An die..deutsche front! Heraus mit Euren Morderlannen! Die„deutsche Front" an der Saar befiehlt bei jedem Er- eignis, das sie für national bedeutend hält, großes Flaggen: Fahnen heraus! Wir vermissen schmerzlich die Flaggenparade zu Ehren der großen Rettungsaktion, die der Reichskanzler Hitler und seine Leibgarden zur Sänberung Deutschlands vollbracht haben. Die Zeitung„Deutsche Front" hat die Massenmassakers im Reiche als eine Großtat des deutschen Reichskanzlers gefeiert. Alle Zeitungen der„deutschen Front" haben fich überboten in Lobsprüchen aus den„Führer", haben die furchtbare Ge- fahr geschildert, in der sich Deutschland durch Verschwörungen von rechts und links und aus der Mitte befunden hat. Der eine große tapsere und gütige Mann, der gottgesandte Adolf Hitler , habe das Volk vor dem Bürgerkrieg, das Reich vor dem Untergang gerettet. Wenn es wahr wäre, gewiß eine Tat von weltgeschichtlicher Bedeutung! Der sogenannte Landessllhrer der„deutschen Front" hat dem Reichskanzler telegrafisch Treue geschworen für die, die in der„deutschen Front" noch nicht alle werden. Wo aber bleiben die Dank- und Siegesfahnen? Wir fordern die„deutsche Front", die Pirro und Röchling als Führer aus, großes Flaggen anzuordnen. Heraus mit eurem Mörderkrcuz! Heraus mit eure» Mörderlappen! Bekennt euch zu eures Hitlers Taten! Be- kennt euch zu den Morden ohne Zahl! Feiert das Hitler- deutsche Mordsest! „Deutsche Front" an der Saar : heraus mit de« Fahnen! Dnrdibrndi an der Saar Stimmung gegen die Mörder in allen Schichten Saarbrücken , 7. Juli. Der schon seit einigen Wochen fühl- bare Stimmungsumschwung an der Saar erweitert sich und vertieft sich. Er spiegelt sich in der Verlegenheit aller Zei- tungen der„deutschen Front" wider, die zwischen Roheit und Furcht schwanken. Hier im Saargcbiet, wo immerhin noch freie Gespräche nicht verboten sind, verlangen zahllose Mitglieder der„deutschen Front" von den Zeitungen, die zunächst die Gangster-Methoden totzuschweigen und dann zu verteidigen suchten, Ausklärung. Gestern sind empörte Leser einer hiesigen Redaktion, die gewagt hatte, die sozialistiich- kommunistischen Manifestanten als„Gesindel" zu beschimpfen, auf die Bude gerückt. Der Redakteur hatte ein so schlechtes Gewissen, daß er die Völkerbundspolizei und ihren„Emi- grantenkommissar" Machts zur Hilfe herbeirief, obwohl der- selbe Redakteur die Polizei und ihren Kommissar sonst jeden Tag zu verleumden und zu beschimpfen trachtet. Eine leise Ahnung von kommenden Tingen ist vorüber- gehend in die Redaktionsräume der„Saarbrücker Zeitung " eingedrungen. Das ist ein Organ, dessen Geschichte unter dem Titel„Nationale Presse und Charakter" geschrieben zu wer- den verdient. Die Etappen der Entwicklung dieser schönen Presseseele verlausen innerhalb zwei Jahrzehnten etwa so: Freikonservativ— nationalliberal— alldeutsch— Vater- landspartei— Organ des roten Arbeiter- und Soldaten- rates— frankophil mit Französierung der Firma in Hofer freres— öcmokratisch-republikanisch— Deutsche Volks- Partei mit wirtschaftsparteilichen Zebrastreifen— Deutsch - national— Stahlhelm— nationalsozialistisch. Ein Rlatt mit solcher Charakterempfindlichkeit hat eine feine Witterung. Gestern glaubte es, für die in seiner Leier- schast an Zahl bedenklich anwachsenden„Statusquoler" etwas tun zu müssen, indem es die Reichsregierung sehr sanft und ganz treuherzig und im tiefsten Vertrauen gehorsamst bat, doch endlich etwas über die reichsamtlichen Mordtage be- kannt zu geben, sonst— das wurde natürlich nur sehr ver- schämt angedeutet— gehe das Saargebiet verloren. Das war gestern die Furcht. Heute kommt zur Abwechse- lung die Roheit zum Wort. Die„Saarbrücker Zeitung " will den Berliner Gangsters beweisen, daß sie ihrer würdig bleibt. Darum bringt sie es fertig, an der Spitze ihrer heurigen Ausgabe über die vielen, vielen— wieviel eigent- lich?