Heimkehr von der Teufeisinsel Benjamin Ullmos Schiksal— Der Verrat des Marineoffiziers— Das Geheimnis der Kabine 309 von Marcel Robert
Paris, Anfang Juli. ( Tausende von Menschen kommen jeden Tag in Paris an, Pausende von Schicksalen kreuzen sich jeden Tag in Paris , und alle, ob hoch oder nieder, verschlingt sie das unheimlich jagende Leben dieser Riesenstadt. Wen interessiert ihr Name, ihr Rang, ihre Herkunft, wen interessiert, woher sie kommen und wohin sie gehen? Wie ein Stäuhchen wehen sie vorbei, Menschen und Schicksale, und keiner fragt mehr danach. Aber dann kommt eines Tages auf dem Bahnhof Saint- Lazare ein unscheinbarer Mann an, mit einem machtigen Schnurrbart im Gesicht, einen Strohhut auf dem Kopf,— und plötzlich horcht Paris , das große Paris , einige Augenblicke auf, alle Blicke wenden sich ihm entgegen, man spricht von ihm, die Zeitungen bringen lange Artikel, die Interessenlosigkeit ist jäh unterbrochen. Dieser unscheinbare Mann heißt Benjamin Ullmo, und sein Schicksal ist wahrhaftig sonderbar. Benjamin Ullmo, ein Name, ein Leben, ein Schicksal! Paris erinnert sich plötzlich der Zeit vor dem Kriege, einer Epoche, die man oft schon vergessen glaubte und aus der als eine der seltsamsten Erscheinungen dieser Benjamin Ullmo wieder den Fuß in die Gegenwart setzt. Wirklich, er setzt seinen Fuß wieder in die Gegenwart, er betritt die Erde Frankreichs , zum ersten Male seit sechsundzwanzig Jahren, er hat einen großen Sprung über die Zeit getan,— welche Zeit für die Welt, welche Zeit aber für ihn, den einzelnen, einen vom Schicksal Gezeichneten! Paris erinnert sich... Im Jahre 1907 war es, da lebte in Toulon ein Marineoffizier namens Ullmo, Sohn eines Kaufmanns, blühend in der Jugend seiner sechsundzwanzig Jahre, eine glänzende Karriere schien im garantiert. Hundertfünfzig Franken betrug sein Monatsgehalt, das war schon damals nicht sehr viel, und es reichte schon gar nicht, wenn man sich auch einmal in Liebesabenteurer stürzen wollte. Ja, Ullmo liebte solche Abenteuer, er war auf allen Festen in Toulon ein gern gesehener Gast, die Frauen blickten voller Neigung auf ihn, man konnte das verstehen, denn er sah in seiner Uniform sehr schneidig aus. Und der junge Offizier hatte natürlich eine Geliebte, eine in Toulon äußerst bekannte Dame, die sich Lison nannte und die ein Vielfaches seines monatlichen Einkommens an einem Tage verbrauchen konnte. Was so oft in Groschenheften geschieht und dann als verlogener Kitsch abgetan wird, geschah wieder einmal in vollster Wirklichkeit. Ullmo geriet immer tiefer in Schulden, er sah am Ende keinen Ausweg, er saß in der Schlinge, aus der er sich nicht mehr befreien konnte,— und er setzte seinen allerletzten Besitz aufs Spiel, seine Ehre. Beim Marineministerium in Paris liefen um diese Zeit verschiedene anonyme Briefe ein, in denen der geheimnisvolle Schreiber angab, er besitze wertvolle, die französische Landesverteidigung betreffende Dokumente. Mehrere fremde Großmächte hätten ihm bereits Riesensummen dafür angeboten, er aber würde es vorziehen, diese Dokumente an Frankreich zu verkaufen; er fordere 150 000 Franken. Die Korrespondenz wurde auf Veranlassung des damaligen französischen Marineministers Thompson weitergeführt, man ging auf das Angehot ein, und schließlich wurde auf einem abgelegenen Platz eine Verabredung getroffen, bei der die Uebergabe der Dokumente erfolgen sollte. Ein Beamter der Geheimpolizei erschien als vermeintlicher Abgesandter des Marineministers, und auch'der Briefschreiber erschien pünktlich an der verabredeten Stelle, allerdings maskiert. Der Polizist riß ihm die Maske herunter, legte ihm Handschellen an, und der geheimnisvolle Mann ergibt sich freiwillig: Benjamin Ullmo, Offizier der französischen Marine... Das Kriegsgericht tritt im Juli 1908 zusammen. Ullmo wird degradiert, zu lebenslänglicher Zwangsarbeit auf der Teufelsinsel verurteilt. Ein junges Leben endet in der wilden Einsamkeit von Guyana . In dieser hoffnungslosen, finsteren Todeslandschaft lebt Ullmo fünfzehn Jahre lang. Im Jahre 1923 tritt er zum Katholizismus über, und in diesem Jahre erlebt er auch eine Milderung seines harten Schicksals, indem ihm gestattet wird, als freier Mensch unter den Siedlern von Cayenne zu leben. Dort versucht er Arbeit zu finden. Er geht von Haus zu Haus, er ist bereit, jede Arbeit, auch die niedrigste, zu verrichten,— kein Mensch will ihn nehmen, weil niemand den einstigen Marineoffizier als Hausknecht nehmen will.„Ich bin nicht mehr der Leutnant Ullmo, ich bin ein Verräter..", so antwortet Ullmo, aber alle Türen sind ihm verschlossen.
