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Nach längerer Diskussion wurden die oben erwähnten Anträge angenommen. Die übrigen Punkte der Tagesordnung betrafen Interna deS Verbandes, die lein aNgemeines Interesse beanspruchen. Nach 8 Uhr abends wurde die Generalversammlung von S a ch ß e» Zwickau  geschlossen. »» Im Anschluß an die Generalversammlung des Deutschen Berg- und Hüttenarbeiter« Verbandes trat am zweiten Osterfeiertage der zweite nationale deutsche Bergniannskongrcß in Helmstedt  zusammen Es waren bedeutend mehr Kongrehtheilnehmer anwesend als Delegirte zur Geiieralvcrsaminluug des Verbandes. Reichstags- Abgeordneter M ö l l e r- Weitmar begrüßt die Kougreßdelegirten mit einem lebhaft erwidertenGlück auf!" In einer kurzen Ansprache weist er aus die Schwierig- leiten hin, die die Zusainmenber'.lsung des Bergmanustages verursacht habe. Trotzdem seien zahlreiche Delegirte aus allen Berg- revieren eingetroffen. Es seien hier nur Bergleute, alte, gediente, praktisch erfahrene Bergleute zusammen, keine Kapläue, keine Berg rcvierbeamte, keine Fabrikbesitzer, die sich anderswo unter die Berg beute gemischt und in die praktischen Fachfragen mit hineingeredet hätten. Nachdem die Kongreßleitung konstituirt sei, solle die Bericht crstattung der Revierdelegirten erfolgen. Als Vorsitzende wurden hierauf Möller- Weitmar und S a ch ß e- Zwickau gewählt. Der Kongreß tritt dann in seine Tages- ordnnng ein. Es wird mit der Berichterstattung aus den einzelnen Revieren begonnen. Der erste Berichterstatter ist Schär- Wintersdorf(Alten- bnrger Revier): Der Durchschnittslohn in den dortigen Braun- kohlen- Gruben betrage 3/25 Mark pro Schicht. Einzelne ver- dienten mehr, einzelne weniger. Die Unglücksfälle würden hauptsächlich durch Verschütten hervorgerufen. Bedauerlich sei es. daß der Arbeiter für die Sicherung seiner Arbeitsstätte nichts bezahlt erhalte, der Lohn vielmehr nur nach der geförderten Kohle bemessen werde. Aus dem Bestreben heraus, recht viel Kohle zu fördern, werde oft die»ötbige Vorsicht hintangesetzt. Die Arbeits- zeit belaufe sich auf lOVa Stunden, es werde aber häufig Ueberstundenarbeit verlangt. 10l/a Stunden seien auch für das Braunkohlen» Revier zu viel, der Bergmann ar- bettet dort nicht wie ein Mensch, sondern wie ein --, man werde ihn schon verstehen. Die Behandlung seitens der Beamten sei nicht die beste. Schimpfworte seien an der Tagesordnung, ja auf einzelnen Gruben sei es sogar zu Thätlichkeiten gekommen. Ueber die Besitzer sei weniger zu klagen. als über die Beamten. Zu einer Entlassung des Beamten käme es aber bei einem Streit selten. Im Revier cxistire ein so- genannter Kuttenverein,' der angeblich zur Hebung des Berg- mannsstandes gegründet sei. Thatsächlich sei er nur für Kirchenparaden und patriotische Feste da. Eins leiste der Berein: das sei die feierliche Beerdigung verunglückter und verstorbener Kameraden. Was nütze dem Bergmann   aber die Ehrung nach dem Tode? Das könne ihm nichts mehr nützen. So betrachte er den Verein nicht als zur Hebung des Bergmannsftandes fördersam. Der Lohn werde monatlich bezahlt, die Folge davon sei, daß der Arbeiter borgen müsse. Deshalb sei eine lebhafte Agitation für wöchentliche Lohnzahlung im Gange. K l e i n- Saar-Revier bringt die Grüße der dortige» Kameraden ES seien viele Unglücksfälle vorgekommen, doch fehle ihm eine Statistik. Aber die Lazarethe in Neunkirchen  , Sulzbach   und Veltlingen seien gefüllt. In Neunkirchen   und Sulzbach   seien die Aerzte vermehrt worden. Dabei lägen