Destie Freiheit", Nr. 1651 ARBEIT UND WIRTSCHAFT DONAT aig
Diktatur des Monopolkapitals
Die verzweifelte innere Lage des Systems kommt am ehesten zum Ausdruck in dem folgenden Ermächtigungsgesetz für den Reichswirtschaftsminister:
1. Der Reichswirtschaftsminister wird ermächtigt, innerhalb seines Geschäftsbereiches alle Maßnah. men zu treffen, die er zur Förderung der deutschen Wirtschaft sowie zur Verhütung und Beseitigung wirtschaftlicher Schädigungen für notwendig hält. Soweit die Maßnahmen auch in den Geschäftsbereich eines anderen Reichsministers fallen, werden sie im Einvernehmen mit diesem getroffen.
3. Die auf Grund des Abs. 1 getroffenen Maßnahmen können von bestehenden Gesetzen ab. weichen.
Es gibt keine Rechtssicherheit auf wirtschaftlichem Gebiete mehr, weder nach innen noch nach außen! Alle handespolitischen Bindungen schweben in der Luft. Der Reichswirtschaftsminister ist allmächtig. Vor seiner Macht zergeht das Gesetzgebungsrecht des Diktators Hitler in nichts; denn über dessen Gesetzen steht die Gewalt des Reichswirtschaftsministers. Die Monopolkapitalisten besorgen ihre Geschäfte selbst.
Die Industriepresse erwartet außerordentliche Entscheidungen. Man ahnt, was sich dahinter verbergen kann: Die Inflation!
Rächling für Textilersatz
In der Deutschen Rundschau" sagt Hermann Röchling : ..Die schwierige Aufgabe, uns in unserer Bekleidung weitest gehend yom Ausland unabhängig zu machen, ist durch die Ausnutzung unserer leistungsfähigen Kunstseidenfabrikation, aber auch durch bessere Verwertung der Wollabfälle für den inländischen Bedarf der Lösung näherzubringen...
Autarkie
auch in der Tabakwirtschaft?
66
Die Deutschen verrauchen im Jahr durchschnittlich 1,25 Milliarden Reichsmark. Dieser Summe stehen 68 Millionen Mark für Einfuhr von Rohstoffen gegenüber. Zu diesen Zahlen bemerkt ein gleichgeschaltetes Blatt:„, An der Aufrechterhaltung eines geregelten Tabakhandels ist nicht nur der deutsche Verbraucher interessiert, sondern noch viel mehr der ausländische Rohtabaklieferant. Denn schließlich gehört Deutschland zu den wichtigsten Abnehmern von Tabak. Auch hier wird man auf die Dauer dem neuen Grundsatz jeder handelspolitischen Verständigung nicht aus dem Wege gehen können, daß derjenige Lieferant Aussicht auf Absatz hat, der sich dazu versteht, im entsprechenden Umfange deutsche Fertigerzeugnisse abzunehmen. Dieses Prinzip wird für die Tabakwirtschaft von größter Bedeutung sein." Es ist also sehr leicht möglich, daß es in Deutschland auch Tabakkarten geben wird.
Flachsautarkie
Durch die Steigerung der Anbaufläche für Flachs ist es gelungen, die Flachsproduktion um 100 Prozent zu steigern. So lautet eine Triumphmeldung deutscher Stellen. Durch Meldungen dieser Art soll in den Deutschen die Meinung erweckt werden, man mache das Reich vom Ausland wirtschaftlich unabhängig und habe also das gesteckte Ziel der Autarkie erreicht. Der Schwindel der deutschen Stellen und die Trostlosigkeit der deutschen Wirtschaftslage aber erkennt man erst, wenn man die Triumphmeldung prüft. In Wirklichkeit gibt es vorläufig nur schätzungsweise Zahlen für Preußen über dei Flachsanbaufläche. Selbst wenn man die Schätzungen als richtig annimmt und die preußischen für das ganze Reich als richtig annimmt, dann kann Deutschland bei hundertprozentiger Steigerung seiner Produktion heuer eine Flachsernte von maximal 8000 Tonnen haben. Diesen achttausend Tonnen steht ein Bedarf von mindestens 35 000 Tonnen gegenüber. Die deutsche Eigenversorgung hat bisher rund 8 bis 10 Prozent des Eigenbedarfs zu decken vermocht und würde nach der Triumphmeldung heuer maximal 22 bis 25 Prozent zu decken imstande sein. Da der Bedarf im Inland nicht gedeckt werden kann, wird man sich mit Ersatzstoffen begnügen müssen. So sehen deutsche Triumphmeldungen bei näherer Prüfung aus.