Endlich findet er eine Stellung in einem kleinen Exporthaus. Als er seine neue Stellung antritt, reicht ihm die kleine Tochter des Chefs die Hand entgegen. Da bricht er in Tränen aus und spricht zu dem Kind:„Entschuldigen Sie, aber es ist fünfzehn Jahre her, seitdem mir ein Mensch die Hand gereicht hat..." Auch darüber sind nun elf Jahre vergangen. Um diese Zeit war es auch, daß Albert Londres auf einer Reise in Cayenne die Bekanntschaft Ullmos macht. Albert Londres , der große Reporter und wundervolle Mensch, der dieser Welt, viel zu früh, beim Untergang des„Georges Philippicar" entrissen wurde. Albert Londres interessierte sich für diesen Menschen und sein Schicksal, und er veröffentlichte in der größten Pariser Zeitung, dem„Petit Parisien ", einen ergreifenden Bericht über seine Unterhaltung mit dem früheren Marineoffizier. Durch diesen Bericht Albert Londres ', der für einen Unglücklichen Gnade und Frieden forderte, wurde eine gütige Frau auf Benjamin Ullmo aufmerksam, Marie-Madeleine Poirier. Sie trat mit ihm in Korrespondenz, sie wurde seine„mystische Braut", sie lief in Paris Tag um Tag, Jahr um Jahr von Behörde zu Behörde, um seine Begnadigung zu erwirken. Zehn Jahre gibt Fräulein Poirier den Kampf nicht auf, sie ruht nicht, um dem unbekannten Verlobten wieder das Leben eines freien Menschen zu verschaffen, und sie läßt sich durch nichts entmutigen. Endlich sind ihre Bemühungen erfolgreich: Benjamin Ullmo erhält das Recht, in sein Vaterland zurückzukehren. Und jetzt ist er in Paris angekommen, der einstige Marineleutnant, der sechsundzwanzig Jahre lang seine Schuld hat büßen müssen. Es war seine Wille, daß um seine Rückkehr nicht viel Aufhebens gemacht werde, und niemand auf dem Schiff, das ihn nach Frankreich brachte, hatte zunächst eine Ahnung davon, daß der Passagier von Kabine 309 ein früherer Sträfling von der Teufelsinsel war. Er reiste unter dem unauffälligen Namen eines Monsieur Charles, aber es gelang ihm doch nicht, sein Inkognito bis zum Ende zu wahren. Ein Pariser Journalist war ihm nach Plymouth entgegengereist, und am Quai des Hafens von Le Havre wartete gleich ein stattliches Heer von Reportern und Fotografen. Da stand auch Fräulein Poirier, sie hatte ihren Verlohten zwar nie in ihrem Leben von Angesicht zu Angesicht gesehen, aber sie war die Erste, die jenen geheimnisvollen Monsieur Charles erkannte und ihm liehevoll entgegen ging wie nach einer langen, schmerzvollen Trennung. Dann fuhren sie zusammen nach Paris , und auch da wieder, am Bahnhof Saint-Lazare , empfing sie ein Schwärm von Journalisten und Fotografen. Fragen stürmen auf ihn ein, aber er antwortete nur:„Ich will nicht, daß man viel von meinem Namen spricht... Ich glaube, daß dies alles der Vergangenheit angehört, einer schwer bezahlten und wahrhaft toten Vergangenheit... Ich will einen Monat in Paris bleiben, dann habe ich einige kleine Reisen in Frankreich vor. Ich suche das Vergessen, und ich hoffe, daß ich es finden werde... Und, bitte, fragen Sie mich nichts mehr! Ein altes englisches Sprichwort sagt: Willst Du nicht, daß ich Dich belüge, so frage mich nichts..." Die Reporter geben ihm endlich den Weg frei. Ullmo und Fräulein Poirier steigen in ein Taxi, das sich in der Richtung