Pariser Berichte

Die Ausstellung

,, Deutschland nach dem 30. Juni"

gorll

die von der Deutschen Freiheitsbibliothek, Paris , 65 Bd. Arago( Metro Galciére) veranstaltet wird, ist mit einer An­sprache von Egon Erwin Kisch unter großer Beteiligung er­öffnet worden. Die Fülle unbekannten Materials über die Er­eignisse der letzten Wochen gibt dem lebhaften Interesse, dem die Ausstellung allenthalben begegnet, vollste Berechtigung.

Wir machen noch einmal darauf aufmerksam, daß die Aus­stellung täglich, außer Sonntags, von 10-12 und von 17-19 Uhr geöffnet ist, darüber hinaus Dienstags- und Freitags­abends von 8.30-10 Uhr. Eintritt 2 Fr., Arbeitslose 0,50 Fr. Wer wissen will, was in Deutschland vorgeht, muß diese ' Ausstellung gesehen haben.

Revolution im Pariser Sender

Den Hörern des Radio Paris wurde in einer der letzten Nächte ein unerwarteter Ohrenschmaus geboten. Sie hatten gerade die 6. Symphonie von Beethoven gehört, als die Musik plötzlich abbrach. Viele Hörer machten sich nun an ihrem Apparat zu schaffen, um festzustellen, was eigentlich los sei. Da vernahmen sie mit einem Male die deutschen Worte ,, Achtung, achtung!". Und nun folgte auch schon die Internationale, die von Musikern unbekannter Nationalität gespielt wurde. Es soll Hörer gegeben haben, die von dieser Darbietung etwas unangenehm überrascht waren. Sie wandten sich deshalb sofort an die Leitung des Radio Paris , erhielten von dort aber die Auskunft, daß dort kein Sprecher die Worte ,, Achtung, achtung!" gerufen oder eine Musikkapelle gar die Internationale gespielt habe.v5b todos

Man erklärt nun den Zwischenfall damit, daß Radio Paris zehn Minuten ausgesetzt habe. Dabei seien einige Hörer in die ganz nahe dabei liegende Wellenlänge eines russischen Senders geraten. Jedenfalls hat es also auf dem staatlichen Pariser Sender keine Revolution gegeben.

Bildhauer und Diploma!

Die halbnackten Duellanten

Ein Duell wurde am Sonntagfrüh zwischen einem Bild­hauer und einem Diplomaten in einem Park in Neuilly bei Paris ausgetragen.

Eines Tages war der Bildhauer, der als Künstler nicht ganz unbekannt ist und gelegentlich auch malt, gerade dabei, den Mondaufgang über den Tuilerien auf die Leinwand zu bannen, als ein junger Kavalier vorüberging, der zum diplo­matischen Personal der kleinsten Republik der Welt gehört. Ihm gefiel die Begleiterin des Künstlers, eine Kreolin, an­scheinend so gut, daß er die Galanterie wohl etwas zu weit trieb. Kurz und gut, diese machte den Künstler auf den jungen Mann aufmerksam. Jetzt sprang der Bildhauer und Maler auf und riß von seinem Zeichenblock ein Stückchen Papier , auf das er seinen Namen kritzelte, während der Diplomat ihm seine Karte überreichte.

Am Sonntag sollte nun das blutige Nachspiel stattfinden, das aber gar nicht so blutig verlief. Als Zeugen des Künst­lers fungierten ein Schriftsteller und ein Rechtsanwalt, dem Manne mit der großen Zukunft standen zwei Mitglieder der italienischen Kolonie zur Seite. Versöhnungsversuche schei­

terten.

Halbnackt, den Säbel in der Hand, standen sich die beiden Gegner auf einem Sandweg gegenüber. Schlag halb zehn Uhr kreuzten sie zum erstenmal die Waffen. 30 Minuten später stürzten sie im Kreise einer Reihe guter Freunde ein Glas Versöhnungschampagner hinunter. Der Kampf jedoch war sehr eigenartig gewesen. Der Maler, weniger geschickt in der Handhabung des Säbels als in der des Meißels oder des Pin­sels, hatte Hieb für Hieb einstecken müssen, darunter zwei Schläge auf das Schulterblatt. Deshalb erhoben die Aerzte mit Erfolg gegen weiteres ,, Blutvergießen" Einspruch.

Auch so war die Ehre gerettet, die der schönen Kreolin wie die ihrer beiden Anbeter.