die Herzkranken zu Hause. Der Loh» sei seit 1893 um 20 Pf. pro Tonne gesunken. Dabei fördere der Bergmann  jetzt im Jahre 10 Tonne» mehr. Der Durchschnittslohn betrage im Saarrevier 3.303.40 M. Es seien rnif einzelnen Gruben auch jugendliche Arbeiter angestellt. Die 14jährigen erhallen 80 Pf. bei fünsstündiger Arbeitszeit, die löjährigen 70 Pf. bei fünfstündiger Arbeitszeit. Ihre Arbeit besteht im Ausraffen der Steine aus den Steinkohlen. Die Organisation im Saarrevier sei sehr schwer. Es gebe kein öffentliches Lokal zu Ver- sammlungen. Der letzte Streik mit seinen Maßregelungen wirkt noch nach, die Bergleute seien nicht zum Anschluß an die Organisation zu bewegen. Trotz der jetzt neunstündigen Arbeitszeit wurden mehr Kohlen gefördert als vor 1389, wo noch zwölsstündige Arbeitszeit bestand. Die Grrchenausschüsse, die im Saarrevicr be- stehen, hätten nicht viel Werth. Redner schließt mit der Hoffnung, daß mit der Zeit doch wieder eine Organisation erstehen werde. K n i p p s ch i l d- Bochum(Ruhrrevier): Obwohl die Kohlen- preise höher sind, sei der Lohn nicht gestiegen. Der Durchschnitts lohn betrage 3,80 bis 3,90 M., da seien aber lieber schichten eingerechnet. Einzelnefromme" Leute würden von den Steigern begünstigt. Auf diese passe das Sprichwort:Wer den lieben Gott läßt walten und verhält sich mit dem Steiger gut. der wird einen gerechten Lohn erhalten, wen» er auch nicht viel leisten thut." Die älteren Leute würden rücksichtslos im Lohne   ver- kürzt, wenn nicht ganz entlassen. Aufgeräumt müsse mit den Unter- sttttzungskassen werden, in die die Strafgelder fließe». Von Unter- stützungen hörte» die Arbeiter wenig. Trotz der besseren Konjunktur erfolge kein freiwilliger Lohnzuschlag, ja dem christlichen Gewerk- verein sei der lOprozenlige Lohnzuschlag abgelehnt worden. Helfer- Bruch(Herner Revier) spricht über das Nullen der Wage» und die Ueberschichten in seinem Revier, beides Uebelstände, die beseitigt werden müßten. Knoblauch- Weida»(Revier Zeitz  -Weißenhaus): Der Loh» stelle sich für Hauer auf 3,40 M., für Wagenstößer ans 3 M. Oel und Handwertsmaterial müsse der Bergmann   selber kaufen. Bei solchen Löhnen sei nur eine schlechte Ernährung möglich. So gehe es nicht weiter, es müsse eine Lohnerhöhung angestrebt werden. Die Arbeitszeit belaufe sich auf 10-11 Stunden. Die niedrige» Löhne zwängen viele Kameraden zur Ueberarbcit und Ueberanstren- gung. Verdiene ein Arbeiter einmal etwas mehr, so werde das Ge- dinge bald reduzirt. I» den Braunkohleu-Reviercn gäbe es keine schlagenden Wetter, aber die Stickluft wirke selbstverständlich sehr gesundheitsschädlich. In einzelnen Gruben würden im Sommer an 100 Frauen beschäftigt, sogar schwangere Frauen würden angenommen. Die Frauenarbeit werde sehr gering bezahlt. Aus sanitären und sittlichen Gründen sollte die Frauen- arbeit verboten werden. Die Waschanstalten würden kaum benutzt an Wochentagen aus Mangel an Zeil  , in der Nähe wohnende be- nutzten' sie Sonntags. Die Waschanstalten selbst genügten häufig nicht den billigsten Ansprüchen. Die Gesetzgebung müsse endlich einmal etwas für den Bergmann   thun, sie dürfe nicht alles den Agrariern, die dem Arbeiter die Lebensmittel vertheuern wolle», zuwenden.