Frethet
Panfare
Nr. 173 2. Jahrgang
232 0
drou
Einzige unabhängige Tageszeitung Deutschlands
Saarbrücken, Sonntag Montag, 29./30. Juli 1934 Chefredakteur: M. Braun
Zu den Enthüllungen über die Reichstags- Brandstiftung
Wichtige Meldungen
im Innern des Battes
SA.- Mann Kruse sagt die Wahrheit
Noch immer Schweigen der Regierungs- Brandstifter- Zwei deutsche Juristen nehmen das Wort- Der Brief des Reichstagsbrandstifters Kruse klärt bisher ungelöste Rätsel
Der juristische Verfasser einer bekannten Broschüre über den Reichstagsbrand( Verlagsanstalt GraphiaKarlsbad) schreibt uns:
Die Selbstbezichtigung des SA.- Mannes Kruse, des Dieners Röhms, zusammen mit andern unter Führung von Röhm, Heines und Ernst den Reichstag angezündet zu haben, bedeutet sicherlich eine hochsensationelle Wendung in diesem größten Kriminalfall unserer Zeit. Die erste Frage, die sich der gewissenhafte Forscher dieses Labyrinths vorlegt, ist natürlich die: Halten alle Einzelheiten der Darstellung, die Kruje gibt, gemessen an den unzweifelhaft festgestellten Tatfachen Stand? Stimmen sie mit diesen überein, oder klaffen Widersprüche? Je nachdem wird man die Glaubwürdigkeit dieses Gewährsmannes einzuschätzen haben. Hier ergibt fich nun:
Kruses Darstellung ist nicht nur im Rahmen der bisherigen tatsächlichen Ergebnisse durchaus möglich, fie gibt auch für viele bisher unerflärliche Dinge eine plausible Erklärung.
Im Reichstagsbrandprozeß gegen van der Lubbe und Genossen sind eine ganze Reihe von Vorgängen absolut unaufgeklärt geblieben, d. h. man hat die Tatsachen, aber nichts von ihren Ursachen feststellen können. Wir nennen hier einiges:
-
1. Es steht fest, daß das Feuer im großen Sizungssaal des Reichstages sich binnen drei, allerhöchstens vier Minuten aus einer kleinen Flamme in einen Riesenbrand verwandelt hat. Alle Sachverständigen haben mit Recht es für abso= Iut ausgeschlossen erklärt, daß van der Lubbe, wie er vor Gericht behauptet hat, mit seiner Jacke und einigen daraufgeschütteten Brocken, Reste eines in der Tasche zerdrückten Kohlenanzünders, eine so enorme Wirkung erzielen fonnte. Kruses Darstellung von dem durch zehn SA.- Leute in Säden hereingetragenen Brennpulver gibt hier eine volle Erklärung.
-
2. Am nächsten Tage nach dem Reichstagsbrand bereits meldete Görings Pressedienst: die Menge der aufgefunde nen Brand materialien beweise, daß zu ihrer Herbeischaffung mindestens zehn Mann nötig gewesen seien. Nun ist aber, wie aus dem Reichstagsprozeß bekannt, feine Spur mehr von dem verwendeten Brennmaterial gefunden worden, außer den paar Kleidungsfeßen van der Lubbes! Diese Notiz kann also nur entstanden sein, weil man bei Göring wußte, daß wirklich zehn Mann das Brandmaterial in den Reichstag geschleppt hatten, wie Kruje jetzt bekannt gibt.
3. Das gleiche gilt von der weiteren Meldung des Preußischen Pressedienstes, daß diese unbekannten zehn Täter durch
den unterirdischen Gang aus dem Reichstag ent
kommen seien. Der Zeuge Weber, der Führer von Görings Stabswache, hat vor dem Reichsgericht bekundet, daß er auf Görings Befehl noch in der Brandnacht die Türen des unterirdischen Gangs geprüft und ordnungsmäßig geschlossen gefunden habe. Es war also ausgeschlossen, daß fremde Täter durch den Tunnel geflohen waren. Nur wer Schlüssel hatte, konnte ihn benutzt haben. Auch hier entstammte also die Meldung dem Wissen über den tatsächlichen Vorgang, wie Kruse ihn jetzt bekundet.