Politischer Einbruch?

Der Rechtsanwalt Pierre Chautemps, ein Bruder des ehe­maligen Ministerpräsidenten, besitzt in der Umgegend von Nantes , in Préfailles ein Landhaus, das er aber zur Zeit nicht bewohnt. Kürzlich bemerkte nun ein Wächter, daß man nachts in das Haus eingedrungen war. Tatsächlich hatte ein Einbruch stattgefunden. Spuren fanden sich an der Küchen­tür und an den Läden eines Fensters, dessen eine Scheibe zerbrochen worden war. Auch im Waschhaus war eine Scheibe in Mitleidenschaft gezogen worden, und der Haken, der zum Festhalten der Fensterläden diente, war losgerissen. Nach den Feststellungen der Polizei wurde von den Einbrechern nichts gestohlen. Man nimmt allgemein an, daß diese aus politischen Gründen handelten. Sie glaubten wohl irrtümlich, bei Chautemps Akten zu finden, die sie im Kampfe gegen dessen Bruder Camille, den Vorsitzenden der radikalsozialisti­schen Kammerfraktion und ehemaligen Ministerpräsidenten zu verwenden hofften.

Gasmasken...

,, Paris Soir" veröffentlicht eine neue Verordnung des Pariser Polizeipräsidenten. Danach ist der Verkauf von Gas­masken nur gestattet, wenn diese Masken die vom Kriegs­ministerium vorgeschriebenen technischen Bedingungen er­füllen. Jedem Käu er muß eine genaue Gebrauchsanweisung ausgehändigt werden, die auch Vorschriften über die Lage­rung und Aufbewahrung der Gasmasken usw. enthält. Der Verkäufer muß sich verpflichten, bei vorschriftsmäßiger Auf­bewahrung seitens des Käufers eventuell schadhafte Teile, die durch die Lagerung entstehen, gegen neue zu ersetzen.

Ameisen! Ameisen!

Am Montparnasse herrschte am Sonntagabend starkes Leben. Die Vorplätze der Kaffeehäuser waren von Gästen überfüllt. Spaziergänger gingen in dichten Reihen auf den Boulevards hin und her. Plötzlich, gegen zehn Uhr abends, ließ sich eine dichte Wolke von geflügelten Ameisen, die wohl von der Seine kamen und den Boulevard Raspail hinauf­flogen, in einem der bekanntesten Cafés am Carrefour Vavin nieder. Etwà zehn Minuten lang hielten diese kleinen Bestien die ,, Stellung", indem sie sich auf die Zeltdächer setzten oder in dichten Kreisen um die Kandelaber, elektrischen Lampen und Bäume herumwirbelten.

Die Zuschauer wehrten sich mehr belustigt als eifrig gegen die Störenfriede. Aber die Geschäftsführer und die Kellner löschten das Licht und zündeten wohl tausend Stücke Papier an, um die unerwünschten Gäste zu verscheuchen. Man be­

Besonders wertvoll

zum Verständnis der letzten Ereignisse in Hitler - Deutschland . Ungewöhnlich interessant und aufschlußreich

Konrad Heiden :

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Geschichte des Nationalsozialismus bis in die neueste Zeit

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BRIEFKASTEN

H. K. Herzlichen Dank. Ihre Arbeit ist ausgezeichnet. Wir druden fie. Gern geben wir noch Ihre Lustige kleine Geschichte mit einem leider ernsten Hintergrund" unserer Leserschaft weiter:" Ich saß im Suge und las die Deutsche Freiheit". Mir gegenüber saß ein Deuts scher. Der Zug mußte nun über italienisches Gebiet und ein Be­amter kontrollierte die Pässe, wobei ihn der Deutsche fragte, ob er nicht auch deutsche Päse kontrolliert habe, worauf dieser verneinte. Darauf bat er sich von mir die Freiheit" aus, deren Inhalt er alsbald gierig verschlang. Er vergaß aber nicht bei jeder Station hinauszusehen, ob sich nicht so ein lieber Landsmann nähere."