(Lebhafter Beifall.) Springer(Waldenburger-Revier, Niederfchlesien): In Schlesien  halte man die schlechten Löhne»och immer hoch. Die Akkordarbeit und das Ueberschichtensystem sei immer noch in Blüthe. Es käme» 9 Schichten auf 6 Arbeitstage. Die Behandlung seitens der Be- amten lasse viel zu wünschen übrig. I» der Wetterführung sei es besser geworden. Die Bergarbeiler-Zeitung habe nach der Richtung sehr heilsam gewirkt. Der Lohn sei zum Sterben zu viel und zum Auskommen zu wenig. Er betrage 2,40 bis 2,90 Mark. Der Vorsitzende verkündet, daß nach den: Ergebniß der Mandats- Prüfung 57 rechtmäßig gewählte Delegirte anwesend sind und zwar aus dem Ruhrgebiit 28, dem Saargebiet 1, dem Königreich Sachsen 7, der Provinz Sachsen   3, aus Sachsen-Altenburg 4, Niederfchlesien 4, Oberschlesien   2, Braunschweig 4 und aus Oberbayern   t Delegirter. In der N a ch m i t t a g s s i tz u» g wird die Berichterstattung aus den einzelnen Revieren sortgesetzt. In den meisten Berichten finden sich starke Wiederholungen. Mit Beifall begrüßt wird Bernegger-M!..ich(Oberbayern  ), der in oberbayerischem Kostüm, in Lodenjoppe, grüner Weste und Bergschuhen erscheint. Es ist der erste Delegirte von der tiroler Grenze, der an einem Bergmannstag theilnimiut. Der Delegirte klagt über niedrige Löhne und schlechte Berginspektio». Auch in seinem Bezirk bewahrheite sich der Satz: Je länger die Arbeitszeit, je niedriger die Löhne. D i e Verhältnisse seien jetzt thatsächlich viel schlechter als früher, da die Profit wuth der Unternehmers ins ungemessene gestiegen sei. Fischer» Helmstedt   berichtet über die Verhältnisse im Braun- schweiger Bergrevier. Die Bergleute hätten eine Petition an die Braunschweigische Bergwerk-Direktion um Lohnerhöhung gerichtet. Darauf sei aber, obwohl die Eingabe schon im Dezember v. I. ein- gereicht sei, noch keine Antwort erfolgst. Die Berginspektion lasse fast alles zu wünschen übrig. Der Beamte, der sich 14 Tage vorher anmelde, bekomnie die Mißstände nicht zu sehen. F r i t s ch e- Staßfurt berichtet über die Staßfnrter Kali- und Salzindnstrie, wo die Löhne durchaus nicht mit den Einnahmen im Einklang ständen, die im preußischen Reichshaushalt figuriren. Auch in den fiskalischen Werken gäbe es jetzt Kampagnen, d. h. zeit- weise seien Ueberschichten nothwendig, zeitweise würden Feierschichten eingelegt. Immerhin zahle der Fiskus noch am besten, er nütze aber die Arbeiter fast ebenso aus, wie die Privatunternehmer. Ueber den nächsten Punkt der Tagesordnung:D i e Unfälle im deutschen   Bergbau und ihre Abhilfe", referirt T h i e m a n n- Bochum. Die Gesammtzahl der Unfälle im deutschen  Bergbau sei von 34 483 im Jahre 1892 auf 43 993 im Jahre 1896 gestiegen. Als Ursachen der sehr hohen Zahl von Unfällen bezeichnet Redner die infolge der Akkordarbeit nothwendige Ueberhastung bei der Arbeit. In den letzten Arbeitsstunden werde am inteirfivsten gearbeitet, in dieser Zeit passirten die meisten Unfälle. Eine weitere Ursache sei die schlechte Ventilation; eine Folge schlechter Venti- lation sei das Unglück in der Kleophas- Grube. Auch auf mangelnde Inspektion müßten viele Unfälle zurückgeführt werden. Die Unternehmer führten heute die Inspektoren häufig hinters Licht. In vielen Gruben werde ein Strohwisch an die Arbeitsstätte geschickt als Zeichen, daß der Revisor nahe ist. Sei eine Stelle schadhaft und schlecht, so werde sie mit Holz- ftangen zugeschlagen. Dem Beamten werde dann fälschlicherweise gesagt, daß dort nicht mehr gearbeitet werde. Die Berginspektoren treffe kein Vorwurf, sie seien zu sehr überlastet. Redner verlangt in einer Resolution: 1. Die Anstellung praktisch gebildeter Arbeiter als Assistenten der staailichen Anfsichtsbeamten. Diese Hilfskonirolleure müssen frei vom Einfluß der Zechenbesitzer durch die Belegschaften der Gruben in geheimer, direkter Wahl ernannt werden. Ihre Besoldung über nimmt der Staat. 