der großen Boulevards entfernt. Glühend heiß brennt die Sonne über Paris . Die große Stadt nimmt ihn auf, er verschwindet in ihrem unübersehbaren Betrieb. Benjamin Ullmo sucht Ruhe. Wird er sie finden? Die Kirche und die Feinschmecker Die Mitglieder des„Klubs der Hundert", der berühmtesten Feinschmecker-Vereinigung der Welt, haben ihr letztes Festgelage auf den Eiffel-Turm verlegt. Dieser erschien ihnen bei der herrschenden Hitze als der einzig erträgliche Ort, um kulinarischen Genüssen zu frönen. Die Veranstaltung fand an einem Frankreich statt, und in Frankreich wie in allen katholischen Ländern ist an diesem Tage der Fleischgenuß aus religiösen Gründen verboten. Sollte das Mahl nun deshalb völlig vegetarisch verlaufen? Das war den hundert Eß- kiinstlern nicht gut zuzumuten. Sie wandten sch deshalb an den Erzbischof von Paris und legten dar, daß die Gastronomie zu den„schönen Künsten" gehöre. Sie wurden offenbar erhört, denn auf der Speisekarte stand folgende Bemerkung:„Auf Grund von uns eingeleiteter Schritte hat der Erzbischof von Paris ausnahmsweise gestattet, am Freitag, dem 29. Juni, im„Klub der Hundert" den Mitgliedern und Gästen ein fleischiges Mahl vorzusetzen".
■ nigPKUSTKM A»»tele. Im Sturm der Ereignisse sind wir mit der Beantrvor» hing unserer Korrespondenz etwas in Rückstand geraten. Wir vi:- ten um Geduld. EHur. Daß Sie Irgendwo in einer Hütte in Graubünden dad Hitlersche Blutsest„zu spät" erfahren haben, läßt sich ertragen. Es tst in diesen schönen Sommertagen manchem nicht ander? ergangen. In Ihrem Alter darf man sich schon einmal ein Stormsches Dorf» Idyll gönnen: Kaum zittert durch die MittagSruh Ein Schlag der Dorfuhr, der entfernten» Dem Alten fällt die Wimper zu. Er träumt von seinen Honigernten. Kein Klang der ausgeregten Zeit Drang noch in diese Einsamkeit. Da? gibt es immer noch, und es ist gut so. Else K. Sie machen uns auf folgende Zeitungsnotiz aufmerksam: „In Florenee lArizona) fand am Freitag die erste Doppelhinrich- hing mittels Blaugas statt. Die beiden Todeskandidaten, zwei Brü- der aus Mexiko , wurden seder auf einen Stuhl gesetzt und die Todeskammer sodann hermetisch verschlossen. Bei dem einen der Brüder trat der Tod nach zwei Minuten, bei dem anderen nach drei Minuten ein."— ES dürfte für Hitler, Goebbels und Göring empfehlenshert sein, ihre nächste Säuberungsaktion gegen miß- liebige Kameraden mit Blaugas vorzunehmen. Man lade hundert Röhms und Heines in einen beliebigen Saal, dichte ihn ab und räuchere ihn mit Blaugas aus. Borbet ist die Chose, und wer will dann noch bestreiten, daß die Säuberung in der humansten Form vor sich gegangen ist? Feder Kammersäger arbeitet doch ähnlich. Ist Göring eigentlich immer noch Ehrenpräsident der deutschen Tierschutzvereine? Und Hitler Ehrenprotektor? H. R., Sujet«. Ihrem Briese entnehmen wir:„Ich muß Ihnen gestehen, daß ich erst seit dem 1. Juli volles Vertrauen zu Ihrer Zeitung gewonnen habe, denn bisher habe ich bei aller Zustim» mung im Ganzen doch manchmal geglaubt, Uebertreibungen bemängeln zu mügen. So habe ich zum Beispiel manche Ihrer Schil« derungen aus den Konzentrationslagern sür zu stark aufgetragen gehalten. Dafür mutz ich Sie nun um Entschuldigung bitten, und ich verspreche Ihnen, dag