gierung verbündet haben soll. Nicht einmal den Diplomaten nannte er, mit dem die hoch- und landesverräterischen Pläne erörtert worden sein sollen.
Kein Wort des Bedauerns fiel, daß die mit der Ermordung Schleichers, für die der Reichskanzler schreiend und unter tosendem Beifall des Reichstags die Verantwortung übernahm, beauftragten Banditen auch die Frau v. Schleicher erschossen haben. Nicht die leiseste Andeutung gab es über das Hinschlachten der Klausener, v. Kahr , Probst und ungezählten anderen, deren Namen der Reichskanzler wohlweislich verschwieg. Das dies weder„ Meuterer" waren, noch Leute, die einer Verhaftung Widerstand leisteten, weiß der Reichskanzler genau. Er hat aber nicht soviel Macht und nicht soviel Mut, die Schandferle auch nur leise zu tadeln, die diese Bestialitäten verübten und nachher die Leichname einäscherten, um die Spuren der Folterungen für immer zu vernichten.
Es bleibt die furchtbare Laft auf dem Reichskanzler, daß er gefährliche Gegner, daß er vor allem Mitwisser seiner dunklen Anfänge, durch die ausländisches Geld rollte, beseitigen ließ, wie den 72jährigen Herrn von Kahr, den niemand der Verschwörung beschuldigt hat.
Nicht einmal die Totenliste wagte der Reich 8- kanzler bekannt zu geben, die seit zwei Wochen die ganze Welt von ihm fordert. Nur die„ Meuterer" summierte er rasch und ungenau auf 77. Was an Katholiken und Juden, an Konservativen und anderen Kritikern des Systems umgelegt worden ist, verschwieg der Reichskanzler schuldbewußt. Mit absichtlicher Unklarheit deutete er an, daß die Urheber von Gewalttaten nach dem 1. Jult den ordentlichen Gerichten zugeführt werden sollen. Ob je einer dieser Prozesse stattfinden, ob je darüber berichtet werden wird, steht dahin.
Die bestialischen Morde, die am 30. Juni und am 1. Juli begangen worden sind, werden samt und sonders vom Reichstanzler gebilligt oder doch amnestiert. Darunter fallen auch die Morde an den Katholikenführern.
" Ich habe den Befehl gegeben, die Hauptschuldigen zu erschießen"„ Ich habe den Befehl gegeben, die Geschwüre auszubrennen bis auf das rohe Fleisch."" Ich unterhalte
mich mit niemandem darüber, was politisch harmlos ist oder nicht.".„ Die Männer, die an verborgenen Beratungen beteiligt sind, lasse ich totschießen."" Ich bin verantwortlich für die deutsche Nation und bin daher der Oberste Gerichtsherr."
Das ist mehr als Zäsarenwahnsinn. Das ist das unzwei
schafter und Gesandten werden darlegen, daß aus militaristischem Geist ein Militärregiment in Deutschland regiert,
das die deutsche Nation zu einem einzigen Kriegsinstrument
zusammenrafft und allen mit Tod und Verderben droht, die andere politische Linien betreten möchten.
Die Reichskanzlerrede hat nichts geklärt und nichts geändert.
Die außenpolitische Isolierung bleibt und die innere 3erseßung Deutschlands und die ungeheu= ren sozialen Spannungen bleiben auch. Die werden von dem Abschießen einer Dußend SA.- Bonzen nicht berührt.
Der Führer kann morden lassen. Das hat er tausendfach bewiesen. Auch schon vor dem 30. Juni, und er wird es noch einige Zeit durch seine Blutbestien unter Beweis stellen.
Mehr kann er nicht. Er löst keines der deutschen Probleme. Er ist nicht einmal fähig, eines dieser Probleme richtig zu sehen und verständig zu analysieren. Seine Terrorrede ist das Eingeständnis seiner Silflosigkeit und der Ratlosigkeit des ideenlosen Nationalsozialismus.
Ein. Despot hat Cliquen, die er fürchtete, durch Mord beseitigt und dabei auch reihenweise Unschuldige ermorden lassen. Das ist nach dem eigenen Bericht des Reichskanzlers die Geschichte des 30. Juni.
Mit unverhohlener Schadenfreude hat es die Füsilierung von Nazis durch Nazis begleitet.
