Die Saarabstimmung
und die 2. Internationale
Von
Mar Braun
Die Büro- Sigung der Sozialistischen Arbeiter- Internationale, die am 3. und 4. August in Brüssel stattfand, hat sich restlos und einstimmig in der Frage der Saarabstimmung hinter die Auffassung der Sozialdemokratischen Landespartei des Saargebietes gestellt. Sie lehnt wie diese eine Unterwerfung unter die Tyrannei Hitlers ebenso ab wie eine Angliederung an Frankreich , und sie stellt sich in bezug auf die Beibehaltung der heutigen Rechtsordnung auf den Boden jener Wünsche, wie wir sie wiederholt in Genf und bei den einzelnen Mitgliedstaaten des Völkerbundsrates vertreten haben.
Die Sozialdemokratische Landespartei des Saargebietes hatte der 2. Internationale ihre Stellungnahme in einem Exposé dargelegt, das auf Vorschlag von Emil Vandervelde, dem früheren belgischen Außenminister und belgischen Ratsvertreter, zur Grundlage einer Entschließung der Internationale gemacht wurde.
In diesem Exposé hat die Sozialdemokratische Landes
partei des Saargebietes ihrer Meinung dahingehend Ausdruck gegeben, daß gemäߧ 35 Absatz a des Saarstatuts für die Beibehaltung der heutigen Rechtsordnung eine Verfassung und Verwaltung durch den Völkerbundsrat geschaffen werden müsse, die eine Mitregierung der Saarbevölkerung vorsehe. Es bedarf keines besonderen Hinweis darauf, daß die ganz spezielle politische, ökonomische und soziale Situation der Saar eine gut ausbalancierte; den Interessen der Bevölkerung und des Gebietes ebenso wie der allgemein europäischen Interessen dienende Verfeilung der Gemalten zwischen den Organen des Völkerbundes und den demokratischen Organen der Saarbevölkerung genau fo erfordert, wie dabei allen Versuchen einer Sabotage seitens der Gangster- Methoden des dritten Reiches" und ihrer saarländischen Helfershelfer nach jeder Richtung hin von vorneherein die entsprechenden Riegel vorgeschoben werden müssen. Der§ 35 des Saarstatuts hat das bereits richtig formuliert, indem er verlangt, daß die neueinzuführende„ Verwaltungsordnung den dauernden Interessen des Gebietes und den allgemeinen Interessen" angepaßt sein müsse. Die dafür erforderliche Abstellung und Abstimmung dieser beiden Interessen aufeinander wird der Angelpunkt für das Gelingen und Gedeihen des sogenannten Status quo sein.
Dabei haben wir niemals aufgehört zu betonen, daß der Status quo für uns keine. Ewigkeitslösung bedeutet. Wir haben bereits einmal an dieser Stelle sehr eingehend dargelegt, daß sowohl juristisch auf Grund des Artikels 19 des Friedensvertrages wie auf Grund des praktischen
Präzedenzfalles der deutsch - französischen Saarverhandlungen von 1930 die Möglichkeit einer Revi sion des durch die Abstimmung geschaffenen Zustandes, falls derselbe die Beibehaltung der heutigen Rechtsordnung bedeutet, durchaus gegeben ist. Wir haben nie
Als im März 1931 der Reichswehrleutnant Richard Scheringer , der wegen nationalsozialistischer Propaganda in der Reichswehr vom Reichsgericht zu andertbalb Jahren Festungshaft verurteilt worden war, seinen Uebertritt in die kommunistische Partei bekannt gab, erregte diese Demonstration Aufsehen. Ehemalige Offiziere und nationalistische Aktivisten solidarisierten sich mit Scheringer ; sie gründeten die Zeitschrift„ Aufbruch, Kampfblatt im Sinne des Leutnant a. D. Scheringer". Der ersten Nummer, die im Juli 1931 erschien, setzten sie ein Motto aus den Schriften Lenins voran:„ Machen wir die Sache des Volkes zur Sache der Nation. Dann wird die Sache der Nation die Sache des Volkes sein."