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Der Lebensmitteldiktator
Die Vollmachten für Darré
Das Getreidegrundgesetz, das am 1. Juli in Kraft getreten ist, gibt in Darrés Hände Vollmachten, wie man sie in Deutschland vordem nur im Kriege kannte. Von nun ab hat der freie Markt für den Bauern zu bestehen aufgehört; er hat seine Waren in ,, geregelten Zeitabschnitten und bestimmten Mengen" auf den Markt zu bringen. Den Preis bestimmt Darré. Falls die Bauern zu wenig Getreide bringen, ermöglicht das Gesetz Requisitionen nicht nur bei ihnen, sondern auch bei Händlern und Müllern. Damit hofft man der ,, Verknappung" zu begegnen. Weiters hat Darré die Möglichkeit, Verordnungen über die ,, Beschaffenheit der Bäcker- und Konditoreibackwaren" zu erlassen. In Kommentaren zu dem Geset, das die Kriegsernährungswirtschaft für das Reich einführt, wird darauf hingewiesen, daß eine Getreideeinfuhr unmöglich ist und daß die Regierung alles tun werde, um sie zu verhindern. Darré verfügt über die Höhe der Zölle und erteilt die Ein- und Ausfuhrerlaubnis für Lebensmittel.
Der Kriegswirtschaft zu!
Der Reichsnährstand macht darauf aufmerksam, daß sich bis zum 15. August alle Betriebe des Landhandels und der Verarbeitung landwirtschaftlicher Erzeugnisse bei den Dienststellen des Reichsnährstandes melden müssen. Hiervon sind ausgenommen: Mitglieder des deutschen Landhandelsbundes, der Wirtschaftlichen Vereinigung der Roggen- und Weizenmühlen, des Reichsverbandes deutscher Obst-, Gemüse- und
Textilindustrie ohne Rohstoffe
Uns liegt folgendes Dokument im Original vor:: Meyer Kauffmann Textilwerke A.-G.
L/ H.
Wüstegiersdorf, den 30. 6. 1934.
An alle Herren Vertreter! RS. 216.
Streng vertraulich!
Nur zu Ihrer persönlichen Information! Die Situation in der Rohstoffbeschaffung hat inzwischen eine solche Verschärfung erfahren, daß wir nicht mehr in der Lage sind, Aufträge für spätere Liefertermine entgegenzunehmen. Sie wissen, daß wir dies bisher noch unter gewissen Bedingungen und Vorbehalten getan haben, dies ist geschehen, um die Verbindung mit den Abnehmern nicht zu brechen und unsere Geschäftsfreunde nach Möglichkeit zufriedenzustellen. Wie eingangs gesagt, hat die Situation aber inzwischen eine solche Zuspigung erfahren, daß wir es als ordentliche Kaufleute nicht mehr verantworten können, Aufträge auch wenn wir durch alle möglichen Vorbehalte geschützt sind, entgegenzunehmen, wenn wir nicht in hohem Maße der Ueberzeugung sind, diese Aufträge auch erfüllen zu können. Darum müssen wir den Verkauf beschrän. ken, und zwar auf solche Waren, die am Lager oder bereits in der Fabrikation sind und deren Lieferung uns unbedingt gesichert erscheint. Aufstellungen über solche Waren gehen Ihnen in der nächsten Zeit zu.
Vom Verkauf ausgeschlossen sind also alle Aufträge für spätere Liefertermine, auch sofern sie eingestellt sind. Sofern einzelne Abnehmer gern kaufen möchten, oder Sie um Entgegennahme von Aufträgen drängen sollten, stellen wir anheim, uns solche Auftragsvorschläge zu überschreiben, wir werden sie gern behandeln und prüfen, ob sich eine Möglichkeit in nächster Zeit für die Uebernahme der Aufträge ergibt. Wir machen ausdrücklich darauf aufmerksam, daß die Entgegennahme solcher Auftragsvorschläge für uns in jeder Beziehung rechtlich und moralisch unverbindlich sein muß.
Wir bitten Sie nochmals ausdrücklich, diese Zeilen streng vertraulich als zu Ihrer persönlichen Infor mation bestimmt zu behandeln, es ist selbstverständlich, daß Sie Ihre Verkaufstätigkeit entsprechend einzurichten haben. Mit deutschem Gruß!
Meyer Kauffmann Textilwerke A.-G.