Mit Grauen und innerer Empörung hat es nach und nach das Hinschlachten von ehrenhaften Volksgenossen erfahren. Tatsachen, die auch der Reichskanzler verlogen und hinterhältig verschwieg.
Dieses Volf wird sich nicht ewig täuschen lassen. Der Kanzler und seine Banditen werden den hundertjährigen Krieg", Len er gestern ankündigte, verlieren.
Das deutsche Volk wird an einem fommenden Tag sich erheben und sich von der Schmach dieses Kanzlers und seiner Horden befreien.
*
Die Entschließung der Reichtstagsmarionetten
Berlin, 13. Juli. Die vom Reichstagspräsidenten Göring vorgelegte und vom Reichstage unter stürmischem Jubel angenommene Entschließung Dr. Frick und Genossen hat folgenden Wortlaut:
Der Reichstag wolle beschließen: Der Reichstag billigt die Erklärungen der Reichsregierung und dankt dem Reichs: fanzler für feine tatkräftige und entschloffene Rettung des Vaterlandes aus Bürgerkrieg und Chaos.
felhafte Klinische Bild eines von Größenwahn Beſeſſenen, Fragezeichen um Papen
eines Verrückten. Eines atavistischen Menschen, mit ungebändigten tierischen Trieben aus der Urzeit. Von bru: taler Energie und doch feige. So deutlich wurde das, als er plötzlich die Stimme senkte und peinlich rasch über die Zahl der Ermordeten hinglitt.
Daß noch immer Millionen von Deutschen sich dieser Führung anvertrauen, andere Millionen aus Furcht sich fügen, ist nur möglich, weil wir ein in zwei Jahrzehnten der Not und der Verwirrung frank gewordenes Volk vor uns haben. Die Gesundungskrise der Nation steht noch bevor, und wer wollte nach dieser Reichstagsrede und dem, was sie den Massen bietet, noch zweifeln, daß die kommende Abrechnung unter furchtbaren Eruptionen vor sich gehen wird?
In Deutschland regiert der Schrecken. Das wissen nun alle in der Welt, die noch immer an der Wahrheit unserer Schilderungen gezweifelt haben. Einer Regierung, die sich so wie der Reichskanzler zum Mord gegen alle ihre Gegner entschließt, auch wenn nichts als kritische Stimmung gegen sie vorliegt, ist jedes inner- und außenpolitische Verbrechen zuzutrauen.
Für eine solche Sorte Staatsführer und Obersten Ge: richtsherrn gibt es kein Gesez und keinen Vertrag, kein
Wo ist er eigentlich?
Der Vizekanzler von Papen, der von Hitler eine „ ehrende Erwähnung" erhielt, wohnte der Reichstagssigung nicht bei. Keiner weiß überhaupt, wo er sich aufhält. Die Basler„ National- Zeitung" läßt durch ihren Berliner Korrespondenten einige Fragen stellen, die charakteristisch für die Position des Vizekanzlers sind:
Ist er frei, ist er verhaftet? Ist er wirklich von der Geheimen Staatspolizei lange verhört worden und hält ihn diese allmächtige Instanz etwa fest? Seine Wohnung an der Lennestraße wird nach wie vor von den SS .- Leuten bewacht. Aber der Hausherr ist nicht zu Hause. Die einen wollen wissen, Papen weilte unbekannten Aufenthalts in Berlin und habe sich in der Potsdamerstraße ein Büro gemietet. Aber ein Büro wofür? Andere wiederum melden Papens Auftauchen in seiner saarländischen Heimat. Dritte wollen ihn in der Schweiz gesehen haben und vierte munkeln sogar, der Vizekanzler habe nicht etwa abgewirtschaftet, sondern sei zu neuen großen Taten bestimmt."
Recht und feinen Batt und keinen Eid, die nicht ge- Wie er log
brochen werden dürfen.
Und der Reichskanzler hatte die Schamlosigkeit, den Mord als deutsche Staatsmoral zu proflamieren für jetzt und alle Ewigkeit. Er und alle seine Nachfolger, so überschrie er sich, müßten zu allen Zeiten so handeln, wie er jetzt blutig durchgegriffen habe. Im Namen der Nation und zum Besten der Nation.
