertönt alles.
( Fortsetzung folgt.).