Er wurde 1904 in Aachen als einziger Sohn eines aftiven Offiziers geboren. Sein Vater fiel im Jahre 1915. Im Herbst 1922 wurde Richard Scheringer zum erstenmal verurteilt: von einem amerikanischen Militärgericht im besetzten Gebiet, weil er angeblich eine Angehörige der Interalliierten Kommission" geschlagen habe. Er erhielt zwei Monate Gefängnis für eine Tat, die er nicht begangen hatte. Seit dieser Zeit beteiligte er sich aktiv an den Kämpfen gegen die Separatisten. Er wurde zum zweiten Male im Abwesenheitsverfahren von einem französischen Kriegsgericht verurteilt, diesmal zu zehn Jahren 3wangsarbeit. Unterdessen holte er in Berlin seine Reifeprüfung nach. Noch vor dem Abitur wurde er Mitglied der sogenannten„ schwarzen Reichswehr ". Dann fam er als Offiziersanwärter zum Artillerie- Regiment Nr. 5 in Ulm . Im Februar 1928 wurde er zum Leutnant befördert. Im September 1930 stand er zusammen mit seinen Kameraden Ludin und Wendt vor dem Reichsgericht, weil er die Reichswehr im Sinne des Nationalsozialismus zersetzen wollte.
Die jungen Offiziere schwärmten. Sie retsten herum, nahmen Fühlung" und empörten sich gegen den Kastengeist der Offiziersfasinos. Den Sozialismus des Gefühls, der ihnen vorschwebte, meinten sie in der NSDAP . zu finden. Ihr stürmischer Ueberschwang wurde schon bei der ersten persönlichen Verbindung mit dem Braunen Haus ein wenig gedämpft, aber was ihnen mißfiel, hielten sie für notwendige " Taftif". Sie glaubten die ganze Partei von dem Geiste des Draufgängertums und des Idealismus beseelt. Darüber sprachen sie mit Kameraden. Einer hielt nicht dicht. Im März 1930 wurden die drei Offiziere verhaftet.
Am 15. September 1930, einen Tag nach der sensationellen Wahl, die hundertsieben Nationalsozialisten in den Reichstag brachte, begann in Leipzig die Verhandlung gegen die Hochverräter. In einer Artikelreihe schrieb Scheringer :„ Der Prozeßverlauf bietet fein getreues Spiegelbild unserer damaligen Einstellung. Sie war viel radikaler... Wo immer sozialistische Gedankengänge oder allgemeine Sympathieerklärungen zum niedern Volk durchbrachen, da wurde der entstehende Eindruck von der Verteidigung geschäftig vermischt. Ich verweise nur auf die Aussage des Zeugen OberLeutnant Geist. Er erflärte, daß dem Soldaten der Gedanke
aufgehört darzulegen, wie sehr das Saarproblem ein So macht man Mehrheiten
Teilproblem einer endgültigen, aufrich.
am 19. August
Saarbrücken , 7. August. Die deutschen Sender haben angekündigt, daß die Saarländer an der Wahl" des Staatsstreich- Präsidenten am 19. August teilnehmen können. Sie sollen ihre Stimmzettel, nachdem sie den Wahlvermerk gemacht haben, als Brief nach Deutschland schicken.
tigen und umfassenden deutsch - französi- ,, Saarabstimmung" schen Verständigung war, ist und erst recht sein wird. Gerade deshalb wäre es sehr wünschens mert, wenn zu den oben gegebenen Garantien eine aus drückliche Erklärung hinzukäme, die nach einer noch festzulegenden Frist auf Antrag eines in absoluter Freiheit zustandegekommenen Mehrheitswunsches der Bevölkerung eine Neuentscheidung durch den Völkerbundsrat in Aussicht stellte. Selbstverständlich kann, darf und soll damit für die Anschlußmethoden Hitlers à la Desterreich unter keinen Umständen irgendeine Plattform ermöglicht werden.
Wenn sich der Völkerbundsrat zu dieser oder ähnlicher Stellungnahme bereitfinden wird, wird er einen dop pelten Sieg davongetragen haben: den seiner zwischen und überstaatlichen Jdee und den des überwältigenden Vertrauens einer national eindeutigen Bevölkerung zu ihm in der Stunde der Not, die in besseren Tagen einst tausendfache Frucht für die europäische Einigung auf der Grundlage der deutsch - französischen dauernden Aussöhnung tragen wird.
Neue Verhaftungen ,, Deutsche Front" an der Saar
Im Zusammenhang mit der gegen die deutsche Front"
auf Grund beschlagnahmten Materials geführten unter suchung ist eine weitere Verhaftung erfolgt. Die Landeskriminalpolizei hat einen Komplicen des Studienrates Dr. Otto Reisel, den Chauuffeur Schweizer festgenommen. Schweizer war bei der Firma Gebr. Hofer( Druckerei und Verlag der Saarbrücker Zeitung ") beschäftigt. Der Verhaftete ist dem Obersten Gerichtshof in Saarlouis zugeführt worden. Auch er soll sich zu Spizlerdiensten zum Nachteil jaarländischer Beamten hergegeben haben.