An alle Reinlichen. Der von den Nazi ermordete Felig Fechenbach wurde 1922 vom Volksgericht München wegen ans geblichen Landesverrats zu 11 Jahren Zuchthaus verurteilt. Nach dem die Wiederaufnahme gegen die Urteile der bayerischen Volks gerichte gesetzlich eingeführt war, hob das Reichsgericht das Urteil auf und stellte das Verfahren gegen Fechenbach ein. Fechenbach war wegen einer nicht begangenen Tat, die im Fall der Begehung vers jährt gewesen wäre, verurteilt worden. Die Strafsache gegen Fechen­bach war hauptsächlich durch die geschiedene Frau Fechenbachs, eine Dr. Martha Czernichowsky- Fechenbach, in Fluß ge­kommen. In einer Anzeige eines Anonymus war auf das Zeug­nis" der Frau Czernichowski- Fechenbach bezug genommen. Sie wurde als Zeugin" vorgeladen und packte als solche, wiewohl ihr als geschiedener Frau ohne weiteres ein Zeugnisverweigerungsrecht zustand, in seitenlangen Protokollen über den angeblichen Landes­verrat Fechenbachs aus, selbstverständlich pflichtgemäß". Nach der Berurteilung Fechenbachs legte die geschiedene Frau seinen Namen ab und praktizierte unter ihrem Mädchennamen Czernichowski als Aerztin in Deutschland . Nach der nationalen Revolution" wan­derte sie nach Palästina aus. Wer aber beschreibt das Erstaunen aller Anständigen, daß nun, nach der Ermordung Fechenbachs, diese Frau seinen Namen wieder als Reklameschild benutzt? In Jeru salem hängt vor ihrer Wohnung ein Schild: Dr. Czernichowski­Fechenbach, Aerztin ." Die Meinung der Nazi, Fechenbach sei ein Landesverräter gewesen, ist die Ursache seiner Ermordung. Diese Meinung ich nach dem Dargelegten in erster Linie durch die geschie dene Frau verursacht und verschuldet. Sollte sich diese Frau nicht schämen, jetzt das Andenken, das die Welt Felix Fechenbach als einem Märtyrer der sozialistischen Idee gewährt, für ihre Geschäfts­zwecke zu benußen? Die Frage stellen, heißt auch, sie beantworten. Aus Aegypten schreibt man uns: ,, Vor etwa drei Monaten fand vor dem Sondergericht München unter Ausschluß der Oeffentlichkeit eine Verhandlung gegen einen Herrn statt, der der Beleidigung Hitlers angeklagt war, weil er gesprächsweise behauptet hatte, Hitler sei schwul". Der Angeklagte beteuerte, lediglich eine allgemein ver­breitete Ansicht ohne jede beleidigende Absicht weiterverbreitet zu haben, die, ob sie zutreffe oder nicht, an sich überhaupt keine Be leidigung darstelle, da Homosexualität nicht ehrenrührig sein könne, wenn, wie allgemein bekannt, Männer aus der nächsten Umgebung Hitlers und im Besitze der höchsten staatlichen Ehren­stellen homosexuell seien. Der Angeklagte wurde tatsächlich frei gesprochen.- Die Homosexualität Brückners, des persönlichen Adjutanten Hitlers ist erwiesen. In München lief lange Zeit eine sittlich übel beleumdete geschiedene Frau, trop rein jüdischer Abstammung, mit dem Parteiabzeichen herum. Sie brüstete sich in der Deffentlichkeit damit, daß alle Münchener Parteigrößen, wie Esser und Röhm, in ihrem Hause verkehrten". Die Frau beschäf­tigte einen 13- bis 14jährigen bildhübschen Hitlerjungen als Halb­tagsmädchen", angeblich zur Reinhaltung ihrer Wohnung. Als sie eines Tages dem Jungen Vorwürfe wegen unentschuldigten Aus­bleibens machte, erklärte dieser sein Fernbleiben vom Dienst" da mit, daß er bis nachts 2 thr bei Herrn Oberleutnant Brückner gewesen und dort mit Sekt traktiert worden sei. Infolgedessen sei er am nächsten Morgen zu müde gewesen, um rechtzeitig aufzustehen. Worin der Dienst" bei dem Herrn Oberleutnant im Einzelnen bestanden hat, hat der Junge allerdings nicht erzählt." würde die Erotika der Hitlerpaladine nicht interessieren, wenn ER, Heß und andere Typen nicht die Erneuerer und Reiniger Deutsch lands spielten. Das sind uns schon die richtigen Moralhelden.

