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Oesterreichs innere Krise
Gefährliche anhaltende Gegensätze
Von unserem Pariser Korrespondenten.
Paris , den 30. Juli 1934. Wird die Heimwehr sich damit zufrieden geben, daß Schuschnigg und nicht Starhemberg Bundeskanzler geworden ist? Das ist die Frage, die die hiesige Presse immer wieder aufwirft. Und von der Beantwortung dieser Frage, das ist die einhellige Meinung, hängt Oesterreichs Schicksal ab. Dazu komme, daß man hier nur wenig Vertrauen zu Starhem berg hat, dessen Sympathie für die Nationalsozialisten man zu kennen glaubt.
Man könne nur wünschen, führt
,, Intransigeant"
aus, daß das neue Wiener Kabinett sich der Lage gewachsen zeige. Aber man dürfe nicht vergessen, daß keines seiner Mitglieder beim österreichischen Volfe wie im Auslande das Ansehen genieße, dessen sich Dollfuß erfreut habe. Wenn man an das Ultimatum denke, das die Heimwehr an den Bundespräsidenten Miklas gerichtet haben soll, um die Kanzlerschaft Starhembergs zu erreichen, dann müsse man das Kabinett Schuschnigg als ein. Kompromiß zwischen zwei eigentlichen Gruppen werten. Es sei zu fürchten, daß der Burgfrieden zwischen den Parteien nur von kurzer Dauer sei, Oesterreich gehe jetzt schweren Tagen entgegen. Seine Unabhängigfeit und seine Zukunft ständen auf dem Spiel.
,, Paris Midi"
meint, der Ehrgeiz des Fürsten Starhemberg gehe viel zu weit, als daß er sich damit zufrieden geben könne, jetzt die zweite Geige zu spielen. So ganz frei von Intrigen werde seine Mitarbeit in der neuen Regierung faum sein. Vielleicht werde er sogar Anschluß bei der Rechten suchen rechts ständen die Nazis.
Charles Reber, der außerordentlich gut informierte Sonderberichterstatter des
,, Paris Soir"
erörtert in seinem Blatte, ob eine Zusammenarbeit zwischen den Christlichsozialen und der Heimwehr überhaupt tragbar wäre. Er berichtet von einer längeren Unterhaltung mit maßgebenden Christlichsozialen, die ihm erklärten, sie seien mit der durch das Kabinett Dollfuß anfänglich und mit der nunmehr durch Fey und Starhemberg betriebenen Politik überaus unzufrieden. Sie wünschen nicht unter der Vormundschaft der Heimwehren zu stehen. Ihr Ziel sei der chriftlichsoziale Staat, in dem unter Führung der dem Papst zugeneigten Arbeiterschaft sie die Regierung hätten. Sie glauben, daß sie bei einer solchen Politik auch die Unterstüzung eines Teiles der alten Sozialdemokratie finden würden. Schuschnigg , das sei die Ansicht dieser Kreise, würde, selbst wenn er geneigt wäre, derartige Bestrebungen zu unterstützen, doch durch die Heimwehren gehemmt sein. Seine Ranzlerschaft jei daher wohl als Provisorium anzufehen. to Reber berichtet dann weiter, es sei in Wien geradezu das Geheimnis Polichinelles, d. h. es wisse bereits jeder, daß der zweite Bürgermeister Wiens Ernst Karl Winter , der Führer des maßgeblichen Teiles der Christlichsozialen dazu ausersehen sei, das Kanzleramt in einer sozial- vatikanischen Regierung in Oesterreich zu übernehmen. Man denke daran analog dem Kommunismus in Rußland , dem Nationalsozialismus in Deutschland und dem Faschismus in Italien , in
..Mörder und Päderasten"
Desterreich einen vatikanischen Sozialismus aufzurichten. Und wenn Winter zwar derartige Pläne für seine Person noch dementiere, so spreche man doch in eingeweihten Kreisen bereits von ihrer Verwirklichung zum Herbst dieses Jahres.
Massenverhaftungen und Pulschgerüchte
Die Liste wird länger..
Man sucht nach den Drahtziehern
Wien , 31. Juli. Die Zahl der Verhaftungen von pros minenten österreichischen Persönlichkeiten wird allmählich überraschend groß. Unter den Verhafteten befinden sich der Generaldirektor der Alpinen Montangesellschaft Dr. Ap= pold, der Generaldirektor Dr. Neubacher, Universitätsprofeffor Dr. Hugelmann, ein Rechtsanwalt, der als Nationalsozialist bekannt ist, Polizeidirektor Hofrat Stein: häusel, der Polizeioberfommissar Dr. Goßmann; aus der Umgebung Rintelens, der aufs schärffte in der chirurgis schen Klinik von der Polizei bewacht wird, General Wag= ner, die Hofräte Böhm und Perl, der Chefredakteur der Wiener Neuesten Nachrichten", ein politischer Redakteur des Blattes, der bisherige Korrespondent der Berliner „ Germa nia", Riedl, der Verlagsdirektor der Wiener Neuesten Nachrichten", Bauer. Auch der ehemalige Chef der Militär: Leutnant Dr. Wolf wird genannt.