Zum Schaden und zur Schande der Nation! In Anfäßen menschlicher Vernunft spürt das sogar dieser Reichskanz= ler. Er wagte nicht, seine blutschmaßende Mörderrede mit außenpolitischen Ideen zu verbinden. Es blieb bei dem Parteirapport über die Parteimorde vor den Parteibonzen.
Und die Welt außerhalb der Krolloper Berlins? Die deutsche Presse weiß schon wenige Stunden nach der Führerrede zu berichten, daß die Deutschen fast ohne Ausnahme in Verzückung zu ihrem großen Führer emporblicken. Im Auslande aber? Ueberwältigender Eindruck und Mellodernde Entrüstung, daß eine gewisse Presse" die lauteren und menschlich so gütigen Beweggründe des Führers wieder einmal verzerrt hat. Nun, da sie die volle Wahrheit erfahren hat, ist die Welt tief gerührt und beneidet Deutschland wieder einmal, daß es den bedeutendsten Staatsmann und größten Menschen hervorgebracht hat. Nur die hohe Tugend der Bescheidenheit verbietet es dem deutschen Reichskanzler diese Lobsprüche rings um den Erdball seinem Volke bekannt zu geben. Darum wird die Einfuhr ausländischer Zeitungen möglichst verboten.
In Wahrheit zeigen schon die allerersten Pressestimmen aus den fremden Ländern, daß diese Kanzlerrede Deutsch lands außenpolitische Lage noch mehr verschlechtert hat. Einzelne Zeitungen schreiben offen, was andere nur andeuten: daß ein unzurechnungsfähiger Wüterich an der Spitze einer großen Nation inmitten des von Gefahren umdrohten, mit Spannungen geladenen Europa steht. Die Folgerungen ergeben sich von selbst. Der Ring um Deutschland schließt sich eisern, und die französisch- englische Entente macht ihn unzerreißbar.
Was hilft es, wenn Hitler so gründlich und demütig vor dem Auslande kapituliert, wie er es beabsichtigt? Das Ausland glaubt diesem Manne, seinem System und sei: nen Kreaturen nichts.
Die Diplomaten blickten aus ihrer Loge auf den leeren Stuhl des Vizekanzlers und wußten, daß die innerpolitische Krise nicht gelöst ist. Sie hörten den Schwur des ReichstanzIers an die Reichswehr und sahen gerade bei dieser Szene die efstatische Raserei der militanten Parteivertretung, die fich Deutscher Reichstag nennt. Die Geheimberichte der Bot
Der Hauptschuldige
an der unheilvollen Entwicklung
Heraus Heraus mit der Mordliste!
Hitler ist zu feige, die vollständige Mordliste mit Namen bekanntzugeben. Aber der Schrei der gesamten Oeffentlichteit des In- und Auslandes hat ihn dennoch gezwungen, eine Zahl zu nennen. 77, Morde sind von ihm zugegeben worden, während noch vor wenigen Tagen das Propagandaminifterium von 41 sprach und alle höheren Zahlen als Lügen bezeichnete.
Es unterliegt aber gar keinen Zweifel, daß auch die von Hitler angegebene Zahl von 77 mit den Tatsachen in keiner Weise übereinstimmen, Vielleicht weic er in diesem Augen: blick selber noch nicht, wieviel Morde auf eigene Faust ver= übt wurden. Trogdem ist die zugegebene Zahl von 77 ungehener bezeichnend. Sie ist wesentlich größer als eine Liste sein würde, die alle Namen enthält, die von allen Zeitungen berichtet worden sind. Schon heute läßt sich flar erkennen, daß selbst, wenn nur die Liste der 77 Ermordeten veröffentlicht wird, sie viele Namen enthält, die bisher nirgends ge= nannt wurden.
London, 14. Juli .( Inpreß): In New Statesman and Nation" wird der Bericht eines Engländers veröffentlicht, der mit Schleicher sehr eng befreundet war. Schleicher sagte seinem englischen Freund im März 1933 folgendes:„ Vor Hitler hatte ich keine Angst, seine Wählerschaft war bei den Wahlen im März, die unter meinem Programm gestanden Novemberwahlen um 2 Millionen gesunken, und ehrliche haben würden, hätten ihm weitere Millionen genommen. Sein Spiel war Bluff, und meiner Ansicht nach hätte er ver
J
HITLER'S
UNKEPT
PROMISES
Lew
Copyright by Inter- Europa Press.
