militärische Schlagkraft des Hitler - Deutschlands . Unheim lich wirkte in Paris auch die Schnelligkeit der Aktion. Wenn Hitler mit solchem Tempo und solcher Leichtigkeit den Schlag gegen seine eigene Gefolgschaft und seine eigene ein fremdes Land überfallen können, dem

Barteiarmee führen kann, wie blizschnell wird er nun gegenüber er nicht einmal durch die deutſche Treue ge­

bunden ist. Daß die Macht der Reichswehr gewaltig zuge­nommen hat, daß die faschisierte Reichswehr zum Haupt­pfeiler des Systems gemacht wird, wird in Paris mit tiefstem Mißtrauen begegnet. Die Kombination Blomberg- Hitler ist für Frankreich außen­politisch und militärisch noch gefährlicher als die alte Kombination Hitler- Röhm. Wenn also Hitler versucht, die Unterdrückung der SA. zugunsten einer Stärkung der Reichswehr zum Ausgangspunkt einer außenpolitischen Normalisierung des dritten Reiches" zu machen, so irrt er sich. Marschall Betain wird darauf mit der strafferen Zusammenfassung der militärischen Ressour­cen und Barthou durch den weiteren Ausbau des fran­ zösischen Bündnissystems antworten. Frankreich organi­fiert das kontinental- europäische Bündnissystem mit der Sowjetunion , der Kleinen Entente und der Balkan­Entente, stellt gleichzeitig die anglo- französische Entente wieder her, und verbindet beide Blocks miteinander. Jm Lichte der deutschen Ereignisse erhält die Londoner Reise Barthous eine besondere Bedeutung.

Aber Paris hat den Blutstreich von Berlin und München nicht allein außenpolitisch bewertet. Mit erstaunlicher Ur­teilssicherkeit hat die französische Presse den politischen und den sozialen Sinn des neuen Hitler - Kurses auf­gedeckt. Hier hat sich die marristische" Erkenntnis weit über die Marristenreihen hinaus ausgebreitet. Selbst die bürgerliche Presse erkennt an, daß die deutsche Krise nurmitrevolutionären Mitteln gelöst mer den kann, daß die Volksrevolution gegen Hitler eine foziale Revolution des Proletariats sein wird.

Der keinesfalls linksstehende Intransigeant" schreibt offen:

Der Gewaltstreich ist gegen die proletarischen Elemente geführt worden. Der National- Sozialismus ist im Zug sich in einen reinen Nationalismus zu verwandeln. Früher oder später wird sich aber eine Linke gegen die Rechte auf­richten, die Armen gegen die Reichen. Die deutsche Revolution steht erst in ihrem Anfang." Noch weiter geht Pierre Dominique in der Republique", er die Herausbildung einer revolutionären Volksfront er Besitzlosen gegen Hitler voraussagt:

Es geht nicht allein um die Kommunisten. Nein. Es geht auch nicht allein um die Marristen, sondern um alles, was überhaupt volkstümlich ist, um alle unzufriedenen. Man sagt, Deutschland sei passiv, und doch hat es vor kur­zem eine Wiener Kommune gegeben."

Die Ueberzeugung bricht sich in Frankreich die Bahn, daß nur der Sozialismus Hitler stürzen kann, daß das deutsche Dilemma heißt: Hitler oder Sozialismus, und daß nach Hitler nur der Sozialismus kommen kann. In Frankreich reift selbst in den bürgerlichen Kreisen der Gedanke heran, daß erst die antifaschistische proletarische Revolution in Deutschland die Sache des europäischen Friedens sichern können wird. Damit wird die rettende europäische Sendung der deutschen Revo lution anerkannt. Die Gewißheit wird immer größer, daß die deutsche eRvolution nicht mehr wie 1918 vom Westen her unterdrückt wird, daß sie vom Westen her ent­lastet wird.

Die Manöver

Aber es ist durchschaut

=

Paris , 7. Juli.

Die französische Presse sieht in der Art, wie die deutschen Zeitungen Frankreich beschuldigen, an dem sogenannten Schleicherkomplott gegen die Reichsregierung beteiligt zu sein, nichts anderes als ein Manöver, um die in Deutsch­ land allgemeine Entrüstung über das von Hitler , Göring und Goebbels ins Werf gesezte Blut= badgegen die SA. Führer abzulenken. Darüber hinaus meint man, daß der tiefere Sinn der Aktion sei, am Vorabend der Reise des französischen Außenministers Barthou nach London das französisch- englische Freundschafts­verhältnis zu stören. So weist der Berliner Sonderbericht­erstatter des Intransigeant" in der heutigen Ausgabe darauf hin, daß es merkwürdig sei, wie alle deutschen Zeitungen plößlich am Donnerstagabend die Enthüllungen über die Teilhaberschaft Frankreichs am Röhmkomplott" auf der ersten Seite im Fettdruck gebracht hätten. Es sei augen­scheinlich, daß ihnen das Stichwort dazu

