14. Juli
Frankreich , und vor allem seine Hauptstadt Paris , stehen im Zeichen des 14. Juli, d. h. des Jahrestages des Sturms auf die Bastille , mit dem am 14. Juli 1789 das Signal zur großen französischen Revolution gegeben wurde. Ueberall werden schon seit Tagen die blauweißroten Trikoloren angebracht hier kennt man nur diese Fahne, die Fahne der Revolution, Häuser werden geschmückt, auf den Plätzen werden Tribünen für die Musikkapellen errichtet; hier und da baut man an einer Straßenecke ein Podium für ein halbes
Dutzend Stadtmusikanten". Große Transparente, die die Straßenkreuzungen überspannen, verkünden, daß an diesen Stellen öffentlicher Ball stattfindet, d. h. mit anderen Worten, man durchtanzt die Nächte von Freitag bis zum Montag, man durchsingt sie und durchzecht sie und ist stolz im Hochgefühl, ein Glied der Nation zu sein, die vor fast 150 Jahren schon die Menschenrechte verkündet hat.
Die Staatstheater und alle die Bühnen, die aus öffentlichen Mitteln Zuschüsse erhalten, geben am Samstag nur Freiplätze aus, und wenn man sich vergebens vor dem Theater gedrängt hat, weil man keinen Platz mehr bekommen konnte, dann sucht man die Schaubuden auf den Boulevards, am Platz der Republik , am Bastilleplats und an zwanzig anderen Punkten der Stadt auf, um sich dort nach Herzenslust zu amüsieren. Dann trinkt man im Vorbeigehen in irgend einer Bude ein Glas Sekt für einen Franken oder man delektiert sich an Pfefferkuchen und anderen Süßigkeiten. Parade und öffentliches großes Feuerwerk geben den Augen genug zum Schauen. So ist Paris an ,, seinem" 14. Juli ein einziges Meer von fröhlichen und vergnügten Menschen.
Luciennes Erlebnis
Eine Lyzeumsschülerin
-rn.
frühstückt beim französischen Staatspräsidenten Am Mittwoch fand in Paris in Gegenwart des Präsidenten Lebrun und des Unterrichtsministers die alljährliche Preisverteilung an die besten Schüler der höheren Schulen von ganz Frankreich statt. Präsident Lebrun freute sich wohl ganz besonders, daß ein junges Mädchen aus Nancy , seiner Heimatstadt, den ersten Preis für den besten französischen Aufsatz erhalten konnte. Was Wunder, daß der Präsident unter dem Jubel des zahlreich erschienenen Publikums seine beglückte Landsmännin auf beide Wangen küẞte.
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Lucienne Vitrey so heißt das junge Mädchen, ein Waisenkind, das die erste Lyceumsklasse in Nancy , besucht -war noch ganz im Banne der ihr zuteil gewordenen Auszeichnung, als sich ihrem Platz ein Beauftragter des Staatsoberhauptes nahte, um sie für Donnerstag zu einem Frühstück im Elysee einzuladen. Sie war kaum imstande, ihre Zusage zu stammeln, und am Donnerstag erschien denn auch wirklich das junge Mädchen im einfachen hellen Sommerkleide im Präsidentenpalais, wo sie im engsten Familienkreise als Gast vom Präsidenten Lebrun selbst bewirtet wurde.
So zeigt Frankreich schon den jungen Schülern und Schülerinnen, welchen Wert es auf geistige Gaben legt. Redekunst
Der Bürgermeister eines kleinen Städtchens in der Nähe von Orange war ein sehr geiziger Herr, und schon seit längerer Zeit raubten ihm die rednerischen Lorbeeren des Herrn Stadtgeistlichen den Schlaf. Gelegentlich der Hochzeit eines jungen Schloßherrn nahm er sich nun vor, die eklesiastische Dialektik durch die behördliche Beredsamkeit zu überstrahlen. Er wählte sich für seine Tischrede einen großen Stoff: die Fahne Frankreichs , die er den Jungvermählten als Symbol empfahl: ,, Das Weiß," rief er aus, stellt die Unschuld der jungen Braut dar; das Rot, das Blut, das der tapfere Bräutigam im Kriege vergossen hat, und das Blau, wenn es grün wäre, sichert dem jungen Paare das Glück!" Oh, welche Redekunst!