Wir fordern die Herausgabe der lückens losen Mordliste!
loren. Da griff von Papen in das Spiel ein. Er war einer meiner ältesten Freunde, und obwohl ich verschiedentlich vor ihm gewarnt worden war, glaubte ich, seiner persönlichen Loyalität vertrauen zu dürfen. Er erwies sich als ein Verräter, neben dem Judas Ischariot ein Heiliger war. Meine Mitarbeiter, die ihm ganz und gar nicht trauten, ließen ihn beobachten. Auf diese Weise habe ich und hat später die Welt von Papens geheimem Gespräch mit Hitler in Baron von Schroeders Villa erfahren. Ich ließ Papen sofort kommen und fragte geradeaus: Im Namen unserer alten Freundschaft beschwöre ich Dich, offen zu mir zu sein. Was bedeutet dieses Gespräch mit Hitler? Was für eine Intrige steckt dahinter? Papen ergriff meine Hand, schüttelte sie, sah mir fest in die Augen und antwortete:„ Kurt, im Namen unserer alten Freundschaft und auf mein Ehrenwort als Offizier und Mann schwöre ich Dir, daß ich einen Schritt gegen Dich oder die Regierung, an deren Spitze Du stehst, niemals unternehmen oder gutheißen werde."
Die Junker waren erschreckt über meinen Beschluß, den Osthilfe- Skandal aufzudecken. Papen, der sich an Hitler verkauft hatte, überzeugte sie, daß als einziger Weg, die Enthüllung zu verhindern, nur übrig blieb, Hitler zum Kanzler zu machen. Sie ihrerseits halfen ihm, den alten Präsidenten zu überzeugen.. Und um der Wirkung ihres Angriffes sicher zu sein, logen sie ihm vor, ich hätte einen Staatsstreich mit Hilfe der Reichswehr geplant."
Hitler
Darmstadt, 12. Juli. Der Landesbischof der Evangelischen Landeskirche Nassau- Hessen, Lic. Dr. Dietrich, erläßt folgenden Aufruf nebst Anordnung:.
„ Die Ereignisse des 30. Juni 1934 haben auch den Blinden die Augen geöffnet und die einzigartige Größe des Führers, die immer feststand, aller Welt gezeigt. Er ist uns von Gott geschenkt. Und wer jetzt nicht vorbehaltlos auf seine Seite tritt, ist bösen Willens: reaktionär. Ich wende mich an die mir unterstellten Geistlichen unserer Landesfirche. Es ist der Wille des Führers, daß eine Deutsche Evangelische Kirche wird. Er wartet seit den Julitagen des Jahres 1933 darauf. Theologische Streitigkeiten der Pfarrer haben es bis zur Stunde nicht dazu kommen lassen. Der Führer hat lange genug gewartet. Ich verbiete daher für den Bereich der Evangelischen Landeskirche Nassau Hessen jede Zugehörigkeit der Geistlichen zum Pfarrernotbund oder einer Pfarrerbruderschaft oder die Mitwirkung an der Bildung und Teilnahme an sogenannten Freien Synoden. Geistliche, welche bisher dazu gehörten, haben die Verbindung sofort zu lösen.
Ich wiederhole zum letzten Male, daß Bibel und Bekenntnis bis zur Stunde feinen Augenblick in unserer Landesfirche in Gefahr waren, höchstens bei jenen vermeintlichen Schußherren einer„ theologischen Eristenz heute".( Gemeint ist der berühmte protestantische Theologe Barth. D. Red. d. " D. F.") Geistliche, welche dieser Verordnung nunmehr nicht nachkommen, machen sich nach§ 2 des Kirchengesetes über Dienstvergehen der Geistlichen und Kirchenbeamten vom 22. März 1934 eines Dienstvergehens schuldig. Gegen sie wird ein Disziplinarverfahren eröffnet mit dem Ziele der Entfernung aus dem Kirchena mt. Darmstadt, den 4. Juli 1984
THE
DOUBLE
S
CROSS
A
Sie grüßen jetzt mit beiden Händen
Der Landesbischof: Lic. Dr. Dietrich."