Neues Dynamitattentat
Rorschbach, 31. Jult. In der Nacht vom Samstag auf Sonntag sind Gleisanlagen des Bahnhofs Lusten au in Vorarlberg in die Luft gesprengt worden. Der Zugverkehr von der Ostschweiz nach Bregenz ist bis jetzt noch nicht wieder hergestellt. Die Züge wurden anfänglich nach Lindau umgeleitet, doch ist inzwischen auch die deutsche Grenze vollständig gesperrt worden. Durch das Sprengstoffattentat sollte die gesamte Bahnhofsanlage in Lastenau zerstört werden.
Die Rede Frauenfelds
Was hat der österreichische Gauleiter der Nazis gesagt?
3ürich, 31. Juli.
Schweizer Zeitungen vom 14. Juli berichten:
" Die Spannung zwischen Wien und Berlin hat sich stark verschärft, und vollends hat der aus Desterreich geflüchtete Nationalsozialist Frauenfeld durch eine am Rundfunk gehaltene, jedes Maß überschreitende Rede die Beziehungen vergiftet. Er bezeichnete den Bundeskanzler Dollfuẞ als einen Hochverräter, der ein ähnliches Schicksal wie der erschossene Stabschef Röhm verdiene!"
Die Rede wird wohl in dem Anklagematerial der öster reichischen Regierung gegen Berlin eine bedeutsame Rolle spielen.
***
Die Verhaftungen sollen dazu führen, Hintergründe des Putsches aufzudecken. Es werden bestimmte Fäden verfolgt, die zu den auswärtigen Drahtziehern des Putsches führen.
Neue Putschgerüchte
Wien , 31. Juli. Noch immer ist die Stadt in großer Erregung. Gerüchte wollen etwas von einem Putsch der Heimwehr in der Nacht zum 30. Juli wissen. Tatsächlich hatte sich in der Nacht das sonst ruhige Bild der Bundeshauptstadt plötzlich verändert, in allen Straßen sah man Ueberfallautos, Militärtransporte, Wachleute mit Stahlhelm und Gewehr, und alle staatlichen und öffentlichen Gebäude, auch wie schon berichtet das Journaliſtenzimmer im Haupttelegrafenamt, wurden mit verstärkten Abteilungen besetzt. Man fonte sich den Grund der Vorkehrungen nicht erflären. Erst spät nachts wurde bekannt, daß die Polizei Kenntnis davon erhalten hätte, die Heimwehr wolle wegen der zweideutigen Haltung von Polizeibeamten und Wachorganen die Polizei entwaffnen; doch sei die Heimwehr von ihren Absichten abgebracht worden. Minister Fey erklärte, daß die Heimwehr gar nicht an einen Putsch denke.
Sollte Rintelen entführt werden?
Wien , 30. Juli. ( United Preß). Vierzig Nationalsozialisten haben in der letzten Nacht versucht, den früheren österreichischen Gesandten in Rom, Dr. Rintelen, zu entführen. Der Plan fonnte jedoch nicht durchgeführt werden, da die Kranfenschwester, die am Krankenbett Rintelens weilte, Alarm schlug. Der Polizei gelang es, mehrere Nationalsozia= listen zu verhaften. Die Wache vor dem Krankenzimmer Dr. Nintelens ist verstärkt worden.
Eine Kostprobe aus Mussolinis Hauptorgan und in Luxemburg Sprachrohr
Die Sprache der italienischen Presse wird mit jedem Tage schärfer. Man darf wohl von einem Ausbruch des Hasses und der Wur gegen Hitlerdeutschland sprechen. Das von Musso lini selbst begründete Blatt„ Popolo d'Italia", das auch heute das eigentliche Sprachrohr von Mussolini ist, schreibt z. B. von den Deutschen :
" In ihren trüben Seelen sind die wilden Instinkte und der Blutdurst wieder erwacht, den die römische Kultur in zwei Jahrtausenden des Christentums in ihren Nomadenseelen abgedämpft hat. Die Nationalsozialisten sind Mörder und Päderasten, nur das und nicht anderes."