Die Unglücksfahrt
Zwei Frauen aus Libourne , in der Umgegend von Bordeaux , hatten in Begleitung zweier zehn- und dreizehnjähriger Mädchen eine Autofahrt unternommen. Unterwegs verlor der Fahrer die Gewalt über den Wagen. Dieser wurde zuerst gegen zwei Bäume, dann gegen einen Telegrafenmast geschleudert. Dabei wurden alle Insassen des Wagens schwer, eine der Frauen sogar tödlich verletzt.
Zwei Aerzte, die ebenfalls in ihrem Kraftwagen die Unglücksstelle passierten, leisteten den Verunglückten die erste Hilfe und veranlaßten ihre Ueberführung in das nächstgelegene Krankenhaus. Dann setzten sie ihre Fahrt fort. Aber schon wenige Minuten später verunglückten sie selber mit ihrem Wagen. In bedenklichem Zustande liegen sie jetzt im Krankenhaus in Libourne .
300 Meter Hitze
Wie man weiß hat der Eiffel- Turm, der höchste Turm der Welt, als Zierwerk nicht nur die größte Uhr der Welt, die nachts über ganz Paris leuchtet, sondern auch das größte Thermometer, damit die Pariser noch zur Mitternachtsstunde wissen, wie warm es in ihrer Stadt ist. Das Thermometer, das längs des ganzen Turmes angebracht ist, geht von vier Grad unter Null bis zu zweiunddreißig Grad über Null. Es ist noch nicht lange her, als man sich darüber lustig machte, daß die vier Grad unter Null für die in Paris im letzten Winter herrschende Kälte bei weitem nicht ausgereicht haben. In diesen Tagen müssen wir nun die Feststellung machen, daß für eine derartige Hitzewelle der Eiffelturm einfach zu niedrig ist. Selbst wenn das Licht erst um sechs Uhr abends eingeschaltet wird, zeigt das Thermometer noch gut und gerne 32 Grad und würde vielleicht noch mehr zeigen, wenn die Skala länger wäre. Denn die große Hitze des Tages wird von der Eisenkonstruktion des Turmes aufgespeichert und trägt dazu bei, daß das Thermometer sobald nicht fällt. So hat man oft in diesen Tagen Gelegenheit, das die ganze Stadt überragende Thermometer noch zu nächtlicher Stunde auf einer Höhe von 30 Grad über Null zu sehen. Die Pariser fragen sich, wie dem Abhilfe zu schaffen sei. Der Eiffel- Turm ist nicht zu verlängern. Also wird wohl die Temperatur fallen müssen...
Was in Paris in diesen Wochen an jungen. Damen zu , Königinnen" gewählt worden ist, dürfte eine ganz stattliche Truppe von Schönheiten darstellen. Die Venus von Paris , Miẞ France, die schönste Midinette, kein Tag vergeht, ohne daß nicht an irgendeinem Ende dieser Stadt eine neue Königin gekrönt würde. Jetzt hat das Volk von Paris im Saal Gaveau seine Muse erkoren. Es ist eine junge Verkäuferin aus den Galeries Lafayette, dem großen Pariser Warenhaus. Ihre Krönung fand am 8. Juni im Tuilerien Garten statt. Vorher aber haben gewiß schon viele neugierige Pariser zwischen den Ständen des Warenhauses nach ihrer neuen Muse gesucht, um ihr einen Toilette- Artikel oder ein Sommerkleid abzukaufen.
Briefe aus Palästina
Am letzten Mittwoch fand in der Association des Emigrés Israélites d'Allemagne en France in Paris ein Vortragsabend statt, bei dem der Vorsitzende Adolf Philippsborn ,, Palästinabriefe eines jungen deutschen Arbeiters" verlas, die außerordentliches Interesse unter den zahlreich erschienenen Zuhörern erweckten. Ein neunzehnjähriger Arbeiter, der eine mehrjährige Schulung im deutschen Metallarbeiterverband und in der Sozialistischen Arbeiterjugend hinter sich hat, und den der politische Umschwung in Deutschland im Frühjahr 1934 nach Palästina getrieben hatte, berichtet da von seinen Eindrücken. Mit der Schilderung des Landes selber, der Sitten und Gebräuche seiner Bewohner ging einher eine scharfe Beobachtung der wirtschaftlichen Struktur Palästinas, ebenso wie eine Kritik an der Tätigkeit der palästinensiscchen sozia listischen und gewerkschaftlichen Organisationen.