Zeuge eidlich bekundet, daß er mehrere Wochen, das letzte 4. Der Nachtportier des Reichstages Ad er mann hat als Mal zehn Tage vor dem Reichstagsbrand, des öfteren nächtliche Schritte in dem unterirdischen Gang gehört hat. Er hat zur Probe Papierstreifen vor die verschlossenen Türen geklebt und hat sie am nächsten Tag zerrissen vorgefunden. Dieser einwandfreien Aussage ist das Gericht nicht nachgegangen und hat sie als belanglos" abgetan! Sie findet jetzt ihre überraschende Bestätigung durch die Bekundung Kruses, daß der siebzehn Tage vor dem Brand zusammengestellte Stoßtrupp unter Heines und Ernst in mehreren Nächten auf die Brandstiftung unter Benütung des Tunnels einegerziert worden ist.
5. Van der Lubbe hat vor Gericht angegeben, daß er an einer bestimmten Stelle seines Brandweges" nämlich im Ost umgang des Sigungssaales plößlich Stimmen aus benachbarten Räumen gehört habe. Alle im Prozeß vernommenen Zeugen jedoch, die bis zu dieser Zeit den Reichstag betreten hatten, befanden sich in einem weit entfernten, nämlich im westlichen Teil des Reichstags, so daß es unmöglich ist, daß van der Lubbe einen von ihnen wahrgenommen haben kann. Dagegen ist die Ostseite des Reichstages diejenige, in die man zuerst gelangt, wenn man den Ost- West laufenden unterirdischen Gang vom Präsidentschaftsgebäude benutzt. Nun sagt Kruse aus, daß Röhm den Befehl zum Anstecken der Pulversäcke gegeben hat, nachdem er sich überzeugt hatte, daß van der Lubbe in einem Nebensaal herumsprang.
-
Auch
hier die überraschende Erklärung eines bisher unerklärlichen Tatbestandes.
Fassen wir zusammen: Gerade in den Punkten, wo bisher jede menschliche Erklärungskunst versagt hat, falla man nicht an überirdische Wunder glauben wollte, gibt die Darstellung des SA.- Mannes Kruse absolut schlüssige und plausible Er= flärungen, Das spricht sehr stark für ihre Wahrheit!
Wiederaufnahme
des Reichstagsbrandprozesses?
In den vielen Zuschriften, die wir auf den Brief des SA.- Mannes Kruse aus dem Stabe Röhms erhielten, der die Vorgänge bei der Reichstagsbrandstiftung durch die nationalsozialistische Parteiführung schildert, ist auch die Frage aufgeworfen, ob nicht ein Wiederaufnahmeverfahren des Prozesses möglich wäre. Wir haben einen hervorragenden deutschen Juristen gebeten, sich dazu zu äußern. Hier ist seine Meinung:
Eine Wiederaufnahme zu ungunsten der Freigesprochenen scheidet in diesem Fall für uns aus.
Eine Wiederaufnahme zu Gunsten der Freigesprochenen ist aber nicht zulässig.
Die Beibringung neuer Tatsachen und Beweismittel begründet nach Paragraf 359 der Strafprozeßordnung die Wiederaufnahme nur zu Gunsten eines Verurteilten, wenn die neuen Tatsachen oder Beweismittel allein oder in Verbindung mit den früher erhobenen Beweisen für Freiipregung des Verurteilten oder die Anwendung eines
milderen Strafgesezes begründen würde. Die Wiederaufnahme eines Verfahrens zu Gunsten eines Freigesprochenen nur wegen der Urteilsgründe, also zum Beispiel deshalb, weil er mangels Beweises freigesprochen wurde, wäh rend seine Freisprechung wegen erwiesener Unschuld hätte crfu'gen müssen, war gefeßlich nie in Deutschland vorgefehen, crfo gen müssen, war gefeßlich nie in Deutschland vorgesehen, ein Mangel des Strafprozeßgesezes, auf den ich mit vielen anderen seit einem Menschenalter vergeblich hingewiesen habe.