— ermordeten Opfer einen bebilderten blutigen Witz zu reißen. Das Blatt interessiert nur eines: lebt der in einigen Zeitungen totgesagte Polizeipräsident Graf Helldorf ? Gott sei Dank, der wenigstens lebt. Darum veröffentlicht sie das Bild des faschistischen Helldorf, der strahlt und lächelt, weil ihn die Aktion des Reichsjägermeisters diesmal nicht erreicht hat. Unter dem Bild steht mit dem goldenen Humor, der in diesen Tagen jedes sonnige deutsche Faschistenhcrz erfüllen muß:„Ich bin tatsächlich noch nicht tot." Und die„Saarbrücker Zeitung " ist zufrieden. Wir sind es auch, weil die Bande sich so zeigt wie sie ist. und weil die von ihr selbst urkundlich niedergelegten Beweise einer schänd- lichen Gesinnung nicht verderben und nicht verjähren. Anderthalb Jahre haben Blätter wie die„Saarbrück-r Zeitung" die Greuel des deutschen Reichskanzlers und seiner Henkersknechte verschwiegen und die Opfer verleumdet. Nun hilft ihnen ihr Schweigen und ihr Witzeln nichts mehr. Das Blutmeer in Deutschland schwillt über, und so dringt denn aus breiten Blutströmen die Wahrheit auch an die Saar . Das Taargebiet ist für Hitler verloren. Ihn zu stürzen, ihn und alle seine Mitschuldigen auszutilgen und auszu- löschen, ist die erste Aufgabe aller wahrhaft Deutschen , ist auch das Ziel unseres Kampfes an der Saar. ver„Volkshanzier" Wen Gott verderben will, schlägt er mit Blindheit Juft in diesen Tagen veröffentlicht die früher katholische „Landeszeitung" in Saarbrücken folgenden Brief des Prä- loten A n h e i e r in Trier , der sich über die Unterdrückung der katholischen Jugend durch die Hitler-Jugend beschwert: „Die katholischen Jugendvereine stehen unter der Leitung der Kirche und können darum niemals vaterlandsschädlich sein. Derselben Ansicht ist auch unser Volkskanzler, der sich in einem feierlichen Bertrag ver- pflichtet hat, die katholischen Jugenbvereine in ihren Einrichtungen und Tätigkeiten zu schützen. SolangeesdeutscheTrcuegibt, solange Ver- träge in Deutschland heilig sind, so lange ein Kanzler wort gilt, so lange gibt es auch ein Recht der katholischen Jugend in Deutschland .... Ich bitte Dich, katholischer Junge und katholisches Mäd- chen in der Staatsjugend, hilf mir beten, damit nicht das Werk des V o l k s k a n z l e r s durch Ungesetzlich- keiten untergeordneter Organe sabotiert wird." Röchlings Militär-Spion Ein harter Schlag für die„deutsche Front" Metz , 8. Juli. Nicht nur dem Vorsteher der Röchlingschen Geheim- polizei, dem 42 Jahre alten Johann Radke aus Völklingen , sondern auch dem weiteren Angestellten Alois Frischmann wird militärische Spionage vorgeworfen. Beide sind bereits überführt und geständig. Mit ihnen ist ein 56 Jahre alter naturalisierter Franzose namens Otto Baltes aus Metz ver- hastet worden, der den Röchlingschen Angestellten das Mate- rial besorgte. Im einzelnen erfahren mir folgendes: Bereits seit längerer Zeit hatte die französische Geheimpolizei den natu- ralisierten Franzosen Otto Baltes im Verdacht der Spionage. Als man genügend Belastungsmaterial gesammelt hatte, packte die Geheimpolizei zu und verhaftete Baltes, der nach anfänglichem Leugnen seine landesverräterische Tätigkeit im Dienste Röchlings zugab. Mehrfach hatten Röchlings Agenten ihn aufgesucht, zweimal in Luxemburg , einmal war Röch- lings Generalsekretär, der berüchtigte Herr Rupp, selbst bei ihm in Luxemburg gewesen. Es handelte sich nicht nur um die Verschaffung von Material gegen flüchtige Deutsche, sondern auch um Auslieferung militärischen Geheimmaterials. Garantien iiir die Saar Auskunft Barthous DNB. Paris , 7. Juli. Im Kammerausschuß für auswärtige Angelegenheiten verlangte der Abgeordnete F r i b o u r g, daß in Saarbrücken ein französisches Generalkonsulat errichtet werde. B a r t h o u erklärte sich damit einverstanden. Fribourg verlangte weiter von Barthou eine Erklärung, daß die Festsetzung des Abstimmungstermins auf Januar dadurch bedingt bleibe, daß Deutschland die Verpflichtung einhält, Freiheit und Sicherheit der Saarländer zu achten. Barthou versicherte, daß