Liebesdrama an der Cote d'Azur
Eine der hübschesten und elegantesten jungen Frauen, die zur Sommersaison nach Cannes gekommen waren, hat vor einigen Tagen versucht, ihrem Leben aus Liebeskummer ein Ende zu bereiten. Täglich konnte man Frau Fritzia Cavallero bewundern, wenn sie am Steuer ihres weißen Wagens über die Croisette fuhr. Ihr blondes Haar wehte im Winde, und unzählige Männer umschwärmten sie. Die schöne Frau aber hatte sich in einen Herrn verliebt, der in einem Hotel neben ihr abgestiegen war. An einem Abend dieser Woche ging sie auf ihr Zimmer und bat einige Minuten später den Hotelportier, heraufzukommen. Als er eintrat, fand er sie leblos auf. Ein Revolver lag auf dem Fußboden. Sie hatte sich eine Kugel in die rechte Schläfe geschossen, die an der Nasenwurzel wieder herausgetreten war. In ihrer Hand hielt sie das Bild des geliebten Mannes.
BRIEFKASTEN
An mehrere. Wir danken für die Informationen, die uns zahl reiche Leser und Leserinnen aus Privatbriefen, aus deutschen und ausländischen Zeitungen und auf Grund eigener Beobachtungen im Reiche übermittelt haben. Solche Mitarbeit ist uns eine wertvolle Hilfe, zumal wenn die Ereignisse sich überstürzen und es schwer ist, einen vollkommenen und klaren Ueberblick zu gewinnen. Da kann auch das kleinste Mosaikstückchen, das herbeigeholt wird, eine wichtige Ergänzung für das Gesamtbild sein. Wir bitten alle unsere. Freunde und Freudinnen dringend, diese Mitarbeit fortzusetzen, jedoch bitten wir eben so sehr, möglichst selbst schon Wahres von Falschem zu scheiden. An haltlosen Gerüchten ist uns nichts ge legen. Wir prüfen jede Mitteilung, so genau es uns möglich ist, da wir sehr besorgt sind, den regierenden, mordenden und raubenden Gangsters nicht den Triumph eines Dementis zu gönnen. Unsere genaue Kenntnis der innerdeutschen Verhältnisse und der allermeisten im Vordergrunde stehenden Persönlichkeiten ermöglicht uns, mit großer Zuverlässigkeit zu arbeiten. Wenn eine der uns aus dem Leserkreis übermittelten Meldungen nicht gebracht wird, so geschieht dies, weil wir an ihrer Richtigkeit zweifeln. Wir bit ten, diesen Willen zur Gewinenhaftigkeit nicht als ein persönliches Mißtrauen gegen den Einsender aufzufassen. In unserer Redaktion Taufen täglich so viele Berichte, nicht zuletzt auch unserer illegalen Freunde im Reiche ein, daß wir größere Möglichkeit zur kritischen Nachprüfung der Mitteilungen haben als die meisten unserer Mitarbeiter. Wir wiederholen aber, daß trotzdem jede auch zunächst als weniger wichtig erscheinende Mitteilung bedeutsam sein kann, meil sie uns Fingerzeige zu weiteren Nachforschungen oder zur genaueren Nachprüfung gibt. Nur mit wilder Gerüchtemacherei wolle man uns verschonen. Zweckmäßig ist es, in gewissen Fällen anzugeben, woher die Einsender ihr Wissen haben.
H. K., Brüssel. Ihnen und einigen anderen Fragestellern: Die Mitglieder des Deutschen Reichstags erhalten eine monatliche Aufwandsentschädigung von 600 Mart. Diese wird gezahlt, auch wenn, wie es jetzt der Fall ist, monatelang keine Sigung stattfindet. In den berüchtigten vierzehn Jahren" wurde jedem Abgeordneten, der eine Sigung schwänzte oder auch nur bei einer namentlichen Abstimmung fehlte, der volle Diätensaz eines Tages, also 20 Mark, abgezogen. Das ist jetzt nicht mehr zu befürchten, da im ganzen Jahre nur drei oder vier Sizungen sind. Die deutschen Reichs tagsdiäten sind die höchste Arbeitslosenrente, die es je in der Welt gegeben hat. Nur die preußischen Staatsräte mit 12 000 Mark im Jahre erhalten noch mehr, aber da wird wohl der rätliche Titel mitbezahlt. Natürlich ist das ganze eine stinkende Korruption, ein Teil der Volksauspowerung, die von der braunen Bonzokratie getrieben wird.
Für den Gesamtinhalt verantwortlich: Johann Biz in Dud weiler; für Inserate: Ctto Kuhn in Saarbrüden. Rotationsdrud und Verlag: Verlag der Volksstimme GmbH., Saarbrüden& Schüßenstraße 5. Schließfach 776 Saarbrüden.
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