- Hintienbiirg Vo»®a 0 1 dem Reichspräsidenten und GeneralfeldmarschaN P a ul von Hindenburg und Beneckendorff Ichlietzt ein Mann die Augen, dessen nationale Legende Nch in der deutschen Geschichte nur mit Figuren wie Karl ^©tofee, Kaiser Barbarossa, Friedrich der Große, Wilhelm I. und Bismarck vergleichen läßt. Die Untersuchung seines geschichtlichen Werdens lehrt uns. wie verhältnismäßig gering die persönlichen Leistungen eines Menschen sein können, um ihm den Nachruhm eines Großen zu sichern. Wäre der pensionierte General von Hindenburg im Juli 1914, 67jährig, gestorben, so würde sein Name nur in einigen Offizierskasinos und Regiments- und Korpsgeschichten für einige Jahre fort- gelebt haben. Nichts kündet bis an die Schwelle des Greisenalters hervorragende militärische Leistungen Hindenburgs. Keiner seiner Kameraden und keiner seiner hohen Vorgesetzten sah in ihm einen General über oen Durchschnitt, einen Strategen, einen Heerführer. In den Tagen der Mobilmachung dachte niemand in der Obersten Heeresleitung daran, dem alten General in Hannover irgendein Kommando, und wäre es nur in der Etappe oder in der Heimat, zu übertragen. Der Aller- höchste Kriegsherr und seine nächsten Berater erinnerten sich des verabschiedeten Korpskommandeurs erst, als die Russen tief in Ostpreußen eingedrungen waren und schwierige militärische Operationen, verbunden mit schick- ,alsichwerer Schwächung der Westfront durch die Ent- sendung mehrerer Armeekorps in den Osten, notwendig wurden. Tie strategische Führung des militärisch und für die Widerstandsmoral im Volke enorm wichtigen Gegenstoßes lm Osten wurde dem eben erst zum General beförderten Erich Ludendorff übertragen. Dieser energische und von einem großen Ehrgeiz beseelte Mann hatte sich schon in den ersten Kriegstagen bei dem Handstreich auf die belgische Festung Lüttich ausgezeichnet. Ihm traute man den stählernen Fleiß, die harten Nerven und die rasch planenden Entschlüsse für die gewaltigen Schlachten in Ostpreußen zu. Seine militärische Charge und seine verhältnismäßige Jugend ließen aber seine Ernennung zum Heerführer nicht zu. Auch sein Charakter nicht. Man suchte für ihn einen gereiften General, der in seiner Persönlichkeit die Gewähr dafür bot, daß er mit dem unruhigen und höchst unbe- quemen Ludendorff ohne nennenswerte Reibungen arbeiten konnte. So oerfiel man auf Hindenburg . Sein Charakter und nicht seine militärische Bedeutung entschied die Berufung. Für die nun beginnende weltgeschichtliche Arbeit Hindenburgs ist dieses Vertrauen in die Beständigkeit, ja in die Schwer- fälligkeit seines Charakters, diese Abneigung gegen Ex- perimentieren, das altkonservative Denken und Handeln entscheidend. ♦ Wie General Helmut von Moltke noch am Morgen des 3. Juli 1866 ein in Preußen kaum genannter und außer- halb der Landesgrenzen ganz unbekannter Mann war, am Abend jedoch als Sieger von Königgrätz seinen Weltruhm gesichert hatte, so ist Hindenburg Ende August 1914 durch den einen Heeresbericht über den Sieg von Tannenberg für immer in die Ruhmeshalle der großen Feldherren eingetreten. Für das deutsche Volk war er von dieser Stunde an der Befreier Ostpreußens . Zum ersten Male der Retter des Reichs. Von seinem Stabschef Ludendorff wußten damals nicht viele. Er stand unbeachtet in dem mächtigen Schatten Hindenburgs und. trat erst in den nächsten Iahren mehr in den Vordergrund, als in der langen Dauer des schweren Krieges große politische Ent- scheidungen drängend wurden. Die schwachen Figuren des Kaisers und seines Sohnes verblaßten in den Wettern des Weltkrieges rasch. Die Spitzen der Monarchie hatten lange vor dem 9. November 1918 in Volk und Heer die Autorität verloren. Die Marneschlaäst stürzte den Generalstabschef von Moltke , den kleinen Neffen des großen Oheim. Kein deutscher Heerfüh.er konnte in den langen Stellungskämpfen und in den gigantischen Bewegungsschlachten den großen Namen streitig machen, den Hindenburg bei Tannenberg gewonnen und in den masurischen Winterschlachten be- festigt hatte. So wurde er, als der Krieg immer mehr zu einem militärischen und wirtschaftlichen Weltgericht gegen das deutsche Reich emporwuchs, schließlich zum Oberbe- fehlshaber