" Popolo de Roma" bezeichnet die Haltung der deutschen Regierung als„ kindisch und unwürdig":
" Alle wissen in Europa ," schreibt das Blatt,„ von wem und wie der Reichstag angezündet wurde. Nur Hitler weiß es nicht. Alle wußten um das Gebahren Röhms. Nur Hitler nicht. Eines schönen Tages wird Hitler um die frühere Behandlung Görings als Morphinist in einem Sanatorium erfahren, was er heute noch nicht weiß. Man muß zittern darüber. was geschehen wird an dem Tage, an dem er es endlich erfährt."
In römischen politischen Kreisen wird besondere Bedentung einem, wie man behauptet, von Mussolini selbst direkt inspirierten Artikel im„ Messaggero" beigemessen. In diesem Artikel wird ausgeführt, daß nach der Ermordung von Doll fuß nicht mehr, wie so oft früher, diplomatische Schritte unternommen, sondern die Truppen in Bewegung gesetzt worden seien. Das sei wahre faschistische Diplomatie. Jtalien werde sich nicht irgendwelchen diplomatischen Schritten anderer Regierungen anschließen. Viel zu oft sind die Versprechungen der deutschen Regierung nicht gehalten worden; viel zu oft waren die Verhandlungen ein Vorwand, um Zeit zu gewinnen, um die Ideen und die Tatsachen zu verwischen. In den letzten Ereignissen sieht das Blatt ein Zeugnis dafür, wie Deutschland seine Verpflichtungen erfüllt. Man verhandelt nicht zweimal auf dem gleichen Fuße mit dem,
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der mit soviel Zynismus die Geseße der Ehre verlegt. gibt jetzt keine Regierung, die nicht das Recht hätte, Deutsch land gegenüber ihre volle Handlungsfreiheit zurückvolle Handlungsfreiheit zurück gewinnen."
Was in diesem Zusammenhang unter der Handlungsfreiheit der Regierungen zu verstehen ist, geht aus allen völlig übereinstimmendn Aeußerungen der italienischen Presse volltommen flar hervor: Jtalien hält jetzt die Drohung mit der bewaffneten Macht für die einzig richtige und wirksame Methode Deutschland gegenüber.
Im Zeichen französisch- luxemburgischer Freundschaft
In der Schule am Königsring wurde eine französische Ausstellung eröffnet, in der touristische und verkehrstechni sche Dinge unter besonderer Berücksichtigung Elsaß - Loth ringens gezeigt werden. Die Ausstellung soll den Zweck haben, die luxemburgisch- französische Freundschaft weiter zu festigen und den Grenztourismus zu heben. In einem Willtommengruß an die französischen Gäste, die in den nächsten Wochen die Ausstellung besichtigen werden, weist das sozialdemokratische Escher Tageblatt" darauf hin, daß just 20 Jahre am Tage der Eröffnung vergangen seien, seitdem Deutschland das friedfertige Luxemburg unter Vertragsbruch überfallen habe. An der Eröffnung nahmen die Großherzogin und ihr Gemahl, Regierungsmitglieder, Deputierte und Gemeinderäte aller Parteien aus Luxemburg , der französische, belgische und italienische Gesandte, Senator Eccard du Bas Rhin , Generaldirektor der elsaß - lothringischen Eisenbahnen Bauer- Straßburg, Bürgermeister Vautrin- Meß sowie zahl= reiche elfaß- lothringische Journalisten teil. Bei einem Bankett, das Samstagabend im Hotel Brasseur" stattfand, wurde von den Senatoren Eccard und Präsident de Witt- Guizot die luxemburgisch- französische Freundschaft gefeiert, was der luxemburger liberale Minister Etienne Schmit in seiner Erwiderung anerkennend unterstrich. Die Ausstellung wird sich
in Luxemburg bis 2. Auguſt halten. Ein Rundgang unferes
Mitarbeiters zeigte ihm die Entwicklung der französischen Eisenbahnen bis in die Neuzeit. Meß, Straßburg und Nancy haben einige Säle, in denen Möbel aus elfäffischen Museen, Bücher, elsässische Malereien untergebracht sind. Die evangelischen und katholischen Scouts stellen ebenso aus, wie Restaurateure, Transporteure, Bäder sowie eine Vaubanausstellung in Erinnerung an den großen Baumeister Vau ban , der ein großes Verdienst an der Errichtung der Festung Luxemburg hat. Bei der Eröffnung waren die Chasseurs aus Forbach zu Gaste und am Sonntag unterelsässische Bauernmusiker, Man veranstaltet im Rahmen der Ausstellung noch lothringische und elsässische Tage und sonst sind auch noch eine Anzahl Sonderveranstaltungen vorgesehen.