2. Den Bergrevierbeamten ist durch Gesetz strengstens jede Antheilnahme an den Grnbengewinnen zu unter- sagen.(Es komm« vor, daß ein Revierbeamter Inhaber von Kuxen  im eigenen Revier sei.) 3. Die Anstellung völlig bergfremder Älr beiter bei unterirdischer Grubenarbeit ist gänzlich zu verbieten. Die erlassenen Bestimmungen über Probe- resp. Lehrzeit der Bergleute find seitens der staatlichen Aufsichtsbeamten auf ihre Befolgung genau zu prüfen. 4. Auf Schlagwettergruben ist extra ein Wetter- b e a m t e r staatlicherseits anzustellen. Erst wemi diese Forderungen durchgeführt seien, könne von einem wirklichen sachgemäßen Schutz der Grubenarbeiter gesprochen werden. H u e- Essen weist statistisch nach, daß im Saarrevier u.it der gesteigerten Förderung sich auch die Zahl der Unfälle gesteigert habe. Die Verordnungen ständen bei uns nur auf dem Papiere, in England sei es besser. Deshalb sei die Zahl der Unfälle in Preußen verhältnißmäßig doppelt so hoch als in England. In der weiteren Diskussion herrscht volles Einverständniß mit den beiden Vorrednern. Die Resolution wird unter Hinzufügung eines Punktes 5.Abschaffung der Akkordarbeit" angenommen. Des am Abend stattfindenden Kommerses wegen schließt der Bor  - sitzende die Verhandlung bald nach 6 Uhr. Am 3. Feiertag werden die Verhandlungen fortgesetzt. Kongreß der Sattler Dentfchland». Erfurt  , den 13. April. Erschienen sind 44 Delegierte, die zusammen 22 Städte ver« treten, aus Wien   ist der Kollege Hohenberg erschienen; für die Geueralkommission in Sabbath- Hamburg anwesend. S a s s e n b a ch- Berlin referirt überdas Verhalten der Regierung gegenüber der Petition der Sattler  Deutschlands  ". Um die schlimmsten Mißstände, die der Haus- industrie und des Zwischenunteriwhmerthums, soweit diese durch die Staatsbehörden selbst gefördert werden, einigermaßen zu beseitigen, wurde im Jahre 1894 eine Petition an den Kriegsminister gerichtet; die Antwort steht biS heute noch aus. Auf eine Anfrage im Reichstage gab der Kriegsminister zu, die Petition erhalten zu haben, habe aber gleich seinem Vorgänger keine Veranlassung gehabt, mitunbekannten Leuten" in eine Diskusston einzutreten über prinzipielle Fragen. Diese Antwort habe mit Recht Erstaunen und Mißbilligung hervor- gerufen. Man kam zu dem Schlüsse, weitere Schritte in der Durch- führung der Forderung zu thun. Zu diesem Zweck ist der Sattler- kongreß einberufen. Er(Saffenbach) empfehle, Petitionen an sSmmt- liche Fraktionen des Reichstags und der einzelnen Landtage, die Kriegsministerien der einzelnen Staaten zu richten und auch die Presse für die Sache mehr zu interessiren. Redner empfiehlt der Petition folgende Fassung zu geben: Der am 13. April 1897 zu Erfurt   tagende Sattler  -Kongreß, besucht von 44 Delegirte» aus allen Theilen Deutschlands  , erlaubt sich, an die deutschen   Kriegsministerien folgende Bitte zu richten: In die Verträge, welche zwischen dem Kriegsministerium und Firmen, die sich um Militärarbeit bewerben, abgeschlossen werden, ist folgende Bestimmung aufzunehmen: Der Unternehmer verpflichtet sich, die übernommene Arbeit in eigenen Werkstellen anzufertigen. Das Weitergeben derselben an Zwischeii-Untcruehmer und Hausindustrielle ist untersagt." Ferner wird gebeten, die dem Kriegsministerium unterstehenden Behörden und die Regimenter anzuweisen, in die von ihnen abzn- schließenden Verträge dieselbe Bestimmung aufzunehmen. Begründung: In der Militärcffekten- Fabrikation, besonders