Jm Juni ist die Rohstoffeinfuhr um rund 14 Millionen Mark gesunken, wobei Rückgänge von 10 bis 40 Prozent bei Wolle, Baumwolle, Häute und Kupfer zu verzeichnen sind. Die heutige rigorose Devisenbewirtschaftung wird sich in einiger Zeit ganz verheerend auf die Einfuhr auswirken müssen. Die Drosselung der Wolleinfuhr hat bereits ihren Einfluß auf die Beschäftigung der Wollspinnereien ausgeübt. Jetzt schon ist bei verschiedenen Spinnereien die Kurzarbeit wegen Rohstoffmangels eingeführt worden. Auch im letzten Bericht des Baumwollwebeverbandes heißt es, daß die von der Devisenzutei lung abhängige Rohstoffversorgung ihren Einfluß auszus üben beginne, d. h. daß demnächst auch in der Baumwoll spinnerei Betriebseinschränkungen zu erwarten seien. So wird das wirtschaftliche Leben im„ dritten Reich" durch die völlig verfehlte Wirtschaftspolitik des Regimes' systematisch, aber sicher erschüttert. Die Verschärfung der politischen Lage im„ dritten Reich" ist im Grunde genommen nur eine Widerspiegelung der wirtschaftlichen Schwierigkeiten.
Einen Beweis für die Richtigkeit unserer Darstellung liefert das nebenstehende Dokument. Das Original schreiben ist in unseren Händen. Jedem Eingeweihten sind diese Tatsachen bekannt. Nur dem deutschen Volke und den Saareinwohnern wird diese Wahrheit systema tisch vorenthalten.
Mit beängstigender Schnelligkeit mehren sich die Anzeichen der über Deutschland hereinbrechenden Hungersnot. Wir nennen ein paar der augenfälligsten Erscheinungen:
Wochenlang waren die Großstädte und das rheinisch- westfälische Industriegebiet ohne Kartoffeln.
Auf dem Lande herrscht wegen Futtermangels ein drückendes Ueberangebot an zum Verkauf gestelltem
Vieh.
Massenhaft werden Ferkel abgeschlachtet, weil ihre Mast bei den steigenden Futterpreisen unrentabel, wenn nicht wegen völliger Futterknappheit gar aussichtslos wird. Nach Meldungen ernsthafter Quellen( Reuterbüro) bereitet Brotkarten die Reichsregierung die Einführung von und Kartoffelkarten vor, also eine Rationie. rung wie in den Kriegsjahren.
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Wir stehen hier vor den unmittelbaren Folgen des Autarkie wahnsinns und der Devisenvergeudung, die worauf schon hingewiesen wurde sich in keiner Weise von den Folgen der Hungerblockade des Weltkrieges unterscheiden, nur daß es sich diesmal um die Selbstblockade eines von tollhäuslerischen Desperados geleiteten Landes handelt.
Natürlich werden diese Regierenden mit heuchlerischem Augenaufschlag die große Trockenheit für das Unglück verantwortlich machen. Aber wir schreiben schließlich 1934 und nicht 934! Vor einem Jahrtausend war allerdings ein von Miẞernte befallenes Land automatisch zum Hungern verurteilt. Aber bei dem heutigen hochentwickelten Verkehr der Neuzeit ist es technisch eine Kleinigkeit, die fehlenden Nahrungsmengen aus anderen, begünstigteren Ländern herbeizuschaffen. Und auch wirtschaftlich hat sich das in den vergangenen letzten drei Menschen altern immer als durchführbar erwiesen, so daß von direkter Hunmit Ausnahme der Kriegszeit, gersnot in Deutschland
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in der Deutschland abgeschnitten war, seit fast einem Jahrhundert nicht mehr die Rede sein konnte.
Erst durch die Beseitigung der liberalistischen und marxistischen ,, Miẞwirtschaft" haben die Nazi das Kunststück zu
wege gebracht, mitten im Frieden eine künst liche Hungersnot zu erzeugen. Nachdem sie den Goldschatz, den die Regierungen der Nachkriegszeit angehäuft hatten zu Hermann Müllers Zeiten betrug er noch drei Milliarden RM. für ihre Rüstungs- und Reklamepolitik restlos vergeudet haben, stehen sie vor der nackten Unmöglichkeit, die für die Volksernährung dringende Einfuhr an Lebensmitteln zu finanzieren.
A
Was nutzt es z. B., daß die Einfuhrkontingente für Frühkartoffeln vergrößert worden sind, wenn den Importeuren zur Bezahlung der zugelassenen Mehreinfuhr keine De visen zur Verfügung gestellt werden? Für die hungernde Bevölkerung bleibt es ein und dasselbe, ob die Kartoffeln wegen mangelnder Erlaubnis oder wegen Mangels an Be zahlungsmitteln nicht hereinkommen.