durch einen Befehl von oben gegeben worden sei. Als dann das Dementi des französischen Bot­schafters in Berlin in den Freitagausgaben der deutschen Zeitungen erschien, habe man es nur an versteckter Stelle gebracht, während man für die Beschuldigung die Buchstaben nicht habe groß genug wählen können. Aber," so schließt der Berichterstatter des angesehenen französischen Blattes, so I che Mäßchen würden nicht dazu beitragen, Deutschland aus der Isolie rung zu befreien, in der es sich augenblicklich befindet.

Hampelmann Seldte

Er strampelt immer noch

Berlin , 7. Juli. Die Landesführer des NS. Deutschen Frontkämpferbundes( Stahlhelm) traten in Berlin unter Leitung des Bundesführers, Reichsarbeitsminister Franz Seldte zu einer Besprechung zusammen. Der Bundesführer gab dabei u. a. bekannt, daß er in einer längeren Besprechung mit dem neuen Chef des Stabes, Luzze, die Gewißheit ge= wonnen habe, daß fünftig der kameradschaftlichen 3usammenarbeit des Bundes mit der SA. keine Schwierigkeiten gemacht, sondern daß diese Zusammenarbeit gefördert werden würde. Die Tagung der Landesführer en­dete mit einem Bekenntnis für Adolf Hilter.

Paris , 7. Juli. Die Pariser Morgenblätter geben heute das Interview wieder, das der neue Stabschef der SA., Luze, einem Vertreter des Angriffs" gegeben hat, und in dem er den Abbau des Stabes angekündigt habe. Der Petit

Von Sonntag zu Sonntag

Ein Blick über Meldungen und Gerüchte: Angeblich 241 Tote Der altge­Wordene Papen und seine verhafteten Freunde- Die italienische Not- Million Berlin , 7. Juli. Nichts ist geklärt. Die Hintergründe der Zwei edle Seelen

Schreckenstage sind in das gleiche Dunkel gehüllt wie bisher. Selbst die Prominenten widersprechen einander. In Flens­ burg , auf dem geheimnisvollen nationalsozialistischen Par= teitage, versicherte Heß den dort versammelten Reichs- und Gauleitern, daß durch den Tod einer Anzahl von Meuterern ein furchtbares Blutbad vermieden" worden sei. Der neue SA. - Führer Luze jedoch erklärt, es habe sich nur um eine Führerrevolte im ganz kleinen Kreise ge­handelt.

Wann wird man die Wahrheit erfahren? Sicher ist im Augenblick nur, daß zwischen Röhm und Schleicher nicht der geringste konspirative Zusammenhang bestanden hat. Die Tat an Schleicher, an Klausener und an anderen war nichts als ein reiner Mord, Die Lesart, daß die Wirrnis des Mordtages von einigen Leuten benutzt wurde, um an Schlei­cher und anderen ihr persönliches Mütchen zu kühlen, ge= winnt immer größere Wahrscheinlichkeit. Diejenigen, die es wagten, nahmen freilich an, daß sie von Hitler und Göring gedeckt würden. Es wird jetzt auch bekannt, daß von einigen Ministerien Warnungen an bestimmte Persönlichkeiten er­gangen sind.

Die Zahl der Toten und Verhaftungen schwankt immer noch. Nach einem inoffiziellen Bericht soll sich die Gesamtzahl der erschossenen Personen auf 241 be= laufen. Angeblich ist eine offizielle Totenliste in Vorbe­reitung, die bisher 65 Namen enthalten soll. Der erschossene pommersche Gauführer Hans Peter von Heydebreck , der in zahlreichen ostelbischen Adelsfamilien verschwägert ist, ging mit außerordentlichem Mut in den Tod. Er schritt, be= reits an der Wand stehend, den Gewehrläufen entgegen und rief: Es lebe Deutschland !"

Die drei Mitarbeiter des Vizekanzlers von Papen, von Tschirschky, von Savigny und Frl. von Stößingen sind freigelassen worden. Dagegen verlautet gerüchtweise, daß zwei Sekretärinnen Papens, junge adlige Damen, bei der Aktion in Papens Ministerium ums Leben gekommen seien. Papen selbst wird, wie United Preß" zuverlässig erfährt, in

den nächsten Tagen den Reichspräsidenten von Hindenburg

aufsuchen. Er hat von Hitler Beweise dafür verlangt, daß das Vorgehen gegen seine Mitarbeiter gerechtfertigt sei. Er soll durch die Ereignisse der vergangenen Woche außerordent= lich mitgenommen sein. Seine Freunde berichten, er sei sehr gealtert und mache in seinen Bewegungen den Eindruck eines Greises...