soweit sie das Sattlergewerbe betrifft, haben sich seit einigen Jahren Nebel- stände eingebürgert, die für die Arbeiter von den nachthciligsten Folgen sind. Während früher die übernommenen Arbeiten in eigenen Be- triebswerkstellen zur Fertigstellung aelangten, hat dieses jetzt zum größten Theil aufgehört; in den Räumen des Unternehmers wird nur noch die Zurichtung besorgt, dann geht die Arbeit an Haus- industrielle oder Zivischenmeister, die sie fertig stellen. Der wüthende Konkurrenzkampf der Unternehmer ist die Haupt- sächlichste Ursache dieser Veränderung. Um Arbeit zu bekommen, werden die Preise so niedrig wie möglich gestellt; da trotzdem ver- dient werden soll, eine Ersparniß an Material aber meistens ans- geschlossen ist, so werden die Löhne der Arbeiter und die übrigen Geschäftslinkosten nach Kräfte» herabgedrückt. Dieses Bestreben wird ermöglicht durch die Unzahl Arbeitslose. welche im Sattlergewerbe vorhanden sind. Mögen die gezahlten Löhne noch so gering sein, es finden sich immer genügend Slrbeits- lose, die zur Arbeit bereit sind, um sich selbst und die etwa vorhandene Familie, wenn auch noch so uothdürftig, zu ernähren. Der Fabrikant kann also die Preise nach Belieben drücken, was er auch mit der größten Skrupellosigkeit thut. Während der regelmäßigen Arbeitszeit ist nun der Arbeiter nicht im stände, einen irgendwie ausreichenden Lohn zu verdienen, er sieht sich genölhig'. Arbeit mit nach Haus zu nehmen, um dort nach Feierabend weiter zu arbeiten. Dieses führt bald dazu, über- Haupt nur zu Hause zu arbeiten, da dadurch der Weg zur Fabrik gespart und ein beliebiges Anfangen und Aushören ermöglicht wird. Außerdem können noch die Familienmitglieder bei der Arbeit mit beschäftigt werden. Wenn nun ein ausreichender Lohn verdient wird, so ist dieses nur durch Ueberarbcit und Hilfeleistung der Familienmitglieder erreicht worden. Diese Hausarbeit ist für den Fabrikanten von bedeutendem Vortheil; er kann die gezahlten Preise immer mehr erniedrigen, da die aus vorhergeschilderte Weis« verdienten Löhne ihm die Handhabe dazu bieten. Dann spart er auch noch an Miethe, Feuerung, Licht, Kassenbeiträgen u. dergl., und dieses führt in schließlich dazu, nur noch Hausarbeiter zu beschäftigen. Dadurch werden solche Arbeiter, die unverheirathet find und keine eigene Wohnung besitzen, in eine Zwangslage versetzt; sie können nur dann Arbeit bekommen, wenn sie selbst für den Arbeits- platz sorgen. Diese Zwangslage wird nun von unternehmenden Leuten ausgebeutet. Einige der vorher bezeichneten Hausindustriellen entwickeln sich zu Zwischenmeistern, die die vorgerichtete Arbeit in größeren oder kleineren Posten vom Unternehmer beziehen und sich dann in der eigenen engen Wohnung noch einige Arbeiter hinsetzen, denen sie noch weit schlechtere Preise zahlen, als sie selbst erhalten. Diese Zwischenmeister verstehen es meistens, sich vom Lande zugereiste, bedürfnißlose, mit den Verhältnissen nicht vertraute Leute anzu- werben, die sie ungenirt ausbeuten können. Alles dieses ist für die Arbeiter von den schlimmsten Folgen. Die Löhne werden mehr und mehr gedrückt, und sinken in solchen Zeiten, wenn keine größeren Arbeiten gemacht werden, auf eine Summe herab, die es kaum einem Unverheiratheten ermöglicht, damit auszukommen, viel weniger einem Familienvater, der die hohen Preise der Großstadt zahlen muß. Dann ist die Hausindustrie und das Zwischenmeister-System für die Gesundheit und das Familienleben der Arbeiter überaus schädlich. Die engen Wohnungen der Arbeiter