das auch seine Ausfassung sei. Fribourg wies dann daraus hin, daß nationalsozialistische Kreise auf dem Standpunkt ständen, Deutschland habe hin- sichtlich der Garantien keinerlei Verpflichtung für Handlun- gen übernommen, die z w i s ch e n 1918 und dem 10. I a- nuar 1929 begangen wurden, also bis zu dem Tage, an dem der Völkerbund die Saarregierung übernahm. Abg. Fribourg fragte Barthou, ob die von Deutschland übernom- menen Verpflichtungen für den ganzen Zeitraum von 1918 bis 1933 gelten, worauf der Außenminister bejahend ant- ivortete. Auch erklärte sich Barthou mit der Forderung Fribourgs einverstanden, daß man möglichst bald für die Saarländer , die nicht abstimmungsberechtigt sind, die für Abstimmungs - berechtigte vorgesehenen Garantien erzielen müsse. 5 Jahre Gefängnis! Weil er über Hitler die Wahrheit sagte Die gleichgeschaltete Presse meldet: „Die 7. Große Strafkammer des Landgerichts Berlin ver- urteilte den 85 Jahre alten Ernst Reitmann wegen Ver- gehens gegen die Verordnung zur Abwehr h e i m t ü ck i- scher Angriffe gegen die Reichsregierung zu einer Strafe von fünf Jahren Gefängnis Gerade der Ange- klagte hatte am wenigsten Veranlassung zu gehässigen Schimpfereien, als er eS der neuen Regierung zu danken hatte, daß er als Wohlfahrtsempfänger zu Not- ftandsarbeiten herangezogen wurde und dann bei Bauarbeiten am Alexanderplatz Beschäftigung fand." Für die paar Hnngerpfennige soll der Notstandsarbciter auch noch dankbar fein! vie Antwort der Schweiz Verbot hitlerdeutscher Zeitungen Bern , 7. Juli Als Antwort auf das Verbot mehrerer Schweizer Zeitungen in Deutschland hat der Rundesrat be- schlössen, aus 14 Tage die Einsuhr und den Berkaul der deutscheu Zeitungen„Angriff",„Völkischer B e o b- achter" und„Berliner B ö r s e n z e»t u n g" in der Schweiz zu verbieten. Wo bleibt die listet Die ganze Welt fragt— bisher vergeblich Paris, 7. Juli. Der Berliner Sonderberichterstatter des„Paris-Toir" er- klärt, die„Reinigung" im nationalsozialistischen Lager sei durchaus noch nicht deendet. Dieser Prozeß werde im Gegen- teil, ohne daß die Oeffentlichkeit davon in Kenntnis gesetzt werde, in aller Heimlichkeit fortgesetzt. Er erinnert daran, daß man vergeblich ans die längst von der Rcgiernna ange- kündigte Liste der ermordeten Nationalsozialisten und Ko«- servativcn warte. Der Korrespondent will deshalb»och ein- mal im Propagandaministerium vorgesprochen und zur Antwort erhalten haben, diese Liste werde in zwei oder drei Tagen veröffentlicht werden. Tie werde vollständig sein, denn man habe keinen Grund, sich über das Schicksal derer aus- zuschweigen, die Hochverrat begangen haben. Die Liste sei noch nicht herausgegeben, weil die Untersuchungen noch im Gange seien. Zahlreiche SA.-Leute werden noch vernommen. Wenn man die Liste derer, die schon abgestraft seien, veröffentliche, könne man dadurch diejenigen Parteimitglieder warnen, die viel- leicht als Mitverschworene in Betracht kämen und noch nicht ahnten, daß sie verdächtig seien. Der Korrespondent bezwci- felt, daß man auch in einigen Tagen die Wahrheit erfahren würde. Auf seine weitere Frage nach dem Gesundheitszustände des Reichspräsidenten von H i n d e n b u r g sei ihm erwiedert worden, es ginge Hindcnburg gut. Er habe eingeworfen, ob man vielleicht in Anbetracht seines hohen Alters mit Kom- plikationen rechnen müsse, ob nicht auch die Tragödie des 39. Juni solche Verschlimmerungen herbeiführen könnte?