Haussuchung
Beim ,, Saarbrücker Abendblatt"
•
Montagvormittag wurde in den Räumen des Saarbrüder „ Abendblattes" eine Haussuchung vorgenommen.
In seiner Samstag- Ausgabe hat das„ Saarbrücker Abend: blatt" sich mit einem Geistlichen beschäftigt und dabei Schriftstücke zum Abdruck gebracht, von denen jeder sehen konnte, daß sie sich nur im Besitz der Behörde befinden können! Die Verordnung der Regierungskommission sieht für Fälle von Beamtenbeeinflussung bekanntlich schwere Strafen vor. Inwieweit die Gerichtsbehörden Grund haben werden, einzuschreiten, wird die nächste Zukunft ergeben müssen. Das„ Saarbrüder Abendblatt" schweigt sich erstaunlicherweise in seiner Montagausgabe vollkommen über die Hausfuchung aus.
Nazi- Spionage an der Saar
Wien, 7. August. Die offizielle Reichspost" meldet, daß in Saarbrücken eine Spionagezentrale der Nationalsozialisten aufgedeckt worden ist. Ihre Aufgabe war, die Stärke der französischen Truppen an der Saargrenze zu ermitteln. Die ,, Reichspost" schließt daraus, daß die Nazis das Ziel verfolgen, an der Saar einen Putsch nach dem Muster des Wiener Putsches zu inszenieren.
etwa auf Volksgenossen schießen zu müssen, furchtbar und ungeheuerlich sei. Sofort unterstellte die Verteidigung, mit „ Volksgenossen" seien nur Rechtsverbände gemeint. Ge.it mußte mit erhobener Stimme noch einmal sagen, er habe nicht von Rechtsverbänden, sondern von Volksgenossen gesprochen. Troß allem brach die Wahrheit wiederholt hervor. Der revolutionäre Grundton war nicht zu übertünchen.. Und deshalb wurden wir ja auch verurteilt." Während dieser Verhandlung, kam es zu dem Legalitätseid Hitlers , der der Hitlerbewegung im Bürgertum sehr nüßte. Der Mann war ja legal bis in die Knochen!
Die drei Leutnants wurden zu je anderthalb Jahren Festungshaft verurteilt. Wendt und Scheringer tamen auf die Festung Gollnow in Pommern , Ludin als Badenser nach Rastatt . In Gollnom saßen in jener Zeit etwa dreißig kom munisten. Man diskutierte.„ Natürlich gab es zuweilen auch fleine Reibereien," so berichtete Scheringer , aber wir fanden uns immer wieder zusammen. Denn eines war bestechend an diefen Leuten: der Fanatismus, mit dem sie zu ihrer Sache standen. So etwas hatten wir bisher kaum kennen gelernt. Sie gehörten wirklich mit Leib und Seele der Revolution... Der Typus war unbestechlich, stahlhart und besessen von der Idee... Diese Menschen werden nicht aufhören, für die Befreiung der Arbeiterklasse zu kämpfen, und wenn man sie in Stücke schlägt. Allmählich kamen Scheringer und Wendt Zweifel an der Echtheit des revolutionären Willens ihrer Parteiführer. Scheringer schrieb Briefe an Goebbels ; die Antworten waren nichtssagend. Ludin schrieb aus Rastatt ; auch er zweifelte.