sind kaum ein ausreichender Aufenthalt, viel weniger sind sie geeignet, als Arbeitsstätte zu dienen. Wenn Küche, Schlafzimmer und Arbeitsraum ein- und dasselbe ist, so müssen unbedingt in gesundheitlicher und sittlicher Beziehung die übelsten Folgen eintreten. Die Erfahrungen der Krankenkassen be- stätigen auch, daß nach Perioden, in denen Militärarbeit angefertigt wurde, die Krankheits- und Sterblichkeitsziffer bedeutend stieg. Bei geregelter Arbeit in einer Fabrik würde dieses jedenfalls nicht der Fall gewesen sein, nur die Hausarbeit ist schuld daran. Nebenbei sei auch noch darauf hingewiesen, daß die Hausarbeit einen ungünstigen Einfluß auf die Güte der gelieferten Gegenstände ausübt. Es kann dem KriegSministerium nicht gleichgiltig fein, ob die vom Staate bestellten iilrbeiten auf einen großen Theil der Be- völkerung einen günstigen oder einen ungünstigen Einfluß ausüben. Wir dürfen wohl annehmen, daß das Kriegsministerium gerne bereit ist, im arbeiterfreundlichen Sinne zu wirken, und geben uns daher der Erwartung hin, daß unsere Bitte Berücksichtigung finden wird. Durch die Erfüllung derselben würde die Staatskasse kaum eine Mehrbelastung erfahren, während unsere Lage bedeutend er- leichtert würde. Ferner beschließt der Kongreß, von dieser Bittschrift fämmtlichen Fraktionen des deutschen   Reichstage?, sowie der Einzel-Landtage von Preußen, Bayern  , Sachsen   und Württemberg   Mittheilung zu machen, damit sie bei einer eventuellen Besprechung über die ein- schlägigen Verhältnisse unterrichtet sind. Es entspinnt sich eine langwierige Debatte, in der die meisten Redner für die Absendung dieser Petition sich aussprechen, aber auch der Meinnng sind, es lasse sich durch Schaffung einer starken Arbeiter- organisation weit mehr erreichen. hm-Dresden   beantragt, der Petition folgenden PaffuS beizufügen: Sämmtliche Vertreter in den gesetzgebenden Körperschaften haben dafür zu sorgen, daß in den staatlichen Werkstätten(Arsenale) die dort beschäftigten Arbeiter an ihrem Beitritt zu einer Organi- sation nicht verhindert werden." Hohenberg- Wien   erklärt, daß die Verhandlungen in Er furt von den Berufskollegen in Oesterreich   mit großem Interesse ver- folgt würden. Er und die meisten nachfolgenden Redner find für Absendung der Petition schon aus dem Grunde, weil dadurch die öffentliche Aufmerksamkeit auf die traurige Lage der Sattlergehilfen gelenkt werde. Der Antrag Sassenbach wird schließlich mit dem Zusatz Böhm« Dresden   mit allen gegen eine Stimme an- genommen. Ueber den 2. Punkt der Tagesordnung:Gefängnißarbeit in unserem Gewerbe" referirt Kästner- Erfurt  . Er weist darauf hin und belegt eS mit Zahlen, daß im Sattler  - gewerbe die Konkurrenzwirthschaft durch Gefängniß- und Zuchthausarbeit immer mehr überhand nehme. Vollständige Abhilfe hierin sei jedoch unter den heutigen staatlichen Verhältnissen keinesfalls zu erhoffen. Es könne sich also nur darum handeln, die ärgsten Auswüchse dieser Konkurrenz zu be- seitigen. Hierzu Wege zu finden, sei Aufgabe des heutigen Kongresses. Vielfach höre man den Wunsch auf gänzliche Beseitigung der Gefangenenarbeit. Doch dieser Forderung könne er(Kästner) nicht zustimmen. Es würde dies für längere Zeit Jnhaftirte sicherlich Geisteskrankheit zur Folge haben. Zu empfehlen wäre dagegen«ine Beschränkung der Gefängnißarbeit. Nach ausgiebiger Debatte wird schließlich ein Antrag Dittz- Dresden angenommen, wonach eine Kommission zu wählen ist, die den Auftrag hat, Material über die Schädlichkeit der Gefängniß- arbeit ans