über alle Riesenheere an sämtlichen deutschen Fronten ernannt und General Ludendorff wurde sein Generalquartiermeister. Hindenburgs über- ragende militärische Position blieb auch unangetastet, als im Oktober 1918 Erich Ludendorff unter der Wucht der militmischen Zusammenbrüche an fast allen Fronten und unter dem Mißtrauen des neuen ersten parlamentarischen Reichskabinetts gestürzt wurde. Sein Nachfolger wurde General Gröner. Er durchlebte mit Hindenburg die Novembertage 1918. Er wurde aktiv, als die Frage der Abdankung des Kaisers unter dem Drängen des Reichs- Kanzlers PrinzMaxvonBaden im großen Haupt- quartier zur Entscheidung stand. Von ihm stammt das Wort:„Majestät, in solcher Situation ist der Fahneneid eine Fiktion." Eine Wahrheit, die ihm die Monarchisten und ihre Generale nie verziehen haben. Hindenburg blieb passiv, wie im Grunde stets in seinem Leben. Er stand auf seinem Posten und harrte aus. Still wäre er beiseite getreten, wenn der Reichskanzler und Volksbeauftragte Friedrich Ebert es befohlen hotte. Die neue Regierung wünschte aber sein Bleiben. Sie wollte die ungeheuren Schwierigkeiten im Innern und die drohende Zersetzung im Heere, die in der Etappe schon bis zu Auflösungserscheinungen gediehen war. sie wollte die unabsehbaren Ausgaben des Rücktransportes der Massenheere in rasch aufeinanderfolgenden Terminen, die durch den Wassenstillstand vorgeschrieben waren, nicht noch mehr komplizieren. So liquidierte Hindenburg mit seiner Autorität organisatorisch das große und großartige deutiche Volksheer des Weltkrieges. * Der historische Fehler jener Tage lag weniger tn vem Belassen Hindenburgs auf seinem militärischen Führer- posten in Spa, als in der heute unbegreiflich erscheinen- den Tatsache, daß man nicht den Wasfenstill- st and, der einer Kapitulation nahekam, mit dem Namen des F e l d m a r s ch a l l s ver- bunden hat. Erzberger ging seinen Opfer- und Todesweg zu General Foch in den Wald von Compiögne. Er und Ebert und Scheidemann waren von nun an die Dolchstößler, die landesverräterisch dem im Felde unbesiegten grauen Heere den Siegeskranz entrissen hatten, der nach der nationalsozialistischen demagogischen Lüge zum Greifen nahe war. Generalfeldmarschall von Hindenburg hatte dem mit den Waffenstillstandsoerhandlungen beauftragten Reichstagsabgeordneten Erzberger ausdrücklich und un- zweideutig und urkundlich kundgetan, daß der Waffen- stillstand unbedingt sofort abgeschlossen werden müsse, auch wenn der französische Generalismus keinerlei Er- leichterungen zugestehe. So von der militärischen Spitze gedrängt, unterschrieb Matthias Erzberger das furchtbare Dokument. Daß Generalfeldmarschast von Hindenburg später vor dem Untersuchungsausschuß des Reichstags dennoch sich den Dolchstoßschwindel zu eigen machte, ließ zum ersten Male erkennen, wie stark er gewissen mili- tärischen und gesellschaftlichen Einflüssen zugänglich war, und wie sehr er dann bewußt oder unbewußt die klare Wahrheit verbog. Nach der Auflösung der großen Heeresmassen schied General von Hindenburg aus dem Reichsdienst aus. Wie einst als verabschiedeter General zog er sich wieder in seine Häuslichkeit zu Hannover zurück. Anders als der unruhige Ludendorff, dessen unbefriedigter Ehrgeiz die Entmachtung nie verwinden konnte. An den gegenrevo- lutionären Treibereien gegen die Republik , die im März 1926 in dem verunglückten Kapp-Putsch gipfelten, war Ludendorff immer wieder beteiligt. Er sollte auch die „nationale Armee" kommandieren, die Adolf Hitler schaffen wollte, als er am 8. November 1923 vom Bürger- bräukeller zu München aus seinen Adlerflug zur Be- freiung der deutschen Nation antreten wollte. Erst von da ab versank Ludendorff ganz in lächerliche, an Narretei grenzende völkische Spielereien. Die Schwerfälligkeit und die innere Ausgeglichenheit Hindenburgs, der sich mit seinem von ihm nie erwarteten und wahrscheinlich auch nicht ersehnten Weltruhm als Heerführer saturiert fühlte, auch wenn seine militärische Laufbahn mit der größten Niederlage aller Zeiten geendet hatte, bewahrte ihn vor politischen Strebereien. Er blieb in Hannover und wartete, im Grunde derselbe wie in den Vorkriegsjahren. auf