Scheringer reichte Urlaub ein. Er wollte nach München ins Braune Haus . In Berlin ging er zuerst zu Goebbels . Sie fuhren gemeinsam nach München . Während der Fahrt fragte Scheringer : Wie will man denn die Zinsinechtschaft brechen?" Goebbels antwortete: Was heißt Brechung der Sinsknechtschaft? Brechen muß dabei nur, wer diesen Federschen Unsinn lesen muß. Wenn ich die Partei gegründet hätte, würde ich überhaupt kein Programm aufgestellt haben. Glauben Sie vielleicht, die SA. Leute fra= gen nach dem Programm?" Jm Braunen Haus fonnte Scheringer nur schwer zu Hitler vordringen. Man wimmelte ihn ab, versprach ihm Ministerposten, Hauptmannssterne im dritten Reich". Seine Fragen nach dem Sozialismus, nach der Revolution wurden überhört. Endlich gelang es ihm, Hitler zu sprechen. Der fuchtelt mit seiner Reitpeitsche und weicht aus in allgemeine Redensarten.„ Er redet nicht, sondern predigt. Der Fiebergeist des sterbenden Kleinbürgertums deliriert in ihm." Nach einer Weile beruhigt er sich. Er schwärmt von der Pracht des nach seinen Ideen eingerichteten Braunen Hauses.„ Sehen Sie, da muß ein Vorgeschmack des„ dritten Reiches" sein, dieses Haus... Die Bonzen sollen in ihren muffigen Regierungsräumen vor Neid erblassen vor diesem Haus." Von Politik ist nicht mehr die Rede. Mit ein paar Phrasen wird Scheringer verabschiedet.
Am 28. Februar war er wieder in Gollnow .„ Kurz vor Mitternacht marschierte ich auf das Zuchthaus zu", schrieb er. ,, Dunkel liegt der Bau da- nur im Festungsflügel glänzen noch einige beleuchtete Fenster. Da studieren sie noch die Kommunisten. Ich pfeife: Brüder, zur Sonne, aur Freiheit"
Diese Maßnahme ist als neues großes Manöver der Hitler - Regierung zu werten. Eine objektive Prüfung der Wahlzette!" wird es nicht geben. Die Beauftragten der Hitler - Regierung werden bestimmen, wie groß die Zahl der Saarländer sein wird, die für Hitler stimmt. Am Morgen nach der Wahl" kann in Berlin erklärt werden, daß Hitler im Saargebiet eine überwältigende Mehrheit" erhalten habe, und diese in jedem Falle gefälschte Zahl wird dann in der Nazi- Saarpropaganda eine Rolle spielen sollen.
Der saarländische Schlageter
Mannheim , 7. August. Die Nationalsozialisten haben die Absicht, den Schlageter- Rummel mit einer Lokalfarbe in das Saargebiet zu tragen. Unter der Ueberschrift„ Der Schla= geter des Saarlandes" schreibt das Hakenkreuzbanner": „ Am 20. Oktober sind es 15 Jahre, daß welsche Rachsucht im Saarland mit uns Deutschen unbegreiflicher Brutalität einen deutschen Arbeiter mordete.. Am 20. Oktober 1919 fiel Jacob Johannes in Saarbrücken unter den Kugeln französischer Soldaten... Dieser aufrechte deutsche Arbeiter... war vor seiner Hinrichtung auf das schimpflichste gemartert worden." Das Blatt ruft dazu auf, ein Denkmal für Johannes zu errichten.
Die haben Sorgen!
Der Film vom judenfreien Markt
Dem deutschen Bauer geht es augenblicklich schlecht. Der Getreideernteertrag ist wesentlich geringer als im vorigen Jahre, und deshalb werden auch die Einnahmen der Bauern trotz Erhöhung der Getreidepreise wesentlich geringer sein als im Vorjahr. Die Futtermittelernte ist ganz besonders schlecht ausgefallen. Der Kleinbauer, der befanntlich in der Hauptsache Abnehmer von Futtermitteln ist, kann sie bei den gegenwärtig enorm gestiegenen Preisen nicht erschwingen. Die Folge ist, daß die Land= wirte zu Massenschlachtungen von Vieh übergehen.
is tut nun die nationalsozialistische Regierung, was tut insbesondere der sogenannte Reichsbauernführer Darre, um die Not der deutschen Landwirte zu lindern? Seine Hauptbeschäftigung besteht darin, den deutschen Bauer„ aufzuklären". Wie macht er das? Hier ein Beispiel:
In der Bauernzeitung", Frankfurt a. M., vom 29. Juli dieses Jahres lesen wir:
„ Lang- Göns ( ein Film vom judenfreien Markt). Von dem Böckelmarkt in Lang- Göns wurde von der Abteilung Werbung der Landesbauernschaft ein Film gedreht, der am Sonntag, dem 29. Heuert, in der hiesigen Turnhalle vorgeführt wird. Der Film, der einen tiefen Einblick in das oberhessische Marktleben gibt, wird im ganzen Reich gezeigt werden."