Abgesehen von den Toten soll ihn die Nachricht besonders erschüttert haben, daß sich nicht weniger als 60 Mitglie= der seines Herrenklubs, fast durchweg Papens in= time politische und persönliche Freunde in Haft befinden. Er macht sich über ihr Schicksal die allergrößten Sorgen.

Noch eine sensationelle Meldung, aber keineswegs un­glaublich, kommt aus Neuyor f. Man will hier in Finanz­freifen erfahren haben, daß der Reichskanzler Hitler vor einigen Tagen eine Million Dollar nach Italien habe schaffen lassen, die ein Grundstock der national­sozialistischen Partei für den Notfall" sei soll.

Es ist nicht schwer zu raten, an was für einen Notfall" gedacht wird. Im Saargebiet befinden sich bereits einige SA.- Führer, die im letzten Augenblick der Niedermeßelung entronnen sind. Sie rechnen damit, daß bald neue Serien brauner Emigranten ringher um Deutschland Zuflucht suchen müssen. Bis die Stunde für die obersten Führer jelber kommt. Das wäre dann der Notfall".

Goebbels und Lutze

Die in Briefen von Nationalsozialisten an uns aufs gestellte Behauptung, daß Goebbels und der neuernannte Stabschef Lutze zusammengearbeitet haben, und daß Lutze der Zwischenträger zwischen Goebbels und den Ver­schworenen" war, wird durch einen besonders herzlichen Telegrammwechsel zwischen beiden bestätigt:

Ich freue mich, dich als neuen Chef des Stabes der SA. begrüßen und beglückwünschen zu können. Ich sehe deine ersten Aufgaben darin, dafür Sorge zu tragen, daß nicht offene oder getarnte Gegner die Möglichkeit haben, ihre Abneigung gegen den Nationalsozialismus an unserer im Kern und in der Masse braven und treuen SA. auszu= lassen. Denn die SA. in ihrer Gesamtheit, vor allem die alte Garde, mit der wir beide schon vor zehn Jahren im Ruhrgebiet Schulter an Schulter fämpften, hat mit dem Treubruch der beseitigten Hochverräter nichts zu tun. Sie ist anständig und intaft geblieben und wird unter dir als Chef des Stabes mit alter Bravour und Hingabe die Aufgaben meistern, die der Führer ihr, wie so oft in der Vergangenheit, so auch in der Zukunft stellen wird. Dazu wünsche ich dir und allen SA. - Kameraden Glück und vollen Erfolg. In alter Kameradschaft

Heil Hitler

dein Josef Goebbels." " Ich danke dir herzlich für deine Glückwünsche. Immer war der SA. - Mann treu und ist auch heute noch der alte, nach= dem die Verräter gerichtet sind. So wie wir beide in den ersten Anfängen der Partei zusammenstanden, so werden wir auch in Zukunft immer zusammenstehen, zum Wohle der Bewegung und all ihrer Gliederungen. Ein Block des Willens! Eine Geschlossenheit des Zieles! In treuer Verbundenheit

Heil Hitler

dein Viktor Luzze."

Von Sodom nach Sparta Was ihnen niemand glaubt

Der Oberpräsident in Ostpreußen Koch hat sämtlichen Regierungspräsidenten seines Bereichs erneut seinen Erlas in Erinnerung gebracht und dessen unbedingte Durchführung zur Pflicht gemacht, worin von den Beamten sparta­nische Einfachheit im Leben und Auftreten verlangt wird. Gegen Zuwiderhandelnde soll unnachsichtlich eingeschritten werden. Der Erlaß stellt fest, daß, wenn die ärmeren Kreise Ostpreußens in Entbehrung und Not dem Neuaufbau ihrer Heimat dienen, es unabweisbare Pflicht für die Beamten sei, sich selber das Gebot spartanischer Ein­fachheit und Schlichtheit aufzuerlegen. Besonders sei größte Zurückhaltung gegenüber Festlichkeiten und Feiert zu zeigen. Besonders das Leben der leitenden Beamten solle ein Vorbild der Einfachheit und Schlichtheit sein.

Die Berliner

Und das Moralin der Mörder

Paris , 7. Juli. Der Pariser Korrespondent des Jour" bemerkt, innerhalb drei Tagen habe er nicht einen einzigen Berliner gesehen, der an den Anschlagsäulen die blutroten Plakate sich durchgelesen hätte, auf denen die 12 Artikel des neuen braunen Sittenfoder abgedruckt seien.

