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Einzige unabhängige Tageszeitung Deutschlands

Neue Entscheidung des Väl­

kerbundes über die Saar !-

Von Max Braun

Die Greuelmärchen

Seite 3

des De. Johann von Leers Seite 7

Nr. 1812. Jahrgang

Saarbrücken , Mittwoch, den 8. August 1934

Chefredakteur: M. Braun

Der ,, legale" Staatsstreich

Die Lüge des 1. August und die Welt

Berlin , 7. August.

Zu den widerlichsten Mitteln des nationalsozialistischen Volksbetruges hat es von jeher gehört, verlogene Behauptun­gen solange zu wiederholen, bis sie als Wahrheiten hingenom­men werden. Mit das schlimmste, was auf diesem Gebiete geleistet worden ist, ist der niederträchtige Mißbrauch des Begriffs Legalität". Hitler ist legal" zur Macht gelangt, die verfassungswidrigen und rechtbeugenden Gesetze sind " legal" erlassen worden, die Morde vom 30. Juni und 1. Juli find legal".

Und nun ist, um allem die Krone aufzusetzen, auch der Staatsstreich vom 1. August, legal"; so legal, daß das famose nachträgliche Plebiszit nicht etwa angeordnet ist, um ihn nachträglich zu legalisieren, sondern nur, um wieder einmal festzustellen, daß die Nation geschlossener als je hinter dem Führer steht"( wobei sicherlich schon heute die Vorbereitung getroffen ist, wieviel Neinstimmen höchstens gezählt werden dürfen, damit die Feststellung in überwältigendem Maße gelingt). Daß die nationalsozialistischen und gleichgeschalteten Beitungen des dritten Reiches" die Legalität" eines Kabinettsbeschlusses, der einen Grundpfeiler der Deutschen Republik, den auf Zeit vom Volfe gewählten Reichsprä­sidenten, einfach beseitigt und den jeßigen Reichskanzler zum lebenslänglichen Reichspräsidenten ernennt, mit eiserner Stirn vertreten, ist nicht überraschend. Daß aber sogar die ernsthafte Presse des Auslandes dazu neigt, die Regalität" dieses brutalsten Staatsstreichs der Weltgeschichte im Hin­blick auf das Ermächtigungsgesetz vom März 1933 anzuerfen­hen, zeigt, wie nötig es ist, dem Legalitätsschwindel des dritten Reiches" immer wieder die Maske fortzureißen, selbst auf die Gefahr hin, Selbstverständliches zu sagen.

Der Schwindel beginnt mit der Behauptung, daß Hitler legal zur Macht gelangt sei. Tatsächlich ist durch bösartigste Intrigen und Lügen. die wahrscheinlich noch durch sehr wirk­same erpresserische Drohungen gegen seinen Sohn verstärkt worden sind, der in seiner Willenskraft bereits außerordent­lich geschwächte Reichspräsident von Hindenburg im Januar 1933 dazu bestimmt worden, Hitler die Kabinettsbildung zu übertragen. Von diesem Augenblick an ist nichts, aber auch gar nichts legal geschehen. Nicht nur, daß die Reichstags: wahlen, die das neugebildete Kabinett ausschrieb, durch rechswidrige Versammlungs-, Rede- und Zeitungsverbote in der ungeheuerlichsten Weise beeinflußt worden sind: der damals gewählte Reichstag ist überhaupt nicht zusammen­

getreten, da ein Teil der gewählten Abgeordneten, ins besondere sämtliche Mitglieder der kommunistischen Partei, zu seinen Sigungen nicht eingeladen worden ist.

Was sich in der Krolloper versammelt hat, war kein Reichs­tag, sondern ein Rumpfparlament, das ebensowenig gültige Beschlüsse fassen konnte, wie etwa ein statt vor­schriftsmäßig mit fünf nur mit vier Richtern besetztes Ge­richt Recht sprechen kann. Schon deshalb ist das Ermäch= tigungsgesetz unzweifelhaft nichtig, und alle auf Grund seiner ergangenen Geseze sind Machtakte ohne Legalität. Es kommt hinzu, daß das Kabinett Hitler von Papen- Hugenberg, dem der sogenannte Reichstag die Ermächtigungen erteilt hat, längst nicht mehr existiert, nachdem Papen und Hugen­ berg ausgeschieden sind und durch den Massenzug national­sozialistischer Großfrippenjäger Goebbels , Darré, Heß, Röhm, Rust- im Laufe der Zeit die ursprüngliche politische Zusammensetzung völlig geändert worden ist.