Literatur

Uns

,, Desterreich 1934", die Geschichte einer Konterrevolution, die sich bereits im Druck befindet und im September im Europa - Verlag Zürich erscheinen wird. Das Buch, 280 Seiten start, ist der erste Versuch einer eingehenden, geschichtlichen Darstellung der großen Probleme des heutigen Desterreich. Es schildert den aufregenden Kampf, den die österreichischen Arbeiter 7 Jahre lang, vom 1. Juli 1927 bis 12. Februar 1934, gegen die faschistischen Gefahren geführt haben. Es zeigt, wie nach den Februarkämpfen der Austrofaschismus vollendet wurde. Es bespricht die internationalen Zusammenhänge der österreichischen Frage und legt die Gründe der tiefen Unruhe dar, die das kleine, von politischen und wirtschaftlichen Krisen gepeinigte Land durchzittert. Das Buch von einem der besten Kenner der österreichischen Politik geschrieben enthält viele bisher unbekannte Einzelheiten über die Entwicklung der österreichischen Konterrevolution. Da Desterreich weiter im Mittelpunkt des Welt­interesses steht, kommt diesem Buch erhöhte Bedeutung zu.

Für den Gesamtinhalt verantwortlich: Johann Piz in Dud weiler; für Inserate: Ctto Kuhn in Saarbrücken . Rotationsdrud und Verlag: Verlag der Volksstimme GmbH., Saarbrücken 8, Schüßenstraße 5.- Echließfach 776 Saarbrüden.

WESTLAND

Unabhängige deutsche Wochenzeitung

erscheint in Saarbrücken jeden Freitag.

Westland" behandelt in unparteiischer Weise politische, kulturelle und wirt schaftliche Fragen. Besondere Aut merksamkeit widmet es der deutschen Entwicklung. Die nationalsozialistische revolutionäre Uebergangszeit will es begreifen und nicht bejammern helfen Deshalb späht ,, Westland" nicht ,, An­griffspunkte" aus, sondern sucht ein umfassendes Bild zu geben. Es wendet sich an den selbständig denkenden Leser, der mit ihm die Wahrheit für die schärfste Waffe des politischen Kampfes hält.

Aus der neuesten Nummer:

Heldenleben des Dr. Ley Essen und die Mordaktion

Plutos Reich: die Bergleute an der Ruhr Donau und Saar

Saargebiet an der Reihe

Der Ferngas - Betrug

Die regelmäßige Zustellung

erfolgt durch die Westland- Verlags- G. m. b. H Saa brücken 3+ Brauerstraße 6-8+ Telefon 21014

nutzte dazu sogar wohlriechendes Pulver, Besen und Hand­tücher.

Aber die Wolke der geflügelten Ameisen verschwand an­scheinend nach einer unbekannten Bestimmung erst, als die Tiere wohl glaubten, nun lange genug Station gemacht zu haben.

Auf dem Kriegsschauplats blieben einige tote Ameisen zurück als einzige Zeugen dieses vorübergehenden feindlichen Einmarsches.

Der verhexte Gutspächter

Marcel Serenne, ein zwanzigjähriger Landwirt in Saint­Philbert de Grandlieu, kehrte in Begleitung des sechzig­jährigen Landwirts Victor Herriaud auf seinen Pachthof zurück. Unterwegs machte Herriaud seinem Begleiter das Geständnis, daß er glaube, von einem Zauber verhext zu sein. Seine Kühe gäben keine Milch mehr und seine Kinder seien fortwährend krank. Er fragte also den Nachbarn, ob er nicht Bücher besäße, in denen etwas über Zauberei stehe. ,, Gewiß," erwiderte Serenne und erklärte sich bereit, sie ihm zu bringen. Nun aber erzählte Herriaud die Geschichte weiter, und am nächsten Tage behauptete das ganze Dorf, Serenne sei ein Zauberer. Jetzt suchte dieser nun den alten Herriaud auf und wünschte von ihm Aufklärung über dieses Gerede. Herriaud erwiderte ganz einfach, der andere sei eben ein Zauberer und habe ihn verhext. Serenne wollte nun das boshafte Vergnügen mit Herriaud weiter fortsetzen. Er zeigte diesem deshalb ein geschicktes Taschenspielerkunst­stück. Jetzt war es für den Alten ganz klar, daß er von Serenne verhext war. Er packte nun einen riesigen Stein und warf ihn dem anderen ins Gesicht. Schwerverletzt trug man Serenne weg. Nun wird die Hexengeschichte den Strafrichter beschäftigen.

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