Hitler bringt sich in Sicherheit

Der Reichswehrminister behütet ihn auf dem Schiff

Aus Berlin kommt die Nachricht, daß der Reichsfanzler Unruhe überall

Hitler in Kürze eine Nordlandreise in Gesellschaft des Generalobersten von Blomberg an Bord des Kreuzers Deutschland unternehmen wird. Auf dieser Reise dürfte die endgültige Zusammensetzung der Reichsregierung ge= regelt werden.

Wirklich nichts anderes? Wir haben einen anderen Ein­druck. Nämlich den, daß Reichswehrminister v. Blomberg seinen heftig strapazierten Schüßling Hitler auf den nordi­schen Gewässern in Sicherheit bringen will. Von verschiedenen Seiten wird glaubhaft versichert, daß Hitler von zitternder Attentatsfurcht ergriffen und nahezu zusammengebrochen ist. Er wagt nicht mehr, sich in der Oeffentlichkeit zu zeigen. Seit Sonntag gab es keine Reden mehr, schallte keine brüllende und drohende Stimme mehr durchs Radio. Die deutschen Machthaber haben Angst vor dem unsichtbaren Mann vor dem Lautsprecher.

Die Aehnlichkeit mit Wilhelm ist augenscheinlich. Wenn die Gefahr drohte, daß er politische Dummheiten machte, schickten ihn sein Ratgeber auf die Hohenzollern ", und dann segelte er in die nordischen Gewässer. Die alte Glique ist wieder am Ruder. Sie tröstet den Volkskaiser" und macht inzwischen, was sie will. Der Außenminister v. Neurath hat eine besonders harte Aufgabe, bei der er nicht gestört sein darf: die Erledigung des Konflikts mit Frankreich . Hitler geht auf Nordlandfahrt, Papen ist beurlaubt Deutschland wird in verworrenster Zeit gemäß dem Führer­prinzip regiert.

Parifien" bemerkt dazu, diess Interview sei deshalb sehr interessant, weil es erkennen lasse, daß das Regime die braune Miliz in ein konterrevolutionäres Instrument um­bauen wolle. Diesem Umbau habe auch eine Sigung gedient, die die Unterführer des Stahlhelms in diesen Tagen unter dem Vorsitz ihres Führers Seldte in Berlin gehabt hatten. Seldte habe erklärt, er habe sich mit Luze vollkommen ge­einigt. Daher fomme es wohl, daß nunmehr alle Gegensätze zwischen Stahlhelm und SA. beseitigt seien,

Von den Miesmachern zu Gerüchtemachern

Letpzig, 7. Juli. ( Inpreß.) Nach den Drohungen der Poli­zeipräsidenten von Essen und Recklinghausen veröffentlicht nun auch das Leipziger Polizeipräsidium eine Warnung gegen die Gerüchtemacherei":" Das Polizeipräsidium Leipzig hatte bereits durch Rundfunk die Bevölkerung gebeten, sich an der eingerissenen Gerüchtemacherei nicht zu beteiligen. Leider ist dieser wohlgemeinte Rat nicht befolgt worden... Immer wieder tauchen an allen Enden und Ecken Ge= rüchte auf... Das Polizeipräsidium steht auf dem Stand­punkt, daß jeder, der Gerüchte erfindet oder verbreitet, die öffentliche Ruhe und Sicherheit gefährdet. Das Polizeipräsidium wird mit diesen Gerüchtemachern und -verbreitern entsprechend verfahren."

Röhm im Kriege

Was in Lille erzählt wird

Lille , 7. Juli. Hier haben einige Einwohner durch die aus den Zeitungen veröffentlichten Bilder von Röhm erkannt, daß dieser während der Besatzungszeit in Lille dem deutschen Stabe angehört habe. Sie rühmen sein vorbildliches Wesen, und Röhm soll u. a. einmal den Satz ausgesprochen haben: Als Soldat führe ich Krieg mit Soldaten. Ich finde es aber ehrlos, wenn man sich an waffenlosen Bürgern vergreift." Wir können nur feststellen, daß Röhm in Deutschland nicht nach diesem Grundsay gehandelt hat.

Sammeln!

Sozialdemokraten und Kommunisten

Paris , 7. Juli. Illustration", ein hochangesehenes, fran zösisches Wochenblatt, meint, wenn man an die wirtschaftliche Krise in Deutschland denke und in Verbindung damit an die Vorgänge, die sich in der letzten Zeit gegeben hätten, dann könne man schon allein zu dem Schluß kommen, wie groß die Ermutigung im Augenblick sein muß bei den alten Gegnern des Systems, den kommunisten und Sozialdemo fraten, die nunmehr entdecken, daß der Besieger nicht unbesiegbar ist. Man könne darauf schließen, daß Deutschland nicht am Schluje seiner inneren Abenteuer stehe