den einzelnen Orten zu sammeln und der sozialdemo- tralischen Reichstagsfraktion zu überliesern. Als Sitz der Kommission wird Offenbach   bestimmt. Hiermit ist die Tagesordnung des Kongresses erledigt. Der Vorsitzende schließt abends i/,10 Uhr den ersten deutschen   Sattler  -Kongreß mit einem Hoch auf die politische und gewerkschaftliche Arbeiterbewegung. Auf dem Gautage der organisirten Buchdrucker Oster- lauds-Thüringcns, der an den beiden Osterfeiertagen in Erfurt  abgehalten wurde, beschäftigte man sich mit der Frage der Z u r ü ck- n�ahme des Ausschlusses der Mitglieder Gasch und e n o s s e n. Sämmtliche dahingehende Anträge wurden jedoch abgelehnt, und zwar auf grund einer Erklärung des an- wescnden Zentral-Vorstandsmitgliedes E i f l e r aus Berlin  , welche besagt, daß mit dem Tage, wo dieBuchdrucker-Wacht" eingeht, der Zentral- Vorst and sofort bereit ist, über Anträge aus Zurücknahme der Ausschlüsse zu berathen. Da der Zentral-Borstand ein persön- liches Interesse an den Ausschlüssen nicht habe, so werde die Frage dann sicherlich auch einer friedlichen Lösung entgegengehen. Gerichts-ÄeitunA. Wegen Beleidigung der Gendarmen Donath und Hanboldt hatte sich der Prodiiltenhändler Ernst P f ä n d t vor dem Rixdorfer Schöffengericht zu verantworten. Die Ehefrau des Angeklagten hatte sich im vorige» Jahre eine Anklage wegen Hehlerei zugezogen, weil sie von einem Knaben alte Eifeutheile gekauft haben sollte, die dieser seinem Vater entwendet hatte. Da die Angeklagte den Kauf entschieden bestritt, deni diebischen Knaben aber kein Glauben eschenkt wurde, sprach das Schöffengericht die Frau Pfändt r ei. Gendarm Hanboldt hatte der Verhandlung im Zuhörer- räum beigewohnt und veranlaßte den A m t s a n w a l t, gegen daS freisprechende Ilrtheil Berufung einzulegen und ihn als Zeugen vorzuschlagen, da er bei einer Haussuchung bei Pfändt festgestellt habe, daß die dort vorgefundenen Eisentheile mit den von dem Knaben gestohlenen identisch gewesen seien. Infolge dessen kam die Sache noch einmal vor dem Landgericht II Berlin zur Verhandlung und hier wurde Frau Pfändt aus grund des Zeugnisses des Gendarmen Hanboldt zu 1 Woche Gefängniß verurtheilt. Pfändt ließ durch einen Rechtsanwalt das'W i e d« r a usn a h m e- Verfahren beantragen und nannte den Lieferanten, von welchem die betreffenden Eisentheile bezogen worden sein sollten; das Kammer- gericht lehnte den Antrag jedoch ab und so mußte die alte Frau die Strafe verbüßen. Seitdem hegt Pfändt erklärlicherweise gegen die Gendarmerie einen unauslöschlichen Groll. Am 13. Januar d. I. kamen die obengenannten Gendarmen an seinem Hanse vorbei. ivobei Gendarm Donath es rügte, daß Pfändt den Bürgersteig mit gefüllten Säcken versperrt hatte. In seiner Aufregung ließ sich Pfändt zu der Aeußeruug hinreißen, die Gendarmen könnten weiter nichts, als in Moabit   falsch schwören. Mit Rücksicht darauf, daß der 67 jährig« Angeklagte noch unbescholten ist, sah der Amtsanwalt von dem Antrage einer Freiheitsstrase ab und beantragte 1000 M Geldstrafe oder 100 Tage Gefängniß. DerGerichtshof war zwar der Ansicht, daß ver Angeklagte eine strenge Strafe oerdient habe, doch müsse dieselbe so bemessen werden, daß der Angeklagte sie auch zahlen könne. Das Urtheil lautete daher auf 200 Msi Geldbuße, eventl. 40 Tage Gesängniß und UrtheilSpublikativn in den Lokal- blätteni. Verantwortlicher Redakteur: Robert Schmidt in Berlin  . Für den Jnseratentheil verantwortlich: Tb. Glocke in Berlin  . Druck und Verlag von Mac Bading in Berlin  .