Der Humor ist noch geblieben
Wir erhalten folgenden Brief:
Im Rheinlande, wo man selbst das Alleräußerste der braunen Schmach noch mit einigem Humor zu quittieren pflegt, war der 30. Juni ein Wig in aller Munde:
Tünnes trifft Schäl in der Hohestraße. Schäl trägt eine funkelnagelneue SA.- Uniform und scheint heute besonders vergnügt. Tünnes, erstaunt, fragt seinen Freund: Hür ens
Zeichen der Nervosität
Wien , 31. Juli 1984. Der sozialdemokratische frühere Bundeskanzler Garl Renner ist Sonntagmorgen verhaftet worden. Die Gründe für seine Verhaftung, von der die Presse bisher keineriet Mitteilung gebracht hat, sind noch nicht festzustellen gewesen. Dem Vernehmen nach soll auch der sozialdemokratische Abgeordnete Ellenbogen im Laufe des Sonntags verhaftet worden sein.
Tauschitz wieder Gesandter
Wien , 31. Juli. Bundesamtlich wird mitgeteilt: Bundes kanzler Schuschnigg hatte gestern den Staatssekretär für auswärtige Angelegenheiten, Ingenieur Tauschig, empfangen und teilte ihm mit, es scheine ihm mit Rücksicht auf die allgemeine Situation wünschenswert, daß Staatssekretär Tauschitz wieder die Führung der Gesandtschaft Berlin übernehme. Tauschig erklärte, er werde sich dem neuen Bundesfanzler ebenso loyal zur Verfügung stellen, wie dem verewigten Bundeskanzler Dollfuß .
Zum Bundesminister für Landwirtschaft wurde der bis= herige Landeshauptmann von Niederösterreich Josef Reither
ernannt.
Starhemberg Führer der Vaterländischen Front
Wien, 31. Juli. Nach einer Mitteilung des Bundeskom= missars für Heimatdienst, Adam, wird Vizekanzler Fürs Starhemberg die Leitung der Vaterländischen Front übernehmen. Damit ist das Erbe von Dr. Dollfuß zwischen Dr. Schuschnigg und Vizekanzler Star hemberg geteilt worden. Die Uebernahme der Leitung der Baterländischen Front durch Vizekanzler Fürst Starhemberg bedeutet eine weitere erhebliche Verstärkung der Heimwehroppofition in Oesterreich .
Schäl, wie füs du in die SA.- Kluft?!" Schäl: Jo, dat is jet feines! Bei uns sin alles jode Lück, nur zwei sin nig wert, der Sturmführer un singe Adjutant, und dat sin jerad zwei Nazis."
Ich bin aktiver Kämpfer" in einem Fliegersturm. Wir werden hauptsächlich im Segelflugsport praktisch ausgebildet. Vom Kampfflugzeug wird uns zuerst am Motor Unterricht erteilt. Das geschieht natürlich in einer separaten Instruftionsstunde. Die besonders Zuverlässigen von uns kommen dann zwecks außergewöhnlicher Ausbildung zum Standorts= kommando eines aftiven Fliegersturms nebst Fliegerschule. Ich selbst war schon in N.
Nun ergab sich das sehr erfreuliche Resultat: In meinem Fliegersturm befinden sich ehemalige Reichsbannerkameraden, Naturfreunde, ehemalige Mitglieder des 3dA. und auch ehemalige Windhorstbündler. Ausgesprochene Braune ( also auch innen völlig Braune!) haben wir in der Mannschaft tatsächlich feinen einzigen mehr. Die paar echten Nazis haben wir sehr bald hinausgeefelt gehabt. Unser Instrut teur, ehemaliger Kriegsflieger, ist ein feiner Kerl und des halb auch ein Nazi- Fresser. Er ist lediglich aus Lust und Liebe zur Fliegersache dabei. So ab und zu bespricht er mit mir einige Dinge. Wenn wir dann so die einzelnen Kameraden unseres Fliegersturms durchgehen, dann sagt er immer mit seinen kurz abgehackten Säßen: Fliegersturm, wie er sein soll!" Und ich denke im stillen: Das gibt einen roten Fliegersturm!
Dir und allen Freunden schöne Grüße und ein fräftiges Frei Heil!
Der Gründer des ,, Ueberbrettl "
Am Montagfrüh starb in München der Schriftsteller Ernst Frhr. v. Wolzogen im 79. Lebensjahr. Dieser Tod reißt feine Lücke. Die„ große" Zeit des alten Herrn liegt drei Jahrzehnte zurück. Damals zog er als Gründer und Leiter seines ,, Ueberbrett!" durch die deutschen Lande, Konferencier und Anreger zwischen Biedermeier und Jugendstil . Von seinen Büchern hat„ Lumpengesindel" den meisten Erfolg gehabt, eine nicht reizlose Schilderung Münchener Künstlerboheme. An der Schwelle des Todes begeisterte er sich noch einmal. Für den Nationalsozialismus .