nichts. Man darf glauben, daß seine Wünsche nur auf ein friedliches Alter gerichtet waren. * Da starb Friedrich Ebert , von den nationalisti- schen Verleumdern in den Tod gehetzt. Die Macht der herrschenden feudalen und kapitalistischen Schichten der Wirtschaft, die durch die politische Umwälzung von 1918 nicht gebrochen worden war. hatte sich inzwischen wieder so erweitert, daß sie den sozialistischen Volksmassen die Reichspräsidentschaft mit Erfolg streitig machen Konuten- Dies um so mehr, als die Zerklüftung der sozialistischen Arbeiterklasse in Sozialdemokraten und Kommunisten sich vertieft hatte. Beide Parteien konnten sich zu keiner politischen Aktion zusammenfinden. Jetzt nicht in der überparteilichen Präsidentschaftswahl und auch später nicht. Der republikanische Sammelkandidat, Wilhelm M a r x, ein biderer Zentrumsmann, ohne großes Format und ohne alle Eigenschaften, an denen sich die Phantasie des Volkes hätte entzücken können, stand gegen den nicht minder unbedeutenden Duisburger Oberbürgermeister und Reichsminister des Innern, Dr. I a r r e s. Der kommu- nistische Sonderkandidat, Ernst T h ä l m a n n, machte den Sieg des Republikaners Wilhelm Max im ersten Wahlgang unmöglich. Hingegen wäre Wilhelm Marx im zweiten Wahlgang Reichspräsident geworden, wenn nicht Iarres zum Verzicht bewogen und an seine Stelle Gene- ralfeldmarschall von Hindenburg zum Kandidaten ausge- rufen worden wäre. Nach einem kurzen, erbitterten Ringen siegte er mit knapper Mehrheit über seinen zivilistischen republikanischen Gegner. Das war im Jahre 1925. Als er in einem feierlichen Staatsakte im Reichstage vor der Volksvertretung auf das schwarz-rot-goldene Reichsbanner in die Hand des sozialdemokratischen Reichs- tagspräfidenten Paul Löbe den Eid auf die Verfassung der Republik leistete, gingen starke Zweifel durch das Parlament, ob der alte Soldat, der drei preußischen Königen fast sechs Jahrzehnte gedient hatte, dem republikanischen Staate den Schwur halten werde. Die Hoffnungen der Gegenrevolution wurden mächtig geweckt. Die Sorgen der Republikaner wuchsen. Indes war der Reichspräsident von Hindenburg mehr als ein halbes Jahrzehnt eine einzige Enttäuschung für die deutschnationalen Monarchisten, hinter denen, nur erst schwach und wenig beachtet, die völkischen Gruppen um die Nationalsozialisten sich erhoben. Der Generalfeld- Marschall als Reichspräsident, der aus seiner Monarchist!- schen Ueberzeugung und aus seinem inneren Treueverhält- nis zum preußischen Königtum nie ein Hehl gemacht hat, übte sein Amt streng verfassungsmäßig, mehr und mehr sogar mit einer gewissen persönlicken Wärme für das Staatswesen aus, zu dessen Führung er in so hohem Alter gerufen worden war. Er arbeitete loyal mit Polstikern wie Stresemann , Otto Braun , Her- mann Müller und Paul Löbe zusammen. Es ist nicht zu leugnen, daß der im Grund unpolitische alte Mann seinen Gesichtskreis noch zu erweitern verstand und mehr als einmal selbständige Entscheidungen traf. Mehr noch als innenpolitisch trat er außenpolitisch in Gegensatz zu den nationalistischen Kräften, die ihn gewählt hatten. Die Dawes- und Aoung-Gesetze, die Locarno - und Kellogg - Pakte tragen seine Unterschrift. Er geriet in eine Linie mit den schlappen Pazifisten und verruchten Landesver- rätern. Politische Gassenbuben wie Dr. Goebbels be- schimpften ihn öffentlich. Er schwieg und arbeitete und harrte auf seinem Posten aus wie stets. Diese wichtige geschichtliche Periode von Stresemann bis Hermann Müller darf nicht übersehen werden, wenn man den Entschluß der republikanischen Parteien ver- stehen will, die im Frühling 1932 in einer letzten gemein- samen Front sich auf die Wiederwahl Hindenburgs einten, um wenigstens in der höchsten Spitze des Reichs und im Kommando der Wehrmacht eine Persönlichkeit zu wissen, die damals im schroffen sachlichen und persönlichen Gegen- satz zu den verbrecherischen Naturen in der Führung des Nationalsozialismus stand. Der 85jährige wurde zum zweiten Male Reichspräsident. Die republikanische Parole für den uralten kaiserlichen Feldmarschall des Weltkrieges war das sichtbarste Zeichen der inneren Schwäche des deutschen Republikanismus und seiner