Nun können die deutschen Bauern ruhig schlafen. Sie brauche: wecer daran zu denken, wie sie das teuere Futter beschaffen. noch sich darüber den Kopf zerbrechen, daß sie ihr Viek schlachten müssen. Denn die Lösung der deutschen Agrarfrise wurde ihnen im buchstäblichen Sinne dieses Wortes vor Augen geführt. Die Vieh- und Ge= treidemärkte müssen lediglich„ iudenfrei" sein, und dann geht es dem deutschen Bauern wieder gut. So wird im nationalsozialistischen Staat das schwerwiegende deutsche Agrarproblem gelöst.
Eine ganze Strophe durch.- Von oben kommt die Antwort: " Rot Front ". Da weiß ich, daß sie gewartet haben, die Genossen."
Im März fam der kommunistische Reichstagsabgeordnete Kippenberger nach Gallnow. Scheringer teilte ihm den Entschluß mit, in die KP. überzutreten. Kippenberger warnte: „ Sie müssen es sich überlegen. Wir haben feine Posten zu vergeben. Alles, was Sie bei uns finden werden, ist Gefahr für Leib und Leben. Ihnen droht Gericht und Gefängnis. Sie müssen bei uns mitkämpfen wie jeder andere auch." Scheringers Entschluß war unerschütterlich. In einem Brief, den Kippenberger im Reichstag verlas, sagte Scheringer sich öffentlich vom Faschismus los. Die Nationalsozialisten waren sprachlos. Die bürgerliche Presse sprach von„ jugendlichem Radikalismus, momentaner Verwirrung".
Viele ehemalige Kameraden, Vorgesetzte, Nationalsozialisten schrieben an Scheringer . Auszüge aus dieser Korrespondenz wurden bald nach dem Erscheinen verboten und gaben den Vorwand zu einem zweiten Hochverratsverfahren gegen Scheringer .
Noch vor Ablauf der Festungshaft wurde Scheringer in das Untersuchungsgefängnis Moabit gebracht und dort wegen " Verdunklungsgefahr" festgehalten. Er kam in eine schwere Zelle". Im April 1932 stand der kommunistische Leutnant wieder vor dem Reichsgericht. Zum zweiten Male ist Prästdent Baumgarten sein Richter. Diesmal herrscht ein anderer Ton. Als Scheringer die Motive seines Entschlusses erklärt, unterbricht ihn der Vorsitzende:„ Also Arm in Arm mit Herrn Stalin , dem roten 3aren, wollten Sie das deutsche Wolf befreien?" Scheringer antwortet:„ Stalin ist kein roter Zar"." Der Vorsitzende höhnt:" Da fragt man sich nun: was hat dieser junge Mann gelernt, daß er das deutsche Volk ermachen lassen will?" Scheringer antwortet stolz:„ Dieser junge Mann hat gelernt, daß es keinen Ausweg gibt aus der Krise des Kapitalismus als durch die Revolution der Arbeiterschaft. Diese Ueberzeugung habe ich, und für diese Ueberzeugung darf man mich einsperren."
Das Urteil lautete auf zwei Jahre sechs Monate Festungshaft mit verschärftem Strafvollzug. In der Begründung hieß es: Was waren die Motive der vorliegenden strafbaren Handlung? Nicht, wie das Gericht beim ersten Prozeß im September annahm: Vaterländische Betätigung; sondern diesmal ist der Angeklagte überall dabei, wo es um eine revolutionäre Tat geht." Damit war vom höchsten deutschen Gericht zweierlei Recht offen zugestanden.
Scheringer ist nicht amnestiert worden. Sein Freund Wendt, der zur Schwarzen Front " gegangen war, wurde im dritten Reich" totgeschlagen. Ludin, der bei Hitler blieb, erhielt einen fetten Posten. Scheringer saß bis zuleßt. In einem Brief, den ich im Januar 1933 von Scheringer erhielt, heißt es: In meiner Amnestiesache haben sich die Herren vom Reichsgericht ein böses Stück geleistet... Ich bin jedoch der Meinung, daß diese Methoden ihre Wirkung völlig verfehlen." Sie haben ihn nicht unterkriegen können. Zulegt hörte man von ihm im Winter 1934. Er war in Nürnberg erneut verhaftet worden, weil er in einem Kino das HorstWessel- Lied nicht fingen wollte. Seine alten Freunde ans der SA. haben ihn anscheinend wieder freigekriegt. Jebt hat man die Gelegenheit benutzt. Unter den„ Reaktionären", die der Sozialist" Hitler au fillen für nötig befand, ist auch Scheringer .