Ich habe deshalb die Freisprechung von Torgler und Genessen im Gegensatz zur landläufigen Meinung nie für einen Aft der Unabhängigkeit des Reichsgerichtes gehalten, sondern für eine ausgesprochene Liebedienerei gegenüber dem Hitlersystem, das in seiner abgründigen Dummheit sie nur nicht verstanden hat. Wenn nämlich das Reichsgericht die Angeklagten verurteilt hätte, dann hätte es für den Fall des Aufkommens neuer Tatsachen und Beweismittel, auch nach einer etwaigen Hinrichtung der Angeklagten, die richterBortfehung siehe 2, Seite
Der gefälschte Kanzlerbrief
Der
Die ,, Banden" des deutschen Reichskanzlers und seine Presse
Soweit wir sehen können, waren wir gestern als einzige deutsche Zeitung in der Lage, den Brief des Reichskanzlers an den Reichspräsidenten über die Berufung Papens zum Sondergesandten nach Wien zu veröffentlichen.
In diesen Schreiben steht folgender Sat:
" In Verfolg der Ereignisse in Wien habe ich mich ge zwungen gesehen, dem Herrn Reichspräsidenten die Ents hebung des deutschen Gesandten in Wien , Dr. Rieth, von seinem Posten vorzuschlagen, weil er auf Aufforderung österreichischer Bundesminister bzw. der österreichischen Aufständischen sich bereitfinden ließ, einer mit diesen Bandengetroffenen Abmachung bezüglich freien Geleites und Abzuges der Aufständischen nach Deutschland ohne Rückfrage bei der deutschen Reichsregierung seine Zus stimmung zu geben."
Klar steht im Original„ einer mit diesen Banden..." Ter deutschen Presse ist erst heute erlaubt worden, den Brief abzudruden, und zwar mit der Fälschung, daß es nun heißt
,, einer zwischen diesen beiden getroffenen Abs machung".
Der deutsche Reichskanzler wagt also vor der deutschen Deffentlichkeit nicht, die Bezeichnung seiner parteigenössischen Mörder des österreichischen Kanzlers als Banden aufrechts zuerhalten. Der„ Führer" hat sich irgendwelchen stärkeren Einflüssen aus seiner Partei ges fügt.
Die Fälschung ist lehrreich für die gesamte internationale Politik und sollte auch dem Einfältigsten das Doppelspiel Hitlers flar machen. Er schwankt zwischen der Furcht vor den außenpolitischen Folgen der von ihm seit anderthalb Jahr: zehnten organisierten Banditenstreiche und der Angst vor den Banditen, von denen er abhängig ist, und denen er deshalb nicht wehe zu tun wagt.
Zwanzig Jahre Krieg
Von R. N. Coudenhove- alergi
Dem
Seit 20 Jahren lebt Europa im Kriegszustand. Krieg auf den Schlachtfeldern ist der Wirtschaftskrieg ge= folgt: von der Inflation zur Wirtschaftskrise.
Opfer dieser falschen Politik und falschen Wirtschaft sind die Millionen vernichteten Existenzen, die Arbeitslosen, die verelendeten Arbeiter, die verschuldeten Bauern, die zugrundegerichteten Sparer und Pensionisten.
All diese Opfer hätten sich vermeiden lassen, wenn Europa sich am Ende des Weltkrieges zu einer Politik der Versöhnung entschlossen hätte und der wirtschaftlichen Zusammenarbeit.
Statt dessen haben die Politiker und Wirtschaftsführer nach dem Krieg nichts anderes getan, als die Vorkriegspolitik und die Vorkriegswirtschaft fortzusehen. Sie glaubten nicht an den Anbruch einer neuen Zeit. Sie verstanden nicht, daß der Weltkrieg den endgültigen Zusammenbruch bedeutet hat des ,, europäischen Gleichgewichtes" und des europäischen Konzertes". So feßten sie ihre diplomatischen Intriguen fort, ihre militärischen Rüstungen, ihre wirtschaftlichen Rivalitäten.
Indessen wurde die Lage Europas nicht besser, sondern immer schlechter. Heute steht nicht nur die europäische Wirtschaft vor dem Bankrott, sondern auch die europäische Kultur. Die Menschenrechte, für deren Anerkennung durch JahrHunderte besten Europäer gekämpft und gelitten haben, werden heute in den meisten Staaten Europas mit Füßen getreten, Die Folter, deren Abschaffung der höchste Ruhm des
& ortfehung fiebe 2. Sette