ich auch bei den Freunden, mit denen ich gelegentlich über solche scheinbaren„Entgleisungen" Ihres Blattes gesprochen habe, mich berichtigen werde, sosern dies noch notwendig sein sollte. Wenn Scheußlichkeiten— ich halte mich einmal nur an die unbestrittenen Berichte— der erlebten Art zwischen„Kamera- den" des Nationalsozialismus möglich sind, was ist dann den Leu- ten gegenüber ihren politischen Feinden nicht zuzutrauen? Erst setzt ist mir klar geworden, was Faschismus eigentlich ist, und es wird wohl vielen Schweizer Bürgern so gegangen sein. Sie haben noch viel zu wenig daraus hingewiesen, daß das moralische Moni» fest des Reichskanzlers eine vollkommene Rechtfertigung Ihrer „Greuelberichte" war. Der Reichskanzler und Parteiführer hat sa nun eigentlich offen zugegeben, daß olles richtig war, was die „Emigrantenprege" seit jeher über die Berlumpung des National- sozialismus geschrieben hat."— Briefe ähnlichen Inhalts haben wir mehrere erhalten. Es ist ein Grundfehler des honetten Bllr« gertums, daß ihm in seiner satten Behaglichkeit und friedlichen Geborgenheit der Sinn für die Abgründe der menschlichen Seele verloren gegangen ist. Wer eine einzige der animalischen Brül- lereien Hitlers am Radio gehört, wer je dieses Gesicht aufmerksam angeschaut hat, sollte um das Bestialische in diesem atavistische» Menschen Bescheid wissen. „Schweizerische Freunde". Sie teilen uns mit:„Es freut uns, Ihnen mitteilen zu können, daß die„Deutsche Freiheit" und die übrigen antihitlerischcn Saarblätter bei uns wieder mal reißenden Absatz haben. Eine deutsche Familie, die zur Zeit erholungshalber in der Schweiz weilt, versicherte uns, daß, wenn sie sich in Deutsch - land über die deutsche Lage.orientieren wollen, sie gezwungen seien, den Radio-Nachrichtendienst der Sender Stratzburg, Luxemburg oder Beromllnster zu hören, wenn sie wirkliche Tatsachen erfahren weck« len. Wir Schweizerbürger sind entsetzt über die grausamen, unver« antwortlichen Bluttaten, die sich das Regime Hitler heute täglich zu schulden kommen läßt. Mit dem deutschen Bolle mutz sich ganz Europa der barbarischen und skrupellosen Methoden der jetzigen Machthaber des„dritten Reiches" schämen. Daß ehrbare Männer und Frauen, die sich zum Teil große Verdienste erarbeitet haben swie denken an von Schleicher, Slausener usw.) in einem Kultur- staate, wie ihn Deutschland präsentieren will, einfach nach Gut- dünken des„Führers" und seiner gewigenlosen Horde ohne Gericht ins Jenseits befördert werden,(um keine andere Wendung zu ge- biauchens muß bis jetzt jeder denkende Mensch ssir ausgeschlossen gehalten haben. Was das deutsche Volk denkt, wissen wir nicht. Aber wir können Sie versichern, daß die Empörung über diese diabolisch-grausamen Schandtaten in der Schweiz grenzenlos ist."
Nene interessante Broschüren!
Bienstock: Avantgarde I Zwischen den Weltkriegen Fr. 2,— Decker: Revolte und Revolution. Der Weg zur Freiheit.. Fr. 5,50 Der Faschismus und die Intellektuellen Untergang des deutschen Geistes Fr. 5,50 Franzel: Der Bürgerkrieg in Oester« reich Fr. 2,— Kerl: Soldat der Revolution Koloman Wallisch .... Fr. 2,— Buchhandlung der Volkssümme
Saarbrücken 3, Bahnhofstraße 32 Vorrätig auch in den übrigen Ausgabestellen der Volksstimme.