Ab- lehnung durch gewaltige Teile der Nation. Der Reichs- Präsidentschaftskandidat Adolf Hitler erhielt Stimmen- zahlen, die in das Phantastische stiegen und die natio- nalsozialistische Hochflut zu einer unmittelbaren Staats- gefohr machten. Die zweite Reichspräsidentschaft Hindenburgs zeigt auch bei rückhaltendem Urteil keinerlei große Linien mehr. Der alte Mann wurde von politischen und militärischen und gesellschaftlichen In- trigen hin und her gerissen. Der schwankende Charakter von Popens , zusammen mit bornierten, um ihren Be- sitz sich sorgenden, auf Subventionen lauernden östlichen Gutsbesitzern regierte ein Jahr lang den Reichspräsi- denten. Das unwürdige Hin und Her des Jahres 1932, die unkluge Trennung von allen lebendigen Massen- Kräften, die Kette von Rechtsbrllchen. die Zermürbung der beschworenen Reichsverfassung, die abenteuerlichen, die unverantwortlichen Schiebungen hinter den Kulissen entwickelten sich, die schließlich zu dem Hassardeurstreich der Berufung Adolf Hitlers zum Reichskanzler am 36. Januar 1933 führten. MitoerlogenemPathos, mitFackelzügen. mitdemtheatra- tischen Staatsakt von Potsdam wurde diese letzte Aera der Reichspräsidentschaft Hindenburg begannen. Er stirbt nun in Tagen, die den politischen, wirtschaftlichen und morali- schen Zusammenbruch eines Systems aus Meineid und Terror und Raub und Mord aller Welt zeigen. Die per- sönliche Schuld des Mannes an diesem rapiaden Verfall Deutschlands zu untersuchen, ist hier nicht der Ort. Wir schätzen sie nicht zu hoch ein. Seine Passivität, seine geistige Unbeholfenheit und seine auch moralische Primi- tivität haben wohl seit langem den Wirbel und die um- wälzenden Wirkungen der Vielfalt von großen Ereig- nissen nicht mehr überschauen können. Als der vielgeschmähte Friedrich Eberl an einem Märzabend des Jahres 1925 als Leichnam aus dem Palais des Reichspräsidenten getragen wurde, waren er und seine Familie so arm wie an dem Tage im Jahre 1919, der den sozialdemotzratischen Abgeordneten und Parteiführer zum .Staatsoberhaupt gemacht hatte. Neben ein paar be- scheidenen Möbelstücken war es das geistige Rüstzeug des Autodidakten, das die Hinterlassenschaft geblieben war: eine kluge und vornehm ausgewählte Vücherei. Die nationale Legende verschweigt die Uneigennützig- keit des idealistischen Marxisten Friedrich Ebert , den sie politischen Kindern aller Altersstufen als einen gering- wertigen, egoistisch-materialistisch denkenden und handelnden Emporkömmling hinstellt. Dieselbe nationale Legende verschweigt natürlich auch, daß der nun ver- storbene Reichspräsident und seine Familie keineswegs von der vorbildlichen Katonischen Strenge des Sozialdemokraten Friedrich Ebert.in Fragen der persönlichen Bereicherung waren. Dotationen an Minister und Generale sind in Preußen nicht selten gewesen. Es ist aber ein einzigartiger Vor- gang, der mit altpreußischen Begriffen nicht zu verein- baren ist, daß der Generalfeldmarschall und Reichspräsi- dent sich aus Summen, die von hochkapitalistischen Schichten gesammelt worden waren, ein Rittergut und später noch eine große Erweiterung dieses Besitzes schenken ließ. Noch weniger korrekt war die sofortige Ueberschreibung an seinen Sohn Oskar von Hindenburg , nur zu dem Zwecke, um dem Staat die Erbschaftssteuer bei dem, Ableben des Reichspräsidenten vorzuenthalten. Das war eine Vorsicht in steuerlichen Dingen, die selbst die notorische Steuerscheu des Altreichskanzlers Fürst von Bismarck weit hinter sich ließ. Die patriotischen Kinder- fibeln, zu denen seit jeher auch alle kapitalistischen und christlichen Zeitungen gehören, werden freilich solche Tat- fachen niemals zur allgemeinen Kenntnis bringen. Dem Volke muß der Glaube an Halbgötter , die nur durch Ge- schichtslügen möglich find, erhalten werden. Hindenburg erhielt das Familiengut Neudeck geschenkt, damit er bodenständig immer wieder im Kreise der härtesten und zuverlässigsten Stützen aller Reaktion, der adligen Grundbesitzer, sich erholen könne. Im Herren- hause zu Neudeck sind die politischen Intrigen zum Ziele gesuhlt woxdeNj die den Reichspräsidenten von Hinden-
Ausgabe
2 (3.8.1934) 177
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