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Diese Deduktion ist so zwingend, daß es erübrigt, auf Einzelheiten einzugehen. Nur eine Frage: gibt es wirklich einen vernünftigen Menschen, der glaubt, daß selbst die Mehrheit des Rumpfparlaments, das im März 1933 dem Ermäch.igungsgeseze zugestimmt hat, und bei der sich neben den Nationalsozialisten doch immerhin noch Mitglieder aller bürgerlichen Parteien befanden, Herrn Hitler einen Freibrief ausstellen wollte, Deutschland bedingungslos dem Nationalsozialismus auszuliefern, seine politischen Gegner der Freiheit und des Vermögens zu berauben, das Par­der jetzige Reichstag " ist nur noch lament abzuschaffen- ein nationalsozialistischer Parteiausschuß, dessen Mitglieder auf Volkskosten Diäten und Freifarten erhalten, die Rechtspflege in ihr Gegenteil umzukehren, seine und seiner Spießgesellen Rachegelüfte durch Morde en gros und en détail zu befriedigen und schließlich durch das Gesetz" vom 1. August fich Befugnisse anzueignen, um die ihn die rus­sischen Zaren des siebzehnten Jahrhunderts hätten beneiden können?

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Das alles wird die Trabanten des dritten Reiches" nicht hindern an ihrem Legalitätsschwindel festzuhalten. Aber die übrige Welt sollte ein für alle Mal diesem Schwindel das Ohr verschließen und sich klar machen, daß Hitler und Lega lität zueinander passen wie Papen und Gesinnung oder wie Schacht und Charakter oder wie Professor Carl Schmitt und Rechtsgewissen oder, um es unpersönlich auszudrücken, wie Massenmörder und christliche Nächstenliebe.

Reichswehrgeneral über Röhms Ermordung

Der geborene Verschwörer Schleicher" wollte Verständigung mit Frankreich und wurde ermordet, wie er Beziehungen zu französischen Politikern anknüpite...

Es ist bekannt, daß zu den Allergetreuesten Hitlers in der Reichswehr der General von Reichenau gehört, Chef des Ministeramts im Reichswehrministerium. Jetzt ver­öffentlicht im Petit Journal" Stanislaus de la Roche­ foucauld eine Unterredung mit ihm.

General von Reichenan enthüllte, ohne daß es ihm vers mutlich bewußt war, das Geheimnis des 30. Juni. Er er flärte, der Reichskanzler habe sein Wort gehalten, als er den Versuch Röhms, die SA. in die Reichswehr einzu: gliedern, im Keime erstickt habe. Darum also ist Röhm ermordet worden!

Dian vergleiche die Bemerkung dieses Generals mit den Aeußerungen Hitlers im Reichstage vom 13. Juli, und man blickt wieder einmal in den Abgrund von Lug und Trug, der die Welt nicht mehr überrascht. Reichenau sagte wörtlich: " Wir lieben Hitler , weil er sich als wahrer Soldat gezeigt hat. Die Wehrmacht bewundert ihn wegen seines persön­lichen Mutes. Unsere Treue zur Regierung ist unbegrenzt. Wir stehen geschlossen hinter dem Führer und schätzen an seiner Seite besonders den General Göring , der mit seiner unerschütterlichen Treue zum Führer die Fähigkeit eines Staatsmannes verbindet."

Man sieht, daß hier ein getreuer Fridolin spricht. Der Tod seines früheren Kameraden Schleicher hat ihm zwar Schmerz bereitet", aber, so sagte General von Reichenau

weiter, Schleicher sei ein geborener Verschwörer gewesen. Bei einem ehemaligen Reichswehrminister sei der Gedanke unverständlich, mit Hilfe der SA. wieder an die Macht kommen zu wollen. Schleicher habe Verbindungen zu Röhm unterhalten. Aber nicht nur das: er habe ernstlich auf Frankreich gehofft, das ihm seine Regierungsaufgabe erleichtern sollte.

Reichenau sagte dazu: Ich bezichtige keineswegs Ihr Land, ich sage lediglich, daß Schleicher auf Frankreich rech nete. Der Gedanke ist traurig, daß Offiziere so leicht die Eigenschaften ihres Beruses in der Politik verlieren können. Im Falle Schleicher war das Unglück, daß er vergaß, Ge­horsam sei und bleibe erstes militärisches Gebot."

Viel flarer ist damit nicht geworden, was man Schleicher vorwirft und jetzt die Begründung zu seiner Ermordung mit seiner Frau abgeben muß. Er hatte diplomatische Be­ziehungen zu franzöfifchen parlamentarischen Kreisen an geknüpft, bestimmt nicht, um sich die Hilfe Frankreichs beim Sturz Hitlers zu sichern, sondern um die Möglichkeit einer späteren außenpolitischen Verständigung mit Fraut reich zu prüfen. Das also war der Hochverrat".

General von Reichenau ist gehorsam", wenn er auch genau das gleiche tut, was er Schleicher vorwirft, nämlich Politik betreibt. Er hält es durchaus in der Ordnung, daß seine

Fortseßung siehe 2, Seite

Die österreichische Sphinx

Vor Ueberreichung einer Note in Berlin Von unserem Wiener Korrespondenten Die Wiener Regierung hüllt sich in Schweigen. Dieses Schweigen ist geradezu unheimlich und es erinnert an die Haltung der alten österreichischen Regierung in den Tagen nach dem Mord von Serajewo. Damals, wie heute, hatten die offiziellen österreichischen Stellen Material ge­sammelt, um die Schuld der Drahtzieher des Attentats festzustellen.