Association des Emigres Israelites d'Allemagne en France Donnerstag, den 12. Jnni 1934, um 20.45 Uhr, im Verein»- lokal„Chez Cohn", 17, Rue Beranger(Metro Republique), Paris . Zusammenkunft der Jugendgruppe. Vortrag:„Reiseerlebnisse in Frankreich ". Gäste willkommen.
Für den Gefamtinhalt verantwortlich: Johann P i tz in Dud- weiter: für Inserate: Otto Kuhn in Saarbrücken . Rotationsdruck und Verlag: Verlag der Volksstimme GmbH, Saarbrücken 1 Schlltzenllraß« fi.— Schließfach 779 Saarchrüchjn,.
Die Hetze gegen Schleicher
Und das Geheimnis um sein Grab Paris , 10. Juli. Die französische Presse nimmt weiter entrüstet gegen die Art Stellung, wie entgegen den Versicherungen, die Außen- minister v. Neurath dem französischen Botschafter in Berlin , Franeois-Poneet, gegeben hat, die deutschen Blätter in sen- sationeller Weise aufgemacht an der Behauptung festhalten, daß die französische Regierung in das sogenannte Schleicher- Komplott eingeweiht gewesen sei. Man kommt zu der Fest- stellung, daß Neuraths Versicherungen, daß dieser Presse- seldzug eingestellt werde, vom Propagandaminister Dr. Goebbels in gehässigster Weise durchkreuzt würden. Denn es bestehen keine Zweifel daran, daß die deutsche Presse, die unter dem Befehl des Propagandaministers siehe, aus dessen Wink ihre Angriffe gegen Frankreich fortsetze. Der rechtsstehende„M a t i n" ebenso ivie andere Pariser Blätter beschweren sich darüber, daß die deutschen Blätter einen Artikel aus der englischen Revue„New Statesman " und„Nation" abdrucken, der von den engen Beziehungen Schleichers zu verantwortlichen französischen Stellen spricht. Philippe Barres zitiert im„Matin" diesen Artikel, in dem es u. a. heißt, der Korrespondent des englischen Blattes habe im Verlaufe eines Gespräches Schleichers angeblichen Pa- rtfer Verbindungsmann gefragt, ob Schleicher nicht, wenn er in Deutschland bleibe, die Rache Hitlers fürchte, der doch sicher von seinen Verhandlungen mit Frankreich Kenntnis habe.„Nein," habe der Deutsche geantwortet,„man werde nicht wagen, sich an Schleicher zu vergreifen." Barres meint, diese Anschuldigungen seien nicht nur nebelhaft und
entbehrten jeder tatsächlichen Grundlage, sie seien auch unkontrollierbar, weil man ja die Hauptperson Schleicher ermordet habe. Baires hat dann die Gräber des Ehepaares Schleicher auf- gesucht. Es war, wie er schreibt, nicht sehr einfach, die letzte Ruhestätte des Generalsehepaares zu finden. Lange Zeit sei er vergebens auf dem Friedhof in Lichterfelde umhergeirrt, denn niemand habe ihm Auskunst geben wollen, wo die Gräber seien. Wenn er nur den Namen Schleicher genannt habe, bann seien die Leute verlegen davongelaufen. Endlich habe ihm ein Friedhofswärter Auskunst über die Lage der Gräber gegeben, aber dabei bemerkt, der Journalist möge seinen Hul vor das Gesicht halten,„d a m i t," wie er sich aus- drückte,„Sie nicht von irgendwelchen Spitzeln fotografiert werden". Und so sei er denn zu den Gräbern gekommen. Dort seien die letzten Ruhestätten eines Rentners, eines Bankiers und eines Fliegers gewesen: da- zwischen liege ein freier Platz, der für Fußgänger frei- gegeben sei. Etwa dreißig bescheidene Kränze, schon getrock- net, ohne Namen der Spender lägen dort. Kein Name, kein Kreuz, kein sichtbares Zeichen gebe Kunde davon, daß hier der ermordete General von Schleicher und seine ebenso ums Leben gekommene Gattin ihren letzten Schlaf schlummern. Barres schließt seine Ausführungen mit den Worten:„Ich konnte mich nur fragen: warum wollen Deutschlands Macht- haber dieses Geheimnis um den toten Schleicher, von dem doch ihre ganze Press« spricht?*