„Ge- miß", habe man im Propagandaministerium geantwortet. Der Korrespondent meint, Hindenburg sei durchaus nicht so gesund, wie von amtlicher deutscher Seite behauptet werde. Bon seinem Gesundheitszustand häng? es aber auch ab, ob die jetzt beendete Krise nicht sehr bald wieder auflebe. Wohl sei die Ruhe wieder hergestellt, aber für w>e lange? kragen ohne Antwort Man schreibt uns aus der Schweiz : Unfaßliches ist geschehen. Wie war das möglich, was in Deutschland vorging? Ist Nero wahnsinnig geworden. Oder braucht der neue deutsche Gott Blutopfer gleich der dunkeln Bhawani. Bisher glaubte man, bei allen Schrecken und aller Gewaltsherrschaft in Deutschland , daß zwar vieles gemein, schmutzig, heuchlerisch war, aber doch — menschlich, allzu menschlich. Man täuschte sich. Wohl waren Fememörder, Anormale. Rauschgiftsüchtige die ersten Männer an Macht und Einfluß, aber sie waren nur Schemen eines Unmenschen, der allein sie alle an Un- Menschlichkeit übertraf: Hitler . Nicht nur Freundestreue hat er gebrochen, nicht nur ein Volk betrogen und ge- täuscht, sondern die ganze Kultur, ja die Menschheit, die ein solches Wesen hervorbringen konnte, geschändet. Noch deutlicher: Hitler ist nicht die blonde Bestie Nietzsches, kein Uebermenfch, den man hasten, hasten und nochmals hassen und— trotzdem— als Gegner achten kann, sondern er ist die menschgewordene Niedertracht. Als alles bekannt wurde, war jeder zuerst unfähig irgend etwas zu begreifen. Wie ein Schlag mit der Keule wirkte das Ganze. Und noch heute haben Abscheu, Er- staunen, Verachtung. Zweifel, Aufruhr und Gefühlslosig- keit abwechselnd die Oberherrschaft im Empfinden vieler. Aber mit zunehmendem WiMrksjjren des klaren und überlegten Denkens und Einschätzens machen sich neben dem Vorsatze die Schmach an allem Guten, Stolzen, Men- schenwürdigen zu rächen, vor allem Fragen bemerkbar, viele Fragen— ohne Antwort. Als Mensch möchte man, daß die Menschengestalt Hitler wenigstens Gründe gehabt haben möchte, so zu handeln. Aber Hitler schweigt, und das Propagandaministerium schweigt. Ein Schweigen des Todes, und eine Stille vor dem Sturm. Man will wissen, was mar los? Will wissen, warum? Als Antwort: Allgemeine Phrasen von gebrochener Treue gegenüber dem Führer, von Verschwörung, von Verrat und Revolution. Reden von Säuberungsaktionen usw. Doch hört man noch so gar nichts Präzises. Was haben denn die Verschwörer genau geplant, wer war beteiligt, was waren die Ziele? Hitler wird immerhin seine Unterführer nicht für Trottel gehalten haben, ins Blaue hinein Revolution zu machen. Und um so einzu- schreiten, wie es geschehen ist, muß man doch ganz genau wissen, um was es geht. Also heraus mit der Sprache! Eine andere Frage: Wer sind die Opfer, wieviele, was hat jeder einzelne getan? Man hat Todesurteile am lau- senden Band ausgesprochen und vollzogen. Ist es zuviel, wenigstens eine Begründung dafür zu verlangen? Wenn Hitler glaubt, der Welt, dem Auslände, dem Nichtnational- sozialisten keine Antwort schuldig zu sein, so ist er doch eine Aniwoit schuldig seinen eigenen Leuten, ja dem Andenken der Ermordeten, denen er immerhin Etliches zu danken hat. Und noch eine Frage: Woher wußte die Regierung alles so genau? Wer hat die Leute vor die Revolverläufe ge- liefert? Wenn die Welt nicht denken soll, daß Provo- kateure ihr Werk getan, wenn noch einige Reste von deutscher Geradheit als noch bestehend gelten sollen, dann antworte man. Doch wenn es auf diese Fragen Antworten gäbe, die die Oeffentlichkeit erfahren darf, längst hätten alle amt- lichen Stellen sie in die Welt hinausgerufen. Doch nur Schweigen rings umher. Schweigen, Grauen und Eni- setzen. Vorher war ein Nebelschleier über Deutschland , jetzt ist es dunkle, sternlose Nacht. Nur die Eulen rufen schauerlich. Sie nennen es: Zukunft, Volk, Einigkeit, Führerschaft, Sauberkeit, und die Welt hört nur: Tod, Terror, Haß. Verrat, Unrat. Eines Tages aber, eines Tages, der auf die Nacht folgen muß, wird die Antwort erteilt werden auf die Fragen. Und die Antwort wird sein wie die Fragen: Keine Worte sondern Taten! Wer Wind sät, wird Sturm ernten, und wer seine Macht auf Blut baut, wird im Blut ersaufen. Für Hitler gibt es jetzt kein Zurück mehr: sein Weg wird weiter über Leichen führen. Hinter sich läßt er das Grauen, und das Entsetzen fliegt ihm voran. All do-> Blut wird wiederkommen, über ihn und seines- gleicher„Salibert",
Ausgabe
2 (8.7.1934) 155
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