Die Schuld Hitler- Deutschlands an den blutigen Ereig nissen in Oesterreich steht außer jedem Zweifel. Hitler selbst hat dies indirekt durch die Abberufung des deutschen Gesandten in Wien , Rieth, und insbesondere durch die Absetzung des sogenannten Landesinspek tors Habicht zugegeben.

Wenn München wirklich nicht das eigentliche Ver schwörernest gewesen wäre, von wo aus der Butsch vor­bereitet wurde, so wäre doch wirklich kein Anlaß gewesen, diesen Habicht Knall und Fall in die Wüste zu schicken.

Aber unabhängig von diesen Handlungen der Hitler­Regierung sind die Feststellungen, die bisher von der Wiener Regierung in bezug auf die Vorbereitungen des Butsches gemacht wurden, so belastend für das dritte Reich", daß sich der neue Oberste Kriegsherr" und seine Regierung der Verantwortung nicht entziehen werden, mag Lügen- Goebbels noch so sehr versuchen, sich aus der Affäre herauszudrehen.

Zunächst sei nochmals daran erinnert, daß einige Tage vor der Ermordung des Bundeskanzlers Dollfuß die Schweizer Behörden zwei aus Deutschland kommende österreichische Legionäre verhaftet hatten, bei denen im Kahn größere Mengen von aus Deutschland stammenden Sprengstoffen gefunden wurden. Die Schweizer Bundesregierung hat sogar wegen dieses Sprengstoffschmuggels bei der Berliner Regierung scharfen Protest erhoben. Ferner haben die österreichi­schen Behörden, wie es scheint, einen guten Fang in Kollerschlag , dicht an der deutschen Grenze, gemacht, wo sie einen Beauftragten der Münchener Verschwörer­zentrale, der bei sich chiffrierte Anweisungen trug, festge­nommen hatten.

Die Wiener Behörden haben dann die größte Aufmerk samkeit auf die Alpine Montangesellschaft , die ihren Sitz in Steiermark hat, gerichtet. Gerade vor­gestern hat die Bundesregierung einen Kommissar für sämtliche Unternehmungen dieses Konzerns ernannt. Die Alpine Montangesellschaft , deren Generaldirektor App­hold schwer belastet und verhaftet ist, ist ein deutsches Unternehmen. Wie wir bereits kürzlich berichtet haben, ist Generaldirektor Vögeler von den Vereinigten Stahl­werken AG. der Mann, von dem dieses österreichische Unternehmen im Grunde genommen abhängig ist. Eine Reihe von leitenden Angestellten und Ingenieuren der Alpinen Montangesellschaft waren an der Aufstandsbe wegung in Steiermark an führender Stelle beteiligt. Einiger dieser Angestellten sind teilweise deutsche Staats­angehörige und sind erst vor kurzem aus Deutschland zur

pinen Montangesellschaft versetzt worden, so daß zu­

mindest der Verdacht besteht, daß bei diesen Versetzungen nicht kaufmännisch- technische, sondern rein politische

Momente eine Rolle spielen.

Gestern ereignete sich ein Vorgang, der neuerdings die deutschen Behörden schwer belastet. In Alb im Salz­burgischen wurden bei Haussuchungen 120 Stielhand­granaten reichsdeutscher Herkunft gefunden und im Zus sammenhang damit neun Nationalsozialisten verhaftet. ( Wie im übrigen das deutsche Publikum über die öfter­reichischen Ereignisse informiert wird, geht beispielsweise aus der Tatsache hervor, daß die Frankfurter Zeitung " die Meldung bringt, ohne jedoch zu erwähnen, daß die Stielhandgranaten reichsdeutscher Herkunft sind und daß es sich bei den verhafteten Personen um National sozialisten handelt.)

Alle diese und noch viele andere Umstände, insbesondere aber die offene und systematische Verhehung der öster­reichischen Bevölkerung durch den deutschen Rundfunk werden die Wiener Regierung veranlassen, Schritte zu unternehmen, um in Zukunft dem Nazi- Spuk ein Ende zu machen. Wie man in den offiziellen Wiener Kreisen über das Verhältnis zu Deutschland denkt, geht aus einer sehr beachtenswerten Erklärung, die soeben der öster reichische Propagandaminister, Oberst Adam, abge­geben hat, hervor. Er sagte unter anderem:

,, Eines ist flar: nach all den beklagenswerten Gescheh= nissen seit dem März 1933 wäre die rein formale Shlich­tung der Gegensäge zwischen Desterreich und Deutschland ungenügend. Es kommt nicht nur auf die theoretische An= erfennung der Unabhängigkeit und des staatlichen Eigens