In Berlin ist es, wie der Korrespondent von ,, Het Volk" an sein Blatt in Amsterdam meldet, bereits zu Tumulten der empörten Käufer gekommen. Das im Erntemonat Juli. Es ist aber beinahe sicher, daß die Not nicht ab-, sondern zunehmen wird. Die Ernteaussichten sowohl für Futtergetreide wie für Heu wie für Kartoffeln sind miserabel und jeder Tag der Trockenheit verschlechtert sie noch. Um dem drückendsten Mangel abzuhelfen, müßte die Regierung wahrscheinlich für eine halbe bis ganze Milliarde Reichsmark Lebens- und Futtermittel über die normale Einfuhr hinaus einkaufen. Sie verfügt aber nicht einmal über Devisen für die Einfuhr eines nor malen Erntejahres!
So werden sich denn mit ziemlicher Sicherheit in Deutsch land die aus dem Kriege her bekannten Erscheinungen in diesem Winter von neuem zeigen, nachdem sie dank der marxistischen ,, Mißwirtschaft" für immer beseitigt schienen? das Schlangestehen, das Hamstern, die Verkäufe ,, hintenrum", die Rucksackfahrten aufs Land. Die herrlichen Zeiten Adolf Hitlers werden denen Wilhelms immer ähnlicher. Nur: Wilhelm hat fast dreißig Jahre gebraucht, um das Volk in den Abgrund zu bringen. Für Hitler genügt wenig mehr als eines! Julius Civilis
Berlins City verödet
Der Besitzer eines bekannten Berliner Citylokals hat in einem Berliner Blatt ein Bild des absterbenden und von brauner Miẞwirtschaft erdrosselten Berliner Zentrums gezeichnet, wie es grauer und deprimierender auch der beflissenste Miesmacher nicht fabrizieren könnte.
,, Die Betriebe", so sagt dieser verzweifelte Fachmann, ,, drohen zu sterben. In leeren, unvermietbaren Räumen rufen die bekannten Schilder um Hilfe. Und in notvermieteten Läden bieten Würfelbuden und Schnellfotos, amerikanische Billards und ,, deutsche Roulettes", Mumelspielapparate und Kartoffelpufferküchen das Bild einer dürftigen Kirmes. ,, Eine so entstellte Gegend", ruft resignierend der Kenner aus, ,, mag nicht die nötige Zahl von Fremden anzulocken..."
So sieht es, nach dem Urteil eines loyalen Bürgers des ,, dritten Reichs" in der Berliner City nach 17 Monaten nationalsozialistischen ,, Wirtschaftsaufschwungs" aus!
Was dieser Mann zur Rettung der sterbenden City der Reichshauptstadt empfiehlt, ist nun typisch hitler ,, sozialistisches" Rezept! Aufhebung des Siebenuhrladenschlusses, Wiederkehr der paradiesischen Zeiten also, da der Unter
Lebensmittelhändler, des Reichsverbandes deutscher Süßwarengroßhändler und die in die Handwerkerrolle eingetragenen Bäcker, Schlächter, Müller und Konditoren. Auch Betriebe, deren Zugehörigkeit zum Reichsnährstand noch zweifelhaft ist, haben sich auf jeden Fall zu melden.
B
nehmer seine rechtlosen Kulis im Stehkragen bis in die späten Nachtstunden schikanieren konnte.
Während der bürgerliche Wirtschaftsfachmann sein Lied des Unterganges und des Zusammenbruchs anstimmt, projektieren die bankrotten Hochstapler lustig weiter. Die Essener nationalistische Zeitung läßt sich aus Berlin einen ganzen Blütenkranz knalliger ,, Pläne" servieren. Da spricht man geschwollen von der ,, Umformung" der deut schen Großstädte und stellt fest, daß die Reichshauptstadt zu einer ,, würdigen Repräsentantin des ,, dritten Reiches" ausgestaltet werden müsse. Da ist, im stürmischen Fantasieantrieb der Julihite, von Sanierungsfeldzügen, von der ,, Schaffung weiter Blickfelder", von einer„ durchgreifenden Belebung der Asphaltwüste" und ähnlichen Dingen die Rede. Inzwischen verfällt die Stadt, stirbt der Handel, verödet die City, wird die soziale Lage der breiten Masse von Woche zu Woche trostloser. Projektiert und schwadroniert wird.jedoch im alten propaganda - ministeriellen Tempo, wenn auch den Preisfechtern von Schall und Rauch das Wasser bereits an der Kehle steht!